TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/2 W208 2228956-1

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Veröffentlicht am 02.06.2020
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Entscheidungsdatum

02.06.2020

Norm

BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §91
BDG 1979 §92 Abs1 Z4
BDG 1979 §93
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W208 2228956-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER als Vorsitzenden sowie die fachkundigen Laienrichter/in MR Mag. Jutta RAUNIG und Mag. Hans-Christian KRASA als Beisitzer/in über die Beschwerde des Bezirksinspektor XXXX , M.A., vertreten durch ANWALTGMBH RINNER TEUCHTMANN, RA Mag. Hans TEUCHTMANN, gegen das Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim

Bundesministerium für Inneres, Senat 4 vom 18.01.2020, Zahl:

BMI-46073/05-DK/4/2019-Erk, mit dem die Disziplinarstrafe der ENTLASSUNG verhängt wurde nach Durchführung einer mündlichen

Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis als Exekutivbeamter des XXXX .

2. Am 10.04.2019 erstattete die Dienststelle Disziplinaranzeige bei der Dienstbehörde.

3. Am 17.04.2019 wurde die Disziplinaranzeige von der Dienstbehörde an die Disziplinarkommission (DK) weitergeleitet.

4. Am 31.05.2019 fasste die DK einen Einleitungsbeschluss.

5. Am 15.11.2019 übermittelte das LANDESGERICHT XXXX (LG) ein Urteil des LG vom 24.04.2019, XXXX sowie die diesbezüglichen Rechtsmittelentscheidungen des zuständigen OLG vom 06.11.2019, XXXX (Herabsetzung der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 7 auf 5 Monate) und des OGH vom 07.10.2019, XXXX (Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde).

Demnach wurde der BF rechtskräftig schuldig gesprochen am 19.10.2018

1.) in XXXX Polizeibeamte der PI XXXX durch gefährliche Drohung zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung an einer Amtshandlung, nämlich der Feststellung seiner Identität, zu hindern versucht, indem er im Zuge einer an ihm vorgenommenen Personendurchsuchung gegenüber Inspektor XXXX und Inspektor XXXX äußerte: "Wenn das so ist, greif ich zur Puffn, vielleicht führe ich ja eine bei mir" wobei er zur Untermauerung in den Fußbereich seines PKWs deutete.

2.) im Anschluss an die zu 1. dargestellte Tathandlung Inspektor

XXXX mit dem Vorsatz dadurch die Republik Österreich (Bund) in ihrem Recht der Verfolgung strafbarer Handlungen zu schädigen, dazu zu bestimmen versucht, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen wissentlich zu missbrauchen und von einer Anzeigeerstattung abzusehen indem er äußerte, dass "ein Deal gemacht werden könnte; ihr habt nichts gesehen und ich hab nichts gemacht und ihr lasst mich gehen".

3.) Inspektor XXXX und Inspektor XXXX durch die Äußerung "Wenn ich euch wiedersehe und keine Achter mehr oben hab, haue ich euch eine in die Goschn!" gefährlich zumindest mit der Zufügung einer Körperverletzung bedroht um die Genannten in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Er wurde zu einer Freiheitstrafe von 5 Monaten (bedingt) und einer Geldstrafe von € 6.000,-- sowie zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt, weil er

zu 1.) das Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach den §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 StGB;

zu 2.) das Verbrechen des versuchten Amtsmissbrauches als Bestimmungstäter nach den §§ 12 2. Fall, 15 Abs 1, 302 Abs 1 StGB;

zu 3.) das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB begangen hat.

6. Am 03.02.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor der DK statt, die mit folgendem Disziplinarerkenntnis endete (Auszug aus der schriftlichen Ausfertigung, datiert mit 18.01.2020, dem Rechtsvertreter des BF am 22.01.2020 zugestellt):

"[Der BF] ist schuldig,

1. am 19.10.2018 um 17.45 Uhr, außer Dienst, in XXXX , nächst dem Objekt XXXX , am dortigen Parkplatz der LPD XXXX , zwei Exekutivbeamte (EB) gefährlich bedroht zu haben, in dem er im Zuge der Amtshandlung gegen ihn zu den EB sagte: ‚Wenn das so ist, greif ich zur Puffn!' und dabei angedeutet habe, dass er eine Schusswaffe bei sich führe. In der Folge wurde der Disziplinarbeschuldigte gem § 171 Abs 2 iVm § 170 Abs 1 Z 1 StPO festgenommen;

2. im Zuge der weiteren Amtshandlung, unmittelbar nach der Festnahme, zu den Beamten gesagt zu haben, dass ‚ein Deal gemacht werden könnte'. Dabei soll der Disziplinarbeschuldigte gesagt haben:

‚Ihr habts nichts gesehen und ich habe nichts gemacht und ihr lässt mich gehen'. Mit dieser Aussage habe der Disziplinarbeschuldigte die EB zum Amtsmissbrauch anstiften wollen;

3. weiters habe der Disziplinarbeschuldigte am 19.10.2018 um 18.01 Uhr die beiden EB erneut gefährlich bedroht, in dem er zu diesen gesagt habe: ‚Wenn ich euch wiederseh' und keine Achter mehr oben hab, hau ich euch eine in die Goschn!'

Er ist daher schuldig, seine Dienstpflichten nach § 43 Abs 2 BDG, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seines Amtes erhalten bleibt, gemäß § 91 BDG schuldhaft verletzt zu haben.

Gegen den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs 1 Z 4 BDG die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt."

Gleichzeitig wurde der BF mit diesem Erkenntnis suspendiert.

7. Mit Schriftsatz vom 14.02.2020 (Postaufgabedatum ident) brachte der BF gegen das oben angeführte Disziplinarerkenntnis innerhalb offener Frist Beschwerde ein und focht das Erkenntnis zur Gänze an. Inhaltlich wurde im Wesentlichen mit dem Nichtbestehen eines disziplinären Überhanges aufgrund der bereits erfolgten Bestrafung durch das Strafgericht, mit einer eingeschränkten Diskretions- und Dispositionsfähigkeit aufgrund einer Alkoholabhängigkeit, einer depressiven Angststörung und einer Persönlichkeitsstörung argumentiert, sowie mit nicht gegebener spezialpräventiver Erforderlichkeit, wegen einer positiven Zukunftsprognose.

Beigelegt waren I. eine "Verkehrspsychologische Stellungnahme" vom 11.01.2019, II. eine "Psychiatrische Stellungnahme" vom 14.01.2019, III. ein Kurzarztbrief des XXXX UNIVERSITÄTS KLINIKUM XXXX ( XXXX ) - PSYCHIATRIE vom 10.01.2019 und IV. eine Zuweisung der Allgemeinmedizinerin und Fachärztin für Psychiatrie, XXXX vom 25.10.2018.

8. Mit Schreiben vom 24.02.2020 (eingelangt beim BVwG am 26.02.2020) wurden die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - von der DK dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt.

9. Das BVwG beraumte für den 20.04.2020 eine mündliche Verhandlung an, die nach einem Antrag des Rechtsvertreters des BF vom 17.04.2020, aufgrund einer Erkrankung des BF auf den 28.05.2020 vertagt wurde (ON 3).

10. Am 28.05.2020 führte der zuständige Senat des BVwG eine mündliche Verhandlung durch, bei der alle Parteien erschienen sind. Der Rechtsvertreter des BF zog - nach Darstellung der Rechtslage zur Bindung an die Tatsachenfeststellungen des Strafgerichts, sowohl zur äußeren als auch zur inneren Tatseite (VwGH 17.12.2013, 2013/09/0144) durch den vorsitzenden Richter - seine Beschwerde gegen den Schuldspruch zurück und beschränkte die Beschwerde auf die Strafbemessung. Der BF wurde ausführlich befragt und zeigte sich reuig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF

Der XXXX geborene BF ist seit XXXX Exekutivbeamter und steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Derzeit bekleidet er einen Arbeitsplatz beim XXXX wo er für XXXX zuständig ist. Er führt den Dienstgrad Bezirksinspektor und hat den akademischen Titel Master of Arts (M.A.) in XXXX . Er hat in seiner Laufbahn zwischen 1987 bis 1999 regelmäßig Belobigungen wegen kriminalistischer Leistungen sowie zwischen 2002 und 2009 und danach noch einmal zwischen 2015 und 2017 für XXXX erhalten. XXXX wurde er von der privatrechtlichen Vereinigung der XXXX zum XXXX erkoren (VHS 7).

Nach seiner Rückkehr aus einem Sabbatical XXXX hatte er diverse Probleme an seiner Dienststelle und mit seinem Vorgesetzten, unter anderem, weil er Positionen für die er sich bewarb, nicht bekam und seine davor entwickelten XXXX projekte nicht entsprechend betreut sah. Dazu kamen private Herausforderungen, wie eine Krebsdiagnose (Karzinom) und die Aufarbeitung der Folgen seiner Scheidung XXXX .

Er wandte sich dem Alkohol zu. Er war zum Tatzeitpunkt alkoholabhängig und litt an einer depressiven Anpassungsstörung (lt Beilagen zur Beschwerde: Amtsarzt BH XXXX vom 14.01.2019; XXXX vom 08.01.2019, Überweisung XXXX vom 25.10.2018). Nach seinen Angaben, ist er nunmehr abstinent (VHS 8) und hat zum Beweis dafür auch die Vorlage entsprechender Unterlagen angeboten (VHS 9).

Hinsichtlich seines Führerscheins hat er derzeit nur einen "vorläufigen Führerschein", weil er noch unter Beobachtung steht (VHS 9).

Es besteht ein aufrechtes Waffenverbot - aufgrund des Vorfalls - das mindestens vier Jahre gilt, aber keine Auswirkung auf die Wiedererlangung einer Dienstwaffe hätte (VHS 8).

Nach den angelasteten Taten wurde er (nach einem längeren Krankenstand) am 01.02.2019 dem XXXX dienstzugeteilt, wo er bis zu seiner Suspendierung am 15.01.2020 eine Arbeitsgruppe zum Thema " XXXX " aufbaute, und zur Zufriedenheit seiner dortigen Vorgesetzten seinen Dienst versah (VHS 6). Es gab in dieser Zeit auch schon Gespräche, damit er nicht mehr an seine bisherige Dienststelle zurückkehren müsste (VHS 10).

Er hat die im Punkt I.5. angeführte nicht getilgte strafrechtliche Vorstrafe.

Sein Bruttomonatsbezug (ungekürzt) beträgt € 3.509,10.

Er hat Schulden für seine Eigentumswohnung und wohnt teilweise auch bei seiner Lebensgefährtin. Sorgepflichten hat er keine mehr. Zu seinen beiden bereits erwachsenen Kindern und seiner Ex-Frau hat er mittlerweile wieder ein gutes Verhältnis.

Er hat ein Gewerbe angemeldet und gab Seminare im Bereich XXXX , XXXX , XXXX . Derzeit erzielt er damit aber kein Einkommen (VHS 6).

Gesundheitlich geht es ihm nach seiner Alkoholentzugstherapie wieder gut, sein Krebskarzinom verändert sich nicht und wird beobachtet. Er betreibt Sport, hat eine Ausbildung als Gesundheitstrainer und ein Buch zu schreiben begonnen (VHS 8).

1.2. Zum Sachverhalt

Der in im Verfahrensgang, im Spruch des Disziplinarerkenntnisses (vorne I.6.) und im genannten Strafurteil des LG (I.5.) wiedergegebene Sachverhalt steht fest.

Das LG hat zur subjektiven Tatseite festgestellt, dass der BF - durch den Konsum vermutlich einer Flasche Wodka - mittelgradig alkoholisiert war. Sein Bewusstsein aber nicht annähernd derart tiefgreifend gestört gewesen sei, dass er zu irgendeinem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage gewesen wäre das Unrecht seines Verhaltens einzusehen und dieses zu unterlassen. Vielmehr sei er jederzeit in der Lage gewesen von seiner Vernunft und seinem Verstand Gebrauch zu machen und den Sinngehalt seiner Handlungen und Äußerungen zu überblicken und diese zu unterlassen (LG Seite 13).

Als mildernd wurde seine geständige Verantwortung, die Unbescholtenheit und die bisherige ordentliche Lebensführung, sowie der Umstand, dass es beim Widerstand und der Bestimmung zum Amtsmissbrauch beim Versuch geblieben ist, gewertet (LG Seite 12). Das OLG hat die festgestellten Strafzumessungsgründe für zutreffend erachtet und damit die Schuld.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person ergeben sich aus der Disziplinaranzeige und seinen Angaben in der Verhandlung vor der belangten Behörde und dem BVwG und sind im Wesentlichen unstrittig. Die Alkoholabhängigkeit (F10.2) bzw der schädliche Gebrauch von Alkohol und eine Anpassungsstörung (F43.21) zu den Tatzeitpunkten ergibt sich aus den oben angeführten Stellungnahmen, Arztbriefen und Überweisungen.

2.2. Die Feststellungen zur objektiven Tatseite sind unstrittig und ergeben sich aus dem Urteil des LG (Seiten 3-4).

2.3. Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite ergeben sich ebenfalls aus dem Urteil des LG (Seite 4, 5, 12). Dass der BF seine Alkoholisierung selbst herbeigeführt hat (leere Wodkaflasche im Auto, Seite 13) ist unstrittig. Dennoch war er nach dem Polizeianhalteprotokoll bei vorhandener Orientierung, klarem Bewusstsein und normalem Gedankenlauf lediglich mittelgradig alkoholisiert (Seite 8).

Die Argumente betreffend der eingeschränkten Diskretions- und Dispositionsfähigkeit zum Tatzeitpunkt, gestützt auf die angeführten medizinischen Unterlagen, die allesamt nach der Tat am 19.10.2018 erstellt wurden und vor dem Zeitpunkt der Verurteilung durch das Strafgericht am 24.04.2019, dem BF vorlagen (25.10.2018, 08.01.2019, 11.01.2019, 14.01.2019), dort aber bewusst nicht vorgelegt wurden (VHS 9), gehen aufgrund der Bindung an die Feststellungen des LG auch zur subjektive Tatseite (§ 95 Abs 2 BDG) ins Leere.

2.4. In der Verhandlung vor dem BVwG hat der BF, nocheinmal darauf hingewiesen, dass es ihm leid tue, er nichts beschönigen wolle und sein Verhalten ein Wahnsinn gewesen sei aber überhaupt nicht seinem Charakter entspreche (VHS 7, 8). Er wolle wieder Polizist sein, blicke demütig zurück, habe gelernt und führe nun ein anderes Leben. Damals habe alles zusammengespielt (VHS 10).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des BVwG

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde beim BVwG vier Wochen. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht. Gründe für eine Unzulässigkeit der Beschwerde sind nicht ersichtlich.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 135a BDG hat die Entscheidung des BVwG durch einen Senat zu erfolgen, wenn gegen ein Erkenntnis, mit dem die Disziplinarstrafe der Entlassung oder der Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche verhängt wurde, Beschwerde erhoben wurde. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Der Verfahrensgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird durch die Begründung und das darin enthaltene Begehren in der Beschwerde begrenzt, es besteht kein Neuerungsverbot (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017, § 27, K2). Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften als auch allfällige inhaltliche Rechtswidrigkeit (die nicht ausdrücklich in der Beschwerde geltend gemacht wurde) von Amts wegen aufgreifen; Grundsatz der Amtswegigkeit (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017 § 27, K3).

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit erheblicher Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

3.2. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur (Auszug, Hervorhebungen durch BVwG)

§ 43 Abs 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG) lautet:

Allgemeine Dienstpflichten

§ 43. (2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Der Beschwerdeführer bekämpft ausschließlich die Strafbemessung gemäß § 93 BDG und ist es Aufgabe des BVwG zu prüfen inwieweit die DK von ihrem Ermessen in gesetzeskonformer Weise Gebrauch gemacht hat. § 93 BDG lautet:

Strafbemessung

§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

(2) Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.

Der VwGH hat dazu in seiner Entscheidung vom 10.09.2015, Ra 2015/09/0041 festgestellt:

"Bei der Bemessung einer Disziplinarstrafe nach § 93 BDG 1979 ist auch eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. November 2013, 2013/09/0027, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. April 2015, Ra 2015/09/0009, Folgendes ausgeführt:

‚Bei der Entscheidung über ein Disziplinarerkenntnis nach dem BDG 1979 handelt es sich nicht um eine Verwaltungsstrafsache im Sinne des Art. 130 Abs. 3 B-VG. Die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts trifft daher zu, dass das Verwaltungsgericht, wenn es zur selben sachverhaltsmäßigen und rechtlichen Beurteilung kommt, vor dem Hintergrund des Art. 130 Abs. 3 B-VG nicht sein eigenes Ermessen an die Ermessensübung durch die Disziplinarkommission setzen darf. Jedoch ist das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Bemessung einer Disziplinarstrafe nicht von der Verpflichtung zur Beurteilung entbunden, ob die Ermessensübung durch die Disziplinarkommission auf gesetzmäßige Weise erfolgte.

Weiters ist zu bedenken, dass das Verwaltungsgericht im Fall einer gesetzwidrigen Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Fall des § 28 Abs. 2 VwGVG (Art. 130 Abs. 4 B-VG) in der Sache selbst zu entscheiden und dabei auch eine Ermessensentscheidung zu treffen hat.

Bei der Entscheidung über die disziplinarrechtliche Schuld und Strafe (§§ 91 ff BDG 1979) handelt es sich um eine aus gebundenen Entscheidungen und einer Ermessensentscheidung zusammengesetzte Entscheidung. Bei der Beurteilung der Schuld und deren Schwere ist kein Ermessen zu üben, erst die Auswahl der Strafmittel (§ 92 Abs. 1 leg. cit.) und gegebenenfalls (im Falle einer Geldbuße oder Geldstrafe) die Festlegung von deren Höhe stellen Ermessensentscheidungen dar.'"

Zu § 43 Abs 2 BDG hat der VwGH im Zusammenhang mit der Polizei z.B. ausgeführt:

Der in § 43 Abs. 2 BDG 1979 enthaltene Begriff "Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben" bedeutet nichts anderes als die allgemeine Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt bzw. nach dem Willen des Gesetzgebers genießen soll. Exekutivbeamte als Vertreter der Ordnungsgewalt haben u.a. die Aufgabe, Angriffen gegen die körperliche Unversehrtheit einer Person entgegen zu treten; solche Übergriffe zu unterbinden gehört damit zum Kernbereich ihrer Aufgaben. Aus diesem Grunde bilden aggressive Übergriffe von Exekutivbeamten auf die körperliche Integrität von Personen in der Regel Dienstpflichtverletzungen, denen nicht bloß Bagatellcharakter zukommt und die daher geeignet sind, die Suspendierung zu rechtfertigen. Dabei ist es für die Qualifikation als Dienstpflichtverletzung unerheblich, ob der Misshandelte tatsächlich Verletzungen davon getragen hat oder nicht (VwGH 22.06.2005, 2004/09/0038).

Gerade bei einem Exekutivorgan ist ein entscheidender Gesichtspunkt der, dass sich der Dienstgeber auf die Vertrauenswürdigkeit bei der Dienstausübung verlassen können muss (VwGH 19. 12. 1996, 95/09/0153, m. w.N. und 18.04.2002 2000/09/0176).

Auch eine einmalige schwerwiegende Dienstpflichtverletzung, die gegen den Kernbereich der Dienstpflichten des beschuldigten Sicherheitswachebeamten verstößt und auch sonst in keiner Weise eine Entschuldigung oder Rechtfertigung erfahren kann, kann zur ernsthaften Bedrohung des Funktionierens der Verwaltung werden. Daraus folgt sowohl der Vertrauensverlust zu den Vorgesetzten als auch die Untragbarkeit des Disziplinarbeschuldigten für die verantwortungsvolle Tätigkeit eines Sicherheitswachebeamten (VwGH 18.04.2002, 2000/09/0176).

Bei Rechtsverletzungen, die außer Dienst oder ohne Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit erfolgen, ist grundsätzlich darauf abzustellen, ob der Schutz des betreffenden Rechtsgutes zu den Berufspflichten des Beamten gehört. Damit wird der Forderung Rechnung getragen, § 43 Abs. 2 BDG 1979 wolle in das außerdienstliche Verhalten des Beamten nur "in besonders krassen Fällen" eingreifen. Der damit gewählte Bezugspunkt führt dazu, dass etwa an das Verhalten von Kriminalbeamten insoweit besonders qualifizierte Anforderungen gestellt werden, als diese im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben in der Regel zum Schutz von Verletzungen des gesamten StGB (also auch der §§ 81 und 88 StGB, deren Tatbestände in beträchtlichem Maß durch Vorfälle beim (alkoholbeeinträchtigten) Lenken von Kraftfahrzeugen erfüllt werden) berufen sind und von ihnen zu erwarten ist, dass sie die darin geschützten Rechtsgüter nicht verletzen. Aber auch Ermittlungstätigkeiten im Dienste der StVO 1960 zählen zu den Aufgaben eines Kriminalbeamten. Ein Kriminalbeamter, der dennoch schuldhaft in alkoholbeeinträchtigtem Zustand ein Kraftfahrzeug auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr lenkt und in diesem Zustand einen Verkehrsunfall verursacht, vereitelt schon im Hinblick auf diesen Teilaspekt des Schuldspruches die vom Gesetzgeber zur Herabminderung der Verkehrsunfälle verfolgten Ziele. Hinzu kommt, dass ein Verhalten außer Dienst aufgrund der besonderen Aufgaben des Beamten die Bedingungen für die Annahme einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 erfüllen kann, wenn diese Umstände in ihrer Art, Ausgestaltung und Gewichtung einem besonderen Funktionsbezug vergleichbar sind. Eine solche Konstellation, die einem besonderen Funktionsbezug gleichkommt, wird vor allem dann gegeben sein, wenn aufgrund von Auswirkungen des außerdienstlichen Verhaltens der Beamte in der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit beeinträchtigt ist (VwGH 26.01.2012, 2011/09/0181).

Obwohl es sich bei dem Delikt des Missbrauchs der Amtsgewalt gemäß § 302 StGB um ein "echtes Amtsdelikt" handelt, ist ein disziplinärer Überhang nicht zu verneinen, wenn der Organwalter auch wegen Verletzung seiner Dienstpflicht gemäß § 43 Abs 2 BDG 1979 ("Vertrauenswahrung") bestraft worden ist, in welchem Fall auch bei echten Amtsdelikten ein disziplinärer Überhang besteht (Hinweis E 18. April 2002, 2000/09/0176; VwGH 15.10.2009, 2008/09/0004).

Geplanter Bankraub und Widerstand gegen die Staatsgewalt sind Dienstpflichtverletzungen nach § 43 Abs 2 BDG und so schwerwiegend, dass die Disziplinarstrafe der Entlassung gerechtfertigt ist. Berücksichtigt man, dass die dem Beamten vorgeworfenen Taten gerade jene Werte verletzten, deren Schutz dem Beamten in seiner Stellung als Kriminalbeamter oblag, kann keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, dass die belBeh den Beamten als für den Exekutivdienst untragbar erachtet hat (Hinweis E 31.5.1990, 86/09/0200 VwSlg 13213 A/1990 und 24.2.1995, 93/09/0418; VwGH 25.06.1996, 93/09/0463).

Ausführungen dazu, dass im vorliegenden Fall (der Beamte - ein Polizist - wurde wegen seiner Taten des Verbrechens des Missbrauches der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 StGB, schuldig erkannt und entlassen) die Notwendigkeit der Verhängung einer Disziplinarstrafe im Sinne des § 95 Abs. 1 BDG 1979 schon wegen des disziplinären Unrechtsgehaltes der sachgleichen Taten, die mit der Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 verbunden ist, zu Recht bejaht wurde (vgl. hiezu etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1995, Zl. 93/09/0418, vom 18. Oktober 1996, Zl. 95/09/0134, vom 29. Oktober 1997, Zl. 97/09/0183, und vom 18. Dezember 2001, Zl. 99/09/0056; VwGH 25.02.2010; 2009/09/0209).

3.3. Beurteilung des konkreten Falles

3.3.1. Der BF und seine Rechtsvertretung führen zur Strafbemessung sinngemäß an, der disziplinäre Überhang wäre in seinem Umfang durch die bereits erfolgte strafgerichtliche Verurteilung und die durch die mittelgradige Alkoholisierung beeinträchtigte Diskretions- und Dispositionsfähigkeit eingeschränkt (Schlussplädoyer VHS 12). Die Alkoholisierung sei auf die depressive Angststörung und diese wiederum auf die geschilderten beruflichen und privaten Probleme zurückzuführen. Es sei in 36 Dienstjahren nur zu dieser einmaligen Entgleisung gekommen, die im krassen Widerspruch zum Charakter und Lebenswandel des BF stünden. Es sei zu berücksichtigen das zwei Taten im Versuchsstadium geblieben seien, es keine schwerwiegenden Folgen gegeben habe, nur eine geringe Außenwirkung und ein reumütiges Geständnis vorliege. Der BF habe sich außerdem in den letzten 20 Monaten seit der Tat nichts zu Schulden kommen lassen. Spezialpräventive Gründe seien aufgrund der positiven Zukunftsprognose - der BF führe nun ein völlig anderes Leben und könne aufgrund seiner Arbeitserfolge weiter bei der Polizei eingesetzt werden - nicht mehr gegeben. Die generalpräventiven Gründe würden aufgrund der Öffentlichkeitswirkung des Strafverfahrens in den Hintergrund treten. Ein Verweis bzw eine milde Bestrafung würden ausreichen.

3.3.2. Dem ist das Folgende zu entgegnen:

Vor dem Hintergrund der oa Rsp ist die Drohung eines Kriminalbeamten sich einer Identitätsfeststellung mit Waffengewalt zu widersetzen, die festnehmenden Kollegen "in die Goschn" zu hauen und der versuchte Missbrauch der Amtsgewalt durch den Vorschlag "nichts gesehen zu haben und ihn gehen zu lassen", wie die DK richtig erkannt hat, als schwere Verletzung des Vertrauens der Allgemeinheit, der Vorgesetzten und der Kollegen in eine rechtmäßige Dienstausübung des BF zu werten. Das Vertrauen in das Funktionieren des Exekutivdienstes durch unbestechliche und sich an die Rechtsordnung haltenden Polizisten ist das geschützte Rechtsgut im vorliegenden Fall. Es gehört zu den Kernpflichten eines Polizisten, die körperliche Integrität von Personen gegenüber aggressiven Übergriffen anderer Personen - als Inhaber des Gewaltmonopols - zu gewährleisten. Die Drohung eine potentiell tödliche Schusswaffe gegen einschreitende Kollegen einzusetzen, um diese an einer Amtshandlung zu hindern, macht die im Spruchpunkt eins genannte Dienstpflichtverletzung (Widerstand) zur schwersten, gefolgt von Spruchpunkt drei (Drohung mit der Anwendung körperlicher Gewalt) und Spruchpunkt zwei (versuchte Bestimmung zum Amtsmissbrauch, welche darauf abzielte, dass Polizisten ihrer Kernaufgabe, Strafdelikte zu verhindern nicht nachkommen und wegsehen sollen, wenn einer der ihren betroffen ist).

Auch am vorsätzlichen Handeln des BF, und damit am schweren Verschulden bei allen drei Dienstpflichtverletzungen, besteht auf Grund der Bindung an die dem rechtskräftigen Spruch des Strafurteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung sowohl zur äußeren als auch die innere Tatseite, kein Zweifel (vgl zur Auslegung des § 95 Abs BDG, VwGH 17.12.2013, 2013/09/0144).

Die DK hat bei der Strafbemessung im engeren Sinn zu Recht die Begehung mehrerer Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgründe angenommen, wobei ihr aber der Fehler unterlaufen ist, dass die Strafbemessung anhand der schwersten Tat zu erfolgen hat. Das ist hier der Spruchpunkt 1 und waren daher "nur" die Spruchpunkte 2 und 3 (mit denen ebenfalls gegen die Kernpflichten eines Polizeibeamten verstoßen wurde) als erschwerend zu werten und nicht alle drei Dienstpflichtverletzungen bei den Erschwerungsgründen anzuführen (Bescheid, Seite 27, 15.4.1.). Der disziplinäre Überhang und der Verstoß gegen die Kernpflichten ist bereits bei der Beurteilung der Schwere der Tat eingeflossen und darf nicht nocheinmal als Erschwerungsgrund herangezogen werden (Bescheid, Seite 27, 15.4.2.).

Im Ergebnis stellen daher (nur) die in den Spruchpunkt 2 und 3 angeführten Dienstpflichtverletzungen die Erschwerungsgründe dar.

Als Milderungsgründe wurden

• die bisherige tadellose Dienstleistung (unter Heranziehung selbst der bis zum Jahr 2009 erfolgten Belobigungen),

• die Unbescholtenheit,

• und die reumütige geständige Verantwortung,

berücksichtigt.

Zu den Milderungsgründen 1 und 2 ist auszuführen, dass diesen aufgrund der langen Dienstzeit von rund 37 Jahren als Exekutivbeamter erhebliches Gewicht zukommt. Dass der BF, wie sich im Verfahren vor dem BVwG erst herausgestellt hat, auch nach 2009 (zwischen 2015 und 2017) noch eine Belobigung und eine Ehrung zu Teil wurden, fällt nicht mehr entscheidend ins Gewicht.

Nicht zu berücksichtigen war - entgegen der Ansicht des BF und wie die DK richtig erkannt hat - das Wohlverhalten seit der Tat, weil eine ordnungsgemäße Dienstleistung, insbesondere bei einem laufenden Disziplinarverfahren, zu erwarten ist (VwGH 27.03.2003, 2000/09/0134).

Beim Milderungsgrund 3 (reumütiges Geständnis) hat die DK ausgeführt, im Zweifel vom Vorliegen dieses Milderungsgrundes ausgegangen zu sein, obwohl sie die dazu ergangenen Rsp des VwGH zur erforderlichen gesinnungsmäßigen Missbilligung der Tat (vgl. VwGH 20.02.2014, 2013/09/0046;18.12.2000, 98/10/0313) zitierte und bezweifelte.

Diese Zweifel lagen auch beim BVwG - aufgrund der Vorbringen des BF mit seiner eingeschränkten Schuldfähigkeit wegen seiner psychischen Verfassung und Alkoholbeeinträchtigung und der Bestreitung eines disziplinären Überhanges noch in der Beschwerde - vor. Der BF ist zur subjektiven Tatseite erst in der Verhandlung vor dem BVwG voll geständig gewesen und hat gesagt nichts beschönigen zu wollen. Sein spätes Eingeständnis hat angesichts der klaren Sachlage und der Feststellungen des Gerichtes, keinen Beitrag zur Tataufklärung geleistet, weil Leugnen überhaupt keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte (VwGH 21.09.2005, 2005/09/0042). Dieser Milderungsgrund liegt daher zwar vor, hat aber angesichts der Relativierungsversuche durch die Alkoholisierung, nur sehr geringes Gewicht.

Wenn der BF vermeint, es sei als mildernd zu berücksichtigen, dass es bei zwei Taten beim Versuch geblieben ist, so verkennt er einerseits, dass es im Disziplinarrecht keine Strafbarkeit des Versuches gibt und damit dieser Milderungsgrund im Disziplinarrecht nicht in Betracht kommt und andererseits bereits beim Versuch eine Verletzung des § 43 Abs 2 BDG vorliegt (vgl Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten. 4. Auflage, S 77, 113).

Schließlich entspricht es auch nicht der Aktenlage, dass das Strafgericht den Alkoholkonsum als strafmildernd gewertet hätte (Beschwerde, Seite 18). Das Strafgericht hat diesen ausdrücklich nicht als Milderungsgrund angenommen, sondern lediglich die geständige Verantwortung, die Unbescholtenheit und die bisherige ordentliche Lebensführung, sowie den Umstand, dass es beim Widerstand und der Bestimmung zum Amtsmissbrauch, beim Versuch geblieben ist (LG Seite 12). Als Milderungsgrund iSd § 35 StGB ist eine Alkoholisierung im Übrigen dann nicht zu werten, wenn der Beamte die Berauschung selbst verschuldet hat und daher seine Enthemmung durch den Vorwurf der verschuldeten Berauschung aufgewogen wurde (VwGH 27.01.2011, 2010/09/0146). Der Versuch im Schlussplädoyer aus der bloß mittelgradigen Alkoholisierung und seiner Alkoholerkrankung eine eingeschränkte Diskretions- und Dispositionsfähigkeit abzuleiten (VHS 12), geht vor dem Hintergrund der Feststellungen des Strafgerichts ins Leere.

Hinsichtlich der geltend gemachten geringen Außenwirkung, kommt es darauf ebenfalls nicht an, weil dieser Umstand der Einflusssphäre des beschuldigten Beamten entzogen war (VwGH 22.03.2012, 2011/09/0150). Im Übrigen gab es einen Bericht in der Kronen Zeitung ( XXXX beilage, 08.03.2019 "Promille-Polizist muss vor Richter").

Dass die Tat keine schwerwiegenden Folgen hatte (VHS 12), kann vor diesem Hintergrund und des Verfahrensaufwandes nicht gesagt haben. Dabei ist es nicht ausschlaggebend, dass der BF sich bei den betroffenen zwei Beamten entschuldigt hat, weil der bewirkte Vertrauensschaden iSd § 43 Abs 2 BDG weit über deren Befindlichkeiten hinausgeht.

Die Milderungsgründe überwiegen daher - entgegen der Ansicht des BF, auch unter Berücksichtigung des der DK unterlaufenen Fehlers - qualitativ nicht, gegenüber den für sich als gewichtig zu wertenden zwei Erschwerungsgründen.

Auf die positive Zukunftsprognose im Rahmen der Spezialprävention aufgrund der Änderung seines Lebens, der Alkoholabstinenz und der fast einjährigen tadellosen Dienstleistung beim XXXX nach den Taten bis zu seiner Suspendierung, kommt es angesichts der generalpräventiven Erfordernisse - die von der Disziplinaranwaltschaft in den Vordergrund gerückt wurden (VHS 12:

"Kriminalbeamter begeht selbst einen Widerstand gegen die Staatsgewalt") - nicht mehr an.

Durch die Dienstrechts-Novelle 2008 wurde im zweiten Satz des § 93 Abs 1 BDG die Zielsetzung "der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken", als zusätzliches Strafbemessungskriterium in das Gesetz eingefügt. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage kommt der spezialpräventiven Erforderlichkeit der Strafe bei der Bemessung daher nicht mehr eine derart wesentliche Bedeutung wie bisher zu und sind Gründe der Generalprävention wie solche der Spezialprävention für die Bemessung der Strafe gleichrangig zu berücksichtigen. Ist eine Disziplinarstrafe in einem bestimmten Ausmaß geboten, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken, dann haben gegebenenfalls spezialpräventive Überlegungen, die eine solche Disziplinarstrafe nicht als erforderlich erscheinen lassen würden, demgegenüber zurückzutreten. Dementsprechend enthalten die Gesetzeserläuterungen (vgl. ErläutRV 500 BlgNR 14. GP 83) die Aussage, es solle nach der Novelle möglich sein, dass "bei besonders schweren Dienstpflichtverletzungen allein schon aus generalpräventiven Gründen eine Entlassung auszusprechen" sein werde (VwGH 03.10.2013, 2013/09/0077)

Im gegenständlichen Fall stehen, aufgrund der Art und Schwere der dem Beschuldigten nachgewiesenen drei jeweils für sich schwerwiegenden Dienstpflichtverletzungen im Kernbereich seiner Aufgaben (auch wenn diese an nur einem Tag erfolgten und in einem gewissen inhaltlichen Zusammenhang standen), die generalpräventiven Aspekte im Vordergrund. Die Milderungsgründe und die stark eingeschränkte Erforderlichkeit der Spezialprävention können die Schwere der Taten nicht aufwiegen.

Die verhängte Strafe ist schon alleine aus generalpräventiven Gründen vertretbar, um der Kollegenschaft des Beschuldigten - insbesondere jenen Trägern höherer Dienstgrade, die Betroffene von Amtshandlungen der eigenen dienstgradniedrigeren Kollegenschaft sind - vor Augen zu führen, dass derartige Dienstpflichtverletzungen im Kernbereich der dienstlichen Aufgaben nicht toleriert und mit der höchsten Disziplinarstrafe geahndet werden. Das Verhalten von staatliche Autoritäten - insbesondere von Polizisten - wird von der Öffentlichkeit ständig kritisch beobachtet, so dass es auf deren vorbildliches Verhalten besonders ankommt, um das Funktionieren der Verwaltung und des Rechtsstaates nicht zu gefährden.

Auf die Verhängung einer bedingten Freiheits- und einer bereits erheblichen Geldstrafe durch das Strafgericht kommt es vor diesem Hintergrund nicht an, weil das Dienstrecht andere Ziele verfolgt als das Strafrecht. Der Disziplinarkommission und dem Disziplinaranwalt ist nicht entgegenzutreten, wenn sie anführen, dass bereits eine Drohung eines Polizisten sich einer rechtmäßigen Amtshandlung durch Kollegen mit Waffengewalt zu widersetzen, mit der höchsten Disziplinarstrafe zu ahnden ist.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die dargestellte Judikatur darf verwiesen werden.

Schlagworte

Alkoholisierung, Dienstpflichtverletzung, Disziplinarerkenntnis,
Disziplinarstrafe, Entlassung, Erschwerungsgrund, Exekutivdienst,
Generalprävention, Milderungsgründe, Strafbemessung, strafrechtliche
Verurteilung, Vertrauensverlust

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W208.2228956.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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