TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/31 W279 2192419-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2020
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Entscheidungsdatum

31.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W279 2192419-1/21E

W279 2192415-1/17E

W279 2192413-1/17E

W279 2192291-1/15E

W279 2192407-1/14E

W279 2192410-1/14E

W279 2192423-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers XXXX , geboren am XXXX 1978, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2018, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX .12.2019 sowie am zu Recht:

A)

Der Beschwerde von XXXX wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin

XXXX , geboren am XXXX .1980, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2018, Zahl

XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX .12.2019 zu Recht:

A)

Der Beschwerde der XXXX wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde der Drittbeschwerdeführerin

XXXX , geboren am XXXX 2003, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2018, Zahl

XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX .12.2019 zu Recht:

A)

Der Beschwerde der XXXX wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde des Viertbeschwerdeführers

XXXX , geboren am XXXX 2005, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2018, Zahl

XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX .12.2019 zu Recht:

A)

Der Beschwerde des XXXX wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

5. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde des Fünftbeschwerdeführers

XXXX , geboren am XXXX 2008, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2018, Zahl

XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX .12.2019 zu Recht:

A)

Der Beschwerde des XXXX wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

6. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde der Sechstbeschwerdeführerin

XXXX , geboren am XXXX 2012, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2018, Zahl

XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX .12.2019 zu Recht:

A)

Der Beschwerde der XXXX wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

7. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde der Siebtbeschwerdeführerin

XXXX , geboren am XXXX 2017, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2018, Zahl

XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX .12.2019 zu Recht:

A)

Der Beschwerde der XXXX wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. 1. Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge BF1) und die Zweitbeschwerdeführerin (in der Folge BF2) reisten gemeinsam mit ihrer zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Kindern, den Dritt-bis Sechstbeschwerdeführer (BF3-BF6) illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am XXXX .10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG.

2. Am XXXX .10.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführer statt.

Der Erstbeschwerdeführer brachte zunächst vor, dass er Schiite und Hazara sei.

Zu seinem Fluchtgrund befragt brachte der BF1 vor, dass sein Leben und jenes seiner Familie durch die Taliban in Gefahr gewesen seien. Sie hätten Afghanistan verlassen, weil ihnen ein weiterer Verbleib unzumutbar geworden sei. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben und um jenes seiner Familie.

Die Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: "BF2" genannt) brachte zunächst vor, dass sie keine Ausbildung gemacht habe. Sie sei mit dem BF1 verheiratet und habe vier Kinder.

Die BF2 brachte keine eigenen Fluchtgründe für sich und die minderjährigen BF3-BF6 vor.

3. Am 06.12.2017 wurden die BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt) im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

Der BF1 brachte zunächst vor, dass er sunnitischer Moslem sei und der Volksgruppe der Tadschiken angehöre. Er sei in Maidan Wardak geboren und aufgewachsen und sei schiitischer Hazara. Auf Aufforderung, einen kurzen Lebenslauf wiederzugeben, erklärte der BF, dass er eine Koranschule besucht habe und anschließend als Hirte sowie in der Landwirtschaft tätig gewesen sei. Mit seiner Familie habe der BF vier Jahre im Iran gelebt und illegal als Hilfsarbeiter auf einer Baustelle gearbeitet. Zur Frage, welche seiner Familienangehörigen noch im Herkunftsstaat leben würden, entgegnete der BF, dass seine Eltern bereits verstorben seien und einer seiner Brüder sowie eine Schwester nach wie vor in Maidan Wardak aufhältig seien. Ein Bruder sei in Österreich wohnhaft.

Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF1 zusammengefasst an, dass vor etwa sieben oder acht Jahren Kuchi sowie Taliban in ihr Gebiet gekommen seien, deren Bewohner getötet und ihre Tiere beschlagnahmt hätten. Die überlebenden Personen der Siedlungen hätten beschlossen, Afghanistan zu verlassen. Da bereits der Onkel seiner Ehefrau ermordet worden sei, hätten sie befürchtet, ebenfalls getötet zu werden. Den Iran habe er verlassen, da er dort mit seinen Kindern illegal aufhältig gewesen sei.

Die Fragen, ob er vorbestraft sei, in seinem Land inhaftiert gewesen sei, Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt habe, gegen ihn staatliche Fahndungsmaßnahmen bestehen würden oder ob er politisch tätig gewesen sei, wurden vom BF verneint. Er habe auch keine Probleme mit Privatpersonen gehabt, nie an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen und sei im Herkunftsstaat nie persönlich bedroht worden. Die Bewohner seines Gebietes seien ganz allgemein in Gefahr gewesen. Bei einer Rückkehr in das Heimatland könnte er seine Kinder nicht in die Schule schicken, seine Ehefrau müsste zu Hause bleiben.

Auf die Frage, wer die Kuchi seien, erwiderte der BF1, dass es sich um einen Teil der Paschtunen handeln würde. Sie seien Nomaden und ursprünglich in friedlicher Absicht in ihr Gebiet gekommen, seien jedoch nach einiger Zeit brutal geworden und hätten zahlreiche Bewohner ermordet. Nachgefragt, wieso die Kuchi das Dorf angegriffen hätten, brachte der BF vor, dass er dies nicht wisse. Befragt, ob er direkt in den Iran oder in eine andere Region Afghanistans geflohen sei, entgegnete der BF, dass sie sich in ein sicheres Gebiet begeben hätten, nachdem sie erfahren hätten, dass der Onkel seiner Frau ermordet worden sei, seien sie jedoch in den Iran geflohen. Zur Frage, wie sein Dorf angegriffen worden sei, replizierte der BF, dass sie in einem anderen Gebiet gewesen seien, als sie vom Konflikt erfahren hätten. Seine Familie sei eine der ersten gewesen, die das Dorf verlassen habe und er wisse lediglich aus Erzählungen von Dorfbewohnern, dass die Kuchi und die Taliban einen Tag nach ihrer Ausreise das Dorf belagert hätten und den Onkel seiner Ehefrau als Dorfältesten gefoltert und umgebracht hätten. Befragt, ob er wisse, ob sein Dorf wieder besiedelt sei, erklärte der BF, dass er dies nicht genau wisse, aber gehört habe, dass im Haus seines Schwiegervaters ein Militärstützpunkt gewesen sei, um die Kuchi sowie die Taliban zu bekämpfen.

In Österreich habe er familiäre Anknüpfungspunkte in Form eines Bruders, im Bundesgebiet würden jedoch keine Verwandten leben, zu denen eine besondere Beziehungsintensität oder ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Er habe bereits Deutschkurse absolviert, sei jedoch bislang noch keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Seine Frau gehe weder alleine einkaufen noch alleine zum Arzt.

Die BF2 brachte zunächst vor, dass sie der Volksgruppe der Hazara und der Religion der Schiiten angehöre. Sie sei zuckerkrank und leide unter Bluthochdruck, weswegen sie in medikamentöser Behandlung stehe. Die Fragen, ob die Personal-oder Identitätsdokumente vorlegen könne, wurden von der BF2 verneint. Sie habe vor ihrer Ausreise in der Provinz Maidan Wardak mit ihrem Ehemann zusammengelebt und habe fünf Kinder. Ihre Kinder würden im Verfahren keine eigenen Fluchtgründe haben.

Auf Aufforderung, ihren Lebenslauf zu schildern, führte die BF2 aus, dass sie in Maidan Wardak geboren sowie aufgewachsen und bisher Hausfrau gewesen sei. Auf die Frage, welche Familienangehörigen noch in ihrem Herkunftsstaat leben würden, erklärte die BF2, dass ihre Eltern, ihre beiden Brüder sowie ihre Schwester nach wie vor in Afghanistan wohnhaft seien, ihr genauer Aufenthalt jedoch nicht bekannt sei. Überdies lebe eine Tante im Heimatland, ihr Aufenthalt sei der BF2 ebenfalls unbekannt.

Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die BF2 zusammengefasst an, dass die Kuchi und die Taliban in ihrem Dorf zahlreiche Bewohner ermordet hätten und ihr Onkel einer der Opfer gewesen sei. Als sie erfahren hätten, dass die Mehrheit der Bewohner bereits geflohen sei, hätten sie auch beschlossen, das Land zu verlassen, um nicht auch ermordet zu werden. Die Fragen, ob sie politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei gewesen sei, Probleme aufgrund ihres Religionsbekenntnisses, ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder mit Privatpersonen gehabt habe, wurden von der BF2 verneint. Weder sie selbst noch ihre Angehörigen seien im Herkunftsstaat persönlich bedroht worden. Die Kuchi seien bereits vor sieben Jahren in ihre Heimatprovinz gekommen und hätten die Bewohner umgebracht.

Die Frage, ob sie in Europa Angehörige habe, wurde von der BF2 verneint. Sie sei seine gläubige Frau und bete auch nicht jeden Freitag. Da sie kein Deutsch verstehe, werde sie für Arztbesuche von ihren Kindern begleitet.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurde vom BF1 die Kopien von Personalausweisen in Originalsprache samt Übersetzung, ein Zertifikat vom XXXX .04.2017 über eine sehr gut bestandene ÖSD Prüfung auf dem Niveau A1, eine Bestätigung vom XXXX .01.2017 über den Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau A1 vom XXXX .10.2016 bis zum XXXX .01.2017, eine Bestätigung vom XXXX .07.2017 über den Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau A2 (Teil 1) vom XXXX .04.2017 bis zum XXXX .07.2017, eine Bestätigung vom XXXX .11.2017 über den Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau A2 (Teil 2) vom XXXX .09.2017 bis zum XXXX .11.2017, eine Arbeitseinsatzbestätigung einer Gemeinde vom XXXX .12.2017 über eine gemeinnützige Beschäftigung vom XXXX .03.2017 bis einschließlich XXXX .11.2017 in den Bereichen Grünlandpflege, Hilfsdienste bei Straßenreinigung, Winterdienstarbeiten sowie Waldraum-und Forstarbeiten, ein Schreiben eines Facharztes für Innere Medizin vom XXXX .10.2016 über eine durchgeführte Gastroskopie sowie Biopsie mit der Bewertung HP-Gastritis und einem medikamentösen Therapievorschlag, mehrere Empfehlungsschreiben und mehrere Fotos in Vorlage gebracht.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden von der BF2 eine Kursbestätigung einer Volkshochschule vom XXXX .04.2017 über die Absolvierung der Bildungsveranstaltung Alpha Teil 1 für AsylwerberInnen, ein Ambulanzbefund Diabetes Innere Medizin vom XXXX .10.2017 mit einer angeordneten Medikation sowie angeordneter Kontrolle am XXXX .12.2017, ein Arztbrief vom XXXX .05.2017 über einen stationären Aufenthalt vom XXXX .04.2017 bis zum XXXX .05.2017 mit den Diagnosen "primäre Re-Sectio", "Salpingektomia bilateral", "Gestationsdiabetes", "postpartale Anämie" , "Postpunktionskopfschmerz" "Hygrom frontotemporal" mitsamt einer empfohlene Medikation sowie die Führung eines Blutdrucktagebuches und Zuckertagebuches und unter Anraten regelmäßiger ärztlicher Kontrollen vorgelegt. Zudem wurde von der BF2 ein CT des Schädels mit Untersuchungsdatum XXXX .04.2017, ein Ambulanzbefund mit Untersuchungsdatum XXXX .04.2016 (als Therapie wurde eine Vaginalcreme sowie Paracetamol rezeptiert sowie weitere Kontrollen am XXXX .04. sowie am XXXX .04 angeordnet) und ein Arztbrief mit der Diagnose "postpartale mikrozytäre hypochrome Anämie" bei Entlassung und unter Empfehlung einer bestimmten Medikation in Vorlage gebracht.

Bezüglich der BF3 wurde die Kopie einer Tazkira, Schulbesuchsbestätigungen einer Neuen Mittelschule für die Schuljahre 2015/2016, 2016/2017 mitsamt ergänzenden differenzierenden Leistungsbeschreibungen, ein Schreiben des Schulleiters einer Neuen Mittelschule vom XXXX .12.2017 sowie eine Urkunde, wonach die BF3 im Schuljahr 2016/17 im Schuljahr 2016/17 am Projekt XXXX Mädchen in die Technik teilgenommen habe, vorgelegt.

Bezüglich dem BF4 wurden Schulbesuchsbestätigungen einer Neuen Mittelschule für die Schuljahre 2015/2016, 2016/2017 mitsamt einer ergänzenden differenzierenden Leistungsbeschreibung, eine Bestätigung einer Neuen Mittelschule über eine Präsentation des BF4, Empfehlungsschreiben des XXXX Sportvereins vom XXXX .11.2017 sowie die Kopie einer Tazkira in Vorlage gebracht.

Bezüglich dem BF5 wurden Schulbesuchsbestätigungen einer Volksschule für die Schuljahre 2015/2016, 2016/2017, eine Jahresinformation für das Schuljahr 2016/2017 und eine alternative Leistungsbeurteilung für das Schuljahr 2016/2017 sowie ein Schreiben eines Sportvereins vom XXXX .11.2017 in Vorlage gebracht.

Bezüglich der BF6 wurde ein Schreiben der Kindergartenpädagogin vorgelegt, die BF7 betreffend wurde eine Geburtsurkunde vom XXXX .05.2017 mit Geburtsdatum XXXX .04.2017 vorgelegt.

Die BF7 wurde am XXXX .04.2017 in Österreich geboren. Die BF2 stellte für sie am XXXX .05.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

4. Das BFA hat mit den angefochtenen Bescheiden die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Den Beschwerdeführern wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Weiters wurde in Spruchpunkt IV. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Zur Begründung der Bescheide führte die belangte Behörde aus, dass im Fall der BF keine Verfolgung im Heimatland festgestellt werden habe können, da sie zu keiner Zeit eine tatsächliche personenbezogene, asylrelevante Verfolgung ihrer Personen vorgebracht hätten. Auf weitere Fragen bezüglich der angeblichen Bedrohung durch die Kuchi hätten weder der BF1 noch die BF konkrete Angaben machen können. Bezüglich seiner Angaben zum Verlassen seines Heimatstaates sei es überdies zu divergenten Aussagen zwischen BF1 und BF2 gekommen, da der BF1 angeführt habe, er sei ab seinem 13. oder 14. Lebensjahr bis zur Ausreise in den Iran in der Provinz Maidan Wardak wohnhaft gewesen. Auf Nachfrage, ob er direkt in den Iran geflüchtet sei, habe er dann jedoch angeführt, er sei zuerst in ein sicheres Gebiet gegangen. Erst als er erfahren habe, dass sein Onkel umgebracht worden sei und die Kuchi in seine Richtung unterwegs seien, habe er sich dazu entschlossen, in den Iran zu gehen. Die BF2 habe hingegen angegeben, Afghanistan vor sechs oder sieben Jahren verlassen zu haben und auf ihrer Flucht in den Iran in verschiedenen Dörfern und Gebieten gewohnt. Die im Bundesgebiet angeeignete Lebensweise der BF2 widerspreche grundsätzlich nicht der Lebensweise einer afghanischen Frau. Die BF2 kümmere sich um ihre Kinder, intensiviere die deutsche Sprache und gestalte ihre Freizeit mit den im Bundesgebiet gewonnenen Freunden. Seiner im Bundesgebiet geschilderten Lebensweise sei nicht zu entnehmen, dass er aufgrund der Aneignung anderer Normen bei einer etwaiger Rückkehr Probleme bekommen würde, da er im Falle der Rückkehr über männliche Unterstützung in Form eines Ehemannes verfügen würde. Die BF seien auch niemals persönlich bedroht worden. Im Ermittlungsverfahren hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan im Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht sein könnte. Die Feststellung, dass die Erkrankung der BF2 kein Rückkehrhindernis darstelle, ergebe sich aus dem Umstand, dass die Behandlung von Diabetes Mellitus Typ 2 in Afghanistan behandelbar sei. Es gebe drei Hauptforschungszentren in Kabul, die Diabetes Mellitus in Kabul behandeln würden und auch über die Gründe, Risikofaktoren, Prävention von Komplikationen und Medikamenteneinwirkung forschen würden. Auch in anderen Provinzen würden medizinische Spezialisten Diabetes Mellitus Behandlungen durchführen und Medikamente seien in allen Provinzen erhältlich. Die Behandlung in öffentlichen Spitälern erfolge kostenfrei, mit Ausnahme der Medikamente. Es werde nicht verkannt, dass die Sicherheitssituation in ihrem Herkunftsort bedrohlich sei und dass es sich bei Maidan Wardak um eine volatile Provinz Afghanistans handle. Es sei ihnen jedoch durchaus zumutbar, sich in einer für Zivilisten ausreichend sicheren Gegend wie Kabul niederzulassen. Aus den Länderfeststellungen ergebe sich, dass die Provinz Kabul über den internationalen Flughafen sicher zu erreichen sei. Es werde in diesem Zusammenhang noch darauf hingewiesen, dass Familienangehörige der BF in Afghanistan leben würden.

5. Gegen die oben genannten Bescheide richten sich die im Wege der Rechtsvertretung erhobenen Beschwerden, welche fristgerecht beim BFA einlangten. In diesen wird ausgeführt, dass die angefochtenen Bescheide inhaltlich und infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig seien. Die Behörde stelle fest, dass den BF1 und BF2 bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgung durch die Taliban oder den Kuchi drohen würde. Gleichwohl stelle die Behörde fest, dass eine Rückkehr in die Herkunftsprovinz Maidan Wardak aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich wäre. Bei richtiger Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde jedoch feststellen können, dass die Flucht aus Afghanistan in den Iran auf einer asylrelevanten Verfolgungslage beruht habe und diese bei einer gegenwärtigen Rückkehr immer noch gegeben wäre. Zur prekären Sicherheitslage in Afghanistan wurde auf mehrere Berichte, darunter auch ein Gutachten des Dr. Rasuly verwiesen. Unabhängig vom Fluchtvorbringen hätte die Behörde bei richtiger Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung die Flüchtlingseigenschaft auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zuerkennen müssen. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung des Privatlebens der BF, insbesondere aufgrund der bescheinigten fortgeschrittenen Integration hätte die Behörde jedenfalls eine Rückkehrentscheidung als einen unzulässigen Eingriff in ihre, aus Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat-und Familienlebens erkennen müssen. Als den Bescheid mit Rechtswidrigkeit behaftend, werde schließlich auch bemängelt, dass das Kindeswohl in keiner Weise Berücksichtigung gefunden habe.

6. Die gegenständlichen Beschwerden und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .04.2018, beim Bundesverwaltungsgericht am XXXX .04.2018 eingelangt, vom BFA vorgelegt.

7. Mit Schriftsatz vom XXXX .03.2019 wurden vom bevollmächtigten Vertreter eine Bestätigung vom XXXX .01.2019 über den Besuch eines Deutschkurses für Asylwerber auf dem Niveau B1, Teil 2 den BF1 betreffend, eine Kursbestätigung des Besuchs eines Deutschkurses für AnfängerInnen vom 19.07.2018 die BF2 betreffend, eine Bestätigung über die freiwillige Mithilfe des BF1 im Rahmen des XXXX -Landesjugendlagers und eine Teilnahmebestätigung des BF1 vom XXXX .07.2018 über die Teilnahme am Kursangebot "Miteinander Deutsch trainieren" in Vorlage gebracht.

8. Mit Schriftsatz vom XXXX .05.2019 wurden vom bevollmächtigten Vertreter der BF eine Bestätigung des Roten Kreuzes über die Integrationsbereitschaft des BF1, ein Dienstzeugnis der BF3 vom 08.03.2019 über die Absolvierung von berufspraktischen Tagen als Schnupperlehrling in einer Apotheke, Bestätigungen der Leitung eines Vereins über das freiwillige Engagement der BF1, BF2 sowie BF3 als Tänzer, zwei Kursbestätigungen der Volkshochschule XXXX den BF1 betreffend über die Absolvierung der Bildungsveranstaltung Deutsch B1 Teil 1 und 2 vom XXXX .03.2019 bis XXXX .04.2019 sowie von XXXX .04.2019 bis zum XXXX .05.2019, Bestätigung der Wirtschaftskammer

XXXX vom XXXX .11.2018 über die Absolvierung eines Deutschkurses für Asylwerber auf dem Niveau B1 den BF1 betreffend, eine Teilnahmebestätigung eines Kulturzentrums vom XXXX .09.2018 über die Absolvierung des Moduls "Miteinander Deutsch trainieren" den BF1 betreffend, zwei Kursbestätigungen der Volkshochschule XXXX vom XXXX .05.2019 über die Absolvierung der Module "Alpha Teil 2 für AsylwerberInnen" die BF2 betreffend, eine Schulnachricht für das Schuljahr 2018/2019 den BF5 betreffend sowie eine Schulnachricht für das Schuljahr 2018/2019 die BF4 betreffend in Vorlage gebracht.

9. Mit Schriftsatz vom XXXX .08.2019 wurden vom bevollmächtigten Vertreter der BF Jahreszeugnisse der 3., 4., 5. BF, eine Schulbesuchsbestätigung der BF6 und eine Kursbestätigung der absolvierten Bildungsveranstaltung "Deutsch B1 Teil 2 für AsylwerberInnen" vom XXXX .05.2019 in Vorlage gebracht.

10. Das Bundesverwaltungsgericht führte in den gegenständlichen Rechtssachen am XXXX .12.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der die Beschwerdeführer BF1-BF7 im Beisein ihrer bevollmächtigten Vertretung persönlich teilnahmen. Aufgrund des Nichterscheinen des Dolmetschers wurde die Verhandlung auf den XXXX .12.2019 vertagt. Zur zweiten Verhandlung wurden die BF1-3 geladen.

11. In einer Stellungnahme vom XXXX .12.2019 wurde vom bevollmächtigten Vertreter der BF ausgeführt, dass die westliche Lebensführung der BF2 und der BF3 zum Bestandteil ihrer Identität geworden sei, sodass von ihnen nicht erwartet werden könne, diese im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen oder religiösen Normen zu entgehen, weshalb eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht gegeben sei. Im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan sei von einer Situation auszugehen, in der am westlichen Frauen-und Gesellschaftsbild orientierte Frauen einem erhöhten Sicherheitsrisiko ausgesetzt seien. Zur Herkunftsregion der BF Maidan Wardak sei auszuführen, dass sich die Sicherheitslage den Länderberichten zufolge verschlechtert habe. UNHCR halte fest, dass aufgrund der aktuellen Situation Kabul in keinem Fall eine interne Schutzalternative darstellen könne. Die BF2 leide an Diabetes, eine medizinische Versorgung wäre für sie in Afghanistan auf keinen Fall sichergestellt, weshalb es gerade in Hinblick auf ihre Diabetes Erkrankung zu einer lebensbedrohlichen Situation kommen könne.

12. In einer Beschwerdeergänzung, die mit XXXX .12.2019 datiert ist und beim BVwG am XXXX .12.2019 eingelangt ist, wurde vom bevollmächtigten Vertreter der BF ausgeführt, dass zunächst festzuhalten sei, dass die 2.-und 3.BF in der Zeit ihres Aufenthaltes in Österreich westliche Werte verinnerlicht hätten. Sie würden nunmehr ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben, welches ein Teil ihrer Identität geworden sei und sie keineswegs gewillt seien, diese Lebensführung aufzugeben und sich den Unterdrückungen und Diskriminierungen gegenüber Frauen in Afghanistan zu unterwerfen. Die BF2 habe in Afghanistan keine Schule besuchen dürfen und stets ein fremdbestimmtes Leben geführt. Die BF3 sei eine sehr westlich orientierte Dame, die sich nicht von österreichischen Jugendlichen unterscheide. Die Aktivitäten, die sie in Österreich unternehme, würden ihr in Afghanistan verwehrt bleiben. Sie sei ebenfalls nicht gewillt, sich den Unterdrückungen und Diskriminierungen gegenüber Frauen in Afghanistan zu unterwerfen. Festzuhalten sei weiters, dass die Sicherheits-und Versorgungslage in ganz Afghanistan auch für ZivilistInnen nach wie vor äußerst prekär sei. Aus dem aktuellen Länderinformationsblatt gehe klar hervor, dass Frauen in Afghanistan kein Leben in Freiheit führen könnten und von Selbstbestimmung keine Rede sein könne. Die 2.-und 3.BF würden in Österreich ein Leben fernab des afghanischen Frauenbildes führen. Sie würden sich weiterbilden, würden in Zukunft gerne einem Beruf nachgehen und hätten eine innere Wertehaltung angenommen, die ihnen ein Leben in Afghanistan nicht möglich mache. Zugang zu Bildung, Arbeit und medizinischen Einrichtungen seien für Frauen nicht bzw. nur beschränkt möglich.

13. Am XXXX .12.2019 fand vor dem BVwG eine neuerliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetschers statt. Dabei brachte die BF2 vor, dass sie einmal pro Woche schwimmen gehe, da ihre Sozialbetreuerin bezahle. Der gesamten Familie stehe ein Betrag von ca. 1030,00,-

Euro monatlich zur Verfügung. Die Frage, ob sie Alkohol trinke, wurde von der BF2 verneint. Sie trage kein Kopftuch mehr und die letzten zwei Jahre koche überwiegend ihr Mann. In ihrer Freizeit gehe sie mit Freunden Spazieren oder Fahrrad fahren. Ihren Ehemann habe sie im Heimatdorf kennengelernt und sie hätten in weiterer Folge traditionell geheiratet. Ihr Vater sei in Besitz mehrerer Grundstücke gewesen, sie wisse jedoch nicht, ob es diese noch gebe, da sie zu ihrer Familie keinen Kontakt mehr habe.

Befragt, wieso sie Afghanistan verlassen habe, erklärte die BF2, dass die Taliban und eine Gruppierung namens Kuchi ihr Dorf erobern habe wollen. Aufgrund des Krieges hätten die BF das Dorf verlassen müssen. Auf Nachfrage, ob es ein bestimmtes Ereignis gegeben habe, das besonders einprägsam gewesen sei, erwiderte die BF2, dass es für diese Gruppen keinen Unterschied gemacht habe, ob es sich um Männer oder Frauen gehandelt habe und pauschal alle getötet und alles gestohlen hätten. Sie könne nicht genau angeben, wie viele Leute in das Dorf einmarschiert seien. Auf Nachfrage, wer die Entscheidung getroffen habe, Afghanistan zu verlassen, gab die BF2 an, dass es sich um ihre Nachbarn und Freunde gehandelt habe, die in der Landwirtschaft tätig gewesen seien und Weizen, Kartoffel und Linsen angebaut hätten. Ihr Ehemann sei ebenfalls in der Landwirtschaft tätig gewesen. Auf die Frage, wann sie Afghanistan verlassen habe, erwiderte die BF2, dass dies vor acht bis neun Jahren gewesen sei. Sie habe insgesamt ungefähr vier Jahre im Iran gelebt. Zur Frage, wie oft sie in die Moschee gegangen sei, brachte die BF2 vor, dass sie nie in die Moschee gegangen sei, jedoch dreimal in der Kirche gewesen sei. Befragt, was der Unterschied zwischen der Lebensweise in Afghanistan und jener in Österreich sei, brachte die BF2 vor, dass der erste Unterschied die Gleichberechtigung sei, da Frauen in Afghanistan keinen Wert hätten. Sie selbst wolle Deutsch lernen und als Köchin tätig sein, um die Freiheiten in Österreich genießen zu können. Auf Vorhalt, welche Freiheiten sie in Österreich habe, die ihr in Afghanistan verwehrt werden würden, entgegnete die BF2, dass es zahlreiche Unterschiede zwischen Österreich und Afghanistan gebe. Sie könne sportlichen Aktivitäten nachgehen und ohne Kopftuch auf die Straße gehen. In Afghanistan seien Frauen wie Gefangene, da sie nur in Begleitung eines Mannes das Haus verlassen könnten und sich gänzlich verschleiern müssten. Überdies könnte sie in Österreich Freundinnen treffen und mit dem Fahrrad fahren. Sie gehe alleine einkaufen und nehme auch Arzttermine selbstständig wahr. Auf Frage der Rechtsvertretung, wer den Haushalt erledige, erklärte die BF2, dass ihr Sohn und ihr Ehemann diesen erledigen würden.

Der BF1 führte aus, dass er oftmals koche, wenn seine Ehegattin gerade einen Deutschkurs besuche. Seine Frau erledige jedoch meistens die Einkäufe und koche, währenddessen er selbst oft auf die Kinder aufpasse. Seine Ehefrau habe der BF1 in seinem Heimatdorf in der Provinz Maidan Wardak kennengelernt und sie hätten dort in einer Burg mit sechs oder sieben Familien zusammengelebt, darunter der Familie seines Schwiegervaters und der Familie des ermordeten Onkels seiner Ehegattin. Im Herkunftsstaat habe der BF1 als Hirte sowie Landwirt gearbeitet und Weizen, Kartoffeln und Gerste angebaut. Nach der Ausreise der BF habe lediglich der Onkel der BF in der Burg gewohnt.

Auf die Frage des Rechtsvertreters, wie sich seine Ehegattin verändert habe, seit sie in Österreich sei, entgegnete der BF1, dass sie in Afghanistan das Haus nicht habe verlassen dürfen und keine eigenständigen Entscheidungen treffen habe können. Nunmehr gehe sie alleine einkaufen und dürfe eigenständig bestimmen, welche Kleidung sie tragen wolle. In Afghanistan würden die Ehemänner den Frauen anschaffen, welches Kleid sie tragen sollten.

Die BF3 brachte im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor, dass sie derzeit die Fachschule in Steyr besuche und neben Dari und Deutsch auch ein bisschen Englisch spreche. An Afghanistan habe sie keine Erinnerungen. In ihrer Freizeit gehe sie spazieren, Bowling spielen oder schwimmen. Die Fragen, ob sie manchmal ein Kopftuch trage oder den islamischen Unterricht besuche, wurde von der BF3 verneint. Befragt, ob sie noch behördlich gemeldet sei oder bereits ausgetreten sei, erklärte die BF3, dass sie den islamischen Unterricht in ihrer Schule zwar nicht besuche, jedoch noch nicht ausgetreten sei. Auf Vorhalt, wie es zusammenpasse, dass sie zwar den islamischen Religionsunterricht nicht besuche, aber nach wie vor in der islamischen Glaubensgemeinschaft sei, entgegnete die BF3, dass es für sie keinen Unterschied mache, ob sie Moslem sei oder nicht, da sie nicht religiös erzogen worden sei. Die Fragen, ob sie verheiratet sei oder einen Freund/Freundin habe, wurden von der BF3 verneint. Sie gehe zweimal in der Woche ins Stadtbad. Ihr monatliches Taschengeld gebe sie für Einkäufe oder für die Schule aus. Abends dürfe sie bis 22:00 oder 23:00 unterwegs sein. Nach Abschluss der Schule wolle die BF3 eine Ausbildung als Krankenschwester machen. Auf die Frage der Rechtsvertretung, ob sie bereits an Aktivitäten mit der Schule teilgenommen habe, erwiderte die BF3, dass sie bereits eine Woche Skifahren gewesen sei. Im Sommer habe sie sich zudem bereits eine Woche bei Freunden in Wien aufgehalten. Sie könne sich nicht mehr vorstellen, in Afghanistan zu leben. Zum Vorhalt, dass sie zuvor angegeben habe, sich nicht mehr an das Leben in Afghanistan erinnern zu können, gab die BF an, dass sie Gespräche ihrer Eltern mit einer afghanischen Freundin mitbekommen habe. Zur Frage, ob sie sich noch an das Leben im Iran erinnern könne, erklärte die BF3, dass sie das Haus nicht alleine verlassen habe können. In Österreich würden der BF3 die Möglichkeiten gefallen, lernen und arbeiten zu dürfen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden mehrere Zeitbestätigungen eines Integrationszentrums der XXXX über die Teilnahme der BF2 am interkulturellen Frauencafe, mehrere Fotos über eine Feuerlöscher-Übung der BF2, eine Bestätigung eines Integrationszentrums der XXXX vom XXXX .12.2019 über den Besuch eines Alphabetisierungsclubs im September, Oktober und November 2016 sowie ein Empfehlungsschreiben eines Facharztes für Kinder-und Jugendheilkunde in Vorlage gebracht.

In einer Stellungnahme der bevollmächtigten Vertretung der BF vom 30.12.2019 wurde ausgeführt, dass die BF2 und die BF3 einen westlichen Lebensstil angenommen hätten. Die BF2 treffe selbstständige Entscheidungen und nehme ihre Grundrechte in Anspruch, führe mit ihrem Ehemann eine gleichberechtigte Partnerschaft und strebe auch konkret eine berufliche bzw. finanzielle Unabhängigkeit an. Die BF2 und die BF3 hätten in der mündlichen Verhandlung darlegen können, dass ihnen besonders wichtig sei, ihr Deutsch zu verbessern und rasch am Berufsleben teilnehmen zu können. Die BF2 und die BF3 würden die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ablehnen und sich nicht mehr vorstellen können, nach dem konservativ-afghanischen Wertebild zu leben bzw. wieder leben zu müssen. Die BF2 sowie deren Töchter würden kein Kopftuch tragen und sich nach westlicher Moder schminken und kleiden. Die BF würden daher bereits aufgrund ihrer optischen Erscheinung auffallend vom Erscheinungsbild der Frauen in der konservativ-islamischen Gesellschaft abweichen, wenn sie ihre weiterhin angestrebte Lebensweise in der Heimatregion fortsetzen würden. Der BF1 unterstütze die selbstbestimmte Lebensweise seiner Ehefrau sowie seiner Kinder und der BF1 sowie die BF2 würden auf eine selbstbestimmte Erziehung ihrer Kinder frei von Rollenbildern wertlegen. Die BF3 habe im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht selbstbewusst zum Ausdruck gebracht, dass sie zur Gruppe der westlich orientierten Frauen bzw. Mädchen zu zählen sei. Die Lebensführung und die Werte der BF3 würden sich nicht von jenen eines österreichischen Mädchens unterscheiden. Die BF3 habe konkrete berufliche Vorstellungen, wolle Altenpflegerin werden und verfolge diese bereits im Wege ihres derzeitigen Schulbesuchs. Sofern die BF2 ungenaue Angaben zu ihrem Herkunftsdorf in Afghanistan gemacht habe, sei darauf zu verweisen, dass sie das Haus in Afghanistan kaum verlassen habe und daher keine genauen Kenntnisse von den örtlichen Gegebenheiten im Dorf und außerhalb haben könne. Die Länderberichte würden eine anhaltend volatile Sicherheitslage, nicht nur in der Herkunftsprovinz der BF, sondern auch in afghanischen Großstädten bestätigen. Den BF könne als Familie eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Herat, Mazar e-Sharif ohne familiäre Unterstützung nicht zugemutet werden. Der Stellungnahme wurde eine Urkunde und ein Foto des BF5 im Fußballverband angeschlossen.

Überdies liegt im Akt ein Konvolut an Unterlagen auf, darunter eine Bestätigung der XXXX vom November 2019 über die Mitwirkung der BF2 bei einer Tanzgruppe, eine Kursbestätigung der BF2 vom XXXX .11.2019 über die Teilnahme an der Bildungsveranstaltung Deutsch A1 Teil 1, eine Bestätigung vom XXXX .04.2019 über den Erhalt von Verpflegungsgeld die BF2 betreffend, eine Teilnahmebestätigung über die Teilnahme an der Gruppe für psychologische Stabilisierung " XXXX " vom XXXX .07.2019 bis XXXX .08.2019 die BF2 betreffend, eine Medikamentenverordnung vom XXXX .12.2019 die BF2, mehrere Empfehlungsschreiben sowie Fotos bei Freizeitaktivitäten der BF. Bezüglich den BF1 wurden eine Bestätigung des Roten Kreuzes vom XXXX .12.2019 über die Tätigkeit als freiwilliger Mitarbeiter im Bereich des XXXX , ein Empfehlungsschreiben vom XXXX .12.2019 sowie eine Bestätigung, wonach der BF1 zwischen XXXX .05.2018 und XXXX .06.2018 im Rahmen des XXXX -Landesjugendlagers tätig gewesen sei, in Vorlage gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF1 und BF2 sind verheiratet und sind die Eltern der BF3-7. Die BF sind Staatsangehörige Afghanistans, sprechen Dari, gehören der Volksgruppe der Hazara an und bekennen sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der BF1 und die BF2 sind in Maidan Wardak geboren. Der BF1 hat keine Ausbildung absolviert und ist vor seiner Ausreise als Arbeiter in der Landwirtschaft tätig gewesen. Die BF2 hat keine Ausbildung absolviert und war Hausfrau. Die minderjährigen BF3 bis BF6 sind ebenfalls in Maidan Wardak geboren, die BF7 wurde in Österreich geboren. Im Jahr 2011 begaben sich die BF in den Iran und haben sich dort vier Jahre aufgehalten. Die BF reisten gemeinsam im Jahr 2015 nach Österreich ein und der BF1 und die BF2 stellten am XXXX .10.2015 für sich und ihre Kinder einen Antrag auf internationalen Schutz. Die minderjährigen BF3-BF7 haben keine eigenen Fluchtgründe.

In Afghanistan verfügen die BF über Verwandte, wobei zu diesen kein Kontakt besteht und deren Aufenthalt nicht bekannt ist.

Die BF sind in ihrem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, waren dort nie inhaftiert, waren kein Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Gruppierung, sie haben sich nicht politisch betätigt und hatten keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Herkunftsland.

Die BF3 konnte einen in Österreich gesetzten Nachfluchtgrund glaubhaft darlegen. Bei der minderjährigen BF3 handelt es sich um eine auf Eigenständigkeit bedachte junge Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Die BF3 lebt nicht mehr nach der konservativ-afghanischen Tradition. Sie will weiterhin frei leben, eine Ausbildung in Österreich machen und einem Beruf nachgehen. Die BF3 lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich nicht vorstellen, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die BF3 würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als am westlich Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden. Die BF lebt nach den Grundrechten der Freiheit und Gleichheit und hat diese verinnerlicht.

Die BF3 besuchte im Schuljahr 2015/2016, 2016/2017 die Neue Mittelschule und geht nunmehr in eine Fachschule. Sie hat an einem Projekt für die Förderung von Frauen in der Technik teilgenommen und berufspraktische Tage in einer Apotheke absolviert. Sie geht ohne männliche Begleitung aus dem Haus und verfügt über soziale Kontakte außerhalb der Familie. Zudem geht sie zweimal in der Woche in ein Schwimmbad, hat bereits mit ihrer Schule an einem Skikurs teilgenommen und Freunde in Wien besucht. Die BF3 ist sehr eigenständig und ehrgeizig und bestrebt, die Matura nachzuholen. Sie möchte einen Beruf (Krankenschwester) erlernen, ihr eigenes Geld verdienen und damit frei verfügen können. Die BF3 hat keinen Kontakt zu ihrem Herkunftsland. Sie kleidet, frisiert und schminkt sich nach westlicher Mode. Sie trägt kein Kopftuch und nimmt nicht am islamischen Religionsunterricht teil. Die BF3 kann sich nicht mehr vorstellen, nach einem patriarchalischen System zu leben und kritisiert die Lage der Frauen in Afghanistan sowie die diesbezüglichen Umstände, dass es einer Frau nicht möglich ist, alleine aus dem Haus zugehen und man sich komplett verhüllen muss.

Als selbstbestimmte junge Frau, die ihr Leben eigenständig führt, hat die BF3 durch die in Österreich gelebten Freiheiten einen deutlichen und nachhaltigen Bruch mit der traditionellen afghanischen Lebensweise erfahren - eine Fortsetzung des Lebens, das sie derzeit in Österreich führt, wäre ihr in Afghanistan nicht möglich.

Die von der BF3 angenommene Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Sie lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich nicht vorstellen, (neuerlich) nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die BF3 würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte junge Frau angesehen werden.

Bei der BF2 handelt es sich nicht um eine auf Eigenständigkeit bedachte Frau, die in ihrer persönlichen Wertehaltung und in ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten, allgemein als westlich bezeichneten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Die BF2 kann sich zum Entscheidungszeitpunkt in einfachem Deutsch unterhalten. Sie kümmert sich in Österreich primär um den Haushalt und die Kinder, wie sie es auch bisher getan hat. Ihr Leben unterscheidet sich nicht maßgeblich von dem bisher geführten.

Darüber hinaus sind die Beschwerdeführer in Afghanistan nicht individuell und konkret bedroht oder verfolgt (worden).

Das Vorliegen anderer, auf den Herkunftsstaat Afghanistan bezogener (aktueller) Verfolgungsgründe aufgrund von Religion, Nationalität, politischer Einstellung, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder ethnischer Zugehörigkeit wurde nicht konkret bzw. widerspruchsfrei vorgebracht; Hinweise für eine solche Verfolgung sind auch amtswegig nicht hervorgekommen.

In Österreich gehen die minderjährigen BF3 bis BF6 in die Schule bzw. Kindergarten; sie weisen entsprechende Deutschkenntnisse auf. Die Beschwerdeführer verfügen in Österreich über soziale Anknüpfungspunkte in Form eines Bekanntenkreises und absolvierten bereits Deutschkurse; sie nehmen am gesellschaftlichen Leben (z.B: einer Tanzgruppe) teil und sind zum Teil sportlich aktiv.

Die BF2 steht aufgrund von Diabetes mellitus in ärztlicher Behandlung und nimmt deswegen Medikamente ein.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

Es liegen keine Gründe vor, nach denen die Beschwerdeführer von der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten auszuschließen sind oder nach denen ein Ausschluss der Beschwerdeführer hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat.

1.2. Zum Herkunftsstaat:

1.8. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

1.8.1. Auszug aus dem aktuellen LIB:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

Politische Ereignisse: Friedensgespräche. Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung. Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban. Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi. die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments. Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete. die Taliban hätten kein Interesse daran. Teil der aktuellen Regierung zu sein. und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel. einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an. betonte aber dennoch. dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen. um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil. was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen. das für Mitte April 2019 in Katar geplant war. zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der

Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

Quellen:

-

1 TV NEWS (30.5.2019): At least six killed in suicide blast near military academy in

Kabul,

http://www.1tvnews.af/en/news/afghanistan/38366-breaking-blast-rocks-kabul, Zugriff 3.6.2019

-

AAN - Afghanistan Analysts Network (17.5.2019): The Results of Afghanistan's 2018 Parliamentary Elections: A new, but incomplete Wolesi Jirga,

https://www.afghanistan-analysts.org/the-results-of-afghanistans-2018-parliamentary-elections-a-new-but-incomplete-wolesi-jirga/.

Zugriff 22.5.2019

-

AJ - Al Jazeera (30.5.2019): Suicide bomber targets Afghan military

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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