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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Cede als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des G W in W, vertreten durch Dr. Hanspeter Feix und Dr. Renate Palma, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anichstraße 17/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 16. Dezember 2019, LVwG-2019/27/1030-5, betreffend Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Innsbruck.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (soweit für den Revisionsfall von Interesse) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen einen Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck ab, mit dem sein am 28. Dezember 2012 gestellter Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages unter Berücksichtigung der vor seinem 18. Geburtstag liegenden Ausbildungszeiten abgewiesen wurde.
3 Zur Begründung verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass der Revisionswerber mit 1. Jänner 1989 die Dienstklasse IV, mit 1. Jänner 1992 die Dienstklasse V und zuletzt mit Wirkung vom 1. Jänner 1997 in die Dienstklasse VI, Verwendungsgruppe B, durch „freie Beförderungen“ erreicht habe. Die Beförderungen seien nicht aufgrund einer „gesetzlichen Automatik“ erfolgt, sondern jeweils in Form eines im Ermessen des Stadtsenates liegenden rechtsgestaltenden Akts. Die vom Revisionswerber (zur Untermauerung seiner gegenteiligen Ansicht) ins Treffen geführten „Beförderungsrichtlinien“ seien ein „verwaltungsinternes Instrument“ und dienten ausschließlich dazu, eine Gleichbehandlung innerhalb der Beamtenschaft der Stadtgemeinde Innsbruck sicherzustellen. Daraus ließen sich jedoch „keine durchsetzbaren Ansprüche auf Beförderung“ ableiten. Der Verwaltungsgerichtshof habe festgehalten, dass solche Beförderungsrichtlinien „ihrem Wesen nach nur eine Richtschnur für die Beförderungspraxis darstellten und eine Entscheidung über eine Beförderung grundsätzlich im unüberprüfbaren Ermessen der Dienstbehörde liege“ (Hinweis auf VwGH 24.3.2004, 2003/12/0164; 21.2.2017, Ro 2016/12/0019). Da die „freien Beförderungen“ in Form eines im Ermessen des Stadtsenates liegenden rechtsgestaltenden Akts erfolgt seien, sei die besoldungsrechtliche Stellung des Revisionswerbers nicht mehr durch den (von ihm bekämpften) Vorrückungsstichtag bestimmt. Dessen Festlegung könne sich für ihn daher jedenfalls ab diesem Zeitpunkt nicht nachteilig auswirken (Hinweise auf VwGH 12.11.2008, 2005/12/0241; 21.12.2011, 2011/12/0102, und 22.6.2016, Ra 2016/12/0055).
4 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, „die Frage nach der rechtlichen Wirkung der Beförderungsrichtlinien der städtischen Bediensteten der Landeshauptstadt Innsbruck (alt und neu) - entweder als bloße ‚Richtschnur für die Beförderungspraxis’ oder als Rechtsvorschrift mit normativer Wirkung“ sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die bis dato von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht konkret gelöst worden sei. In der Vergangenheit sei der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Beförderungsrichtlinien der städtischen Bediensteten der Landeshauptstadt davon ausgegangen, dass diesen keine normative Wirkung zukomme. Dabei habe er im Wesentlichen auf andere Beförderungsrichtlinien im Vergleich, nämlich jene des Bundesheeres, pauschal verwiesen, die offenbar keine normative Wirkung hätten und nur als Richtschnur dienten (Hinweis auf VwGH 24.3.2004, 2003/12/0164). Eine „konkrete Überprüfung der Rechtsqualität“ der Beförderungsrichtlinien der städtischen Bediensteten der Landeshauptstadt Innsbruck sei nicht erfolgt. In diesem Zusammenhang stelle sich auch die Rechtsfrage, ob es bei der Beurteilung der Rechtsqualität und damit der Rechtswirkungen der vorliegenden „Beförderungsrichtlinien“ ausreiche, auf die Rechtsqualität anderer Beförderungsrichtlinien, wie etwa der Beförderungsrichtlinien für die Kärntner Landesbeamten oder der Bediensteten des Bundesheeres, zu verweisen bzw. diese vergleichsweise heranzuziehen, „ohne die rechtliche Wirkung der Beförderungsrichtlinien im konkreten Fall eingehend zu überprüfen“.
6 Das angefochtene Erkenntnis folge der Begründung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 2004, 2003/12/0164. Es sei nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes aber nicht ausreichend, allein aus der Bezeichnung der „Beförderungsrichtlinien“ als „Richtlinien“ darauf zu schließen, dass diesen kein normativer Charakter zukomme und diese lediglich als Richtschnur dienten, ohne ein subjektives Recht zu begründen (die Revision verweist auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 2012, V 124/11, und stellt die Begründung dieser Entscheidung näher dar). Damit widerspreche das angefochtene Erkenntnis der „herrschenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes“; schließlich gebe es auch als „Richtlinien“ bezeichnete Gesetze und Verordnungen (zB Richtlinien über Ausgestaltung und Inhalt entgeltlicher Veröffentlichungen von Rechtsträgern des Bundes etc.). Die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts hinsichtlich der Rechtsqualität und der rechtlichen Wirkung von „Beförderungsrichtlinien“ scheine uneinheitlich zu sein.
7 Die Lösung der angesprochenen Rechtsfragen sei „von erheblicher Bedeutung“, weil davon in weiterer Folge unter anderem abhänge, „nach welchen Parametern solche Beförderungsrichtlinien zu überprüfen“ seien und „wie dann in weiterer Folge die aufgrund von Beförderungsrichtlinien erfolgten Beförderungen zu qualifizieren“ seien, nämlich als „freie“ oder als „gebundene“ Beförderungen. Nach herrschender Judikatur seien „freie Beförderungen einer Überprüfung im Hinblick auf eine allfällige Diskriminierung wegen des Alters entzogen“, dies selbst dann, wenn sie keine „außerordentlichen“ Beförderungen seien, sondern den Regelfall darstellten.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Soweit die Revision unter Hinweis auf ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vorbringt, dass die „Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ... uneinheitlich“ sei, übersieht sie, dass das (behauptete) Abweichen von Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes schon aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlautes des Art. 133 Abs. 4 B-VG keine Zulässigkeit der Revision zu begründen vermag (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2016/09/0120; 30.8.2017, Ra 2017/18/0155; 28.5.2019, Ra 2019/10/0049; 9.1.2020, Ra 2018/01/0343).
12 Dass die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wann eine behördliche Äußerung als Verordnung qualifizieren ist, uneinheitlich wäre, wird in der Revision weder im Allgemeinen noch im Besonderen bezüglich der zu sogenannten „Beförderungsrichtlinien“ ergangenen Rechtsprechung aufgezeigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat für die Beurteilung als Rechtsverordnung unter anderem darauf abgestellt, ob die Adressaten, denen die Anordnung zur Kenntnis gebracht wurde, in dieser individuell oder abstrakt bezeichnet sind (vgl. zB VwGH 15.6.1983, 82/01/0274 [=VwSlg. 11.088 A/1983]), ob diese Äußerung nach ihrem Inhalt als normative Anordnung zu verstehen ist, sohin rechtsbegründenden oder -verändernden Charakter hat (oder etwa nur als Empfehlung zu deuten ist - vgl. zB VwGH 15.2.1978, 1209/77 [= VwSlg. 9487 A/1978 - Richtlinie zur Lärmbekämpfung]; 5.11.2003, 2003/17/0212 und 2003/17/0085 [Standard Compliance Code der Österreichischen Wirtschaftskammer]; 24.2.2005, 2003/07/0171 [Altlastenatlas]), weiters, ob eine Kundmachung in der für Verordnungen des betreffenden Organs vorgesehenen Weise erfolgt ist (vgl. VwGH 16.4.2004, 2001/10/0156 [Kundmachungsmangel bei bloßer Meldung eines Vogelschutzgebiets an die Europäischen Kommission]; 29.4.2011, 2010/12/0053, mwN [zu Ministerialerlässen]). Mit dieser Rechtsprechung im Einklang hat der Verwaltungsgerichtshof die Verordnungsqualität von „Beförderungsrichtlinien“ verneint, wenn diese - erkennbar angesichts ihres Zwecks und Inhalts - nur als „interner Behelf“ oder „ihrem Wesen nach nur eine Richtschnur für die Beförderungspraxis“ und als „interne Beförderungsrichtlinien“ einzustufen waren (vgl. VwGH 29.3.2000, 94/12/0210; 24.3.2004, 2003/12/0164), wobei er ergänzend auch auf den Umstand Bezug nahm, dass diese Richtlinien „lediglich im Erlassweg und damit nicht gesetzmäßig kundgemacht“ (zB VwGH 5.7.2006, 2006/12/0003; 10.3.2009, 2008/12/0058; 10.9.2009, 2008/12/0217) oder „nicht als Rechtsverordnung“ kundgemacht waren (vgl. VwGH 29.4.2011, 2010/12/0093). Von dieser Rechtsprechung abzugehen und die Revision deshalb zuzulassen (vgl. hiezu VwGH 21.1.2016, Ra 2015/12/0051; 27.5.2019, Ra 2017/12/0047) besteht auch vor dem Hintergrund des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes kein Anlass, betraf dieses doch eine klar normativ gefasste Anordnung betreffend die Durchführung einer Leistungsfeststellung von Vertragsbediensteten und ist mit der hier maßgeblichen Problemstellung nicht vergleichbar.
13 Dass diese Rechtsprechung uneinheitlich oder das Verwaltungsgericht davon mit seiner - erkennbar deren Normativität und Außenwirksamkeit verneinenden - Einstufung der Beförderungsrichtlinien als „verwaltungsinternes Instrument“ abgewichen wäre, zeigt die Revision (auch in den Ausführungen zur Revisionszulässigkeit) nicht auf, zumal sie - in den Revisionsgründen - zugesteht, dass die strittigen Beförderungsrichtlinien als „Kann-Bestimmungen“ formuliert seien, und im Übrigen weder den Wortlaut und Zweck der von ihr ins Treffen geführten Beförderungsrichtlinien noch den Umstand ihrer gesetzmäßigen Kundmachung näher darstellt. Inwiefern die (in den Revisionsgründen) behauptete Kundmachung in einer Publikation der Personalvertretung eine die Qualifikation als Verordnung erlaubende Kundmachungsform wäre, ist nicht ersichtlich.
14 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. April 2020
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020120021.L00Im RIS seit
11.07.2020Zuletzt aktualisiert am
14.07.2020