TE Vwgh Erkenntnis 2020/4/21 Ra 2019/15/0064

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Veröffentlicht am 21.04.2020
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §124b Z53

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Feldkirch in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 19. März 2019, Zl. RV/1100049/2018, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 (mitbeteiligte Partei: E K in N, vertreten durch Andrea Hinteregger, Steuerberaterin in 6824 Schlins, Kroppenweg 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der im Jahr 1954 geborene Mitbeteiligte war - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts - bis 31. August 2002 als Grenzgänger bei einem Unternehmen in der Schweiz unselbständig beschäftigt.

2 Nach Auflösung des Dienstverhältnisses in der Schweiz wurde sein Altersguthaben von der Pensionskasse der Arbeitgeberin zunächst auf ein Freizügigkeitskonto der Stiftung X überwiesen, die es in weiterer Folge auf ein Freizügigkeitskonto der Freizügigkeitsstiftung Y weitergeleitet hat. Im Streitjahr wurde das Freizügigkeitskonto aufgelöst und das Guthaben iHv 100.724,30 CHF (91.256,00 EUR) an den Mitbeteiligten ausbezahlt. 3 Das Finanzamt besteuerte die "Freizügigkeitsleistung" ohne Gewährung der Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988. 4 In einer dagegen eingebrachten Beschwerde beantragte der Mitbeteiligte die Anwendung der streitgegenständlichen Steuerbegünstigung und führte aus, er habe hinsichtlich der Art der Auszahlung der Freizügigkeitsleistung kein Wahlrecht gehabt, weil er zum Zeitpunkt der Überweisung auf das Personalvorsorgekonto noch nicht im Pensionierungsalter gewesen sei. Er habe seine Stellung im Jahr 2002 krankheitsbedingt aufgeben müssen.

5 Das Finanzamt erließ eine abweisende Beschwerdevorentscheidung, woraufhin der Mitbeteiligte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte. 6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde statt. Begründend führte es aus, der Dienstaustritt sowie das Verlassen des ausländischen Dienstortes seien im

48. Lebensjahr des Mitbeteiligten und damit unstrittig vor Erreichen des Rentenalters bzw. vor Erreichen des Vorsorgefalles erfolgt. Demzufolge habe der Mitbeteiligte Anspruch auf eine Austrittsleistung nach Art. 2 FZG und schließlich aufgrund des endgültigen Verlassens der Schweiz einen Anspruch auf Barauszahlung der Austrittsleistung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a FZG,

nicht aber einen solchen auf Verbleib in der Pensionskasse und (späteren) Bezug einer Altersrente gehabt. Ein begünstigungsschädliches Wahlrecht zwischen zwei gleichrangigen Ansprüchen im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe nicht bestanden, weil ein solches auch nicht durch die Möglichkeit, das Altersguthaben auf dem Freizügigkeitskonto stehen zu lassen oder auf eine Freizügigkeitspolice zu übertragen, begründet werde. 7 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil es mit dem angefochtenen Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamtes, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesfinanzgericht habe in Abweichung zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 auf die gegenständliche Kapitalauszahlung angewendet, obwohl anlässlich des Verlassens der Vorsorgeeinrichtung ein Wahlrecht zwischen Übertragung des Vorsorgeguthabens auf ein Freizügigkeitskonto oder eine Freizügigkeitspolice, somit ein nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schädliches Wahlrecht zwischen Kapitalabfindung und Rente ausgeübt worden sei. 9 Der Mitbeteiligte hat nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattet.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

11 Die Revision ist zulässig und begründet.

12 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt

hat, setzt § 124b Z 53 EStG 1988 voraus, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist (vgl. VwGH 29.3.2017, Ra 2015/15/0033, mwN). 13 Entscheidend ist, ob der Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung in der Schweiz hätte aufrecht erhalten werden können (vgl. VwGH 22.11.2018, Ra 2018/15/0086; 23.1.2020, Ra 2018/15/0107). Hiezu hatte das Finanzamt geltend gemacht, ein derartiger Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch hätte im Wege einer Freizügigkeitspolice erzielt werden können. Der Mitbeteiligte hatte dies im Beschwerdeverfahren bestritten und hiezu auch Urkunden vorgelegt, wonach ein Rentenanspruch nicht erreicht werden könne.

14 In Verkennung der Rechtslage hat das Bundesfinanzgericht keine konkreten Feststellungen darüber getroffen, ob dem Mitbeteiligten nach der schweizerischen Rechtslage und der hiezu in der Schweiz gepflogenen Interpretation sowie den tatsächlichen Gegebenheiten eine Aufrechterhaltung des Vorsorgeschutzes mit späterem Rentenanspruch möglich gewesen wäre.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 21. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150064.L00

Im RIS seit

16.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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