TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/18 98/09/0008

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Veröffentlicht am 18.03.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
AVG §71 Abs1;
AVG §71 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Blaschek und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Werner D in I, vertreten durch Dr. Karl Hepperger, Rechtsanwalt in Innsbruck, Müllerstraße 27/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 4. November 1997, Zl. 1/20-7/1995, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 12. Juni 1996 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 17. April 1996 nach Versäumung der Berufungsfrist gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters von Innsbruck als Bezirksverwaltungsbehörde vom 30. März 1995 gemäß § 71 AVG iVm §§ 24, 51, 51c und 51e Abs. 2 VStG abgewiesen.

Aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 9. September 1997, Zl. 96/09/0239, diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, weil die belangte Behörde es dahingestellt gelassen hatte, ob die Sekretärin des Rechtsvertreters des Berufungswerbers tatsächlich oder nur vermeintlich überlastet gewesen sei und sich jeder Auseinandersetzung mit der relevanten Frage, ob der Vertreter des Beschwerdeführers selbst von Arbeitsüberlastung seiner Sekretärin gewußt hätte oder davon auszugehen hätte, enthalten hat.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 4. November 1997 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich ab.

Die belangte Behörde gab den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wörtlich wieder. Der Antrag lautete:

"1.) Frau J ist beim Beklagtenvertreter seit 3 1/2 Jahren als Sekretärin beschäftigt und hat sie die zugestellte Straferkenntnis zu I-721/95 am 04.04.1995 übernommen, die Frist im Terminkalender eingetragen und dem Chef zur Ausarbeitung der Berufung vorgelegt. Am 05.04.1995 wurde die Berufung diktiert und geschrieben und erhielt sie den Auftrag diese Berufung noch am 05.04.1995 eingeschrieben zur Post zu geben. Auf Grund von Arbeitsüberlastung unterlief ihr dahingehend ein Fehler, daß sie versehentlich die Berufung nicht am 05.04.1995 zur Post brachte, sondern offensichtlich erst am 24.04.1995. Ein derartiger Fehler ist ihr in ihrer bisherigen langjährigen Tätigkeit noch nicht passiert und handelt es sich um ein einmaliges Versehen.

Bescheinigungsmittel: Eidesstättige Erklärung vom 17.04.1996;

J, welche anläßlich eines Einvernahmetermines jederzeit stellig gemacht werden könnte;

Der Berufungswerber wurde sohin durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis ohne sein Verschulden bzw. durch entschuldbare Fehlleistung gehindert, fristgerecht Berufung zu erheben, sodaß gestellt wird der

A N T R A G

auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, gegen die Versäumung der Berufungsfrist."

Die Behörde erster Instanz habe den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Begründung abgewiesen, daß von der Richtigkeit der Darlegungen des Rechtsanwaltes ausgehend ein minderer Grad des Versehens deshalb nicht vorliege, weil die Sekretärin wegen Arbeitsüberlastung die rechtzeitige "Erstattung der Berufung" (offensichtlich gemeint: die zeitgerechte Postaufgabe) unterlassen habe und der Rechtsanwalt wegen dieser Arbeitsüberlastung auch gehalten gewesen wäre, die Durchführung seiner Anweisungen zu kontrollieren.

In der dagegen erhobenen Berufung habe der Rechtsvertreter des Berufungswerbers im wesentlichen ausgeführt, daß nicht er selbst von einer Arbeitsüberlastung seiner Sekretärin ausgehe, sondern daß es sich dabei lediglich um die Verantwortung dieser seiner Sekretärin handle; aus seiner Sicht sei eine Arbeitsüberlastung nicht vorgelegen, da er ansonsten sehr wohl "weitere Kontrollen" bezüglich der Einhaltung von Anweisungen durchgeführt hätte. Die Diktion des Wiedereinsetzungsantrages vom 17. April 1996 gebe daher lediglich die subjektive Meinung seiner Sekretärin wieder, von einer tatsächlichen Arbeitsüberlastung könne demnach nicht ausgegangen werden. Offensichtlich habe die Sekretärin nur aufgrund des Umstandes, daß er die Berufung derartig rasch bearbeitet hatte, vergessen, die bereits "fertige" Berufung zur Post zu geben.

Dem hielt die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nach Wiederholung der wörtlichen Ausführungen im Antrag auf Wiedereinsetzung entgegen, daß der Rechtsvertreter im Wiedereinsetzungsantrag ausdrücklich die Arbeitsüberlastung seiner Sekretärin als Ursache für deren Fehlverhalten bezeichnet habe. Die Erstbehörde habe diese eindeutige Erklärung zur Grundlage ihrer Entscheidung nehmen dürfen, zumal wegen der ausdrücklichen Bestätigung dieser Erklärung des Rechtsvertreters durch seine Sekretärin in Form einer "eidesstättigen Erklärung" vom 17. April 1996 kein Grund dafür bestanden habe, dessen Erklärung anzuzweifeln. Auch wenn die Erstbehörde dies nicht ausdrücklich in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführt habe, sei sie ganz offensichtlich davon ausgegangen, daß dem Rechtsvertreter die Arbeitsüberlastung der Sekretärin bekanntgewesen sei. Davon habe sie aufgrund der eindeutigen Formulierung des Wiedereinsetzungsantrages auch ausgehen dürfen. Die Erstbehörde sei daher zu Recht davon ausgegangen, daß die Arbeitsüberlastung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Kontrollpflicht des Rechtsanwaltes ausgelöst habe, denn es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, daß Arbeitsüberlastung die Gefahr von (erhöhten) Fehlleistungen mit sich bringe. Die im Zuge des Berufungsverfahrens gegebene Darstellung, die Sekretärin sei gar nicht überlastet gewesen, sondern habe nur geglaubt, überlastet gewesen zu sein und sie habe nur aufgrund des Umstandes, daß die Berufung so rasch verfaßt worden sei, vergessen, die bereits fertige Berufung zur Post zu bringen, stelle eine (rechtlich unzulässige) Änderung des Wiedereinsetzungsgrundes dar, weshalb auf dieses Vorbringen nicht näher einzugehen sei. Da es der Rechtsvertreter trotz Kenntnis des Umstandes der Arbeitsüberlastung seiner Sekretärin in seinem (Erst-)Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unterlassen habe darzulegen, in welcher Art er gegen Fehlleistungen seiner Sekretärin Vorsorge getroffen habe, habe er daher nicht glaubhaft gemacht, daß ihn an der Versäumung der Berufungsfrist kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Ein an der Fristversäumnis schuldhaftes Verhalten ist der Partei nur dann zuzurechnen, wenn sie selbst oder ihr Vertreter dieses Verhalten gesetzt hat, wobei das Verschulden des Vertreters in einem schuldhaften Tun oder Unterlassen, so insbesondere auch in einem Unterlassen der Organisationspflicht und der Überwachungspflicht bestehen kann. Die diesbezügliche Überwachungspflicht eines Parteienvertreters geht jedoch nicht soweit, jede einzelne einfache Arbeitsverrichtung seiner Angestellten zu kontrollieren. Die Aufgabe von Postsendungen gehört regelmäßig zu diesen einfachen Arbeitsverrichtungen, auf deren auftragsgemäße Erfüllung der Parteienvertreter vertrauen darf, es sei denn, daß für ihn Veranlassung besteht, das pflichtgemäße Verhalten seines Angestellten in Zweifel zu ziehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 22. Jänner 1992, Zl. 91/13/0254 = VwSlg. 6327 F, vom 15. März 1995, Zl. 94/13/0215, u.a.).

Der Beschwerdeführer hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im wesentlichen damit begründet, daß er die Berufung bereits am 5. April 1995, somit dem der Übernahme des Straferkenntnisses folgenden Tag ausgearbeitet und versandbereit gemacht habe. Er habe einer verläßlichen Mitarbeiterin den Auftrag erteilt, diese Berufung noch am 5. April 1995 eingeschrieben zur Post zu geben. "Aufgrund von Arbeitsüberlastung" sei ihr dahingehend ein Fehler unterlaufen, daß sie versehentlich die Berufung erst am 24. April 1995 zur Post gebracht habe. Ein derartiger Fehler sei ihr in ihrer bisherigen langjährigen Tätigkeit noch nicht passiert, es handle sich um ein einmaliges Versehen.

Bei der Beurteilung des Inhaltes eines Antrages ist dessen objektiver Erklärungsgehalt zu beurteilen und nicht, was damit eventuell Willen des Erklärenden gewesen sein könnte. Aufgrund des Wortlautes des Wiedereinsetzungsantrages kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, daß sie von einer in der Kanzlei des Rechtsvertreters bestehenden Arbeitsüberlastung der namentlich genannten Sekretärin ausging sowie davon, daß dem Rechtsvertreter die Arbeitsüberlastung der Sekretärin bekanntgewesen sei, da dieses Verständnis der Erklärung des Vertreters des Beschwerdeführers objektiv am nächstliegenden erscheint.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bleibt die Partei im Verfahren wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand an den im Antrag vorgebrachten Wiedereinsetzungsgrund gebunden. Eine Auswechslung dieses Grundes im Berufungsverfahren ist rechtlich unzulässig (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1986, Zl. 84/17/0136). Dies gilt auch dann, wenn der objektive Erklärungswert eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Berufungsverfahren durch die Partei eine andere Deutung erfahren soll. Die belangte Behörde ist daher auch mit ihrer Ansicht im Recht, daß die im Zuge des Berufungsverfahrens vom Vertreter des Beschwerdeführers gegebene Darstellung, die Sekretärin sei gar nicht überlastet gewesen, sondern habe nur geglaubt, überlastet gewesen zu sein, eine rechtlich unzulässige Änderung des Wiedereinsetzungsgrundes darstellt.

Damit geht aber auch das Vorbringen des Beschwerdeführers im Hinblick auf den behaupteten Ermittlungsmangel der Berufungsbehörde zu dem in der Berufung anders als im Antrag auf Wiedereinsetzung gedeuteten Wiedereinsetzungsgrund ins Leere.

Arbeitsüberlastung einer Sekretärin eines Parteienvertreters, der von der Arbeitsüberlastung wußte oder davon auszugehen hatte, ist einer jener Gründe, die Veranlassung dafür bieten, das pflichtgemäße Verhalten der Bediensteten auch hinsichtlich so einfacher Arbeitsverrichtungen wie die Aufgabe von Postsendungen in Zweifel zu ziehen. Der belangten Behörde ist zu folgen, daß für den Vertreter des Beschwerdeführers deshalb eine Kontrollpflicht bestand. Der Vertreter des Beschwerdeführers hat jedoch keine Behauptungen im Antrag erstattet, daß er gegen Fehlleistungen der überlasteten Sekretärin Vorsorge getroffen habe. Er hat damit nicht dargelegt, daß ihn an der Versäumung der Berufungsfrist kein den minderen Grad des Versehens nicht übersteigendes Verschulden trifft.

Bereits der Inhalt der Beschwerde läßt erkennen, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998090008.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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