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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des A Y in S, vertreten durch Dr. Erich Schwarz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts
Salzburg vom 13. Juni 2019, Zl. 405-11/134/1/22-2019, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Salzburger Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) - im Beschwerdeverfahren, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - fest, dass der Revisionswerber die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit am 4. August 2004 verloren habe. 2 Begründend führte das LVwG aus, dem im Jahr 1963 in der Türkei geborenen Revisionswerber sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 25. Februar 1991 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden, nachdem der Revisionswerbers aus dem türkischen Staatsverband ausgeschieden sei. 3 Der Revisionswerber sei Inhaber eines am 4. August 2004 ausgestellten türkischen Personalausweises, der von Mitarbeitern der Finanzpolizei im Zuge einer Kontrolle in den Unternehmensräumlichkeiten des Revisionswerbers aufgefunden worden sei. Die in diesem Personalausweis - näher genannten - Daten stimmten mit den Daten des türkischen Personenstandsregisterauszugs
(Nüfus Kayit Örnegi) überein, den der Revisionswerber über Aufforderung des LVwG vorgelegt habe; insbesondere verfüge der Revisionswerber über eine Kimlik-Nummer. An der Echtheit und Richtigkeit des Personalausweises bestünden keine Zweifel. Im Übrigen seien dreizehn Einreisen des Revisionswerbers in die Türkei seit dem Jahr 2016 visumsfrei erfolgt.
4 Davon ausgehend traf das LVwG die Feststellung, dass der Revisionswerber nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wiederum die türkische Staatsangehörigkeit angenommen habe. Im Lichte der - vom LVwG näher festgestellten - Vorschriften des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr. 403 vom 11. Februar 1964 sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber eine auf den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gerichtete positive Willenserklärung abgegeben habe.
5 Die Annahme der türkischen Staatsangehörigkeit "vor 15 Jahren" habe gemäß § 27 Abs. 1 StbG zum Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft geführt.
6 Dagegen erhob der Revisionswerber sowohl die gegenständliche außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof als auch Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG.
7 Der VfGH lehnte mit Beschluss vom 28. November 2019, E 2873/2019, die Behandlung der Beschwerde ab. Begründend wurde ua. ausgeführt, dass dem LVwG aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht entgegen zu treten sei, wenn es von der Verhältnismäßigkeit des gemäß § 27 Abs. 1 StbG ex lege eintretenden Verlustes der Staatsbürgerschaft ausgehe (Hinweis auf VfGH 17.6.2019, E 1302/2019).
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 11 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 9.1.2020, Ra 2018/01/0343, mwN).
12 Die demnach allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung der Revision legt nicht dar, dass der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die vorliegende Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen hätte:
13 Zu § 27 Abs. 1 StbG hat der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass in Bezug auf ausländisches Recht der Grundsatz "iura novit curia" nicht gilt, sodass dieses in einem - grundsätzlich amtswegigen - Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei aber auch hier die Mitwirkung der Beteiligten erforderlich ist, soweit eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht (vgl. VwGH 5.7.2019, Ra 2019/01/0227, mwN). Das erstmals in der Revision enthaltene Vorbringen, wonach die vom LVwG angewendeten Bestimmungen des türkischen Rechts "veraltet" seien und nach einem näher genannten Gesetz aus 2009 "bei Zweifel an der Staatsangehörigkeit beim zuständigen Ministerium anzufragen ist", unterliegt demnach dem im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof aus § 41 VwGG abgeleiteten Neuerungsverbot und ist bereits aus diesem Grund nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG zu begründen (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2019/14/0131, mwN).
14 Soweit die Revision in den Zulässigkeitsgründen geltend macht, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des VfGH (Verweis auf das Erkenntnis VfGH 11.12.2018, E 3717/2018), genügt der Hinweis, dass das (behauptete) Abweichen von Rechtsprechung des VfGH schon aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes des Art. 133 Abs. 4 B-VG keine Zulässigkeit der Revision zu begründen vermag (vgl. etwa VwGH 9.1.2020, Ra 2018/01/0343, mit Hinweis auf ua. VwGH 28.5.2019, Ra 2019/10/0049, Rn. 10, zum Vorliegen einer allfälligen Judikaturdiskrepanz zwischen VfGH und VwGH als nicht ausreichende Zulässigkeitsbegründung). Im Übrigen ist der Revisionswerber in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass sich das LVwG - dem erwähnten Erkenntnis des VfGH E 3717/2018 folgend - beweiswürdigend gerade nicht auf den der belangten Behörde vom Bundesminister für Inneres übermittelten Datensatz aus der türkischen Wählerevidenz, in dem auch die persönlichen Daten des Revisionswerbers aufscheinen, gestützt hat.
15 Soweit die Revision - mit näheren Ausführungen - der (übrigen) Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts entgegen tritt, ist sie darauf zu verweisen, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 17.2.2020, Ra 2019/01/0055, mwN). Eine (krasse) Fehlbeurteilung des LVwG im Rahmen der Beweiswürdigung wird in der Revision nicht dargetan, zumal das LVwG die Annahme des Wiedererwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit infolge diesbezüglichen Antrags des Revisionswerbers auf umfassende beweiswürdigende Erwägungen - insbesondere unter Berücksichtigung des dem Revisionswerber ausgestellten türkischen Personalausweises - gestützt hat (zum erheblichen Beweiswert eines Personalausweises nach türkischem Recht vgl. etwa VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0050, mwN).
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 23. April 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019010309.L00Im RIS seit
16.06.2020Zuletzt aktualisiert am
16.06.2020