Entscheidungsdatum
28.01.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W181 2198108-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald PERL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.05.2018, Zl. 545290207-171207654, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.10.2019 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 8 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
III. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides betreffend die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
IV. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. und Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides betreffend die Rückkehrentscheidung und Abschiebung sowie gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch gemäß § 52 FPG in Verbindung mit § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt.
V. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 54 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 24.10.2017 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Im Rahmen einer am selben Tag vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF an, ledig zu sein, der Volksgruppe der Bengalen sowie der Religionsgemeinschaft der Sunniten anzugehören. Er habe im August 2011 legal über den Flugweg sein Heimatland Bangladesch verlassen, halte sich nun bereits seit mehr als sechs Jahren als Student in Österreich auf und mache gerade seinen Master an der Universität Wien. Auf die Frage, aus welchen Gründen der BF sein Heimatland verlassen habe, führte dieser aus, in Bangladesch gemeinsam mit seinem Vater einen Handel betrieben und - auf Grund einer Vereinbarung mit der Regierung - dabei medizinische Hilfsmittel in Spitäler geliefert zu haben. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit habe der BF - ohne das Wissen seines Vaters - Kriminellen monatlich ein Entgelt bezahlt, damit diese ihren Handel nicht schädigen. Nachdem der BF sein Heimatland im Jahr 2011 verlassen habe, habe sein Vater den Handel zwei bis drei Jahre weiter betrieben. Dann hätten die besagten Kriminellen jedoch auch vom Vater des BF ein Entgelt verlangt. Als dieser die Bezahlung eines Entgelts abgelehnt habe, sei der Vater des BF mit der Frage konfrontiert worden, aus welchen Gründen er - obwohl der BF das Entgelt zuvor bezahlt habe - an die Kriminellen nichts bezahlen wolle. Als man dem BF - nachdem er im Bundesgebiet zuvor drei Aufenthaltstitel erhalten habe - in Österreich die Ausstellung eines vierten Aufenthaltstitels verwehrt habe, habe er daran gedacht, das Land zu verlassen. Wenn er jetzt nun jedoch nach Bangladesch zurückkehre, drohe ihm eine Verfolgung dieser kriminellen Gruppierung. Sie würden ihm falsche Anzeigen anhängen und sein Leben ruinieren. Die Eltern des BF hätten ihm auf Grund von Sicherheitsbedenken verboten, nach Bangladesch zurückzukehren. Der BF habe Angst um sein Leben. Die Fragen, ob dem BF im Falle einer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe bzw. er im Falle einer Rückkehr mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte, verneinte der BF und er führte ergänzend aus, dass derzeit in Bangladesch viele falsche Anzeigen gegen Islamisten und Terroristen gemacht werden würden und er Angst habe, ein Opfer dieses Umstandes zu werden. Ob es schon Anzeigen gegen ihn gebe, wisse der BF nicht.
I.3. Am 15.01.2018 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) niederschriftlich einvernommen. Im Protokoll zur Einvernahme wurde eingangs festgehalten, dass - auf Grund der Deutschkenntnisse des BF - die Einvernahme in deutscher Sprache abgehalten, die Befragung zu den Fluchtgründen des BF allerdings in der Muttersprache des BF durchgeführt werde.
Im Rahmen der Einvernahme legte der BF eine Heiratsurkunde (ausgestellt am XXXX ), Sprachzertifikate (u.a. ÖSD Zertifikat B2), Studienbestätigungen aus Bangladesch, Bestätigungen zu Mitgliedschaften zu diversen Vereinen, Unterlagen der Universität Wien, mehrere Empfehlungsschreiben, einen Arbeitsvorvertrag aus dem Jahr 2016, Unterlagen des Kreditschutzverbandes, ein Konvolut an Rechnungen und Honorarnoten betreffend eine Tätigkeit als Zeitungszusteller sowie Unterlagen des AMS vor.
Auf Befragen führte der BF aus, in Dhaka geboren und vor seiner Ausreise im Bezirk/Distrikt Dhaka, Dorf XXXX , gelebt zu haben. Er sei zur Schule gegangen, habe maturiert und anschließend die Universität besucht. Seinen Lebensunterhalt habe er durch eine Tätigkeit im Großhandel seines Vaters verdient. Sein Vater habe das Geschäft noch immer. Nach Abschluss seines Studiums habe der BF im Alter von 24 Jahren Bangladesch - mit dem Ziel, in Österreich zu studieren - verlassen. Sein Studium im Bundesgebiet wolle der BF jedoch nicht weiterverfolgen, sondern er wolle einen anderen Zweig einschlagen. Er habe in seiner Heimat ein Wirtschaftsstudium mit Schwerpunkt Buchhaltung absolviert und wolle nun beim WIFI sein Diplom machen.
Auf Befragen zu seinem Beziehungsstatus führte der BF aus, am XXXX im Bundesgebiet eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet zu haben. Seine Ehegattin kennengelernt habe der BF im Zuge seiner Tätigkeit als Zeitungsverkäufer am Bahnhof. Sie seien ins Gespräch gekommen, hätten einige Dates gehabt und sich in der Freizeit getroffen. Auf Nachfrage gab der BF an, dass er es gewesen sei, der seine jetzige Ehefrau bezüglich der Heirat gefragt habe. Das Geburtsdatum seiner Frau könne er nicht nennen, da er sich Geburtstage nicht merken könne. Auch die Telefonnummer seiner Ehegattin wisse der BF nicht. Derzeit lebe der BF mit seiner Ehegattin und einem ihrer drei aus erster Ehe stammenden Kinder in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF selbst habe keine Kinder. Auf Nachfrage, ob die Ehegattin des BF mit diesem gemeinsam nach Bangladesch zurückkehren würde, führte der BF aus, dass seine Ehegattin - wenn es nötig sei - dies tun würde.
Aufgefordert, darzulegen, wer den BF konkret verfolgt habe bzw. durch wen seine Probleme entstanden seien, führte der BF aus, dass im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit seines Vaters Gelder, die als Spenden deklariert worden seien, an Mitglieder der Bangladesh National Party (kurz: BNP) bezahlt werden hätten müssen. Der Vater des BF habe davon nichts gewusst. Als der BF im Jahr 2011 das Land verlassen habe, habe sein Vater das Geschäft noch ein bis zwei Jahre weiterführen können. Als in weiterer Folge Mitglieder der Awami-League diese Gelder bzw. Spenden gefordert hätten, habe der Vater des BF diese nicht bezahlen wollen. Sein Vater sei angeschrien und darauf hingewiesen worden, dass der BF früher diese Gelder auch an die damaligen Machthaber bezahlt habe. Bei geschäftlichen Reisen sei sein Vater zudem etliche Male von Mitgliedern der Awami-League angehalten und beschimpft sowie lächerlich dargestellt worden. Da der Vater des BF ein älterer Mann sei bzw. ein Bruder des BF ein Beamter sei, seien sie nicht geschlagen worden. Sein Vater sei jedoch gewarnt worden, dass man ein Auge auf den BF und dessen Bruder geworfen habe. Der jüngere Bruder des BF sei auch einige Male von den Mitgliedern der Awami-League geschlagen worden. Als der BF Österreich wieder verlassen habe wollen, hätten ihm seine Eltern die derzeitige Lage vor Augen geführt und ihm gesagt, dass er auf keinen Fall zurückkehren könne. Die Mitglieder der Awami-League seien hinter dem BF und seinem jüngeren Bruder her und hätten gedroht, falsche Anzeigen zu erstatten und den BF als Terroristen zu beschuldigen, damit über ihn die Todesstrafe verhängt werde. Der BF sei sich sicher, dass im Falle seiner Rückkehr die Awami-League eine große Summe Geld von seinem Vater haben wolle. Zudem könne er nunmehr auch wegen seiner Lebensgefährtin nicht nach Hause zurückkehren.
Im Zusammenhang mit der Befragung zu den Fluchtgründen wurde seitens der Behörde im Einvernahmeprotokoll festgehalten, dass der BF den von ihm in der Erstbefragung angegeben Fluchtgrund nochmals sehen habe wollen.
Befragt gab der BF an, nie persönlich Kontakt mit Leuten der Awami-League gehabt zu haben. Darauf angesprochen, dass der BF trotz eines Regierungswechsels im Jahr 2009 bis zum Jahr 2011 noch an die BNP Gelder bezahlt habe, führte dieser aus, dass es im Zeitraum 2009 bis 2011 dieses Problem nicht gegeben habe und nicht bekannt gewesen sei, dass er an Mitglieder der BNP Gelder gezahlt habe. Woher die Awami-League von den Zahlungen an die BNP erfahren habe, könne sich der BF nicht erklären. Womöglich habe ihn sein Onkel, der den Vorsitz der BNP in der Gemeinde gehabt habe, verraten. Der BF sei weder Mitglieder der BNP noch der Awami-League. Probleme mit Behörden habe der BF in Bangladesch nie gehabt.
Seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet verdiene der BF derzeit als Zeitungszusteller. Abgesehen von seiner Ehefrau habe der BF keine weiteren Angehörigen im Bundesgebiet. Die Eltern und zwei Brüder des BF würden nach wie vor in Dhaka leben. Der ältere Bruder des BF arbeite im Wirtschaftsministerium als XXXX .
I.4. Am 05.03.2018 wurde die Ehegattin des BF - als Zeugin - vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.
Auf Nachfrage, gab die Ehegattin des BF an, in der Dominikanischen Republik geboren zu sein, sich seit 14 Jahren in Österreich aufzuhalten und seit drei oder vier Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft zu besitzen. Sie habe drei Kinder, die aus erster Ehe stammen würden und alle in der Dominikanischen Republik geboren seien.
Am XXXX habe sie im Bundesgebiet den BF geheiratet. Zuvor seien sie etwa drei Jahre zusammen gewesen. Nachgefragt gab die Zeugin an, dass der BF ihr kein Geld für die Eheschließung gegeben habe. Die Zeugin und der BF würden in einer gemeinsamen Wohnung - zusammen mit einem ihrer Söhne - leben. Einen Ehering könne sie auf Grund ihrer Tätigkeit als Friseurin (in Ausbildung) nicht tragen.
Ihr Ehegatte verdiene seinen Lebensunterhalt durch den Verkauf und die Zustellung von Zeitungen. Er besuche auch noch die Universität, wolle aber ein anderes Fach machen.
Nachgefragt, was sie über die Fluchtgründe ihres Ehegatten wisse, gab die Zeugin an, dass dieser Probleme mit korrupten Leuten der Regierung habe. Er habe erzählt, dass er Geld bezahlt habe und die Leute jetzt wieder Geld haben wollen würden. Derzeit würden die Leute das Geld von den Eltern des BF fordern. Immer wenn das Telefon läutet, werde der BF nervös, da er mit schlimmen Nachrichten rechne. Der Bruder ihres Ehegatten schlafe immer an anderen Orten.
Ein Leben in Bangladesch könne sie sich eigentlich nicht vorstellen. Ihre Kinder seien in Österreich und sie wolle diese nicht allein lassen. Sie könne sich vorstellen, einen Urlaub in Bangladesch zu verbringen, leben wolle sie jedoch in Österreich.
I.5. Mit Bescheid vom 07.05.2018, Zl. 545290207-171207654, wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Hinsichtlich der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status des Asylberechtigten verwies das BFA vorab darauf, dass der BF sein Herkunftsland legal und mit der Absicht, in Österreich zu studieren, verlassen habe. Nachdem seine Aufenthaltsberechtigung nicht mehr verlängert worden sei, habe er einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im Verfahren vor dem BFA sei es dem BF jedoch nicht gelungen, ein fundiertes und substantiiertes Vorbringen zu etwaigen Fluchtgründen darzulegen. Der BF habe in seiner Erstbefragung angegeben, an Kriminelle eine Art "Schutzgeld" bezahlt zu haben, in seiner Einvernahme jedoch ausgeführt, Zahlungen an politische Parteien vorgenommen zu haben. Die Angaben, dass der Vater des BF von den Zahlungen nichts gewusst habe, seien nicht glaubhaft, da es für einen Inhaber eines Geschäftes unabdingbar sei, die finanzielle Gebarung zu kennen. Die Angaben, dass der BF im Jahr 2009, obwohl - den eigenen Angaben des BF zu Folge - zu diesem Zeitpunkt die Awami-League an die Macht gekommen sei, Zahlungen an Mitglieder der BNP vorgenommen habe, seien nicht schlüssig und nachvollziehbar. Der BF habe zudem nicht vorgebracht, dass eine Anzeige gegen ihn im Herkunftsstaat vorliege oder er wegen seiner Religionsgruppenzugehörigkeit verfolgt werde. Auch habe sich der BF im Bangladesch nicht politisch betätigt. Zusammengefasst habe der BF kein konkretes bzw. kein nachvollziehbares Vorbringen erstattet.
Darüber hinaus liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der BF im Falle einer Rückkehr in Bangladesch in eine ausweglose Situation geraten würde. Dem BF sei zuzumuten, in Bangladesch durch eigene Arbeitsleistung seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Darüber hinaus habe der BF den Großteil seines Lebens in Bangladesch verbracht und verfüge er dort über ein soziales Netzwerk. Er sei mit den örtlichen Gebräuchen vertraut und könne allenfalls auch eine Unterstützung von NGOs in Anspruch nehmen. Es würden somit keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen.
Ebensowenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vor. Außerdem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen. Zwar erscheine insbesondere auf Grund der 2017 mit einer österreichischen Staatsbürgerin geschlossenen Ehe ein schützenswertes Familienleben gegeben, sei dieses unter Berücksichtigung folgender Umstände jedoch in einem anderen Licht zu sehen: Der BF habe im Oktober 2017 gegenständlichen Antrag gestellt, nachdem ein Antrag auf Aufenthaltstitel seitens der MA 35 zweimal abgewiesen worden sei. Im November 2017 habe er dann seine Ehegattin geheiratet, dessen Geburtsdatum der BF im Rahmen der Einvernahme nicht nennen habe können. Bei der niederschriftlichen Einvernahme habe die Ehegattin des BF angegeben, dass sie sich grundsätzlich ein Leben in Bangladesch vorstellen könne. Auf Grundlage dieser Umstände könne von keinem Eingriff in das Familienleben gesprochen werden. Ein zu berücksichtigender Eingriff in das Privatleben liege ebenfalls nicht vor. Gegen den BF sei eine Rückkehrentscheidung zu erlassen und die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festzusetzen.
I.6. Mit - am 11.06.2018 bei der Behörde eingelangtem - Schriftsatz wurde der Bescheid des BFA vom 07.05.2018 seitens des - nunmehr rechtsfreundlich vertretenen - BF sowohl wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts als auch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.
Dabei wurde mit Verweis auf die in § 37 AVG und § 18 AsylG normierten Verpflichtungen begründend eingangs moniert, dass ein ergänzungsbedürftiger Sachverhalt infolge der Verletzung der Ermittlungspflicht vorliege. Das BFA habe kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt und sei seiner Verpflichtung zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes nicht ausreichend nachgekommen. Die Behörde wäre dazu angehalten gewesen, dem Vorbringen des BF hinsichtlich der politischen Verfolgung nachzugehen und diesbezüglich Feststellungen zu treffen. Der BF habe insbesondere vorgebracht, auf Grund von Zahlungen an Mitglieder der BNP Probleme bekommen zu haben und es ihm nicht mehr möglich gewesen sei, in Bangladesch zu verweilen. Mit Verweis auf die Länderfeststellungen, wonach u.a. die Politik in Bangladesch extrem korrupt, die Grenzen zwischen Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend und die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden grundsätzlich gering sei, sei nicht nachvollziehbar aus welchen Gründen das Fluchtvorbringen des BF als nicht glaubhaft bewertet worden sei. Die Länderfeststellungen würden sich mit dem Vorbringen des BF decken.
Das BFA habe es zudem unterlassen, der in §§ 58 und 60 AVG normierten Begründungspflicht nachzukommen, da es sich nicht ausreichend mit dem konkreten Einzelfall des BF auseinandergesetzt habe. Die Begründung des BFA erweise sich als vollkommen unzureichend und die Behörde ziehe aus den getätigten Feststellungen denkunmögliche Schlüsse. Da das Vorbringen des BF mit den Länderfeststellungen und der Rechtsprechung des Asylgerichtshofes Deckung finde, sei in keinster Weise nachvollziehbar, aus welchen Gründen das Vorbringen pauschal als unglaubwürdig erachtet werde. Die Länderfeststellungen würden zudem zu kurz greifen und Feststellungen zum eigentlichen Fluchtgrund seien nicht getroffen worden.
Der BF habe sein Fluchtvorbringen detailliert und glaubwürdig dargelegt und ausgeführt, in Bangladesch von den Behörden auf Grund ungerechtfertigter Anschuldigungen verfolgt zu werden. Zum Beweis dafür lege er die gegen ihn erstatteten Anzeigen vor. Die Beschwerde verweist in diesem Zusammenhang zudem auf Judikatur des Asylgerichtshofes in einem ähnlich gelagerten Fall wie dem vorliegenden. Aus der Herkunftslandrecherche gehe hervor, dass die vom BF vorgelegten Dokumente angeblich gefälscht seien, ein Dokument habe auf Grund der Unvollständigkeit nicht überprüft werden können. Aus den Länderfeststellungen gehe jedoch hervor, dass die Justiz in Bangladesch korrupt sei und daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Behörden und die Vertrauensanwälte in Bangladesch das Nötigste tun, um die Wahrheit zu finden. Der BF müsste im Falle einer Rückkehr jedenfalls in Untersuchungshaft verweilen, bis er seine Unschuld beweisen könnte. In diesem Zusammenhang sei auf die Länderfeststellungen zu den Haftbedingungen in Bangladesch zu verwiesen.
Wenn man davon auszugehe, dass dem BF keine asylrelevante Verfolgung drohe, sei dem BF - mit Verweis auf die allgemein unstabile politische Lage in Bangladesch - jedenfalls subsidiärer Schutz zuzuerkennen. Auf Grund des notorischen Amtswissens sei davon auszugehen, dass der BF im Fall einer Abschiebung nach Bangladesch Gefahr läuft, dort einem unter Art. 2 und 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 und 13 zur Konvention fallenden Tatbestand zu unterliegen, weswegen eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Bangladesch unzulässig sei.
Zuletzt erweise sich auf Grundlage der höchstgerichtlichen Judikatur eine Rückkehrentscheidung des BF wegen einer erfolgten sozialen und wirtschaftlichen Integration als auf Dauer unzulässig. Der BF halte sich seit sieben Jahren im Bundesgebiet auf, habe sich eine Existenz aufgebaut und sei verheiratet. Der BF sei unbescholten und selbsterhaltungsfähig und verfüge über sehr gute Deutschkenntnisse. Er sei zudem aufrecht sozialversichert und von staatlicher Unterstützung unabhängig. Gerade der Selbsterhaltungsfähigkeit komme nach der Rechtsprechung eine maßgebliche Bedeutung zu. Außerdem habe sich der BF im Bundesgebiet ein dichtes soziales Netzwerk aus Freunden und Bekannten aufgebaut, Kontakte nach Bangladesch würden sich auf das Minimum beschränken. Der BF nehme am sozialen Leben in Österreich teil und sei im Bundesgebiet nachhaltig integriert.
Es wurden die Anträge gestellt, der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dem Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten stattzugeben; in eventu dem BF den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen; in eventu die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären; in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.
I.7. Mit Datum vom 15.08.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
1.8. Am 05.08.2019 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt.
1.9. Mit am 27.08.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Schreiben des BF wurde aufgrund einer am Tag nach der angesetzten Verhandlung stattfindenden operativen Entfernung der Gallenblase des BF um Vertagung der anberaumten Verhandlung ersucht. Dem Schreiben wurden ein Patientenbrief sowie Informations-Unterlagen eines Krankenhauses beigelegt.
I.10. Am 29.10.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali, des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF sowie eines Vertreters des BFA eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.
Auf Wunsch des BF wurde die Beschwerdeverhandlung - im Wesentlichen - auf Deutsch geführt, lediglich bei schwierigen bzw. inhaltlich komplexen Sätzen wurde die Hilfe des anwesenden Dolmetschers in Anspruch genommen.
Der BF führt auf die Frage nach seinem Masterstudium Internationale Betriebswirtschaft sowie seinem diesbezüglichen Studienerfolg aus, dass er zwischen 2011 und 2013 insgesamt dreimal versucht habe, eine entsprechende Zulassung zu diesem Studium zu erhalten, diese ihm allerdings seitens der Universität aus verschiedenen Gründen - Vergleichbarkeit der Ausbildung in seinem Heimatland, Englischkenntnisse - nicht bewilligt worden sei. In dieser Zeit sei der BF außerordentlicher Student gewesen und habe Vorlesungen und Seminare besucht. Die Voraussetzung für die Zulassung zum Masterstudium sei die erfolgreiche Ablegung einer Ergänzungsprüfung in Deutsch B2/2 gewesen, welche er erst im Februar 2016 bestanden habe. Mit Herbst 2014 sei sein Aufenthaltstitel in Österreich abgelaufen.
Befragt nach seiner Aussage, dass er sein Studium nicht mehr fortsetzen wolle, wiederholte der BF, dass er ein Wirtschaftsstudium und Buchhaltungsstudium - Bachelor of Business Studies - bereits in seiner Heimat absolviert habe und in Österreich künftig als Buchhalter tätig sein wolle. Diesbezüglich habe er bereits einen WIFI-Kurs besucht. Seine aufgrund eines zwischenzeitigen Gallenblasenleidens unterbrochene Ausbildung wolle er jetzt fortsetzen.
Der BF bestätigte, dass er von 2013 bis 2015 Hilfstätigkeiten etwas als Küchenhilfe, Abwäscher oder Zeitungsausträger geleistet habe. Derzeit sei er in einem Zeitungsstand am Bahnhof Liesing, der einem Freund von ihm gehört, tätig. Mit diesem Freund teile er sich die Erträge aus dem Zeitungsstand. Außerdem arbeite der BF als Nacht-Zeitungsausträger.
Zu seinen Familienverhältnissen befragt, führte der BF aus, dass er seit XXXX mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet sei. Seine Gattin sei derzeit arbeitslos und beziehe Arbeitslosengeld. Sie habe eine Friseurausbildung absolviert und absolviere zurzeit die Vorbereitung auf eine im Dezember stattfindende Unternehmerprüfung beim WIFI. Seine Gattin habe drei Kinder im Alter von XXXX , XXXX und XXXX Jahren. Lediglich der jüngste Sohn wohne noch im gemeinsamen Haushalt. Die Frage, ob der Gattin des BF bei der Eheschließung bekannt gewesen sei bzw. der BF ihr dargelegt habe, dass sein Aufenthaltstitel ein unsicherer sei und zumindest die theoretische Möglichkeit bestehe, dass sie gegebenenfalls gemeinsam das Land zu verlassen hätten, bejahte der BF und führte aus, dass er das mit seiner Gattin besprochen habe.
Weiters führte der BF aus, dass in Bangladesch sein Vater, seine Mutter sowie zwei Brüder leben würden und der ältere der beiden Brüder zuvor im Wirtschaftsministerium tätig gewesen sei, allerdings aufgrund der Schwierigkeiten, die auch den BF betreffen, vor drei Wochen nach Kanada gereist sei, allerdings nicht bei der gemeinsamen Schwester wohne.
Ergänzend führte der BF zur Berufstätigkeit seiner Gattin aus, dass sie beabsichtige, ein Friseurgeschäft zu eröffnen und sie dafür gemeinsam ein Geschäftslokal gemietet hätten. Auf Fragen des Behördenvertreters führte der BF aus, dass er mit seiner Gattin in einer Mietwohnung wohne und dafür 400 Euro Miete bezahle. Die Kosten der Ausbildung seiner Gattin könne er nicht beziffern. Seinen eigenen Verdienst setzte der BF mit rund 1.000 Euro monatlich an.
Hinsichtlich der Gründe für seinen Asylantrag führte der BF aus, dass es richtig sei, dass er in Bangladesch gemeinsam mit seinem Vater einen Handel mit medizinischen Hilfsmittel für Spitäler betrieben habe. Er habe dafür Schutzgeld an Kriminelle, die er aktenkundig später als Mitglieder der BNP bezeichnet hat, gezahlt. Nach seiner Ausreise nach Österreich habe sein Vater dieses Geschäft noch zwei bis drei Jahre weitergeführt, Mitglieder der dann regierenden Partei, der Awami League, hätten dann ebenfalls Geld von seinem Vater verlangt.
Das Geschäft werde derzeit nicht mehr betrieben, zumal sein Vater zwischenzeitlich krank sei. Zuvor habe sein Vater Schutzgeld bezahlt, wenngleich weniger als der BF. Falls der BF zurückkehren würde, würde man von ihm weiter Geld verlangen und ihm widrigenfalls eine falsche Anzeige anhängen oder versuchen, ihn zu misshandeln. Er sehe sein Leben in Gefahr, zumal in seiner Heimat die Justiz kaufbar sei, man Menschen töten lassen könne und es ein Leichtes wäre, jemanden, zB des islamistischen Terrorismus zu bezichtigen.
Auf konkrete Frage führt der BF weiters aus, dass er ursprünglich nachdem die MA 35 seinen Antrag auf den Aufenthaltstitel abgelehnt hatte, nach Hause zurückkehren wollte, seine Eltern ihm allerdings abgeraten hätten nach Hause zu kommen, weil sie Sorge hatten, zumal sie die Schutzgeldzahlungen nicht hatten leisten können.
Auf die konkrete Frage, weshalb nach rund acht Jahren noch ein Interesse an seiner Person bestehen sollte, antwortete der BF, dass die Politik in seinem Land korrupt sei und über die vielen Jahre die handelnden Personen in seinem Umfeld im Wesentlichen gleichgeblieben seien.
Auf nochmalige diesbezügliche Nachfrage führte der BF ergänzend aus, dass seine Familie nicht völlig unbehelligt geblieben sei und gegen seinen Bruder zB im Ministerium eine Beschwerde geführt worden sei, da sein Bruder, der BF, zuvor einer anderen Partei Schutzgeld bezahlt habe, weshalb der Bruder des BF Bangladesch verlassen habe und nach Kanada gereist sei. Aufgrund der Schwierigkeiten des BF wohne sein jüngerer Bruder nicht bei seinen Eltern, sondern in einem anderen Bezirk.
Befragt nach seiner Freizeitgestaltung führte der BF aus, dass er in seiner Freizeit Landsleuten bei Behördenwegen oder Arztbesuchen oder dergleichen z.B. als Dolmetscher unterstütze. Der BF spiele regelmäßig mit Freunden Badminton und sei an den Wochenenden mit seiner Familie zusammen und mache Ausflüge.
Auf seine OP angesprochen führte der BF aus, dass er noch nicht ganz schmerzfrei sei, was er auf seine bestehende Zuckerkrankheit zurückführe. Aufgrund der OP habe er keine Medikamente zu nehmen, allerdings nehme er regelmäßig Medikamente gegen seine Zuckerkrankheit.
Auf Frage des Behördenvertreters, ob sich der BF nicht schon in Bangladesch an Einrichtungen um Hilfe hätte wenden können, antwortete der BF, dass das zwar möglich gewesen wäre, allerdings viel zu lang gedauert hätte und er zwischenzeitig ins Gefängnis gehen hätte müssen, wo die Polizei alles mit ihm hätte machen können.
Auf Nachfrage des Behördenvertreters, vor wem der BF konkret Angst habe, nannte der BF einige Namen und führte aus, dass es sich dabei um Vertreter der Regierungspartei in seinem Dorf handle. Dazu führte der BF aus, dass diese Menschen bei Regierungswechseln auch die Partei wechseln und daher noch von seinen Schutzgeldzahlungen wissen.
Die Rechtsvertreterin führte ergänzend an, dass der BF seit mehr als acht Jahren in Österreich aufhältig sei, er sich in dieser Zeit eine neue Existenz aufgebaut habe und schon sehr gut Deutsch spreche. Er habe vor ca. vier Jahren eine Österreicherin kennengelernt, mit der er nunmehr seit ca. zwei Jahren verheiratet ist. Er habe drei Stiefkinder, wobei ein Stiefsohn noch mit ihm und seiner Ehefrau im gemeinsamen Haushalt wohne. Der BF sei in der Zeit seines Aufenthaltes immer selbsterhaltungsfähig gewesen und werde dies auch künftig sein. Der BF habe sich sprachlich, sozial, beruflich und familiär nachhaltig in Österreich integriert. Eine etwaige Abschiebung nach Bangladesch würde einen Eingriff auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gem. Art 8 EMRK darstellen.
Im Zuge der Beschwerdeverhandlung wurden seitens des BF eine Kursanmeldebestätigung zu einem Deutschkurs C1 und ein arbeitsrechtlicher Vorvertrag über die Tätigkeit des BF als Verkäufer in einem Lebensmittelgeschäft vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali. Zudem spricht der BF Deutsch und nach seinen Angaben Englisch und verfügt über Kenntnisse in Hindi und Urdu.
Der BF ist in Dhaka geboren und im Dorf XXXX (Bezirk/Distrikt Dhaka) aufgewachsen. Er hat in Bangladesch eine zwölfjährige Schulausbildung absolviert, anschließend für vier Jahre eine Universität besucht und ein Wirtschaftsstudium mit Schwerpunkt Buchhaltung abgeschlossen. Seinen Lebensunterhalt hat der BF in Bangladesch durch die Mithilfe im Großhandel seines Vaters verdient.
Der BF hat im Jahr 2011 sein Heimatland verlassen und ist im August 2011 - mit dem Vorhaben in Österreich zu studieren - legal in das Bundesgebiet eingereist.
Der BF verfügte bis Oktober 2014 über einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet. Anträge des BF auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung wurden abgelehnt.
Am 07.09.2015 erfolgte ein Strafantrag der Finanzpolizei, weil der BF am 27.03.2015 als Abwaschhilfe in einem Lokal angetroffen wurde, ohne über eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung zu verfügen und im Betrieb angemeldet zu sein. Mit Schreiben des BFA vom 13.01.2016 wurde der BF ermahnt und ihm mitgeteilt, dass unter Berücksichtigung seiner persönlichen und familiären Verhältnisse zum derzeitigen Zeitpunkt das Verfahren zur Aufenthaltsbeendigung nicht eingeleitet bzw. nicht weitergeführt werde.
Am 24.10.2017 stellte der BF gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF war von Oktober 2011 bis April 2013 für einen Vorstudienlehrgang an der Universität Wien zugelassen. Im März 2013 stellte der BF einen Antrag auf Zulassung zum Studium und wurde mit Bescheid der Universität Wien aus Juli 2014 - unter der Bedingung der Ablegung einer Ergänzungsprüfung in Deutsch (Niveau B2/2) - zum Masterstudium Internationale Betriebswirtschaft zugelassen. Bis zur Zulassung zum Studium war der BF außerordentlicher Student und besuchte Vorlesungen und Seminare. Im Februar 2016 legte der BF die Ergänzungsprüfung in Deutsch B2/2 erfolgreich ab. Der BF absolvierte seit Beginn seines Aufenthalts in Österreich keine Prüfungen an der Universität Wien.
Derzeit beabsichtigt der BF, eine Buchhalter-Ausbildung am Wirtschaftsförderungsinstitut der Wirtschaftskammer Österreich (WIFI) abzuschließen.
Der BF war im Bundesgebiet in den Jahren 2013 bis 2015 - teilweise auf Grundlage ausgestellter Beschäftigungsbewilligungen - unregelmäßig als Küchengehilfe geringfügig beschäftigt. Seit dem Jahr 2013 ist der BF zudem unregelmäßig und bei unterschiedlichen Dienstgebern als Zeitungsverkäufer/-zusteller tätig.
Der BF schloss im September 2016 einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag für die Tätigkeit als technischer Assistent und Verkäufer und im Oktober 2019 einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag für die Tätigkeit als Verkäufer in einem Lebensmittelgeschäft ab.
Zum Entscheidungszeitpunkt arbeitet der BF in einem Zeitungsstand und als Nacht-Zeitungsausträger und erhält dafür ein monatliches Entgelt von ungefähr 1.000 Euro netto.
Der BF ist selbsterhaltungsfähig und hat während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezogen.
Im November 2017 hat der BF im Bundesgebiet eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, mit welcher er vor der Eheschließung eine mehrjährige Beziehung führte. Der BF und seine Ehegattin leben - gemeinsam mit einem Sohn der Ehegattin - in einem gemeinsamen Haushalt. Die Miete für die gemeinsame Wohnung beträgt 400 Euro monatlich.
Die Ehegattin des BF wurde in der Dominikanischen Republik geboren und lebt seit ungefähr 14 Jahren in Österreich. Sie hat drei in Österreich lebende Kinder, welche in der dominikanischen Republik geboren sind. Sie ist derzeit arbeitslos und bezieht Notstandshilfe. Zuvor absolvierte die Ehegattin des BF eine Friseurausbildung und davor war sie ungefähr elf Jahre in der Pensionsversicherungsanstalt tätig. Die Ehegattin des BF beabsichtigt, demnächst eine Unternehmerprüfung beim WIFI abzulegen und ein Friseurgeschäft zu eröffnen, wofür bereits ein Geschäftslokal gemietet ist. Die monatliche Miete dafür beträgt 450 Euro.
Abgesehen von seiner Ehegattin verfügt der BF über keine Familienangehörigen im Bundesgebiet.
Der BF hat keine Kinder.
Der BF ist im Bundesgebiet Mitglied der XXXX , des XXXX des XXXX und dem XXXX . Im Jahr 2013 wurde der BF zum Kassenwart der XXXX gewählt. Im Rahmen einer Aktion des Vereins XXXX half der BF im September und Oktober 2016 bei der Zubereitung und Verteilung von Essen mit.
Zudem ist der BF unterstützendes Mitglied beim Wiener Roten Kreuz und verfügte im Jahr 2016 über einen Kulturpass des Flüchtlingsprojekts Ute Bock.
Der BF hat im Bundesgebiet die Prüfung ÖSD Zertifikat B2 bestanden und ist für einen Deutschkurs C1, beginnend am 02.12.2019, angemeldet.
Der BF hat viele Freunde und Bekannte im Bundesgebiet.
Die Eltern und der jüngere Bruder des BF halten sich in Bangladesch auf.
Die Schwester des BF lebt derzeit in Kanada. Der ältere Bruder des BF ist im Oktober 2019 aus Bangladesch ausgereist und befindet sich derzeit ebenfalls in Kanada.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Dem BF wurde im Bundesgebiet am 27.09.2019 aufgrund einer Erkrankung die Gallenblase operativ entfernt. Der BF leidet an Diabetes und nimmt aufgrund dieser Erkrankung regelmäßig Medikamente ein. Der BF ist ansonsten gesund.
I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Herkunftsland einer konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
Politische Lage
Bangladesch - offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?aprajatantri Ba?lades) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 12.2018a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 21.2.2019) leben etwa 159 bis 165 Millionen Einwohner (CIA 21.2.2019; vgl. GIZ 1.2019, AA 12.2018a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer der am dichtest besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 12.2018a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 12.2018; vgl. GIZ 12.2018a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 12.2018a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 12.2018) - mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 27.10.2017; vgl. GIZ 12.2018). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 12.2018a). Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 12.2018).
Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die Awami League (AL) und Bangladesh Nationalist Party (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 12.2018). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 1.2018).
Seit 2009 ist Sheikh Hasina von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 12.2018a; vgl. ÖB 12.2018). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt (DW 14.2.2019).
Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die "Große Allianz" um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019).
Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als "Farce" und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl "völlig frei und unabhängig" (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl "viel freier und fairer" ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Von Oktober bis Anfang Dezember 2018 fanden wiederholt Fälle willkürlicher Verhaftungen und Inhaftierungen von Demonstranten und politischen Oppositionellen sowie von Gewalttaten und Einschüchterungen durch Mitglieder der Studenten- und Jugendabteilung der Regierungspartei statt (HRW 13.12.2018). Am Wahltag wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).
Eine der wichtigsten BNP-Vertreter der Opposition war und ist die ehemalige Premierministerin und amtierende BNP-Parteivorsitzende Khaleda Zia. Sie wurde im Februar 2018 wegen Veruntreuung zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt (GIZ 12.2018a) und durfte bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nicht als Kandidatin antreten (DT 8.12.2018). Die oppositionelle BNP hat auf Grund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 12.2018a).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten war (GIZ 12.2018a) und bei den Parlamentswahlen am 30.12.2018 nur sechs Mandate erzielen konnte (BI 31.12.2018; vgl. DS 10.1.2019).
Durch eine Verfassungsänderung von Juni 1988 wurde der Islam zur Staatsreligion erklärt, bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen. Auch Säkularismus ist Staatsprinzip und genießt Verfassungsrang (AA 27.10.2017). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 12.2018).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralstaatlich: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 501 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), 4.876 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (AA 12.2018; vgl. ÖB 12.2018). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 12.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (12.2018):
Bangladesch - Innenpolitik,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/-/206322, Zugriff 7.3.2019
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AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (27.10.2017):
Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Oktober 2017)
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https://www.bbc.com/news/world-asia-46718393, Zugriff 7.3.2019
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bdnews24 (3.2.2019): 87 Upazila councils go to election on Mar 10 in first phase,
https://bdnews24.com/bangladesh/2019/02/03/87-upazila-councils-go-to-election-on-mar-10-in-first-phase, Zugriff 7.3.2019
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BI - Bangla Insider (31.12.2018): final results of 11th parliamentary elction of Bangladesh 2018, https://en.banglainsider.com/bangladesh/4469/FINAL-RESULTS-OF-11th-PARLIAMENTARY-ELECTION-OF-BANGLADESH-2018, Zugriff 3.1.2019
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BN24 - Bangla News 24 (31.12.2018): Grand alliance wins 288 seats, https://www.banglanews24.com/english/national/article/73191/Grand-alliance-wins-288-seats, Zugriff 7.3.2019
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DS - Daily Star, the (10.1.2019): BNP's Sattar bags B'baria-2, https://www.thedailystar.net/bangladesh-national-election-2018/bangladesh-re-election-3-centres-brahmanbaria-2-constituency-going-peacefully-1685053, Zugriff 11.3.2019
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DS - Daily Star, the (10.3.2019): First phase upazila polls end, counting starts,
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DT - Dhaka Tribune (27.1.2019): Ruling party's Dr Younus Ali Sarker wins Gaibandha 3
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DT - Dhaka Tribune (8.12.2018): EC rejects Khaleda Zia's candidature by majority decision, https://www.dhakatribune.com/bangladesh/election/2018/12/08/khaleda-zia-s-appeal-remains-pending, Zugriff 7.3.2019
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FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/1442339.html, Zugriff 28.2.2019
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (12.2018a): Bangladesch - Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/, Zugriff 7.3.2019
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (1.2019): Bangladesch - Überblick, https://www.liportal.de/bangladesch/ueberblick/, Zugriff 11.3.2019
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Hindu, The (1.1.2019): Hasina's triumph: on Bangladesh election results,
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NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 7.3.2019
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ÖB DEL - Österreichische Botschaft Neu-Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Bangladesch [Arbeitsversion].
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Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 7.3.2019