Entscheidungsdatum
29.01.2020Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13Spruch
W245 2136225-1/33E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHILDBERGER, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Verfahren GZ: XXXX , betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wird stattgegeben.
II. Der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX von XXXX wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen.
III. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wird der Antrag auf internationalen Schutz vom XXXX von XXXX hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen.
IV. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX ist auf Dauer unzulässig.
V. Gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2, 55 Abs. 2 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer XXXX (in der Folge auch "BF"), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Im Rahmen der am 16.11.2014 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, dass er als Sicherheitsbeamter bei der XXXX gearbeitet habe. Seine Ortschaft in der Provinz XXXX gehöre den Taliban. Die Taliban seien dahintergekommen, dass er für die Amerikaner gearbeitet habe. Er sei deshalb bedroht worden. Die Taliban hätten den BF mehrmals angerufen und hätten gedroht, ihn umzubringen. Deshalb habe er sein Heimatland verlassen. Sonst habe er keine weiteren Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr werde er von den Taliban verfolgt und mit dem Tod bedroht.
I.3. Mit Schreiben vom 23.09.2016 wurde gemäß § 73 Abs. 2 AVG iVm Art 130 Abs. 1 Z. 3 B-VG Säumnisbeschwerde erhoben.
I.4. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge auch "BVwG") am 03.10.2016 von der bB vorgelegt.
I.5. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 19 Abs. 6 AsylG 2005 vom 17.10.2016 wurde die Einvernahme des BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde", auch "bB") veranlasst.
I.6. Bei der Einvernahme durch die bB am 30.11.2016 gab der BF an, dass sein Leben in Afghanistan in Gefahr gewesen sei. Deswegen habe er sein Heimatland verlassen müssen.
Im Jahr 2010 habe der BF angefangen, bei der XXXX zu arbeiten. Die XXXX habe in Afghanistan einen schlechten Ruf, da bei dieser Organisation Ausländer arbeiten würden. Die Leute in Afghanistan würden glauben, dass die XXXX eine politisch orientierte Organisation sei. Zu Beginn habe sich der BF versteckt; er habe niemanden mitgeteilt, dass er bei dieser Organisation arbeite. Jedoch habe die Taliban-Gruppierung " XXXX " gewusst, dass der BF bei der XXXX arbeite. Die " XXXX "-Gruppe sei sehr aktiv in Afghanistan.
Im August oder September 2013 sei der BF zehn Tage zu Hause gewesen. Drei Tage nach seiner Abreise zu seinem Arbeitsplatz in der Provinz XXXX habe der Bruder des BF einen Drohbrief erhalten, welcher an den BF gerichtet gewesen sei. Nachdem der Bruder den BF hiervon telefonisch informiert habe, habe der BF den Sicherheitszuständigen im Büro, namens XXXX , Bescheid gegeben. Sie hätten den Drohbrief sehen wollen. Daher habe der Bruder den Drohbrief einem Taxifahrer übergeben. Der Taxifahrer habe den Drohbrief nach XXXX gebracht. Das Büro des Arbeitsgebers des BF habe diesen Brief zur Überprüfung in die Zentrale nach Kabul geschickt.
Als der BF frei gehabt habe, habe er einen Antrag bei der Distriktbehörde gestellt, um festzustellen, ob die Bedrohung durch die Taliban echt sei. Nach zehn Tagen sei der Antrag beantwortet worden. Es sei dem BF bestätigt worden, dass die Drohung echt sei. Der Antrag sei von verschiedenen Behörden bestätigt worden, so z.B. auch von der Kriminalabteilung. Danach habe sich der BF entschlossen, Afghanistan zu verlassen.
I.7. Nach Einvernahme des BF durch die bB wurden die Niederschrift samt Beilagen und der bezugshabende Verwaltungsakt dem BVwG neuerlich am 07.12.2016 vorgelegt.
I.8. Am 23.12.2016 erstattete der BF eine Stellungnahme.
I.9. Mit Verfahrensanordnung vom 01.03.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG XXXX , als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
I.10. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 16.05.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahm. Ein Vertreter der bB nahm an der Verhandlung nicht teil.
I.11. Am 14.06.2017, 04.10.2017, 30.01.2018 und 06.08.2018 erstattete der BF weitere Stellungnahmen.
I.12. Mit Schreiben vom 27.05.2019 wurde die erteilte Vollmacht für XXXX bekanntgegeben.
I.13. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 06.09.2019 eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahm. Ein Vertreter der bB nahm an der Verhandlung teil.
I.14. Mit Schreiben vom 03.12.2019 wurde dem BF ergänzendes und aktualisiertes Länderberichtsmaterial mit der Möglichkeit übermittelt, innerhalb einer Frist von einer Woche dazu Stellung zu nehmen. Innerhalb dieser Frist langte beim BVwG eine Stellungnahme des BF ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.
II.1.1. Zum sozialen Hintergrund des BF:
Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Paschtu. Weiters spricht der BF Dari, Urdu und Englisch.
Der BF wurde nach seinen Angaben im Dorf XXXX , Distrikt XXXX in der Provinz Paktia geboren. Zwischen 1988 und 1990 hat der BF erstmals Afghanistan verlassen und lebte in Pakistan. Im Jahr 2000 bzw. 2001 ist der BF nach Afghanistan zurückgekehrt. Der BF hat Afghanistan zuletzt im Jahr 2014 verlassen.
Er ist im erwerbsfähigen Alter und ist gesund.
Der BF besuchte in Pakistan acht Jahre eine Schule für afghanische Flüchtlinge. Nach seiner Rückkehr nach Afghanistan besuchte er vier Jahr eine Schule in XXXX . Im Jahr 2008 beendete der BF die Schule. Der BF hat in Afghanistan erfolgreich die Aufnahmeprüfung für die Universität in XXXX belegt.
Im Juli 2003 hat der BF angefangen, für XXXX zu arbeiten. Dort war er als Wachmann tätig und verrichtete vereinzelt auch Hilfstätigkeiten. Diese Tätigkeit übte er bis September 2009 aus.
Im April 2010 fing der BF an, für die XXXX zu arbeiten. Er war dort als Leibwächter und in der Rezeption tätig. Der BF übte keine hohe Position bei XXXX aus.
Aufgrund seiner Einkünfte aus diesen Tätigkeiten war der BF auch in der Lage, für den Lebensunterhalt seiner Familie zu sorgen.
Die Eltern des BF sind verstorben. Der BF hat drei Brüder und sechs Schwestern. Zwei Brüder arbeiten in Dubai. Ein Bruder lebt im Heimatort XXXX . Die Schwestern leben in der Heimatprovinz Paktia und sind alle verheiratet.
Die Familie des BF verfügt über ein Haus und ein landwirtschaftliches Grundstück in Afghanistan. Das Haus wird vom Bruder des BF bewohnt. Die wirtschaftliche Situation der Familie ist normal.
Der BF hat Onkel und Tanten in Afghanistan. Die wirtschaftliche Situation der Verwandten ist durchschnittlich.
Der BF ist verheiratet. Seine Frau, seine drei Söhne und seine Tochter leben bei seinem Schwager. Der BF schickt seiner Frau Geld, um sie zu unterstützen.
Der BF hat Kontakt zu seiner Ehefrau und Verwandten in Afghanistan.
Der BF ist strafgerichtlich unbescholten. Nach seinen eigenen Angaben ist er in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatte keine Probleme mit Behörden und war politisch nicht aktiv.
II.1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründet der BF im Wesentlichen damit, dass er von den Taliban aufgrund seiner Tätigkeit bei der XXXX bedroht und verfolgt werde. Dieses Vorbringen konnte der BF jedoch nicht glaubhaft machen, da es sich bei Gesamtbetrachtung sämtlicher im Verlauf des Verfahrens getätigten Angaben in entscheidenden Punkten als widersprüchlich sowie als nicht schlüssig und nicht plausibel erwiesen hat.
Der BF ist in Afghanistan weder vorbestraft noch wurde er dort jemals inhaftiert und hatte auch mit den Behörden des Herkunftsstaates keine Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Es gibt insgesamt keinen stichhaltigen Hinweis, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer (asylrelevanten) Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt wäre.
Festgestellt wird, dass aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan eine konkrete Bedrohung bzw. Verfolgung des BF nicht abgeleitet werden kann.
Insgesamt kann nicht festgestellt werden, dass der BF einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.
Der BF ist persönlich nicht glaubwürdig.
II.1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF:
Eine Rückkehr des BF in seine Heimatprovinz Paktia ist nicht möglich. Dem BF könnte dort bei einer Rückkehr aufgrund der dort herrschenden schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Dem BF steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung. Der BF hat bis zu seiner Ausreise nicht in Mazar-e Sharif gelebt. Der BF kann Mazar-e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen. Eine sichere Rückkehr nach Mazar-e Sharif ist für den BF möglich.
Die grundlegende Versorgung der afghanischen Bevölkerung ist in Mazar-e Sharif gewährleistet. Dem BF stehen bei einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif eine vorübergehende Unterkunft (Teehäuser), Trinkwasser, sanitäre Anlagen und lebensnotwendige Nahrungsmittel zur Verfügung. Die Gesundheitsversorgung ist in Mazar-e Sharif durch Krankenhäuser bzw. Gesundheitszentren sowie durch zwei Einrichtungen zur Betreuung von psychischen Krankheiten sichergestellt. Ferner ist Mazar-e Sharif ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan und ein Industriezentrum mit großen Produktionsbetrieben und einer großen Anzahl kleiner und mittlerer Unternehmen. Die allgemeinen Umstände in Mazar-e Sharif ermöglichen eine Rückkehr dorthin.
Der BF läuft im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er ist in der Lage, in Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden bzw. am Erwerbsleben teilzunehmen. Zudem war der BF bereits in Afghanistan in der Lage, sich selbst zu versorgen. Weiters hat er für den Unterhalt seiner Familie gesorgt.
Zudem ist es möglich, dass die in der Provinz Paktia aufhältige Familie des BF ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan beim Aufbau einer Existenzgrundlage in Mazar-e Sharif unterstützt.
Unabhängig von Unterstützungsleistungen des BF können seine Ehefrau und seine Kinder in der Herkunftsprovinz Paktia vom familiären Umfeld versorgt werden.
Dem BF steht sein angespartes Vermögen in der Höhe von € 5.000,- bei einer Rückkehr nach Afghanistan zur Verfügung.
Der BF hat die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF wurde in der Beschwerdeverhandlung über die Rückkehrunterstützungen und Reintegrationsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt. Dem BF wurden die Programme ERIN und RESTART II erklärt.
Der BF verfügt über ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit.
Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut.
Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif ausschließen, gibt es nicht. Der BF leidet an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde. Es bestehen keine Zweifel an der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des BF.
Es ist dem BF möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
II.1.4. Zum Leben des BF in Österreich:
Der BF hält sich seit November 2014in Österreich auf.
Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich.
Der BF pflegt in Österreich freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern. Es bestehen keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z.B. Beziehungen, Lebensgemeinschaften). Der BF ist kein Mitglied von politischen Parteien und war auch sonst nicht politisch aktiv. Neben den erwähnten Freundschaften, ist der BF kein Mitglied von Vereinen. In seiner Freizeit geht er Fahrrad fahren. Schließlich wird das soziale Verhalten des BF in der Gesellschaft durch Referenzschreiben belegt. Daraus ist zu entnehmen, dass der BF von seinem sozialen Umfeld als zielstrebig, freundlich und hilfsbereit wahrgenommen wird.
Der BF besucht zwischenzeitlich Deutschkurse und weist dies durch Teilnahmebestätigungen nach. Er ist in der Lage, bei klarer Standardsprache über vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. auf Deutsch zu reden. Darüber hinaus kann er über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben. Der BF verfügt über ein B1-Zertifikat. Der BF war in der in der Lage, ohne Unterstützung eines Dolmetschers an der zweiten Beschwerdeverhandlung teilzunehmen.
Von 28.07.2015 bis 14.08.2015 nahm der BF an der Workshopreihe XXXX teil. Zudem half er ehrenamtlich an mehreren Tagen im Juli 2015 beim XXXX der XXXX mit. Weiters absolvierte er am 08.07.2015 Sozialstunden indem er freiwillig beim Aufbau und Abbau beim XXXX unterstützte. Im August und September 2015 half der BF freiwillig als Helfer des Haustechnikers im XXXX mit. In diesem Zeitraum unterstützte der BF auch bei der XXXX im Ausmaß von acht Stunden pro Woche ehrenamtlich. Weiters war er seit August 2015 im XXXX ehrenamtlich tätig. Ende Dezember 2015 und im Jänner 2016 hat sich der BF im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung freiwillig beim XXXX engagiert.
Am 17.03.2016 wurde dem BF der Preis XXXX in Anerkennung besonderer Verdienste in der Freiwilligenarbeit des XXXX verliehen.
Von Oktober bis Dezember 2015 nahm der BF am Basislehrgang XXXX teil. Am 05.09.2017 legte der BF die Plichtschulabschluss-Prüfung ab.
Am 20.01.2016 wurde dem BF in Österreich ein Führerschein ausgestellt.
Im März 2016 absolvierte der BF einen Erste-Hilfe-Grundkurs.
Seit 02.01.2018 ist der BF als gewerblicher selbstständig Erwerbstätiger zur "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500kg nicht übersteigt" in Österreich gemeldet. Ab diesem Zeitpunkt war der BF bei der SVA pensions-, kranken- und unfallversichert.
Seit 01.07.2018 lebt der BF in einer von ihm gemieteten Wohnung in Linz. Das Mietentgelt beträgt € 330. Der Mietvertrag wurde am 29.06.2018 abgeschlossen.
Am 21.03.2018 schloss der BF einen Transportvertrag mit der XXXX , in Linz ab. Der BF verpflichtete sich zur Lieferung und Verteilung von Waren in Linz und Linz Umgebung ab dem 14.03.2018. Als Honorar wurden 70 € für achten Stunden vereinbart.
Am 01.10.2018 schloss der BF einen Vertrag mit XXXX , in 1230 Wien, ab. Gegenstand der Rahmenvereinbarung ist die längerfristige Verpflichtung des BF zu Transporten, Zustellungen und Abholungen von (Paket-) Sendungen für die XXXX . Die Einkünfte aus dieser Tätigkeit bewegen sich zwischen ca. 2.000 € - 2.500 € netto im Monat.
Seit Jänner 2018 ist der BF selbsterhaltungsfähig.
II.1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (Länderinformationsblatt für Afghanistan (in der Folge auch "LIB") vom 13.11.2019, Seite 12).
II.1.5.1. Sicherheitslage:
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (LIB 13.11.2019, Seite 18). Diese ist jedoch regional und sogar innerhalb der Provinzen von Distrikt zu Distrikt sehr unterschiedlich (EASO Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, S. 89ff; LIB 13.11.2019, Seite 18ff).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung. Die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden sind, sodass Engpässe entstehen. Dadurch können manchmal auch Kräfte fehlen, um Territorium zu halten. Die Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau (LIB 13.11.2019, Seite 19).
Für das gesamte Jahr 2018 gab es gegenüber 2017 einen Anstieg in der Gesamtzahl ziviler Opfer und ziviler Todesfälle. Für das erste Halbjahr 2019 wurde eine niedrigere Anzahl ziviler Opfer registriert. Im Juli, August und September lag ein hohes Gewaltniveau vor. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren 2018 am stärksten vom Konflikt betroffen (LIB 13.11.2019, Seite 24).
Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion, weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele (High Profile Angiffe - HPA) aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind jedoch stetig zurückgegangen. Zwischen 01.06.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt, zwischen 01.12.2018 und 15.05.2019 waren es 6 HPAs (LIB 13.11.2019, Seite 25).
II.1.5.2. Regierungsfeindliche Gruppierungen:
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB 13.11.2019, Seite 26).
II.1.5.2.1. Taliban
Zwischen 01.12.2018 und 31.05.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zum Ziel - die Taliban beschränken ihre Angriffe weitgehend auf Regierungsziele und afghanische und internationale Sicherheitskräfte (LIB 13.11.2019, Seite 26; Seite 29). Die Gesamtstärke der Taliban betrug im Jahr 2017 über 200.000 Personen, darunter ca. 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest seien Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB 13.11.2019, Seite 27). Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten bestehen die Taliban bereits überwiegend aus Nicht-Paschtunen, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB 13.11.2019, Seite 27).
II.1.5.2.2. Haqani-Netzwerk
Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida. Als gefährlichster Arm der Taliban, hat das Haqqani-Netzwerk seit Jahren Angriffe in den städtischen Bereichen ausgeführt und ist für einige der tödlichsten Angriffe in Afghanistan verantwortlich (LIB 13.11.2019, Seite 27).
II.1.5.2.3. Islamischer Staat (IS/Daesh)
Islamischer Staat Khorasan Provinz: Die Stärke des ISKP variiert zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern bzw. ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen. Der IS ist seit Sommer 2014 in Afghanistan aktiv. Durch Partnerschaften mit militanten Gruppen konnte der IS seine organisatorischen Kapazitäten sowohl in Afghanistan als auch in Pakistan stärken. Er ist vor allem im Osten des Landes in der Provinz Nangarhar präsent (LIB 13.11.2019, Seite 27f). Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab. Die Taliban und der IS sind verfeindet. Während die Taliban ihre Angriffe überwiegend auf Regierungsziele bzw. Sicherheitskräfte beschränken, zielt der IS darauf ab, konfessionelle Gewalt zu fördern und Schiiten anzugreifen (LIB 13.11.2019, Seite 29).
II.1.5.2.4. Al-Qaida
Al-Qaida sieht Afghanistan auch weiterhin als sichere Zufluchtsstätte für ihre Führung, basierend auf langjährigen und engen Beziehungen zu den Taliban. Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB 13.11.2019, Seite 29).
II.1.5.3. Sicherheitsbehörden:
Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF - Afghan National Defense and Security Forces) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Das Innenministerium ist primär für die interne Ordnung zuständig, dazu zählt auch die ANP (Afghan National Police) und die ALP (Afghan Local Police) (LIB 13.11.2019, Seite 249).
Die Afghanische Nationalarmee (ANA) ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen. Das Verteidigungsministerium hat die Stärke der ANA mit 227.374 autorisiert (LIB 13.11.2019, Seite 250). Die Afghan National Police (ANP) gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit in der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA (LIB 13.11.2019, S. 250). Die Afghan Local Police (ALP) wird durch die USA finanziert und schützt die Bevölkerung in Dörfern und ländlichen Gebieten vor Angriffen durch Aufständische (LIB 13.11.2019, Seite 251).
II.1.5.4. Lage in der Herkunftsprovinz Paktia des BF:
II.1.5.4.1. Grundinformationen:
Die Provinz Paktia liegt im OstensAfghanistans. In der Provinz leben rund 601.000 Menschen. Die Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Paschtunen (LIB 13.11.2019, Seite 183).
II.1.5.4.2. Errreichbarkeit:
Eine Autobahn verbindet Kabul mit der Provinzhauptstadt Gardez. Eine weitere Autobahn verbindet Ghazni mit Gardez (LIB 13.11.2019, Seite 183).
II.1.5.4.3. Sicherheitslage:
Sowohl die Taliban als auch das Haqqani-Netzwerk sind in gewissen unruhigen Distrikten der Provinz aktiv; in diesen Distrikten versuchen sie terroristische Aktivitäten gegen Regierungs- und Sicherheitsinstitutionen auszuführen. Die Provinz beherbergt viele ehemalige Mujahedin-Kommandanten, die Mitglieder der Harakat-e Enqelab-e Islami-e Afghanistan (The Islamic Revolutionary Movement of Afghanistan) sind, einer sunnitischen Tanzim- oder Mujahedin-Partei, die 1979-1980 in Peschawar gegründet wurde und hauptsächlich in den Provinzen Paktia und Logar tätig war (LIB 13.11.2019, Seite 184).
II.1.5.5. Lage in der Provinz Balkh bzw. in der Provinzhauptstadt
Mazar-e Sharif:
II.1.5.5.1. Grundinformationen:
Balkh liegt im Norden Afghanistans. Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte
469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (LIB 13.11.2019, Seite 60 f.). Im Zeitraum 01.01.2018 bis 30.06.2019 kamen rund 30.000 Binnenvertriebe in die Provinz Balkh (LIB 13.11.2019, Seite 60 f.)
II.1.5.5.2. Erreichbarkeit:
Mazar-e Sharif ist über die Autobahn sowie über einen Flughafen (mit nationalen und internationalen Anbindungen) zu erreichen (LIB 13.11.2019, Seite 61 und 336).
II.1.5.5.3. Sicherheitslage:
Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. In den letzten Monaten versuchten Aufständische der Taliban die Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren (LIB 13.11.2019, Seite 62). Im Jahr 2018 wurden 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh dokumentiert. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, Seite 63). Das Niveau an willkürlicher Gewalt ist in der Provinz Balkh sowie in der Stadt Mazar-e Sharif so gering, dass für Zivilisten an sich nicht die Gefahr besteht, von erheblichen Eingriffen in die psychische oder physische Unversehrtheit betroffen zu sein (EASO - Country Guidance Afghanistan, Juni 2019, Seite 89 und 92 f.).
II.1.5.5.4. Wirtschaftslage:
Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum. In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen. Mazar-e Sharif ist ein regionales Handelszentrum für Nordafghanistan, wie auch ein Industriezentrum mit großen Fertigungsbetrieben und einer Vielzahl von kleinen und mittleren Unternehmen, welche Kunsthandwerk und Teppiche anbieten (LIB 13.11.2019, Seite 61 und 336)
II.1.5.5.5. Medizinische Versorgung:
In der Stadt Mazar-e Sharif gibt es zwischen 10 und 15 Krankenhäuser; dazu zählen sowohl private als auch öffentliche Anstalten. In Mazar-e Sharif existieren mehr private als öffentliche Krankenhäuser. Private Krankenhäuser sind sehr teuer; jede Nacht ist kostenpflichtig. Zusätzlich existieren etwa 30-50 medizinische Gesundheitskliniken; 20% dieser Gesundheitskliniken finanzieren sich selbst, während 80% öffentlich finanziert sind. Das Regionalkrankenhaus Balkh ist die tragende Säule medizinischer Dienstleistungen in Nordafghanistan; selbst aus angrenzenden Provinzen werden Patient/innen in dieses Krankenhaus überwiesen. Für das durch einen Brand zerstörte Hauptgebäude des Regionalkrankenhauses Balkh im Zentrum von Mazar-e Sharif wurde ein neuer Gebäudekomplex mit 360 Betten, 21 Intensivpflegeplätzen, sieben Operationssälen und Einrichtungen für Notaufnahme, Röntgen- und Labordiagnostik sowie telemedizinischer Ausrüstung errichtet. Zusätzlich kommt dem Krankenhaus als akademisches Lehrkrankenhaus mit einer angeschlossenen Krankenpflege- und Hebammenschule eine Schlüsselrolle bei der Ausbildung des medizinischen und pflegerischen Nachwuchses zu. Die Universität Freiburg (Deutschland) und die Mashhad Universität (Iran) sind Ausbildungspartner dieses Krankenhauses (BFA 4.2018). Balkh gehörte bei einer Erhebung von 2016/2017 zu den Provinzen mit dem höchsten Anteil an Frauen, welche einen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben. Weiters gibt es in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 13.11.2019, Seite 347 und 351 f.).
II.1.5.6. Bewegungsfreiheit
Das Gesetz garantiert interne Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Die Regierung schränkt die Bewegung der Bürger gelegentlich aus Sicherheitsgründen ein. Afghanen dürfen sich formell im Land frei bewegen und niederlassen (LIB 13.11.2019, Seite 327).
II.1.5.7. Meldewesen
Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, keine Datenbanken mit Adress- oder Telefonnummerneinträgen und auch keine Melde- oder Registrierungspflicht. Die Gemeinschafts- bzw. Bezirksältesten führen kein Personenstandsregister, die Regierung registriert jedoch Rückkehrer. Durch die hohe soziale Kontrolle ist gerade im ländlichen Raum keine, aber auch in den Städten kaum Anonymität zu erwarten (LIB 13.11.2019, Seite 328).
II.1.5.8. Allgemeine Menschenrechtslage
Im Bereich der Menschenrechte hat Afghanistan unter schwierigen Umständen Fortschritte gemacht. Inzwischen ist eine selbstbewusste neue Generation von Afghaninnen und Afghanen herangewachsen, die sich politisch, kulturell und sozial engagiert und der Zivilgesellschaft eine stärkere Stimme verleiht. Diese Fortschritte erreichen aber nach wie vor nicht alle Landesteile und sind außerhalb der Städte auch gegen willkürliche Entscheidungen von Amtsträgern und Richtern sowie Einflussnahme örtlicher Machteliten nur schwer durchzusetzen. Die afghanische Regierung ist nicht in der Lage, die durch die afghanische Verfassung und einschlägige völkerrechtliche Verträge garantierten Menschenrechte vollumfänglich umzusetzen und zu gewährleisten (LIB 13.11.2019, Seite 264).
II.1.5.9. Korruption:
Die Korruption ist in Afghanistan sehr hoch. Es bestehen zwar strafrechtliche Sanktionen gegen Korruption, diese werden jedoch nicht effektiv umgesetzt. Korruption findet in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens statt, unter anderem in der Justiz, bei der Beschaffung von Gütern, bei Staatseinnahmen und bei der Bereitstellung von Leistungen des Staates (LIB 13.11.2019, Seite 254 f.).
II.1.5.10. Medizinische Versorgung:
Der afghanischen Verfassung zufolge hat der Staat kostenlos medizinische Vorsorge, ärztliche Behandlung und medizinische Einrichtungen für alle Bürger zur Verfügung zu stellen. Außerdem fördert der Staat die Errichtung und Ausweitung medizinischer Leistungen und Gesundheitszentren. Eine begrenzte Anzahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung an. Alle Staatsbürger haben dort Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten, Ärztinnen und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt (LIB 13.11.2019, Seite 344).
Die Kosten für Medikamente in staatlichen Krankenhäusern weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. 90% der medizinischen Versorgung in Afghanistan werden nicht direkt vom Staat zur Verfügung gestellt, sondern von nationalen und internationalen NGOs, die über ein Vertragssystem beauftragt werden (LIB 13.11.2019, Seite 350).
II.1.5.11. Wirtschaft
Afghanistan ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt und stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig (LIB 13.11.2019, Seite 333).
Am Arbeitsmarkt müssten jährlich 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Persönliche Kontakte, Empfehlungen sowie ein Netzwerk sind wichtig um einen Job zu finden. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen, wobei Fähigkeiten, die sich Rückkehrer im Ausland angeeignet haben, eine wichtige Rolle bei der Arbeitsplatzsuche spielen können. Der afghanische Arbeitsmarkt ist durch eine starke Dominanz des Agrarsektors, eine Unterrepräsentation von Frauen und relativ wenigen Möglichkeiten für junge Menschen gekennzeichnet. Ebenso korreliert ein Mangel an Bildung mit Armut, wobei ein niedriges Bildungsniveau und Analphabetismus immer noch weit verbreitet sind. In Afghanistan existiert keine finanzielle oder sonstige Unterstützung bei Arbeitslosigkeit (LIB 13.11.2019, Seite 334 f.).
Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Seite 29 f.).
II.1.5.12. Rückkehrer:
In den ersten vier Monaten des Jahres 2019 sind insgesamt 63.449 Menschen nach Afghanistan zurückgekehrt. Im Jahr 2018 kamen 775.000 aus dem Iran und 46.000 aus Pakistan zurück (LIB 13.11.2019, Seite 353).
Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, können verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Für Rückkehrer leisten UNHCR und IOM in der ersten Zeit Unterstützung. Bei der Anschlussunterstützung ist die Transition von humanitärer Hilfe hin zu Entwicklungszusammenarbeit nicht immer lückenlos. Wegen der hohen Fluktuation im Land und der notwendigen Zeit der Hilfsorganisationen, sich darauf einzustellen, ist Hilfe nicht immer sofort dort verfügbar, wo Rückkehrer sich niederlassen. Es befinden sich viele Rückkehrer in Gebieten, die für Hilfsorganisationen aufgrund der Sicherheitslage nicht erreichbar sind (LIB 13.11.2019, Seite 354).
Soziale, ethnische und familiäre Netzwerke sind für einen Rückkehrer unentbehrlich. Der Großteil der nach Afghanistan zurückkehrenden Personen verfügt über ein familiäres Netzwerk, auf das in der Regel zurückgegriffen wird. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage, den ohnehin großen Familienverbänden und individuellen Faktoren ist diese Unterstützung jedoch meistens nur temporär und nicht immer gesichert. Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen beruflichen Netzwerken (Kolleg/innen, Mitstudierende etc.) sowie politische Netzwerke usw. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind manche Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer dar. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 13.11.2019, Seite 354).
Rückkehrer aus dem Iran und aus Pakistan, die oft über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt haben und zum Teil dort geboren wurden, sind in der Regel als solche erkennbar. Offensichtlich sind sprachliche Barrieren, von denen vor allem Rückkehrer aus dem Iran betroffen sind, weil sie Farsi (die iranische Landessprache) oder Dari (die afghanische Landessprache) mit iranischem Akzent sprechen. Zudem können fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen die Integration und Existenzgründung erschweren. Das Bestehen sozialer und familiärer Netzwerke am Ankunftsort nimmt auch hierbei eine zentrale Rolle ein. Über diese können die genannten Integrationshemmnisse abgefedert werden, indem die erforderlichen Fähigkeiten etwa im Umgang mit lokalen Behörden sowie sozial erwünschtes Verhalten vermittelt werden und für die Vertrauenswürdigkeit der Rückkehrer gebürgt wird. Es gibt jedoch nicht viele Fälle von Diskriminierung afghanischer Rückkehrer aus dem Iran und Pakistan aufgrund ihres Status als Rückkehrer. Fast ein Viertel der afghanischen Bevölkerung besteht aus Rückkehrern. Diskriminierung beruht in Afghanistan großteils auf ethnischen und religiösen Faktoren sowie auf dem Konflikt (LIB 13.11.2019, Seite 355).
Rückkehrer aus Europa oder dem westlichen Ausland werden von der afghanischen Gesellschaft häufig misstrauisch wahrgenommen. Es sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Wenn ein Rückkehrer mit im Ausland erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen zurückkommt, stehen ihm mehr Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung als den übrigen Afghanen, was bei der hohen Arbeitslosigkeit zu Spannungen innerhalb der Gemeinschaft führen kann (LIB 13.11.2019, Seite 355).
Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrer die größte Schwierigkeit dar. Der Zugang zum Arbeitsmarkt hängt maßgeblich von lokalen Netzwerken ab. Die afghanische Regierung kooperiert mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Für Afghanen, die im Iran geboren oder aufgewachsen sind und keine Familie in Afghanistan haben, ist die Situation problematisch (LIB 13.11.2019, Seite 355).
Viele Rückkehrer leben in informellen Siedlungen, selbstgebauten Unterkünften oder gemieteten Wohnungen. Die meisten Rückkehrer im Osten des Landes leben in überbelegten Unterkünften und sind von fehlenden Möglichkeiten zum Bestreiten des Lebensunterhaltes betroffen (LIB 13.11.2019, Seite 356).
Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Rückkehrer erhalten Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Es gibt keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer. Der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer aus Europa kehrt direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück (LIB 13.11.2019, Seite 356).
Die "Reception Assistance" umfasst sofortige Unterstützung oder Hilfe bei der Ankunft am Flughafen: IOM trifft die freiwilligen Rückkehrer vor der Einwanderungslinie bzw. im internationalen Bereich des Flughafens, begleitet sie zum Einwanderungsschalter und unterstützt bei den Formalitäten, der Gepäckabholung, der Zollabfertigung, usw. Darüber hinaus arrangiert IOM den Weitertransport zum Endziel der Rückkehrer innerhalb des Herkunftslandes und bietet auch grundlegende medizinische Unterstützung am Flughafen an. 1.279 Rückkehrer erhielten Unterstützung bei der Weiterreise in ihre Heimatprovinz. Für die Provinzen, die über einen Flughafen und Flugverbindungen verfügen, werden Flüge zur Verfügung gestellt. Der Rückkehrer erhält ein Flugticket und Unterstützung bezüglich des Flughafen-Transfers. Der Transport nach Herat findet in der Regel auf dem Luftweg statt (LIB 13.11.2019, S. 358).
In Kabul und im Umland sowie in Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Die Kosten in Kabul-City sind jedoch höher als in den Vororten oder in den anderen Provinzen. Die Lebenshaltungskosten sind für den zentral gelegenen Teil der Stadt Kabul höher als in ländlichen Gebieten (LIB 13.11.2019, S. 359).
Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten, da dies billiger ist. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen, um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Seite 31).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 13.11.2019, Seite 362).
II.1.5.13. Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben zwischen 32-35 Millionen Menschen. Es sind ca. 40-42% Pashtunen, rund 27-30% Tadschiken, ca. 9-10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt. Soziale Gruppen werden in Afghanistan nicht ausgeschlossen und kein Gesetz verhindert die Teilnahme von Minderheiten am politischen Leben. Es kommt jedoch im Alltag zu Diskriminierungen und Ausgrenzungen ethnischer Gruppen und Religionen sowie zu Spannungen, Konflikten und Tötungen zwischen unterschiedlichen Gruppen (LIB 13.11.2019, Seite. 287f).
II.1.5.14. Religionen:
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon 80-89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 13.11.2019, S. 277).
Sunniten sind allein aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit in Afghanistan weder psychischen noch physischen Bedrohungen ausgesetzt.
II.1.5.15. Die Unterstützungspflicht der Großfamilie
Die wechselseitige Verpflichtung, einander innerhalb der Großfamilie zu helfen und zu unterstützen, ist stark, und die Traditionen, Verantwortung für Menschen innerhalb der Gruppe zu übernehmen, sind tief verwurzelt. Je enger die Verwandtschaft, desto stärker ist die Pflicht zu helfen und zu unterstützen. Mehrere Menschen, mit denen Landinfo in Kabul sprach, äußerten die Ansicht, dass es unmöglich sei, Menschen aus dem engsten Umfeld wie Brüder, die Kinder des Bruders des Vaters etc. zurückzuweisen, es sei denn, es besteht ein schwerwiegender Konflikt innerhalb der Familie. Man könne sich unmöglich vorstellen, dass ein Afghane kein Dach über dem Kopf anbietet, wenn die Alternative wäre, dass ein enges Familienmitglied auf der Straße stünde. Es ist kulturell inakzeptabel, eine Person, die um Zuflucht ersucht, abzuweisen, und das gilt insbesondere für enge Verwandte. Die Dauer des Aufenthaltes ist von den Mitteln der Familie abhängig. Die Pflichten gegenüber der Großfamilie gelten für alle Afghanen ungeachtet der ethnischen Zugehörigkeit, unter Paschtunen sind sie aber wahrscheinlich am stärksten ausgeprägt (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Seite 13).
II.1.5.16. Dokumente und Drohbriefe
Echte Dokumente unwahren Inhalts gibt es in erheblichem Umfang. So werden Pässe und Personenstandsurkunden von afghanischen Ministerien und Behörden ohne adäquaten Nachweis ausgestellt. Ursachen sind ein nach Jahrzehnten des bewaffneten Konflikts lückenhaftes Registerwesen, mangelnde administrative Qualifikation sowie weit verbreitete Korruption. Unter den oben geschilderten Gesichtspunkten gibt es kaum Bedarf an gefälschten Dokumenten. Im Visumverfahren werden teilweise gefälschte Einladungen oder Arbeitsbescheinigungen vorgelegt. Durch die intensiven Kontrollen der Beamten an den internationalen Flughäfen in Kabul und Mazar-e Scharif werden dort inzwischen weniger gefälschte Reisedokumente vorgelegt. Allerdings tauchen in letzter Zeit vermehrt gefälschte Visa auf. (Deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage, vom 06. November 2015, S. 27)
Die nachfolgend zitierten Quellen berichten über Drohbriefe von Daesh/IS und den Taliban aus unterschiedlichen Provinzen Afghanistans aus den Jahren 2017 und 2018. Es wird von Drohbriefen berichtet, die sich gegen die Bevölkerung allgemein, gegen Institutionen und gezielt gegen Einzelpersonen richten. Die Taliban nutzen in den letzten Jahren vermehrt Internet und soziale Medien, um Botschaften oder Drohungen zu verbreiten. Eine nachfolgend zitierte Quelle gibt an, dass Drohbriefe oft in der Nacht an einer Moschee oder einem Geschäft angebracht werden und die lokale Bevölkerung, aufgrund eines hohen Anteils an Analphabeten, auf eine schriftkundige Person angewiesen ist, die den Brief vorlesen kann (Quelle: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan: Drohbriefe der Taliban und des IS, vom 27.06.2018)
Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass gefälschte Drohbriefe für etwa US$ 1.000 gekauft werden können. Den Quellen kann auch entnommen werden, dass die Taliban es größtenteils aufgegeben haben, mit Drohbriefen vorzugehen (Quelle:
Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Afghanistan: Taliban Drohbriefe, Bedrohung militärischer Mitarbeiter, vom 28.06.2016)
II.2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, der Erstbefragung des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (in der Folge kurz "Erstbefragung" bezeichnet), der Einvernahme des BF durch die bB (in der Folge kurz "Niederschrift" bezeichnet), der Säumnisbeschwerde, der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 16.05.2017 (in der Folge kurz "1. Verhandlungsprotokoll" bezeichnet) sowie der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 06.09.2019 (in der Folge kurz "2. Verhandlungsprotokoll" bezeichnet), der im Verfahren vorgelegten Dokumente der Parteien, der Stellungnahmen des BF, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem.
Die Feststellungen zum Auftreten des BF in der Beschwerdeverhandlung ergeben sich aus der persönlichen Wahrnehmung des erkennenden Richters.
Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.
II.2.1. Zum sozialen Hintergrund des BF:
Die Feststellungen zur Identität (Name und Geburtsdatum) des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor der bB, in der Säumnisbeschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG (vgl. Niederschrift, Seite 2 sowie 1. Verhandlungsprotokoll, Seite 6). Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des BF getroffen wurden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren, da seine Identität nicht abschließend geklärt werden konnte.
Der Zeitpunkt der erstmaligen Ausreise des BF sowie seines jahrelangen Aufenthaltes in Pakistan ergibt sich aus seinen glaubhaften Angaben in der ersten Beschwerdeverhandlung (1. Verhandlungsprotokoll, Seite 7). Unter Berücksichtigung seines Geburtsjahres und seiner Angaben in der ersten Beschwerdeverhandlung konnte festgestellt werden, dass der BF im Zeitraum 1988 bis 1990 Afghanistan verlassen hat.
Ein genauer Zeitpunkt der letzten Ausreise des BF aus Afghanistan konnte jedoch nicht festgestellt werden. Dahingehend variieren die Angaben des BF mehrmals im Verfahren: So erklärte der BF noch bei der Erstbefragung im November 2014, dass er vor einem Monat Afghanistan verlassen habe (Erstbefragung, Seite 4). Entsprechend dieser Erklärungen hätte der BF im Oktober 2014 Afghanistan verlassen müssen. Bei seiner Einvernahme vor der bB erklärte der BF zunächst, dass er im Oktober 2014 ausgereist sei, anschließend gab er an, dass er im August 2014 ausgereist sei (Niederschrift, Seite 4). In der ersten Beschwerdeverhandlung gab der BF dann an, dass er im Oktober 2014 Afghanistan verlassen habe (1. Verhandlungsprotokoll, Seite 13). In der zweiten Beschwerdeverhandlung führte er aus, dass er im August 2014 seinen Herkunftsstaat verlassen habe (2. Verhandlungsprotokoll, Seite 10). Obwohl die Ausführungen auf eigenen Erlebnissen des BF beruhen sollten, ist der BF nicht in der Lage, übereinstimmende Aussagen zu tätigen. Sohin konnte nur festgestellt werden, dass der BF im Jahr 2014 Afghanistan verlassen hat. Seine Erklärung, er habe die Monatsnamen vertauscht (2. Verhandlungsprotokoll, Seite 16 f.), kann aufgrund der mehrfach widersprüchlichen Angaben nicht gefolgt werden.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung (vgl. 2. Verhandlungsprotokoll, Seite 3). Im Zuge der zweiten Beschwerdeverhandlung gab der BF ausdrücklich an, kerngesund zu sein.
Die Feststellungen zu den persönlichen Lebensumständen des BF, wie Schul- und seiner Berufserfahrung sowie zu seiner Vermögenslage und Selbsterhaltungsfähigkeit ergeben sich aus seinen diesbezüglichen glaubhaften Angaben im Verfahren (vgl. 1. Verhandlungsprotokoll, Seite 7 ff und 2. Verhandlungsprotokoll, Seite 10)
Die Feststellungen zur familiären Situation des BF beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor der bB und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.
Aufgrund seiner dahingehenden glaubhaften Angaben im Verfahren konnte festgestellt werden, dass der BF in Kontakt mit seiner Frau und Angehörigen in Afghanistan steht (vgl. 2. Verhandlungsprotokoll, Seite 12).
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit beruht auf den Angaben des BF, welche durch Einsicht in den aktuellen Strafregisterauszug verifiziert wurden. Die Feststellung, dass der BF in Afghanistan nicht vorbestraft ist, keine Probleme mit den Behörden hatte und dass er politisch nicht aktiv ist, sind seinen glaubhaften Aussagen dahingehend zu entnehmen (vgl. Verhandlungsprotokoll, Seite 14 f.).
II.2.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde sowie dem vor dem BVwG abgeführten Verfahren und im Besonderen der mündlichen Verhandlung ergibt sich, dass der BF ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, eventuelle Fluchtgründe umfassend und im Detail darzulegen sowie allfällige Beweismittel und geeignete Nachweise zur Untermauerung seines Vorbringens vorzulegen. Er wurde auch mehrmals zur umfassenden und detaillierten Schilderung seiner Fluchtgründe und ausdrücklich zur Vorlage von Beweismitteln aufgefordert sowie über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt. Wie in der Folge dargestellt, ist das Vorbringen des BF objektiv nicht geeignet, einen asylrelevanten Grund zu begründen, da es unschlüssig und zu wesentlichen Punkten widersprüchlich ist:
II.2.2.1. Zum Fluchtvorbringen des BF im Rahmen der Erstbefragung:
Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu VfGH 27.06.2012, U98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Die bB und das BVwG können im Rahmen ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen. Im vorliegenden Fall gab der BF in der Erstbefragung zunächst an, dass er als Sicherheitsbeamter bei der XXXX gearbeitet habe. Seine Ortschaft in der Provinz XXXX gehöre den Taliban. Die Taliban seien dahintergekommen, dass er für die Amerikaner gearbeitet habe. Er sei deshalb bedroht worden. Die Taliban hätten den BF mehrmals angerufen und hätten gedroht, ihn umzubringen. Deshalb habe er sein Heimatland verlassen.
In der Einvernahme vor der bB bzw. in der Verhandlung vor dem BVwG änderte der BF sein Fluchtvorbringen dann massiv ab: So ist aus dem Fluchtvorbringen des BF bei seiner Einvernahme bei der bB sowie in der Beschwerdeverhandlung nicht zu entnehmen, dass er überhaupt mit Anrufen bedroht worden wäre. Erstmals verwies der BF bei der Einvernahme bei der bB auf einen Drohbrief. Zugestanden wird, dass die polizeiliche Erstbefragung grundsätzlich dazu dient, allgemeine Angaben eines Asylwerbers, insbesondere zu seiner Fluchtroute zu erheben. Dennoch findet bei dieser Gelegenheit auch eine Frage zu den Fluchtmotiven statt, welche von den Asylwerbern - langjährigen Erfahrungswerten entsprechend - nahezu durchgängig dazu genützt wird, die wichtigsten persönlichen Flu