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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art139 Abs1 / PrüfungsgegenstandLeitsatz
Gesetzwidrigkeit der Ermächtigung des Arbeitsmarktservice zur Erteilung von Sicherungsbescheinigungen und Beschäftigungsbewilligungen auch ab Erreichen der in der BundeshöchstzahlV 1995 festgelegten Zahl bis zum Inkrafttreten der Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz 1995 mangels gesetzlicher Grundlage nach der alten RechtslageSpruch
Die Worte "und Sicherungsbescheinigungen" im letzten Satz der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1995, BGBl. 944/1994 idF BGBl. 163/1995, waren bis zum Ablauf des 11. April 1995 gesetzwidrig.
Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Beim Verwaltungsgerichtshof ist zur Z95/09/0118 das Verfahren über eine Beschwerde gegen einen von der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 13. März 1995 anhängig, mit dem ein Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft auf Erteilung einer Sicherungsbescheinigung nach §11 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) abgelehnt wurde.
Die belangte Behörde begründete - so der Verwaltungsgerichtshof - ihren auf §12a AuslBG (idF BGBl. 501/1993) unter Anwendung der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1995, BGBl. 944/1994, (im folgenden: BundeshöchstzahlVO 1995) gestützten Bescheid damit, daß gemäß §12a AuslBG die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer den Anteil von 8 % am österreichischen Arbeitskräftepotential (Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Inländer und Ausländer) nicht übersteigen dürfe. Diese Gesamtzahl betrage aufgrund der BundeshöchstzahlVO 1995 für das Kalenderjahr 1995 262.000. Zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung sei die Bundeshöchstzahl 1995 mit 282.538 "Anrechnungsfällen" um 20.538 überschritten. Ab Erreichen der Bundeshöchstzahl dürften Sicherungsbescheinigungen nur noch für Ausländer ausgestellt werden, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag bereits der Anrechnung auf die Bundeshöchstzahl unterlägen. Die beantragte ausländische Arbeitskraft gehöre nicht zu diesem Personenkreis; die Erteilung einer Sicherungsbescheinigung hätte somit eine weitere Überschreitung der Bundeshöchstzahl zur Folge. Auf weitere Erteilungsvoraussetzungen sei nicht einzugehen, weil auch bei deren Vorliegen "eine Bewilligung" entgegen §12a AuslBG nicht erteilt werden könne.
b) Aus Anlaß der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde stellt der Verwaltungsgerichtshof - gestützt auf Art139 Abs1 und 4 bzw. auf Art140 Abs1 und 4, jeweils iVm Art89 Abs2 und Art135 Abs4 B-VG - folgende Anträge: Der Verfassungsgerichtshof wolle
aa) aussprechen, daß die im zweiten Satz der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1995, BGBl. 944/1994, enthaltenen Worte "und Sicherungsbescheinigungen" bis zum 11. April 1995 gesetzwidrig waren;
bb) in eventu aussprechen, daß §4 Abs7 AuslBG idF der Novelle BGBl. 450/1990 verfassungswidrig war.
Der (Primär-)Antrag ist hg. zu V64/96, der Eventualantrag zu G142/96 protokolliert.
2. Der mit "Sicherungsbescheinigung" überschriebene §11 AuslBG hatte zum Zeitpunkt der Erlassung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides folgenden Wortlaut (BGBl. 218/1974 idF BGBl. 450/1990):
"§11. (1) Beabsichtigt ein Arbeitgeber, Ausländer für eine Beschäftigung im Bundesgebiet im Ausland anzuwerben, so ist ihm auf Antrag eine Sicherungsbescheinigung auszustellen. Sie hat zu enthalten, für welche Ausländer oder welche Anzahl von Ausländern bei Vorliegen der Voraussetzungen die Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen in Aussicht gestellt wird.
(2) Die Sicherungsbescheinigung darf nur ausgestellt werden, wenn
1. die Voraussetzungen gemäß §4 Abs1, 2 oder 6 und Abs3 Z1, 4, 6, 8 und 12 gegeben sind und
2. auf Grund der Angaben des Antragstellers angenommen werden kann, daß für den Ausländer eine ortsübliche Unterkunft im Sinne des §4 Abs3 Z5 zur Verfügung stehen wird.
(3) Die Geltungsdauer der Sicherungsbescheinigung ist mit längstens zwölf Wochen zu befristen; sie ist in begründeten Fällen zu verlängern.
(4) Wird dem Antrag nicht oder nicht zur Gänze stattgegeben, ist darüber mit Bescheid abzusprechen.
(5) Die Sicherungsbescheinigung kann widerrufen werden, wenn sich die nach §4 Abs1, 2 oder 6 oder Abs3 Z4 zu würdigenden Umstände wesentlich ändern."
Die durch die Novelle BGBl. 450/1990 in das AuslBG eingeführte Bestimmung des §12a über die Bundeshöchstzahl lautete in der für die Beurteilung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Falles maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. 501/1993 wie folgt:
"(1) Die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer darf den Anteil von 8 vH am österreichischen Arbeitskräftepotential (Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Inländer und Ausländer) nicht übersteigen. Diese Gesamtzahl hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales jährlich kundzumachen.
(2) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales kann durch Verordnung die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer bis zum Anteil von 10 vH am österreichischen Arbeitskräftepotential erhöhen, wenn es öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen oder die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes erfordern."
Der durch die Novelle BGBl. 450/1990 neu gefaßte §4 Abs7 (gegen diese Bestimmung wendet sich der zu G142/96 protokollierte Eventualantrag) lautete:
"(7) Beschäftigungsbewilligungen dürfen, soweit eine Höchstzahl für das gesamte Bundesgebiet festgesetzt ist, nur unter der zusätzlichen Voraussetzung erteilt werden, daß diese Höchstzahl nicht überschritten wird."
Die zu §12a (Abs1) AuslBG ergangene BundeshöchstzahlVO 1995, BGBl. 944/1994, hat folgenden Wortlaut (angefochtener Teil hervorgehoben):
"Auf Grund des §12 a Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, zuläßt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 450/1994, wird verordnet:
Die zulässige Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer (Bundeshöchstzahl) im Jahre 1995 beträgt 262 000. Ab Erreichen dieser Zahl dürfen Beschäftigungsbewilligungen und Sicherungsbescheinigungen nur noch für Ausländer erteilt werden, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag bereits der Anrechnung auf die Bundeshöchstzahl unterliegen."
Dem letzten Satz wurde mit der am 9. März 1995 kundgemachten Verordnung BGBl. 163/1995 (vor dem Wort "unterliegen") folgender Halbsatz eingefügt:
"oder gemäß einer Verordnung auf Grund des §7 Abs1 des Aufenthaltsgesetzes, BGBl. Nr. 466/1992 idF BGBl. Nr. 505/1994, beschäftigt werden".
Mit Wirksamkeit vom 12. April 1995, also nach Erlassung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides, wurde (durch die Novelle zum AuslBG BGBl. 257/1995) dem §11 folgender Abs6 angefügt:
"(6) §4 Abs7 und 8 gilt für die Ausstellung von Sicherungsbescheinigungen sinngemäß."
Des weiteren erhielten §4 Abs7 und §12a Abs2 AuslBG durch diese Novelle eine neue Fassung. Sie lauten (seither) wie folgt:
§4 Abs7: "Unbeschadet des §12a Abs2 dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur unter der zusätzlichen Voraussetzung erteilt werden, daß die Bundeshöchstzahl nicht überschritten wird. Dies gilt nicht, wenn die Beschäftigungsbewilligung für einen Ausländer erteilt werden soll, der Anspruch auf Leistungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz hat."
§12a Abs2: "Über die Gesamtzahl gemäß Abs1 hinaus dürfen Sicherungsbescheinigungen und Beschäftigungsbewilligungen bis zu einem Höchstausmaß von 9 vH am österreichischen Arbeitskräftepotential erteilt werden, wenn dies der Bundesminister für Arbeit und Soziales durch Verordnung für einzelne Personengruppen, an deren Beschäftigung öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen bestehen, festlegt. Die Verordnung kann eine bestimmte Geltungsdauer der Beschäftigungsbewilligungen, ein Höchstausmaß für alle Überziehungsfälle zusammengerechnet oder bestimmte zahlenmäßige Höchstrahmen für einzelne Gruppen vorsehen."
3. a) Zur Präjudizialität der primär angefochtenen BundeshöchstzahlVO 1995 führt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Antrag aus, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid - seiner Ansicht nach grundsätzlich zu Recht - nicht unmittelbar auf gesetzliche Bestimmungen gestützt habe. Normative Grundlage für die ablehnende Entscheidung der belangten Behörde sei vielmehr die BundeshöchstzahlVO 1995. Präjudiziell und von der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung auch herangezogen sei damit diese Verordnung, und zwar die in ihrem zweiten Satz enthaltene Regelung, daß ab Erreichen der Bundeshöchstzahl (Beschäftigungsbewilligungen und) Sicherungsbescheinigungen nur noch für Ausländer erteilt werden dürfen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag bereits der Anrechnung auf die Bundeshöchstzahl unterliegen.
b) Der Verwaltungsgerichtshof hat nun das Bedenken, daß der von ihm anzuwendende Textteil "und Sicherungsbescheinigungen" im zweiten Satz der BundeshöchstzahlVO 1995 - bis zum Inkrafttreten des durch die Novelle BGBl. 257/1995 eingefügten §11 Abs6 AuslBG - im Gesetz keine Deckung fand. Er begründet dies wie folgt:
"Die im §12a enthaltene Verordnungsermächtigung umfaßt nur
die Festlegung der Bundeshöchstzahl der Höhe nach. Soweit die
Bundeshöchstzahlverordnung 1995 darüber hinausgeht und
Ausführungen zur Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen und
Sicherungsbescheinigungen trifft, müßte ihr Inhalt aber im Sinne
des Art18 Abs2 B-VG durch das Gesetz vorbestimmt sein ... Für
den Verwaltungsgerichtshof ist nicht erkennbar, daß diese
Voraussetzung für die Worte 'und Sicherungsbescheinigungen'
erfüllt ist, zumal ... §11 AuslBG, der nach Ansicht des
Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für die Ausstellung von Sicherungsbescheinigungen abschließend regelt, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung eine derartige Einschränkung nicht enthielt."
Der Verwaltungsgerichtshof stellt daher den unter I.1.b)aa) wiedergegebenen Antrag.
c) Für den Fall, daß der Verfassungsgerichtshof die Ansicht vertreten sollte, §4 Abs7 AuslBG wäre (bereits vor der Novelle BGBl. 257/1995) auch im Bereich der Ausstellung von Sicherungsbescheinigungen anzuwenden, richtet er an den Verfassungsgerichtshof den unter I.1.b)bb) wiedergegebenen Eventualantrag und begründet dies damit, daß in diesem Fall der angefochtene Bescheid an §4 Abs7 AuslBG zu messen sei, diese Bestimmung daher präjudiziell sei. Hinsichtlich der Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §4 Abs7 AuslBG idF BGBl. 450/1990 schließt sich der Verwaltungsgerichtshof den im (amtswegigen) Einleitungsbeschluß vom 2. Dezember 1995, B783/95, ausgeführten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes an.
4. a) Der Bundesminister für Arbeit und Soziales hat im Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der vom Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Wortfolge im zweiten Satz der BundeshöchstzahlVO 1995 die Verordnungsakten vorgelegt und zu dem auf Art139 B-VG gestützten (Haupt-)Begehren - ohne jedoch einen bestimmten Antrag zu stellen - wie folgt Stellung genommen:
"Die Sicherungsbescheinigung spricht weitgehend über idente Rechte wie die Beschäftigungsbewilligung ab und ist materiell die Zusicherung, daß bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen ein Recht auf Beschäftigungsbewilligung besteht. Die sich aus der rechtskraftfähigen Zusicherung ergebenden Rechte könnten von der Behörde nie eingelöst werden, wäre der aufgrund der Zusicherung zwingend zu erlassende Bescheid, die Beschäftigungsbewilligung, von zusätzlichen Beschränkungen abhängig. Mit der einem stattgebenden Bescheid innewohnenden Bindungswirkung, wäre es somit unvereinbar, Rechte zuzuerkennen, die in der Folge - hier wegen der Beschränkung durch die Bundeshöchstzahl - nicht eingelöst werden können. Wegen der Identität des Gegenstandes, über den in Sicherungsbescheinigung und Beschäftigungsbewilligung abgesprochen wird, müssen sich die für die Beschäftigungsbewilligung geltenden Beschränkungen denknotwendig auch auf die Sicherungsbescheinigung selbst ohne ausdrückliche Erwähnung im Gesetz beziehen.
Der Satzteil '...und Sicherungsbescheinigungen...' wurde lediglich aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit in die in Prüfung genommene Verordnung aufgenommen.
Folgt man überdies der gegenteiligen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, käme man zu dem Ergebnis, daß vor dem Inkrafttreten des §11 Abs6 AuslBG mit der Novelle BGBl. Nr. 257/1995 Ausländer, die zu diesem Zeitpunkt nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt waren gegenüber jenen, die bereits (aufenthaltsrechtlich) integriert waren aber dennoch die Voraussetzungen des §4 Abs7 in der Fassung BGBl. Nr. 450/1990 nicht erfüllten, einen bedeutend leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt gehabt hätten, was eine nicht zu rechtfertigende unsachliche Differenzierung dargestellt hätte und somit gegen das verfassungsrechtlich normierte Sachlichkeitsgebot verstoßen hätte.
Die verfassungskonforme Interpretation des §12a in Verbindung mit §4 Abs7 AuslBG in der Fassung BGBl. Nr. 450/1990 gebot daher die Anwendung des §4 Abs7 AuslBG in der Fassung BGBl. Nr. 450/1990 auch bei der Erteilung von Sicherungsbescheinigungen.
§12a in Verbindung mit §4 Abs7 AuslBG in der Fassung BGBl. Nr. 450/1990 boten daher eine ausreichende gesetzliche Grundlage, die Worte '...und Sicherungsbescheinigungen...' in die in Prüfung genommene Verordnung aufzunehmen."
b) Die Bundesregierung hat von einer meritorischen Äußerung im Verfahren G142/96 Abstand genommen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. a) Der Verfassungsgerichtshof versteht den (Primär-)Antrag des Verwaltungsgerichtshofes, in dessen Spruch zwar von der "Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales über die Bundeshöchstzahl 1995, BGBl. 944/1994" die Rede ist, angesichts der Begründung dieses Antrages, in der der antragstellende Gerichtshof betont, daß der bei ihm bekämpfte Bescheid vom 13. März 1995 am 15. März 1995 zugestellt und damit erlassen wurde, und in der er auch darauf hinweist, daß dem die angefochtene Wortfolge enthaltendenden letzten Satz der BundeshöchstzahlVO 1995, BGBl. 944/1994, durch die Novelle BGBl. 163/1995 mit Wirksamkeit 10. März 1995 ein Halbsatz angefügt wurde, dahin, daß sich die vom Verwaltungsgerichtshof begehrte Feststellung auf die zuletzt genannte Fassung des zweiten Satzes der BundeshöchstzahlVO 1995 bezieht.
Der vom Verwaltungsgerichtshof primär gestellte (Verordnungsprüfungs-)Antrag erweist sich unter Bedachtnahme auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Beurteilung der Präjudizialität anläßlich von Gerichtsanträgen auf Prüfung genereller Normen (s. zB VfSlg. 10640/1985 mit zahlreichen weiteren Judikaturhinweisen, VfSlg. 13704/1994) auch im übrigen als zulässig. Auch vom Bundesminister für Arbeit und Soziales werden diesbezüglich keine Zweifel geäußert.
b) Der Antrag ist auch begründet:
Gemäß Art18 Abs2 B-VG kann jede Verwaltungsbehörde aufgrund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen. "Art18 Abs2 B-VG unterstreicht diese Gesetzesabhängigkeit (auch) der Verordnungen, indem er betont, daß diese nur 'auf Grund der Gesetze' erlassen werden können, was mit anderen Worten heißt, daß eine Verordnung nur präzisieren darf, was in den wesentlichen Konturen schon im Gesetz vorgezeichnet ist" (Ringhofer, Die Österreichische Bundesverfassung, 82; vgl. zB VfGH 11.10.1995, V62/95).
Die BundeshöchstzahlVO 1995 stützt sich ihrer Promulgationsklausel zufolge auf §12a des (damals zuletzt durch BG BGBl. 450/1994 geänderten) AuslBG, welcher den Bundesminister für Arbeit und Soziales verpflichtet, die Gesamtzahl der unselbständig beschäftigten und arbeitslosen Ausländer jährlich kundzumachen (Abs1), und ihn ermächtigt, diese Gesamtzahl bis zum Anteil von 10 v.H. am österreichischen Arbeitskräftepotential zu erhöhen, wenn es öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen oder die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes erfordern (Abs2).
Der (normative) Gehalt des zweiten Satzes der BundeshöchstzahlVO 1995 besteht nun darin, daß die mit der Vollziehung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes betrauten Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen in die Lage versetzt werden, Sicherungsbescheinigungen (und Beschäftigungsbewilligungen) auch ab Erreichen der im ersten Satz der BundeshöchstzahlVO 1995 festgelegten Zahl zu erteilen.
Für eine solche (Sicherungsbescheinigungen betreffende) Regelung findet sich nun aber für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten der Novelle zum AuslBG BGBl. 257/1995 - wie das antragstellende Gericht zutreffend ausführt - weder in §12a AuslBG (idF BGBl. 501/1993) noch in einer sonstigen Gesetzesvorschrift eine Grundlage. Insbesondere ist auch der die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung regelnde §4 Abs7 AuslBG (idF BGBl. 450/1990) nicht geeignet, für diese Regelung, jedenfalls soweit sie die Ausstellung von Sicherungsbescheinigungen zum Gegenstand hat, eine Grundlage zu bilden. Erst durch die Novellierung bzw. Ergänzung des AuslBG durch die Novelle BGBl. 257/1995 (s. den mit dieser Novelle eingefügten Abs6 des §11 iVm §4 Abs7 und §12a Abs2 AuslBG in dieser Fassung) erhielten somit die angefochtenen Worte der BundeshöchstzahlVO 1995 nachträglich eine gesetzliche Deckung.
Selbst wenn man mit dem Bundesminister davon ausginge, daß eine Regelung, wie sie mit der Novelle BGBl. 257/1995 erreicht wurde, aus verfassungsrechtlichen Gründen auch schon vorher geboten gewesen wäre, könnte es nicht Aufgabe der Verwaltung sein, den Gesetzgeber zu korrigieren. Die vom Bundesminister erwogene "verfassungskonforme" Auslegung des §12a iVm §4 Abs7 AuslBG (idF BGBl. 450/1990), die dem Gesetz jenen Gehalt zu geben sucht, den es durch die Novelle BGBl. 257/1995 erhalten hat, ist jedenfalls nicht möglich.
c) Die AuslBG-Novelle BGBl. 257/1995 trat mit Wirksamkeit vom 12. April 1995 in Kraft. Angesichts dessen war daher antragsgemäß auszusprechen, daß die Worte "und Sicherungsbescheinigungen" im letzten Satz der BundeshöchstzahlVO 1995 (idF BGBl. 163/1995) bis zum Ablauf des 11. April 1995 gesetzwidrig waren.
Die Verpflichtung des Bundesministers für Arbeit und Soziales zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.
2. Bei diesem Ergebnis war auf den vom Verwaltungsgerichtshof gestellten (Eventual-)Antrag nicht mehr einzugehen.
III. Diese Entscheidung konnte
gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
Auslegung eines Antrages, VfGH / Antrag, Ausländerbeschäftigung, VfGH / Sachentscheidung Allg, Sanierung, VerordnungserlassungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:V64.1996Dokumentnummer
JFT_10039387_96V00064_00