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32/04 Steuern vom UmsatzNorm
UStG 1994 §6 Abs1 Z16Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger sowie Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der L G.m.b.H. in S, vertreten durch die Reinhard Stulik Steuerberatungs GmbH & Co OG in 3150 Wilhelmsburg, Färbergasse 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 18. September 2019, Zl. RV/5101484/2015, betreffend Umsatzsteuer 2013 und 2014, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Im Bericht über das Ergebnis der - Umsatz- und Körperschaftsteuer der Jahre 2010 bis 2012 betreffenden - Außenprüfung vom 14. Jänner 2015 wurde ausgeführt, die Revisionswerberin sei Eigentümerin einer Liegenschaft in Wien und erkläre Einkünfte aus der Vermietung dieser Liegenschaft, wobei die Mieteinnahmen umsatzsteuerfrei erklärt worden seien. Im Zuge der Außenprüfung sei festgestellt worden, dass es sich bei den erklärten Einkünften um solche aus dem Betrieb eines "Laufhauses" handle. Die Einnahmen seien mit dem Normalsteuersatz zu versteuern. Die abziehbaren Vorsteuern würden griffweise geschätzt. Die sich ergebende Umsatzsteuernachzahlung vermindere den steuerpflichtigen Gewinn.
2 Mit Bescheiden vom 28. April 2015 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer für die Zeiträume 2-12/2013 sowie 1-11/2014 fest. Es verwies dazu jeweils auf das Ergebnis der Außenprüfung. 3 Die Revisionswerberin erhob (u.a.) gegen diese Bescheide Beschwerde.
4 Am 20. Jänner 2016 ergingen die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2013 und 2014. Darin wurde neuerlich auf die Feststellungen der Außenprüfung verwiesen.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die (gemäß § 253 BAO gegen die Jahresbescheide wirkende) Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach Wiedergabe das Verfahrensganges führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, auf Grund der Anzeige der Revisionswerberin sei mit Bescheid vom 9. April 2014 der Betrieb eines Prostitutionslokales mit insgesamt 22 Appartements zur Kenntnis genommen worden. Der Revisionswerberin sei mit diesem Bescheid die Auflage erteilt worden, dass die Prostituierten während der Anbahnung und Ausübung der Prostitution Alarmarmbänder am Handgelenk zu tragen hätten. Dieser Auflage sei nachgekommen worden.
7 Die Kontaktaufnahmen sowohl der Revisionswerberin mit den Prostituierten als auch der potentiellen Freier mit den Prostituierten seien telefonisch anhand der auf der Homepage angeführten Telefonnummern und den mit Worten und Bildern auf der Homepage beschriebenen und beworbenen Prostituierten erfolgt. In jenem Teil der Homepage, der sich an die Prostituierten wende, werde neben der Darstellung der Appartements und deren Lage u. a. angeführt, im Preis enthalten seien Security und Werbung. Auf Knopfdruck stehe ein Security-Mann der im Haus befindlichen Sicherheitszentrale zur Verfügung. Die Homepage werde vom Geschäftsführer der Revisionswerberin wöchentlich aktualisiert. 8 Es seien Überwachungskameras sichtbar angebracht; im Gebäude finde sich auch ein Schild mit einem Hinweis auf die Videoüberwachung.
9 Für Inkasso und Security-Leistungen sei der Mitarbeiter U im Rahmen einer Halbtagsbeschäftigung zuständig gewesen. 10 Die Miete für ein Appartement habe unabhängig von den Einnahmen der Frauen in der ersten Woche 580 EUR und in der zweiten Woche 300 EUR betragen. Eine Verlängerung der Einmietung über zwei Wochen hinaus sei ohne Unterbrechung nicht möglich gewesen. Die Prostituierten hätten mit ihren Kunden die Leistungen und Entgelte selbständig vereinbart und verrechnet. Vorgegeben gewesen sei, dass keine Leistung unter 50 EUR kosten dürfe. 11 Es gebe im Gebäude keine Aufenthaltsräume, Getränkeautomaten, Kreditkarten- oder Bankomatterminals. Die Arbeitszeiten seien den Prostituierten nicht vorgegeben. Die Revisionswerberin führe keinen gastronomischen Betrieb und habe keinen Einfluss auf die Leistungen der Damen und deren Preisgestaltung genommen. Die Grundausstattung der Räume sei durch die Revisionswerberin erfolgt. Bettwäsche und Handtücher hätten die Damen selbst besorgen müssen.
12 Die durchschnittliche Fläche der Appartements habe 25 m2 betragen.
13 Die Prostituierten seien bereit, für ein 25 m2 großes Appartement bei einer zweiwöchigen Miete je Woche im Schnitt 440 EUR zu zahlen, obwohl der Marktpreis für die bloße Miete eines vergleichbaren Geschäftsraumes höchstens ca. 190 EUR pro Woche betrage. Mehr als die Hälfte des bezahlten Mietpreises oder zumindest ein wesentlicher Teil davon entfalle auf die besonderen Gegebenheiten des Vertragsverhältnisses.
14 Der Vermieter verfüge über ein bewilligtes Prostitutionslokal und ermögliche somit den Mieterinnen, legal der Prostitution nachzugehen. Er biete zumindest ein gewisses Maß an Sicherheit für die Prostituierten und bewerbe die Damen umfangreich mit einer Beschreibung ihrer Vorzüge und mit Bildern auf seiner Homepage. Dadurch werde das Haus für potentielle Mieterinnen interessant; diese seien bereit, eine wesentlich über dem Marktpreis für herkömmliche Geschäftsräume liegende Miete zu zahlen.
15 Mit den Alarmarmbändern seien U oder der Geschäftsführer der Revisionswerberin alarmiert worden. Bei entsprechender Gefahrenlage sei in der Folge die Polizei über die Notrufnummer alarmiert worden. Darüber hinaus habe es eine Videoüberwachung in den Gängen und vor den Eingangstüren der Appartements gegeben, eine Speicherung der Aufnahmen über einen gewissen Zeitraum und einen dazu gehörenden Monitor im Keller. Insgesamt habe ein von der Revisionswerberin betriebenes Überwachungs- und Alarmierungssystem bestanden, das auch in der Bewerbung des Hauses auf der Homepage angeführt gewesen war und den Damen ein Gefühl der Sicherheit vermittelt habe. In welchem Ausmaß tatsächlich Security-Leistungen erbracht worden seien, sei aufgrund der nachweislich unrichtigen und wechselnden Angaben der Revisionswerberin nicht mehr exakt feststellbar. Die Revisionswerberin stelle aber sicher, dass die Prosituierten ihr Gewerbe in Sicherheit hätten ausüben können. Die Prostituierten seien bereit gewesen, auch unter dem Aspekt der gewährten Sicherheit eine hohe Miete und somit auch ein Entgelt für die gewährte Sicherheit zu zahlen.
16 Durch die Ermöglichung der legalen Prostitution (Erfüllung der baulichen und sicherheitstechnischen Auflagen und Vorschriften sowie die Einholung der bescheidmäßigen Kenntnisnahme des Betriebes eines Prostitutionslokales), der Sicherstellung der sicheren Ausübung des Prostitutionsgewerbes, der Bewerbung der Prostituierten auf der Homepage und der kurzen Mietdauer gegen ein die ortsüblichen Mieten bei weitem übersteigendes Entgelt liege eine gewerbliche Nutzung der Räumlichkeiten durch die Revisionswerberin und keine bloß passive Nutzungsüberlassung vor. 17 Die Revisionswerberin habe eine Organisation geschaffen und unterhalten, durch die die gewerbliche Tätigkeit der Bewohnerinnen gefördert worden sei. Es liege sohin keine steuerfreie Vermietung gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 vor, sondern ein steuerpflichtiges Leistungsbündel.
18 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. 19 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
20 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 21 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 22 Zur Zulässigkeit wird in der Revision im Wesentlichen geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen (Hinweis auf VwGH 31.3.2011, 2009/15/0199, dort betreffend Zeiträume bis einschließlich 2000). Gehe man hingegen davon aus, dass das Bundesfinanzgericht nicht von dieser Entscheidung abgewichen sei, sei die Revision zulässig, weil die Frage, ab welcher Nebenleistung keine reine Vermietung mehr vorliege, von der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet worden sei. Im vorliegenden Fall seien nur geringe Nebenleistungen gegeben, welche in diesem Umfang auch von jedem Betreiber eines Einkaufszentrums erbracht würden. Diese Nebenleistungen könnten nicht dazu führen, nicht mehr Vermietung, sondern ein steuerpflichtiges Leistungsbündel anzunehmen. Mit § 6 Abs. 2 UStG 1994 sei die Option zur Steuerpflicht eingeschränkt worden; eine solche Einschränkung wäre zwecklos, sollte ein Leistungsbündel eigener Art vorliegen. Es bestünden auch erhebliche Unterschiede zum Sachverhalt des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 2011, 2009/15/0135, der einen Fall in der Steiermark betroffen habe: Nach der dortigen Rechtslage dürfe eine Bewilligung nur an natürliche Personen erteilt werden, diese sei verpflichtet, während der Betriebszeiten auch persönlich anwesend zu sein.
23 Die Revision ist nicht zulässig.
24 Gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 sind Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken steuerfrei; die Überlassung der Nutzung an Geschäftsräumen und anderen Räumlichkeiten auf Grund von Nutzungsverträgen ist als Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken anzusehen. Nicht befreit sind u. a. die Vermietung (Nutzungsüberlassung) von Grundstücken für Wohnzwecke.
25 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgeführt hat (vgl. VwGH 31.3.2011, 2009/15/0199, VwSlg. 8631/F), ist es für die Frage, ob (bloße) Vermietung von Grundstücken oder ein Gewerbebetrieb (Bordell) vorliegt, entscheidend, ob den Prostituierten Wohnungen - im Wesentlichen - lediglich "passiv" überlassen oder ob für diese etwa durch Maßnahmen oder Einrichtungen eine Organisation geschaffen oder unterhalten wurde, die die Erbringung sexueller Dienstleistungen der Bewohnerinnen gefördert hat; von Bedeutung ist auch die Dauer der Zurverfügungstellung der einzelnen Wohnungen an bestimmte Prostituierte. Eine steuerfreie Grundstücksvermietung liegt auch dann nicht vor, wenn ein Vermieter im Rahmen eines Bordellbetriebes Zimmer an Prostituierte überlässt. Diesfalls ergibt sich das Vorhandensein einer entsprechenden Organisation schon aus der Bewilligung zum Betrieb eines "Zimmerbordells" an dem in der Bewilligung genannten Standort. Die Leistung des Vermieters erfährt ihr Gepräge in der Ermöglichung legaler Zimmerprostitution, während im Falle bloßer Geschäftsraummiete der Mieter selbst für das Vorliegen entsprechender Bewilligungen oder Befähigungsnachweise zur Ausübung eines bestimmten Gewerbes verantwortlich ist (vgl. VwGH 31.5.2011, 2009/15/0135). 26 Nach dem hier vorliegenden Sachverhalt ist zwar - anders als nach jenem, der dem soeben genannten Erkenntnis vom 31. Mai 2011 zu Grunde lag - im Hinblick auf abweichende Regelungen im Landesgesetz keine "Bewilligung" gegeben. Rechtliche Voraussetzung für die Ausübung der Prostitution ist hier vielmehr die bescheidmäßige Kenntnisnahme der Anzeige durch die Behörde (§ 7 Wiener Prostitutionsgesetz 2011, LGBl. Nr. 24/2011; vgl. auch § 17 Abs. 2 leg. cit.). Für die steuerliche Beurteilung ist diese unterschiedliche Regelung in den Landesgesetzen aber nicht entscheidend. Die Anzeige wurde durch die Revisionswerberin als Betreiberin des Prostitutionslokals erstattet; an sie wurde der entsprechende Bescheid gerichtet. Damit ist es die Revisionswerberin, die durch Erstattung der Anzeige und Einholung der behördlichen Kenntnisnahme die Organisation geschaffen hat, die der Ausübung der Prostitution dient. Wenn das Bundesfinanzgericht vor diesem Hintergrund bei einer Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände (Anzeige durch die Revisionswerberin; kurze Dauer der Nutzung der von der Revisionswerberin möblierten Appartements durch die Prostituierten; Höhe der für die Nutzung der Appartements vereinbarten Entgelte; Videoüberwachung und Alarmsystem) zum Ergebnis gelangte, dass es sich nicht um Umsätze aus der Vermietung von Grundstücken iSd § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 handelte, so ist diese Beurteilung im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
27 Entgegen dem Revisionsvorbringen ist darauf zu verweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 31. Mai 2011, 2009/15/0135, dargelegt hat, dass etwa der Umstand, dass nach § 10 Steiermärkisches Prostitutionsgesetz der Bewilligungsinhaber während der Öffnungszeiten persönlich anwesend sein müsse, keine steuerlich bedeutsame Tatsache ist (sodass auf die Unkenntnis des Finanzamts zu diesem Umstand eine amtswegige Wiederaufnahme nicht gestützt werden konnte). Entscheidend war vielmehr, dass für einen bestimmten Standort eine Bewilligung zum Betrieb eines Bordells erteilt worden war und dieser Bewilligung entsprechend Räumlichkeiten an Prostituierte überlassen worden waren. 28 Unverständlich sind die Revisionsausführungen zur Einschränkung der Möglichkeit der Ausübung der Option nach § 6 Abs. 2 UStG 1994 mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl. I Nr. 22. Demnach ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 (und Z 17) UStG 1994 nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück oder einen baulich abgeschlossenen, selbständigen Teil des Grundstücks nahezu ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Handelt es sich bei dem zu beurteilenden Umsatz um keinen solchen nach § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994, besteht eine derartige Option von vornherein nicht. Entgegen der offenkundigen Annahme der Revision verbleibt aber für diese Regelung zweifellos ein weiter Anwendungsbereich, handelt es sich doch bei vielen Vermietungsumsätzen - anders als beim vorliegenden - nicht um ein Leistungsbündel (das nicht nach § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 zu beurteilen ist).
29 Entgegen dem Revisionsvorbringen kann die Zimmervermietung in einem Bordell schließlich nicht mit der Raumvermietung in einem Einkaufszentrum gleichgestellt werden, erfolgt doch die Zimmervermietung in einem Bordell (wie hier vorliegend) jeweils nur kurzfristig und werden hiebei - anders als in einem Einkaufszentrum - jeweils gleichartige Leistungen erbracht (vgl. in diesem Sinne auch bei ähnlicher Rechtslage deutscher Bundesfinanzhof 7.2.2017, V B 48/16, Rz 9).
30 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. April 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020150009.L00Im RIS seit
16.06.2020Zuletzt aktualisiert am
16.06.2020