Index
L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
BDG 1979 §112 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Reinhard Baumgartner in Wien, vertreten durch Dr. Alfred Boran, Rechtsanwalt in Wien I, Kärntner Straße 26, gegen den Bescheid der Disziplinarkommission für Beamte der Stadt Wien vom 5. Dezember 1996, Zl. MA2/160/96, betreffend Verhandlungsbeschluß in einer Disziplinarsache, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahr 1953 geborene Beschwerdeführer steht als Expeditor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien.
Die belangte Behörde faßte am 6. August 1996 einen Verhandlungsbeschluß über die von der Direktion der Wiener Stadtwerke, Personalabteilung, am 23. Mai 1996 gegen den Beschwerdeführer erstattete Disziplinaranzeige, in dem sie dem Beschwerdeführer zur Last legte, am 6. April 1996 im Expeditraum am Schottenring durch einen Griff zwischen die Beine von Frau M. und am 14. April 1996 im Expedit am Bahnhof Hernals durch körperliche Zudringlichkeiten diese sexuell belästigt und dadurch gegen die in § 18 Abs. 2 DO 1994, LGBl. für Wien Nr. 56/1994 idF LGBl. für Wien Nr. 93/1996 (DO 1994), festgelegten allgemeinen Pflichten eines Beamten der Bundeshauptstadt Wien verstoßen zu haben. Anläßlich der Vernehmungen der zur mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 1996 erschienenen Zeugen kam hervor, daß sich der Vorfall zwar ereignet habe, jedoch nicht an dem im genannten Verhandlungsbeschluß zur Last gelegten Tag. Die Verhandlung wurde zwecks Ermittlung des genauen Datums vertagt. Nach Abschluß der ergänzenden Ermittlungen (ergänzende Einvernahme eines Zeugen durch die Dienstbehörde aufgrund Durchsicht seiner Dienstpläne) faßte die belangte Behörde am 5. Dezember 1996 einen weiteren Verhandlungsbeschluß. Dem Beschwerdeführer werde zur Last gelegt, am 23. März 1996 in einer Pause zwischen 22.23 und 22.38 Uhr im Expeditraum am Schottenring durch einen Griff zwischen die Beine von Frau M. diese sexuell belästigt und dadurch gegen die in § 18 Abs. 2 DO 1994 festgelegten allgemeinen Pflichten eines Beamten der Bundeshauptstadt Wien verstoßen zu haben.
Die belangte Behörde begründete diesen weiteren Verhandlungsbeschluß damit, daß sich aus der am 28. Oktober 1996 in der Personalabteilung der Wiener Stadtwerke - Verkehrsbetriebe ergänzend aufgenommenen Niederschrift eines Zeugen ergebe, daß der in der Anlastung beschriebene Sachverhalt nicht wie ursprünglich angenommen am 6. April 1996, sondern am 23. März 1996 in einer Pause zwischen 22.23 und 22.38 Uhr stattgefunden habe. Diese Angaben basierten auf einer von Zeugen vorgenommenen Durchsicht der Dienstpläne. Durch dieses Verhalten habe der Beschwerdeführer eine Verhaltensweise gesetzt, welche die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung als Beamter und Vorgesetzter von Frau M.
entgegengebracht werden müsse, untergraben könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die im gegenständlichen Fall heranzuziehenden Bestimmungen
der DO 1994 idF LGBl. Nr. 33/1996 lauten:
"Allgemeine Dienstpflichten
§ 18. (2) Der Beamte hat gegenüber den Vorgesetzten, den Mitarbeitern, den Parteien und Kunden ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen. Er hat im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte.
Einstellung des Disziplinarverfahrens
§ 97. (1) Das Disziplinarverfahren ist von der Disziplinarbehörde, bei der das Verfahren anhängig ist, mit Bescheid einzustellen, wenn
1.
der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,
2.
die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt,
3.
Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4.
die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von der weiteren Verletzung von Dienstpflichten abzuhalten.
(2) Das Disziplinarverfahren gilt als eingestellt, wenn das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis des Beschuldigten endet.
Verfahren vor der Disziplinarkommission
§ 100. (3) Ist der Sachverhalt ausreichend geklärt, so hat der Senat, sofern das Disziplinarverfahren nicht gemäß § 97 einzustellen ist, die mündliche Verhandlung anzuberaumen (Verhandlungsbeschluß). Zu dieser sind die Parteien unter Bekanntgabe des Verhandlungsbeschlusses sowie die in Betracht kommenden Zeugen und Sachverständigen zu laden.
(4) Die Ladung des Beschuldigten hat neben den Angaben gemäß § 90 Z 6 auch einen Hinweis darauf zu enthalten, daß er sich selbst verteidigen oder sich durch einen Rechtsanwalt, einen Verteidiger in Strafsachen oder einen Beamten verteidigen lassen kann (§ 92) und daß auf sein Verlangen bei der mündlichen Verhandlung bis zu drei Bedienstete der Gemeinde Wien als seine Vertrauenspersonen anwesend sein dürfen (§ 101 Abs. 1).
(6) Im Verhandlungsbeschluß sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Gegen den Verhandlungsbeschluß ist kein Rechtsmittel zulässig."
Der Beschwerdeführer behauptet inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im wesentlichen mit dem Vorbringen, daß die belangte Behörde die ihm vorgeworfenen Verstöße am 23. März 1996 zu Unrecht zur Last lege, weil sich die Unglaubwürdigkeit der belastenden Angaben aus näher ausgeführten Gründen abzeichne. Zu Punkt 2. "Beschwerdepunkte und Anträge" bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde habe "ausschließlich aufgrund der erfolgten Abänderung des Vorfallstages, die nachträglich vorgenommen und der belangten Behörde mitgeteilt wurde", die "im Verhandlungsbeschluß vom 1.10.1996 zur Last gelegten Verhaltensverstöße weiterhin aufrecht" gehalten. Da er sich jedoch am 6. April 1996 ("dem ursprünglichen Vorfallstag) nicht im Dienst befunden habe, hätte die belangte Behörde "bereits in der Verhandlung vom 1.10.1996 aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens und unter Berücksichtigung der Verhandlungsergebnisse ein Disziplinarerkenntnis gemäß der Vorschriften des § 103 DO 1994 aussprechen müssen". Deshalb sei auch die Vertagung der Verhandlung vom 1. Oktober 1996 nicht gerechtfertigt gewesen.
Der Beschwerdeführer übersieht, daß ihm mit dem Verhandlungsbeschluß vom 5. Dezember 1996 unabhängig von dem zuvor ergangenen Verhandlungsbeschluß vom 6. August 1996, eine am 23. März 1996 begangene Dienstpflichtverletzung zur Last gelegt wurde. Mit diesem Verhandlungsbeschluß vom 5. Dezember 1996 wurde in keiner Weise über die im Verhandlungsbeschluß vom 6. August 1996 zur Last gelegte Tat entschieden. Schon aus diesem Grund gehen die Ausführungen des Beschwerdeführers, welche sich mit dem Verhandlungsbeschluß vom 6. August 1996 und den Geschehnissen in der aufgrund dieses Verhandlungsbeschlusses durchgeführten mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 1996 befassen, ins Leere. Im konkreten Verfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die belangte Behörde aufgrund eines nach ergänzenden Ermittlungen ihr bekanntgewordenen Sachverhaltes berechtigt war, dem Beschwerdeführer ein Verhalten an einem anderen Tag - unabhängig von den Anlastungen im Verhandlungsbeschluß vom 6. August 1996 - als Dienstpflichtverletzung zur Last zu legen.
Es ist nicht Aufgabe des Verfahrens vor Erlassung des Verhandlungsbeschlusses, eine dem nachfolgenden Disziplinarverfahren vorbehaltene Klärung der Sach- bzw. Rechtsfrage schon in diesem Stadium herbeizuführen. Da der Verhandlungsbeschluß noch im Verdachtsbereich erfolgt, ist der Sachverhalt nur soweit zu erheben, daß er für die Entscheidung ausreicht, bei Vorliegen von Gründen des § 97 DO 1994 das Disziplinarverfahren einzustellen oder eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Juli 1992, Zl. 92/09/0016). Wenn - wie im Beschwerdefall - widersprüchliche Zeugenaussagen hinsichtlich des zuerst angelasteten Vorfallsdatums und des nunmehr zur Last gelegten Datums vorliegen, erfordert es insbesondere der Grundsatz der Unmittelbarkeit und der Mündlichkeit des Disziplinarverfahrens, die Zeugen vor der Disziplinarkommission zu befragen. Daraus folgt, daß es rechtlich nicht geboten ist und auch nicht zweckmäßig wäre, bereits in diesem Stadium des Verfahrens (Verhandlungsbeschluß) die in der nachfolgenden mündlichen Verhandlung zwingend durchzuführenden weiteren Einvernahmen vorwegzunehmen, wenn feststeht, daß eine solche zur Klärung geboten ist (vgl. das zuvor zitierte hg. Erkenntnis vom 16. Juli 1992).
Wenngleich sich die Regelung des § 100 Abs. 3 DO 1994 von den Regelungen der §§ 123, 124 BDG unterscheidet, so ist zur Auslegung der Begriffe "ausreichend geklärt" dennoch kein vom Sinn her dahingehend anderer Regelungsinhalt zu erkennen, daß - abweichend von den oben zitierten Grundsätzen betreffend den Verhandlungsbeschluß gemäß § 124 BDG - die Dienstordnung 1994 bereits in diesem Verfahrensstadium eine abschließende Klärung des Sachverhaltes erforderte. Dies stünde insbesondere mit dem Sinn der nachfolgend durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Widerspruch. "Ausreichend geklärt" bedeutet auch im Regelungszusammenhang der DO 1994, daß nur eine Klärung im Verdachtsbereich erforderlich ist. Daran anknüpfend ist die Wortfolge "sofern das Disziplinarverfahren nicht gemäß § 97 einzustellen ist" auch nur dahingehend zu verstehen, daß bereits offenkundig vorliegende Einstellungsgründe wahrzunehmen sind, jedoch die endgültige Klärung, ob Einstellungsgründe vorliegen, wie etwa der Einstellungsgrund des § 97 Abs. 1 Z. 2 DO 1994, dem nachfolgenden Verfahren vorbehalten bleibt, wobei das Hervorkommen eines Einstellungsgrundes nach Erlassung des Verhandlungsbeschlusses zum Freispruch des Beamten von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen führt. Schweben Einstellungsgründe vor Anberaumung der mündlichen Verhandlung nur als möglich im Raum, so steht dies der Erlassung eines Verhandlungsbeschlusses nicht entgegen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1993, Slg. 13.767/A).
Im vorliegenden Fall kann keineswegs davon die Rede sein, daß einer der Einstellungsgründe des § 97 DO 1994 offenkundig vorläge.
Daß ein Verhalten wie das dem Beschwerdeführer zur Last gelegte die Dienstpflichtverletzung des § 18 Abs. 2 DO 1994 zu erfüllen imstande ist, wird vom Beschwerdeführer nicht bekämpft. Auch der Verwaltungsgerichtshof kann diese Ansicht der belangten Behörde nicht als rechtswidrig finden.
Die belangte Behörde war somit berechtigt, hinsichtlich des konkreten Tatdatums 23. März 1996 einen neuen Verhandlungsbeschluß zu fassen, zumal es sich bei Zutreffen der gegen den Beschwerdeführer erhobenen Anschuldigung um eine eigenständig zu verfolgende Dienstpflichtverletzung handelte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten steht dem nicht entgegen, zumal es sich im gegenständlichen Fall nicht um eine Sache handelt, welche zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder die Stichhaltigkeit einer gegen den Beschwerdeführer erhobenen strafrechtlichen Anklage betrifft (vgl. die Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte vom 7. Dezember 1981,
Beschwerde-Nr. 9501/81 mwN., EuGRZ 1982, 60, unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung der Kommission). Danach ist bei Streitigkeiten über Entlassung aus dem öffentlichen Dienst nicht über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen zu entscheiden. Dies trifft - argumentum a maiori ad minus - umso mehr auf einen Verhandlungsbeschluß zu, welcher weniger schwerwiegend in die Rechtssphäre des davon Betroffenen eingreift als eine Entlassung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1997, Zl. 96/09/0266).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 316/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997090011.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008