TE Vwgh Beschluss 2020/4/27 Ro 2019/12/0004

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Veröffentlicht am 27.04.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
63/02 Gehaltsgesetz
67 Versorgungsrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
GehG 1956 §23a idF 2018/I/060
GehG 1956 §23b idF 2018/I/102
GehG 1956 §83c
VwGG §34 Abs1
VwRallg
WHG 1992 §4 Abs1 idF 2001/I/087
WHG 1992 §9 Abs2 idF 2005/I/165

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Feiel als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision der M M in S im L, vertreten durch Pallauf Meißnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Petersbrunnstraße 13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. März 2019, GZ. W128 2187053-1/5E, betreffend Hilfeleistung durch vorläufige Übernahme von Ansprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Salzburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin steht als Exekutivbeamtin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2 Mit Antrag vom 8. Mai 2017 begehrte sie gemäß § 9 Abs. 2 Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz (WHG) die Auszahlung eines Verdienstentganges von EUR 9.031,77 und EUR 2.009,34 an Heilungskosten. Weiters wurde die Zuerkennung einer Ausgleichsmaßnahme für entgangenes Schmerzengeld gemäß § 83c Gehaltsgesetz 1956 (GehG) in Höhe von EUR 15.000,-- beantragt. 3 Die Revisionswerberin brachte vor, sie habe am 18. September 2014 im Rahmen einer Fachausbildung eine Kollegin auf die Schultern genommen, damit sie über eine Absperrung hätte gelangen können. Dabei habe sie sich in Position einer Hocke hingekniet, sodass sich die Kollegin auf ihre Schultern habe setzen können. Als sie habe aufstehen wollen, habe sie das Gleichgewicht verloren und die Kollegin sei auf sie gefallen. Sie habe sich dabei im Bereich der Lendenwirbel verletzt. Sie habe sich zwei Operationen unterziehen müssen und den Dienst erst wieder über ein Jahr später am 19. Oktober 2015 antreten können. Die Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter (BVA) habe den Unfall gemäß § 90 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz (B-KUVG) als Dienstunfall anerkannt. Die Landespolizeidirektion Salzburg habe den dadurch erlittenen Verdienstentgang mit EUR 9.031,77 brutto berechnet. Im gegenständlichen Fall sei § 9 Abs. 2 WHG anwendbar, da eine gerichtliche Entscheidung über Ersatzansprüche mangels Fremdverschulden unzulässig sei bzw. nicht erfolgen könne.

4 Gemäß § 83c GehG könne einem Beamten des Exekutivdienstes, der die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z 1 und 2 WHG erfülle, wenn eine gerichtliche Entscheidung über den geltend gemachten Schmerzengeldbetrag nicht zulässig sei oder nicht erfolgen könne, eine einmalige Geldaushilfe bis zur Höhe des fünffachen Referenzbetrages gemäß § 3 Abs. 4 GehG gewährt werden. Gegenständlich sei eine gerichtliche Entscheidung über Ersatzansprüche mangels Fremdverschulden unzulässig bzw. könne nicht erfolgen. Der Dienstunfall, der während der Ausbildung erfolgt sei, sei der Ausübung exekutivdienstlicher Tätigkeit nach § 4 Abs. 1 WHG gleichgestellt. Für die erlittenen Schmerzen und das damit verbundene Ungemach, vor allem wegen der damit verbundenen Versetzung in den Innendienst, sei für einen Lendenwirbelbruch und zwei Wirbelverschiebungen jedenfalls ein Schmerzengeld in Höhe von EUR 15.000,-- angemessen. 5 Mit Bescheid vom 14. Dezember 2017 wies die Landespolizeidirektion Salzburg den Antrag der Revisionswerberin auf bescheidmäßige Feststellung wegen Gewährung von Verdienstentgang und Heilungskosten gemäß § 9 WHG sowie Schmerzengeld gemäß § 83c GehG aufgrund des Dienstunfalles vom 18. September 2014 ab. Dabei wurde der Unfallhergang entsprechend dem Vorbringen im Antrag festgestellt. Die Revisionswerberin habe sich aufgrund ihrer Verletzungen insgesamt 279 Tage im Krankenstand befunden. Gemäß § 4 Abs. 3 WHG habe der Bund die besondere Hilfeleistung an Wachebedienstete oder Hinterbliebene auch zu erbringen, wenn der Wachebedienstete einen Dienst- oder Arbeitsunfall im Zuge einer Ausbildung erleide, der er sich im Hinblick auf die Notwendigkeit unterziehe, im Rahmen seines Dienstes Gefahr aufzusuchen oder im Gefahrenbereich zu verbleiben (Hinweis auf § 4 Abs. 1 Z 1 WHG). Als Ausbildungsunfälle im Sinne des WHG würden solche Dienstunfälle als anspruchsbegründende Unfälle angesehen, die über eine Grundausbildung in diesem Bereich hinausgingen und ein besonderes Maß an Fertigkeit (Spezialausbildung) erforderten und wenn diese Ausbildung ein effizientes, zielgerichtetes und gefahrenminderndes Einschreiten im Einzelfall gewährleiste. Weiters müsse die Ausbildung unter einsatzähnlichen Bedingungen durchgeführt werden. Der Dienstunfall am 18. September 2014 sei während der Fachausbildung E2a-Outdoor Truppenübung als Truppenführer entstanden, somit handle es sich aus Sicht des BMI um keine Ausbildung im Sinne des § 4 Abs. 3 WHG. 6 Es sei unbestritten, dass die Revisionswerberin sich ihre Verletzungen im Rahmen eines Dienstunfalls zugezogen habe und ein Schmerzengeldanspruch nicht gerichtlich durchgesetzt werden könne, weil kein Fremdverschulden vorgelegen sei. Gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 2014, 2011/12/0037, sei eine dem Dienstunfall vom 18. September 2014 entsprechende sachverhaltsmäßige Konstellation (Eigenverletzung) gegeben, wodurch keine Schmerzengeldansprüche gemäß § 83c GehG bestünden. 7 In der dagegen erhobenen Beschwerde vertrat die Revisionswerberin den Standpunkt, dass sie entgegen den Ausführungen im bekämpften Bescheid am 18. September 2014 eine gemäß § 4 Abs. 3 WHG anspruchsbegründende Ausbildung absolviert habe.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht diese Beschwerde ab. Es führte aus, die Revisionswerberin habe am 18. September 2014 an der Fachausbildung E2a "Führen meine Rolle" teilgenommen, bei der eine Outdoor-Gruppenübung durchgeführt worden sei. Im Rahmen dieser Übung habe die Revisionswerberin eine Kollegin auf die Schulter nehmen wollen, damit diese über eine Absperrung hätte gelangen können. Dabei habe sie sich in eine hockende Position begeben wollen, damit sich die Kollegin auf ihre Schultern hätte setzen können. Als die Revisionswerberin habe aufstehen wollen, habe sie das Gleichgewicht verloren und die Kollegin sei auf die Revisionswerberin gefallen. Die Revisionswerberin habe sich dabei im Bereich der Lendenwirbel verletzt und sei dadurch 279 Tage an der Ausübung ihres Dienstes verhindert gewesen. Es liege kein Fremdverschulden vor.

9 Gemäß Art. 30 der Dienstrechts-Novelle 2018, BGBl. I Nr. 60/2018, werde "das Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz-WHG, BGBl. Nr. 177/1992, zuletzt geändert durch das zweite Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 35/2012, und die Bundesministeriengesetz-Novelle 2017, BGBl. I Nr. 64/2017", mit Ablauf des 30. Juni 2018 aufgehoben.

10 Nach Wiedergabe der §§ 23a und 23b GehG führte das Bundesverwaltungsgericht aus, mit der Dienstrechtsnovelle 2018, BGBl. I Nr. 60/2018 sei eine Gleichstellung der übrigen Bundesbediensteten mit Wachebediensteten bei schweren Dienstunfällen erfolgt. Im Zuge dessen sei die Eingliederung der Kernbestimmungen des WHG in die §§ 23a ff GehG erfolgt, weiters sei der bisherige § 83c GehG in diese Bestimmungen eingearbeitet worden. Auch wenn in den erläuternden Bemerkungen (196 dB, XXVI. GP, S. 27) ausgeführt werde, dass bei Anlassfällen bis zum Ablauf des 30. Juni 2018 noch das WHG zur Anwendung komme, lasse sich dies aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht entnehmen. Ebenso wenig handle es sich gegenständlich um einen zeitraumbezogenen Abspruch. Demnach sei die zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung maßgebliche Rechtslage anzuwenden. 11 Die Revisionswerberin habe sich im Rahmen der dienstlichen Fort- und Weiterbildung bei einem Dienstunfall im Sinne des § 90 Abs. 1 B-KUVG verletzt und sei dadurch 279 Tage an der Ausübung ihres Dienstes verhindert gewesen. Es sei daher zu prüfen, ob der Bund im Sinne der §§ 23a ff GehG als besondere Hilfeleistung die vorläufige Übernahme von Ansprüchen zu erbringen habe. 12 Gemäß § 23b GehG leiste der Bund als besondere Hilfeleistung einen Vorschuss (vorläufige Übernahme von Ansprüchen), wenn

1. sich die Beamtin oder der Beamte im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Arbeitsunfall im Sinne des § 23 Abs. 1 GehG an einem Strafverfahren beteilige, das nach Prüfung des Bestandes die Ansprüche mit einer rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten oder des Hinterbliebenen gegen den Täter abgeschlossen wird, oder

2. solche Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten im Zivilrechtsweg nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche rechtskräftig zugesprochen werden.

13 Beides liege unstrittig gegenständlich nicht vor. Auch in ihrer Beschwerde habe die Revisionswerberin nicht einmal behauptet, dass Fremdverschulden vorliege.

14 Mangels eines Anspruches der Revisionswerberin auf Verdienstentgang und Heilungskosten sei die Beschwerde daher abzuweisen gewesen. Weiters wurde begründet, weshalb eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt worden sei. 15 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhänge, der grundsätzliche Bedeutung zukomme, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere zur mit BGBl. I Nr. 60/2018 erfolgten Neugestaltung der "besonderen Hilfeleistung" gemäß § 23a ff GehG fehle.

16 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, gemäß § 42 Abs. 1 iVm Abs. 4 VwGG in der Sache selbst zu entscheiden und dem Antrag auf Auszahlung eines Verdienstentganges von EUR 9.031,77 brutto, EUR 2.009,34 an Heilungskosten und EUR 15.000,-- an Schmerzengeld stattzugeben; in eventu wird beantragt, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

17 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

18 Im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung der Revision beruft

sich die Revisionswerberin zunächst auf die Zulassungsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts. Weiters wird ausgeführt, neben der Auslegung der "besonderen Hilfeleistung" und der hiefür erforderlichen Voraussetzungen sei insbesondere ungeklärt, ob die höchstgerichtliche Judikatur (wonach Fremdeinwirkung jedenfalls Anwendungsvoraussetzung für den Ersatz von Schmerzengeld sei) aufgrund der jüngsten Gesetzesänderungen weiterhin aufrecht gehalten werden könne. Ferner sei nicht höchstgerichtlich entschieden, ob auch auf Anlassfälle vor Ablauf des 30. Juni 2018 die neugefassten Bestimmungen der §§ 23a ff GehG zur Anwendung kämen. Die Frage des anzuwendenden Rechts stelle sich bei einer Vielzahl von vergleichbaren Fällen, sodass bereits aus diesem Grund eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege, welche einer höchstgerichtlichen Klärung bedürfe. Auch betreffend der Auslegung des Begriffs der "Ausbildung" im Sinne des § 23c Abs. 5 GehG liege bis dato keine höchstgerichtliche Judikatur vor. Im Übrigen stehe die Auslegung der Behörde im Widerspruch zur bisherigen Judikatur, wonach der Begriff der Ausbildung weit auszulegen sei (ErlRV 636 BlgNR XXI. GP, 87; sowie

VwGH 20.10.2014, 2010/12/0178). Im Widerspruch dazu sei seitens der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts die Fachausbildung E2a nicht als Ausbildung im Sinne des § 4 Abs. 3 WHG anerkannt worden.

19 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

20 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

21 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 22 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 23 § 2 Abs. 1 Wachebediensteten-Hilfeleistungsgesetz (WHG) in der Stammfassung BGBl. Nr. 177/1992 lautete:

"Art der Hilfeleistungen

§ 2. (1) Als besondere Hilfeleistung an Wachebedienstete ist die vorläufige Übernahme von Ansprüchen durch den Bund vorgesehen.

(2) Als besondere Hilfeleistungen an Hinterbliebene von Wachebediensteten sind vorgesehen:

1.

eine einmalige Geldleistung und

2.

eine vorläufige Übernahme von Ansprüchen durch den Bund."

24 § 4 WHG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2001 lautete:

     "Voraussetzungen für die Hilfeleistungen

     § 4. (1) Der Bund hat die besondere Hilfeleistung an

Wachebedienstete zu erbringen, wenn

1.     ein Wachebediensteter

a)     einen Dienstunfall gemäß § 90 Abs. 1 B-KUVG,

BGBl. Nr. 200/1967, oder

b)     einen Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs. 1 ASVG,

BGBl. Nr. 189/1955,

     in unmittelbarer Ausübung seiner exekutivdienstlichen

Pflichten erleidet, und

2.     dieser Dienst- oder Arbeitsunfall eine Körperverletzung

oder eine Gesundheitsschädigung zur Folge hatte und

3.      dem Wachebediensteten dadurch Heilungskosten erwachsen

oder seine Erwerbsfähigkeit voraussichtlich durch mindestens drei

Monate gemindert ist.

     (2) Der Bund hat die besonderen Hilfeleistungen an

Hinterbliebene zu erbringen, wenn

1.      ein Wachebediensteter einen Dienst- oder Arbeitsunfall im

Sinne des Abs. 1 Z 1 erleidet und

2.      dieser Dienst- oder Arbeitsunfall den Tod des

Wachebediensteten zur Folge hatte.

(3) Der Bund hat die besondere Hilfeleistung an Wachebedienstete oder Hinterbliebene auch zu erbringen, wenn der Wachebedienstete einen Dienst- oder Arbeitsunfall im Zuge einer Ausbildung erleidet, der er sich im Hinblick auf die Notwendigkeit unterzieht, im Rahmen seines Dienstes Gefahr aufzusuchen oder im Gefahrenbereich zu verbleiben (Abs. 1 Z 1)."

25 § 9 Abs. 1 bis 3 WHG in der Fassung BGBl. I Nr. 165/2005 lautete:

"VORLÄUFIGE ÜBERNAHME VON ANSPRÜCHEN DURCH DEN BUND Voraussetzungen

§ 9. (1) Der Bund leistet als Träger von Privatrechten an den Wachebediensteten oder an seine Hinterbliebenen einen Vorschuß, wenn

1. sich der Wachebedienstete oder seine Hinterbliebenen im

Zusammenhang mit einem Dienst- oder Arbeitsunfall im Sinne dieses Bundesgesetzes an einem Strafverfahren beteiligen, das mit einer rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen gegen den Täter abgeschlossen wird, oder

2. solche Ersatzansprüche dem Wachebediensteten oder seinen

Hinterbliebenen im Zivilrechtsweg rechtskräftig zugesprochen werden.

(1a) Ein Vorschuss nach Abs. 1 ist nur für Heilungskosten, Bestattungskosten, Schmerzengeld sowie für jenes Einkommen, das dem Wachebediensteten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung oder durch den Tod den Hinterbliebenen entgangen ist oder künftig entgeht, zu leisten. Dieser Vorschuß ist höchstens bis zum 60fachen Betrag des jeweiligen, für die Gewährung von Ausgleichszulagen gemäß § 293 Abs. 1 lit. b ASVG maßgebenden Richtsatzes zu leisten.

(1b) Das Schmerzengeld und das Einkommen gemäß Abs. 1a umfassen auch die jeweils bis zur rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche anfallenden Zinsen.

(2) Ist eine gerichtliche Entscheidung über Ersatzansprüche unzulässig oder kann sie nicht erfolgen, so leistet der Bund ausgenommen beim Schmerzengeld an den Wachebediensteten oder an seine Hinterbliebenen einen den persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen angemessenen Vorschuss. Dieser Vorschuß ist höchstens bis zum 60fachen Betrag des jeweiligen, für die Gewährung von Ausgleichszulagen gemäß § 293 Abs. 1 lit. b ASVG maßgebenden Richtsatzes zu leisten.

(3) Die vorläufige Leistungspflicht des Bundes nach Abs. 1 und 2 besteht nur insoweit, als die Ansprüche des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung oder nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, BGBl. Nr. 288/1972, gedeckt sind."

§ 10 WHG in der Stammfassung lautete:

"Übergang der Ansprüche

§ 10. Die Ansprüche des Wachebediensteten oder seiner Hinterbliebenen gegen den Täter gehen, soweit sie vom Bund zu bevorschussen sind, durch Legalzession auf den Bund über."

26 Gemäß dem mit "Ausgleichsmaßnahme für entgangenes Schmerzengeld" überschriebenen § 83c GehG, BGBl. Nr. 54/1956 in den Fassungen BGBl. I Nr. 147/2008, und BGBl. I Nr. 32/2015 kann dem Beamten des Exekutivdienstes, der die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Z 1 und 2 des WHG erfüllt, wenn eine gerichtliche Entscheidung über den geltend gemachten Schmerzengeldbetrag nicht zulässig ist oder nicht erfolgen kann, eine einmalige Geldaushilfe bis zu einer bestimmten Höhe gewährt werden.

27 § 23a GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 60/2018 lautet:

"Besondere Hilfeleistungen

§ 23a. Der Bund hat als besondere Hilfeleistung die vorläufige Übernahme von Ansprüchen zu erbringen, wenn

1. eine Beamtin oder ein Beamter

a) einen Dienstunfall gemäß § 90 Abs. 1 des Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes - B-KUVG, BGBl. Nr. 200/1967, oder

b) einen Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955,

in unmittelbarer Ausübung ihrer oder seiner dienstlichen Pflichten erleidet, und

2. dieser Dienst- oder Arbeitsunfall eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung zur Folge hatte und

3. der Beamtin oder dem Beamten dadurch Heilungskosten erwachsen oder ihre oder seine Erwerbsfähigkeit voraussichtlich durch mindestens zehn Kalendertage gemindert ist."

28 § 23b GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 102/2018 lautet:

"Vorschuss zur besonderen Hilfeleistung

§ 23b. (1) Der Bund leistet als besondere Hilfeleistung einen Vorschuss (vorläufige Übernahme von Ansprüchen), wenn

1. sich die Beamtin oder der Beamte im Zusammenhang mit einem

Dienst- oder Arbeitsunfall im Sinne des § 23a Abs. 1 an einem Strafverfahren beteiligt, das nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche mit einer rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten oder der Hinterbliebenen gegen den Täter abgeschlossen wird, oder

2. solche Ersatzansprüche der Beamtin oder des Beamten im

Zivilrechtsweg nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche rechtskräftig zugesprochen werden.

(2) Ein Vorschuss nach Abs. 1 Z 1 und Z 2 ist höchstens bis zum 27-fachen Referenzbetrag gemäß § 3 Abs. 4 für Heilungskosten, Schmerzengeld sowie für jenes Einkommen, das der Beamtin oder dem Beamten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung entgangen ist oder künftig entgeht, zu leisten.

(3) Das Schmerzengeld und das Einkommen gemäß Abs. 2 umfassen auch die jeweils bis zur rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche anfallenden Zinsen.

(4) Ist eine gerichtliche Entscheidung über die Ansprüche gemäß Abs. 2 unzulässig, kann diese nicht erfolgen oder ist diese ohne Prüfung des Bestandes der Ansprüche erfolgt, hat die Dienstbehörde nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche die Heilungskosten sowie jenes Einkommen, das der Beamtin oder dem Beamten wegen der erlittenen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung entgangen ist oder künftig entgeht, zu ersetzen. Die Zahlung von Schmerzengeld ist nach Prüfung des Bestandes der Ansprüche höchstens bis zum fünffachen Referenzbetrag gemäß § 3 Abs. 4 möglich. Die Gesamtkosten dürfen jedoch jene gemäß Abs. 2 nicht überschreiten.

(5) Die vorläufige Leistungspflicht des Bundes besteht nur insoweit, als die Ansprüche der Beamtin oder des Beamten nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung oder nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, BGBl. Nr. 288/1972, gedeckt sind.

(6) Die Ansprüche der Beamtin oder des Beamten gegen die Täterin oder den Täter gehen, soweit sie vom Bund bezahlt werden, durch Legalzession auf den Bund über."

29 Aus den oben wiedergegebenen Normen ergibt sich, dass sämtliche im Revisionsfall allenfalls anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen Fremdverschulden als Voraussetzung für eine Hilfeleistung durch vorläufige Übernahme von Ansprüchen vorsehen. Dies ergibt sich zunächst schon daraus, dass die Hilfe durch Übernahme von Ansprüchen geleistet wird, was voraussetzt, dass derartige Ansprüche bestehen bzw. überhaupt denkbar sind. Voraussetzung für die Leistung eines Vorschusses ist gemäß § 9 WHG, abgesehen von den weiteren Voraussetzungen des § 4 WHG, dass sich der Wachebedienstete im Zusammenhang mit einem Dienst- oder Arbeitsunfall im Sinne dieses Bundesgesetzes an einem Strafverfahren beteiligt, das mit einer rechtskräftigen Entscheidung über Ersatzansprüche des Wachebediensteten gegen den Täter abgeschlossen wird (Abs. 1 Z 1 leg. cit.) oder solche Ersatzansprüche dem Wachebediensteten im Zivilrechtsweg rechtskräftig zugesprochen werden (§ 1 Z 2 leg. cit.). Gemäß § 9 Abs. 1a WHG ist ein Vorschuss nach Abs. 1 nur für Ansprüche des Wachebediensteten vorgesehen, die dem Wachebediensteten entgangen sind oder künftig entgehen. Ist eine gerichtliche Entscheidung über Ersatzansprüche unzulässig (unbekannter Täter) oder kann sie nicht erfolgen (abwesender oder flüchtiger Täter), ist gemäß § 9 Abs. 2 WHG ebenfalls die Leistung eines Vorschusses vorgesehen. Die Hilfeleistung wird also auch dann gewährt, wenn ein Anspruch aus bestimmten Gründen nicht realisierbar ist. Dasselbe gilt für Schmerzengeldansprüche gemäß § 83c GehG, der mit "Ausgleichsmaßnahme für entgangenes Schmerzengeld" überschrieben ist (vgl. VwGH 13.11.2014, 2011/12/0037). Es finden sich aber keinerlei Anhaltspunkte in diesen gesetzlichen Bestimmungen dafür, dass eine Hilfeleistung auch dann erfolgen sollte, wenn ein Anspruch der Beamtin oder des Beamten von vornherein ausgeschlossen ist, weil ein Fremdverschulden nicht vorlag. 30 Die Regelungen des § 9 WHG betreffend den zu leistenden Vorschuss wurden in § 23b GehG (iVm § 23a GehG) gleichlautend übernommen. Dasselbe gilt auch gemäß § 23c Abs. 5 GehG bzw § 4 Abs. 3 WHG, wenn die Beamtin oder der Beamte einen Dienst- oder Arbeitsunfall im Zuge einer Ausbildung erleidet, der sie oder er sich im Hinblick auf die Notwendigkeit unterzieht, im Rahmen ihres oder seines Dienstes Gefahr aufzusuchen oder im Gefahrenbereich zu verbleiben.

31 Die Ansprüche der Beamtin oder des Beamten gegen die Täterin oder den Täter gehen, soweit sie vom Bund bezahlt werden, durch Legalzession auf den Bund über (vgl. § 10 WHG und § 23b Abs. 6 GehG).

32 Entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin im ursprünglich von ihr gestellten Antrag vom 8. Mai 2017 ist daher die Hilfeleistung durch vorläufige Übernahme von Ansprüchen im Sinne der Leistung eines Vorschusses, weil kein Fremdverschulden vorliege, nicht vorgesehen. Vielmehr ist das Vorliegen eines Fremdverschuldens Voraussetzung für eine derartige Hilfeleistung. Dies ergibt sich nicht nur aus dem klaren Wortlaut der gesetzlichen Regelungen (siehe oben), sondern es wurde vom Verwaltungsgerichtshof auch bereits zu § 83c GehG iVm § 4 Abs. 1 WHG in dem bereits zitierten Erkenntnis vom 13. November 2014, 2011/12/0037, ausgesprochen. Dass diese Rechtsprechung allenfalls zu Vorgängerregelungen der in Frage stehenden Norm erging, schadet nicht, wenn es - wie hier - keiner neuen Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung bedarf, um die Vorschrift auszulegen, insbesondere, weil sie in den entscheidenden Teilen inhaltlich nicht relevant verändert worden ist (vgl. VwGH 21.1.2016, Ra 2015/12/0051).

33 Für den Revisionsfall ist daher festzuhalten, dass eine (besondere) Hilfeleistung im Sinne der genannten gesetzlichen Regelungen schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil unbestritten ein Fremdverschulden im Zusammenhang mit dem Dienstunfall der Revisionswerberin nicht vorliegt. Da dies - wie bereits ausgeführt - für alle auf den Revisionsfall allenfalls anwendbaren Rechtslagen gilt, wurde mit der aufgeworfenen Rechtsfrage, welche gesetzlichen Bestimmungen konkret auf den Revisionsfall anwendbar sind, eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133  Abs. 4 B-VG nicht aufgeworfen.

34 Beim vorliegenden Ergebnis kommt es auch nicht auf die Auslegung des Begriffes der "Ausbildung" im Sinne des § 23c Abs. 5 GehG bzw. des § 4 Abs. 3 WHG an. Auch mit dem in diesem Zusammenhang erstatteten Vorbringen wurde daher die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.

35 Da somit die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 27. April 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019120004.J00

Im RIS seit

01.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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