TE Vwgh Beschluss 2020/4/24 Ra 2020/16/0032

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Veröffentlicht am 24.04.2020
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Index

L37168 Kanalabgabe Vorarlberg
L82308 Abwasser Kanalisation Vorarlberg
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §177
B-VG Art133 Abs4
KanalisationsG Vlbg 1989 §21 Abs1
KanalisationsG Vlbg 1989 §21 Abs2
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der H GmbH in L, vertreten durch die Blum, Hagen & Partner Rechtsanwälte GmbH in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 76, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 25. April 2018, LVwG-328-10/2016-R10, betreffend Festsetzung von Schmutzbeiwerten nach § 21 des Vorarlberger Kanalisationsgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Abgabenkommission der Marktgemeinde Lauterach), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg den im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Abgabenkommission der Marktgemeinde Lauterach über die Festsetzung endgültiger Schmutzbeiwerte für die Jahre 2014 und 2015 sowie über die Festsetzung eines vorläufigen Schmutzbeiwertes für das Jahr 2016 und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

Nach Darstellung des Verfahrensganges vor den Verwaltungsbehörden traf das Gericht folgende Sachverhaltsfeststellungen:

„3. Das Landesverwaltungsgericht hat in der gegenständlichen Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:

3.1. Bei der H GmbH handelt es sich um ein Unternehmen zur Herstellung von Getränken, insbesondere Fruchtsaftgetränke mit Sitz in L, ... Die Firma H GmbH leitet die betrieblichen Abwässer nach entsprechender Vorreinigung in die öffentliche Ortskanalisation ein und von dort werden diese in die Verbandskanalisation eingeleitet. Davon betroffen sind Leitungen in einer Länge von ca 2,5 bis 3 km. Von diesem Verbandssammelnetz kommen die Abwässer dann in die Abwasserbeseitigungsanlage ARA Hofsteig, wo die Reinigung der Abwässer erfolgt.

Am 09.12.2002 wurde die Indirekteinleitervereinbarung zwischen der H GmbH und dem Wasserverband Hofsteig abgeschlossen. Inhalt dieser Vereinbarung war die befristete Zustimmung des Kanalisationsunternehmens zur Einleitung, Übernahme und Reinigung der betrieblichen Abwässer aus der gegenständlichen Betriebsanlage bei Einhaltung der in der Vereinbarung näher geregelten Festsetzung und Bedingungen. Die Zustimmung zur Einleitung der Abwässer wurde bis zum 14.10.2012 befristet erteilt.

Am 12.08.2013 wurde diese Indirekteinleitervereinbarung zwischen der H GmbH und dem Wasserverband Hofsteig erneuert und bis zum 14.10.2022 verlängert bzw befristet erteilt. Basis für diese Vereinbarung ist die Verordnung des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft betreffend Wassereinleitungen in wasserrechtlich bewilligte Kanalisationen (Indirekteinleiterverordnung - IEV), BGBl II Nr 222/1998 idF BGBl II Nr 523/2006.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 16. 01.2014, ... wurde der H GmbH, L, die wasserrechtliche Bewilligung für die Indirekteinleitung von Betriebswässern (Einleitung in die öffentliche Kanalisation des Wasserverbandes Hofsteig) beim Produktionsbetrieb am Standort A, L, befristet bis zum 14.10.2022 unter Einhaltung der in der Indirekteinleitervereinbarung vom 12.08.2013 vereinbarten Auflagen erteilt.

3. 2. Die Marktgemeinde Lauterach ist Mitglied des Wasserverbandes Hofsteig, der die Reinigung der Abwässer der Mitgliedsgemeinden in der gemeinsamen Kläranlage in Hard bewerkstelligt.

Die Mitgliedsgemeinden tragen zu den Kosten dieser Reinigung nach einem vom Wasserverband Hofsteig vorgegebenen Schlüssel bei. Bis zum Jahr 2009 wurden die Betriebskosten nach dem Wasserverbrauch gemäß dem Wasserzähler der Verbandsgemeinden und die Investitionskosten nach einem fixen Kostenschlüssel berechnet. 2009 fand eine Systemumstellung statt. Der Wasserverband Hofsteig stellte auf das Verursacherprinzip um, sodass seither nicht mehr nur der Wasserverbrauch, sondern auch die gelieferte Schmutzfracht in der Berechnung der Kosten berücksichtigt wird.

Nach Anhörung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, Abteilung VIId - Wasserwirtschaft, welche am 26. 11.2013 schriftlich ergangen ist und am 21.01.2014 mit Teilnehmern des Amtes der Vorarlberger Landeregierung, Vertretern des Wasserverbandes Hofsteig, Vertretern der H GmbH und der Marktgemeinde Lauterach eingehend erörtert worden ist, wurde gemäß § 200 der Bundesabgabenordnung (BAO) am 28.03.2014 durch die Marktgemeinde Lauterach ein vorläufiger Bescheid erlassen in welchem für das Kalenderjahr 2014 ein vorläufiger Schmutzbeiwert von 1,5 festgesetzt worden ist. Bei der Festsetzung des Faktors 1,5 ging die Gemeinde Lauterach vom Verschmutzungsfaktor für die Betriebskosten aus dem Jahr 2013 mit dem Wert 4,464 und für die Kläranlage mit einem Faktor von 3,676 mittels des Berechnungsmodelles des Schweizer Verbandes für Abwasser und Gewässerschutzfachleute (VSA) aus. Dieses Berechnungsmodell wird vom Wasserverband Hofsteig seit dem Jahr 2009 für die Umlegung der Kostenschlüssel auf die einzelnen Gemeinden benutzt. In die Schmutzbeiwertberechnung wurden von der Gemeinde Lauterach folgende Betriebskosten mit einbezogen: Stromkosten, Entsorgungs- und Schlammentsorgungskosten, chemische Mittel, Fällmittel und Polymere zuzüglich anteiliger Personalkosten von 20 %, In den Kosten der Kläranlage sind die Abschreibung der Errichtungskosten, die Zinsen und die Instandhaltungen der Kläranlage berücksichtigt. Der Berechnung wurden folgende Daten zugrunde gelegt:

Für die Betriebskosten nach dem Kostenschlüssel D ergibt sich folgende Aufstellung:

-    Personalkosten 20 %: 112.400

-    Strom: 250.000

-    Sonstige Entsorgungskosten: 15.000

-    Klärschlammentsorgung: 370.000

-    Chemische Mittel: 6.100

-    Fällmittelankauf: 100.000

-    Ankauf Polymere: 150. 000

Summe Betriebskosten; 1. 003. 500

Gesamt Summe Wassermenge Verband: 3.825.000

Kosten pro m3 Wasser: 0,26

Nach dem Kostenschlüssel A, der Kosten der Kläranlage ergibt sich folgende Aufstellung:

-    Abschreibung Errichtungskosten: 681.379

-    Zinsen: 172.300

-    Instandhaltung Kläranlage: 11.000

-    Summe Kläranlage: 864.679

Gesamt Summe Wassermenge Verband 3.825.000

Kosten pro m3 Abwasser 0, 23.

Die Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2014 beläuft sich auf 1,95 Euro pro m3 Abwasser.

Von dieser Gebühr werden nunmehr die Teilkosten von 0,26 Euro pro m3 Abwasser für die Betriebskosten und 0,23 Euro pro m3 herausgenommen und mit dem vorläufigen Verschmutzungsfaktor von 3,5 bzw 2,5 vervielfacht und zur restlichen Abwassergebühr addiert:

0,26 x 3,5 + 0,23 x 2,5 +1,46 = 2,94.

Der sich ergebende Gebührensatz ist gemäß § 20 Abs 4 KanalG in einem Vervielfacher für die Schmutzwassermenge umzurechnen. Die Berechnungsformel 2,94 = X x 1,95 ergibt einen vorläufigen Schmutzbeiwert gemäß § 20 Abs 4 KanalG von 1,5.“

2        Nach weiterer Schilderung des in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erstatteten Vorbringens traf das angefochtene Erkenntnis unter Zitierung der maßgebenden Bestimmungen des Vorarlberger Kanalisationsgesetzes sowie der Verordnung der Gemeindevertretung von Lauterach über die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage folgende rechtliche Schlussfolgerungen:

„6. 1. Im gegenständlichen Fall wurde von der Marktgemeinde Lauterach der Firma H GmbH für die Einleitung der Schmutzwässer ein Schmutzbeiwert mit einem Faktor in Höhe von 1,5 auf der Berechnungsgrundlage des VSA-Modells für das Jahr 2014 berechnet. Nunmehr wurde aufgrund des oben festgestellten Sachverhaltes und der Ergebnisse der Verfahren vor dem VfGH und VwGH mit Bescheid der Marktgemeinde Lauterach vom 26.11.2015 für das Jahr 2014 ein Schmutzbeiwert von 1,48 endgültig festgesetzt. Mit Bescheid vom 13.01.2016 setzte die Marktgemeinde Lauterach daraufhin für das Jahr 2015 einen Schmutzbeiwert von 1,35 fest und mit Bescheid vom 27.01.2016 setzte die Marktgemeinde Lauterach für das Jahr 2016 einen vorläufigen Schmutzbeiwert von 1,35 fest.

Wie aus der Stellungnahme des Amtssachverständigen DI W H vom 30.03. 2015 (an das LVwG am 15. 04. 2015 übermittelt), ... zum Verfahren ..., zu entnehmen ist, wurde vom Verband der schweizerischen Abwasserfachleute 1994 eine Richtlinie zur Berechnung der Zuschlagsfaktoren für Industrie und Gewerbe herausgegeben. Diese Berechnungsgrundlagen des VSA-Modells wurden in die Satzungen des Wasserverbandes Hofsteig implementiert. Weiters ist aus der Stellungnahme zu entnehmen, dass dem VSA-Modell die Intention zu Grunde liegt, dass abwasserintensive Industrie- und Gewerbebetriebe über einen Verschmutzungsfaktor verursachergerecht erfasst werden und die Mengengebühr über einen Verschmutzungsfaktor verursachergerecht erfasst werden und die Mengengebühr auf dieser Basis bemessen werden soll. Die Gebühr wird gemäß der tatsächlich eingeleiteten Abwasserfracht auf Grundlage von Messungen festgelegt.

Dabei wird die Abwassermenge und relevante Schmutzstoffparameter, die bei der Kläranlage Kosten verursachen gemessen.

Wenn die Beschwerdeführerin das VSA-Modell kritisiert und es im gegenständlichen Fall für nicht anwendbar hält, so ist unter Berücksichtigung des oben Gesagten entgegenzuhalten, dass nach den Berechnungen des Verschmutzungsfaktors nach dem VSA-Modell sich ein Schmutzbeiwert-Faktor von 1,65 als Multiplikator für die von der H GmbH eingeleiteten betrieblichen Abwassermenge errechnet hätte. Der von der Marktgemeinde Lauterach in Ansatz gebrachte Faktor von 1,48 liegt somit unter dem genannten Wert und ist aufgrund der Ausführungen in der Stellungnahme und den Ausführungen der informierten Vertreter des Wasserverbandes Hofsteig auch für das Landesverwaltungsgericht ein nachvollziehbarer Wert, sowie das VSA-Modell in der Schweiz seit Jahren praktizierte und für das Landesverwaltungsgericht eine nachvollziehbare Berechnungsmethode ist. Die Marktgemeinde Lauterach hat zum Zeitpunkt der Festsetzung der Schmutzbeiwerte korrekt gehandelt, da gemäß § 20 Abs 2 Kanalisationsgesetz dieser bis 31.12.2017 zwingend festzusetzen war. Seit 01.01.2018 ist § 20 Abs 2 Kanalisationsgesetz in eine ‚Kann-Bestimmung‘ umgewandelt worden. Somit ist die Gemeinde nach wie vor berechtigt, einen Schmutzbeiwert unter Berücksichtigung des im Kanalisationsgesetz vorgeschriebenen Verfahrens festzusetzen.

Gemäß § 19 ff Kanalisationsgesetz ist die Gemeinde berechtigt, Kanalisationsgebühren festzusetzen.

Ebenso ist nach § 20 Abs 4 Kanalisationsgesetz die Abwassermenge mit einem Schmutzbeiwert zu vervielfachen. Daraus ist zu entnehmen, dass des der Gemeinde obliegt, einen solchen festzusetzen. Von diesem Recht hat die Marktgemeinde Lauterach nach dem oben wiedergegebenen Prozedere Gebrauch gemacht. Wenn nun [die Revisionswerberin] meint, [sie] sei durch dieses Vorgehen der Gemeinde einer Ungleichbehandlung ausgesetzt, da vergleichbare Betriebe in anderen Gemeinden keine Schmutzbeiwerte aufgeschlagen bekämen, so ist dem zu entgegnen, dass § 20 Abs 4 Kanalisationsgesetz der Gemeinde die Berechtigung gibt, einen Schmutzbeiwert hoheitlich festzulegen. Wenn andere Gemeinden davon keinen Gebrauch machen, ist es nicht Sache des Landesverwaltungsgerichtes eine Beurteilung über eine diesbezügliche Ungleichbehandlung abzugeben; wenn eben eine Gemeinde schon Gebrauch von dieser Bestimmung macht.

6.2. Die [Revisionswerberin] hat weiters vorgebracht, dass durch die Festsetzung des Schmutzbeiwertes eine Diskriminierung vorliege und, so wie in der mündlichen Verhandlung vom 15.11.2017 vorgebracht wurde, dass ca 1.400 Betriebe im Verbandsgebiet seien, die andere als häusliche Abwässer produzieren würden und diesen kein Schmutzbeiwert vorgeschrieben werde. Dazu ist zu sagen, dass das Landesverwaltungsgericht lediglich den gegenständlichen Sachverhalt zu beurteilen hat. Ob die Marktgemeinde Lauterach oder andere Gemeinden bei anderen Betrieben, die andere als häusliche Abwässer produzieren, Schmutzbeiwerte festsetzen oder nicht, und ob diese Vorgehensweise korrekt ist oder nicht, ist nicht Sache des Landesverwaltungsgerichtes und auch nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

6. 3. Die [Revisionswerberin] hat ein Rechtsgutachten zur Frage der Verfassungskonformität der Regelungen des Vorarlberger Kanalisationsgesetzes über die Kanalbenützungsgebühren vom 11.12.2015, welches von Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger erstellt worden ist, vorgelegt. Zum Gutachten des Prof. Dr. Bußjäger ist Folgendes zu sagen:

Das Argument, dass der Verursacher durch die Heranziehung eines zusätzlichen Schmutzbeiwertes zu den Kanalbeiträgen gleichsam doppelt bestraft wird, kann vom Landesverwaltungsgericht nicht geteilt werden. Der in § 21 Vorarlberger Kanalisationsgesetz festgelegte Schmutzbeiwert soll dann, wenn andere als häusliche Abwässer (aus Gewerbe- und Industriebetrieben und dergleichen) sich entscheidend auf den Umfang und den Betrieb der Abwasserbeseitigungsanlage und damit auf die Errichtungs-, Betriebs- und Instandhaltungskosten auswirken, ausgleichend eingreifen. Der § 21 Kanalisationsgesetz stellt keine Bestrafung eines Abwassersystemnutzers dar. Die Abwassermenge wird lediglich mit einem Schmutzbeiwertfaktor multipliziert, der den Grad des Mehraufwandes ausdrückt, welcher für die Beseitigung der betreffenden Abwasserart im Vergleich zu häuslichen Abwässern erforderlich ist. Dass hier durch die Einleitung der Schmutzwässer der Beschwerdeführerin das Kanalisationssystem mehr belastet wird als durch die Einleitung von Schmutzwässern durch einen durchschnittlichen Haushalt, steht außer Frage. Daher haben die Gemeinden auch die Möglichkeit, zur Bemessung der Gebühren gemäß § 20 Abs 4 des Vorarlberger Kanalisationsgesetzes die Abwassermenge mit einem Schmutzbeiwert zu vervielfachen. Da die Vorschreibung von Kanalisationsgebühren keine Strafe darstellt, kann von einer Doppelbestrafung bei Vorschreibung von einem Schmutzbeiwert keine Rede sein. Im gegenständlichen Fall wurde der Schmutzbeiwert nach Anhörung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, wie bereits im Verfahren zum gegenständlichen Sachverhalt zu Festsetzung von einem vorläufigen Schmutzbeiwert für das Jahr 2014, ... erörtert wurde, festgesetzt. Die Gemeinde hat ihre Rechte im Rahmen des Gesetzes ausgeübt und daher kann von Seiten des Landesverwaltungsgerichtes dazu weder ein willkürliches Vorgehen noch ein ungesetzliches Vorgehen erblickt werden.

Es kann aus diesem Grund auch keine Verletzung der Verfassungskonformität erblickt werden.

Ebenso kann aufgrund des umfangreich geführten Verfahrens, in dem schon bei der Erlassung der vorläufigen Bescheide im Jahr 2014 sämtliche Stellen beigezogen worden sind; dem Argument im Rechtsgutachten nicht gefolgt werden, dass keine Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Gebührenbemessung im Hinblick auf die Errichtungs- und Betriebskosten der Abwasserreinigungsanlagen gegeben sei. So gab es eine Anhörung des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, Abteilung VIId - Wasserwirtschaft, welche am 26.11.2013 schriftlich festgehalten worden ist und am 21.01.2014 mit Teilnehmern des Amtes der Vorarlberger Landeregierung, Vertretern des Wasserverbandes Hofsteig, Vertretern der H GmbH und der Marktgemeinde Lauterach eingehend erörtert worden ist.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis Slg. Nr. 5222/1966 ausgesprochen hat, sind Angelegenheiten der Abwasserbeseitigung, die nicht unter die Kompetenztatbestände des Art 10 Abs l Z 8 oder Z 10 B-VG fallen, nach Art 15 Abs 1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache. Die verfassungsrechtliche Zuständigkeit des Landesgesetzgebers ist im § 8 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 in Verbindung mit dem § 14 des Finanzausgleichsgesetzes 2008 begründet. Zur Ausschreibung von Kanalisationsbenützungsgebühren ist die Gemeinde auf Grund des § 7 Abs 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 in Verbindung mit § 14 Abs 1 lit 14 des Finanzausgleichsgesetzes 2008 vom Bundesgesetzgeber ermächtigt. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis Slg. Nr. 3550/1959 unmissverständlich ausgesprochen, dass eine auf Grund des § 7 Abs 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 erteilte bundesgesetzliche Ermächtigung die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Regelung des materiellen Abgabenrechtes gemäß § 8 Abs l des Finanz-Verfassungsgesetzes nur insoweit beschränkt, als die bundesgesetzliche Regelung reicht. Gemäß § 15 Abs 3 Z 4 Finanzausgleichsgesetz 2008 (FAG 2008), werden die Gemeinden ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung folgende Abgaben vorbehaltlich weiter gehender Ermächtigung durch die Landesgesetzgebung auszuschreiben: Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, mit Ausnahme von Weg- und Brückenmauten, bis zu einem Ausmaß, bei dem der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung oder Anlage sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten unter Berücksichtigung einer der Art der Einrichtung oder Anlage entsprechenden Lebensdauer nicht übersteigt.

Aus den oben dargestellten Erörterungen kommt das Landesverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass die Festsetzung der Schmutzbeiwerte im gegenständlichen Verfahren durch die Gemeinde Lauterach zu Recht erfolgt ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“

Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit einer Revision begründete das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf Art. 133 Abs. 4 B-VG.

3        Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese mit Beschluss vom 27. November 2019, E 2255/2018, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Die vorliegende Beschwerde rüge - so die Begründung dieses Beschlusses -

„die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifische verfassungsrechtliche Überlegungen sind zu Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob das Landesverwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Beschwerdefall die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Vbg. Kanalisationsgesetz für die Festsetzung eines Schmutzbeiwertes vorlagen, insoweit nicht anzustellen (vgl. bereits VfGH 9.6.2016, E 2107/2015).

Eine denkunmögliche Anwendung des - hinreichend bestimmten - § 21 Vbg. Kanalisationsgesetz durch das Landesverwaltungsgericht kann nicht erkannt werden.

Für das vorliegende Verfahren ist außerdem unerheblich, ob anderen Betrieben - zu Recht oder zu Unrecht - kein Schmutzbeiwert vorgeschrieben wurde (VfSlg. 8376/1978, 12.796/1991, mwN).“

4        In der gegen das Erkenntnis vom 25. April 2018 erhobenen außerordentlichen Revision erachtet sich die Revisionswerberin „im Recht auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren und ferner im Recht auf Nichtfestsetzung eines Schmutzbeiwertes gem. § 21 Abs. 2 KanalisationsG verletzt.“

5        Die Zulässigkeit ihrer Revision begründet sie damit, im Revisionsfall gehe es um die Frage, ob zu Recht oder zu Unrecht unter Anwendung des § 21 Abs. 2 des Vorarlberger Kanalisationsgesetzes ein Schmutzbeiwert festgesetzt worden sei. § 21 Abs. 2 leg. cit. in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 32/2017 sei eine Ermessensbestimmung; nach § 20 BAO der auch in Verfahren in Angelegenheiten öffentlicher Abgaben der Gemeinden anzuwendenden Bundesabgabenordnung enthalte eine Bestimmung über Ermessensentscheidungen. Im angefochtenen Erkenntnis setze sich die belangte Behörde nicht mit der Frage auseinander, ob der von § 20 BAO vorgegebene Rahmen für Ermessensentscheidungen gewahrt worden sei oder nicht; insbesondere werde nicht gefragt und überprüft, ob die individuelle Vorschreibung eines Schmutzbeiwertes durch den Bürgermeister der Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände entspreche. Zur Frage der Auslegung der Ermessensbestimmung des § 21 Abs. 2 leg. cit. gebe es keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die Auslegung dieser Bestimmung gehe weit über den vorliegenden Einzelfall hinaus. Es müsse für jedes Unternehmen, welches Abwässer in eine kommunale Abwässerbeseitigungsanlage einleite, nach rechtstaatlichen Prinzipien unter Berücksichtigung des Legalitätsgrundsatzes vorhersehbar sein, was für den Bürgermeister als Behörde als billig und zweckmäßig zu gelten habe. Es dürfe kein Raum für Willkür, abgeleitet aus einem eingeräumten Ermessen, entstehen. Die Grenzen des Ermessens, welches nach § 20 BAO kein freies sei, müssten klar und vorhersehbar sein.

6        Rechtswidrigkeit liegt nach Art. 133 Abs. 3 B-VG nicht vor, soweit das Verwaltungsgericht Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

7        Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geht die Übung des Ermessens im Einzelfall, sofern weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegt, nicht über die Bedeutung des Einzelfalles hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG dar (VwGH 28.9.2016, Ra 2016/16/0068, 24.5.2017, Ra 2017/09/0017, 2.8.2017, Ra 2017/05/0202, 22.2.2018, Ra 2018/01/0032, 5.9.2018, Ra 2017/12/0118, und 27.3.2019, Ra 2018/12/0022).

8        Gemäß § 21 Abs. 1 des (Vorarlberger) Gesetzes über öffentliche Abwasserbeseitigungsanlagen, LGBl. Nr. 5/1989 - Kanalisationsgesetz, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 32/2017, hat die Landesregierung nach den Erfahrungen der Abwassertechnik für verschiedene Arten von Betrieben oder sonstige Einrichtungen, bei denen andere als häusliche Abwässer anfallen, einen Schmutzbeiwert festzusetzen, der entweder

a)   angibt, dass die Beseitigung der betreffenden Abwasserart im Vergleich zur Beseitigung häuslicher Abwässer keinen Mehraufwand erfordert oder

b)   den durchschnittlichen Mehraufwand ausdrückt, den die Beseitigung der betreffenden Abwasserart im Vergleich zur Beseitigung häuslicher Abwässer erfordert.

Wenn mangels Erfahrungswerten für die betreffende Art von Betrieben oder Einrichtungen kein Schmutzbeiwert durch eine Verordnung nach Abs. 1 festgesetzt wurde oder wenn die Beschaffenheit der anfallenden Abwässer von den bei solchen Betrieben oder Einrichtungen gewöhnlich anfallenden Abwässern erheblich abweicht, kann die Behörde nach Abs. 2 leg. cit. nach Anhörung des Amtes der Landesregierung im Einzelfall einen Schmutzbeiwert festsetzen. Die Kosten für die hiefür notwendigen Untersuchungen hat der Anschlusspflichtige zu tragen, wenn für die betreffende Art von Betrieben oder Einrichtungen bereits durch eine Verordnung nach Abs. 1 ein Schmutzbeiwert festgesetzt wurde.

9        Unbestritten ist, dass die Vorarlberger Landesregierung keine Verordnung nach § 21 Abs. 1 Kanalisationsgesetz erlassen hat.

Gegenstand des angefochtenen Erkenntnisses ist die im Instanzenzug erfolgte teils endgültige, teils vorläufige Festsetzung von Schmutzbeiwerten für einzelne Kalenderjahre.

Das Verwaltungsgericht sah sich im Instanzenzug zur Festsetzung von Schmutzbeiwerten nach § 21 Abs. 2 Kanalisationsgesetz aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens, unter anderem der vom Sachverständigen des Amtes der Vorarlberger Landesregierung, DI W H abgegebenen Stellungnahme - der Sache nach ein Gutachten im Sinn des § 177 BAO - berechtigt, der den Mehraufwand, den die Beseitigung der Abwässer der Revisionswerberin im Vergleich zur Beseitigung häuslicher Abwässer erfordert, bezifferte, womit die Tatsachenannahme der nach § 21 Kanalisationsgesetz geforderten Voraussetzung für die Festsetzung eines Schmutzbeiwertes im Einzelfall keinen Bedenken der Revision ausgesetzt ist.

10       Soweit die Revision ihre Zulässigkeit aus einem bloßen Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bestimmung des § 21 Abs. 2 Kanalisationsgesetz ableitet, zeigt sie keine konkrete Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, weil sie - unterstellt man § 21 Kanalisationsgesetz den Gehalt einer Ermessensbestimmung - weder einen Ermessensmißbrauch noch eine Ermessenüberschreitung behauptet, sodass nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bloße Übung von Ermessen nicht über die Bedeutung des Einzelfalles hinausgeht und keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG darstellt.

11       Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Wien, am 24. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160032.L00

Im RIS seit

09.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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