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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und den Hofrat Dr. Pelant sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des D A in T, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. November 2019, I422 2225338-1/5E, betreffend insbesondere Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 29. Juli 2019 im Besitz eines bis 16. April 2022 gültigen spanischen Aufenthaltstitels nach Österreich ein. Am 31. Juli 2019 wurde er wegen des dringenden Verdachts der Begehung insbesondere eines Suchtgiftdelikts festgenommen und anschließend in Untersuchungshaft angehalten. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. September 2019 wurde er wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt gemäß §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB, schwerer Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 StGB und gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß §§ 15 StGB, 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten (davon sieben Monate bedingt) rechtskräftig verurteilt.
2 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 1. Oktober 2019 wurde dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG iVm § 10 Abs. 2 AsylG 2005 wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde dem Revisionswerber keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt, und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Schließlich wurde gegen den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 und 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
3 Am 20. Oktober 2019 wurde der Revisionswerber nach Nigeria abgeschoben.
4 Mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2019 erhob er Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 1. Oktober 2019. Diese Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen.
5 Das Bundesverwaltungsgericht stützte sich sowohl bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG als auch bei der Gefährdungsprognose auf die strafgerichtliche Verurteilung des Revisionswerbers. Aus den dieser Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten ergebe sich ein Persönlichkeitsbild, infolge dessen vom Revisionswerber „permanent eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ ausgehe. Dabei sei insbesondere nicht außer Acht zu lassen, dass der Revisionswerber schon zwei Tage nach seiner Einreise bei der Begehung eines Suchtmitteldelikts auf frischer Tat betreten worden sei. Der Revisionswerber sei ausschließlich zum Zweck des Suchtgifthandels nach Österreich eingereist. Sein bei der Anhaltung gezeigtes Verhalten - Widerstand gegen die Staatsgewalt und Verletzung zweier Exekutivbeamter - gebe Anlass zur Prognose, dass vom Revisionswerber eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Ordnung in Österreich ausgehe. Der Revisionswerber habe sich bei der Amtshandlung nicht beruhigen lassen, sei auf den handelnden Beamten zugegangen und habe mit seiner rechten Hand zu einem Schlag ausgeholt. Es sei ihm offenkundig gleichgültig gewesen, dass er durch sein Verhalten Exekutivbeamte verletzen könnte. Die Schwere der Verletzungen (Zerrung des Fingergelenks, Zerrung am Knie, der linken Bändersehne und des Kreuzbandes) zeuge von der Intensität der Abwehrhandlungen. Das Strafgericht habe außerdem Gewerbsmäßigkeit hinsichtlich des Suchtgiftdelikts festgestellt.
6 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich (u.a.) wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG „nicht zur Behandlung eignen“, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen dieser in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
9 Unter diesem Gesichtspunkt macht der Revisionswerber zunächst geltend, dass die „Behörde“ entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht dargelegt habe, auf Grund welchen Verhaltens von ihm eine hinreichend große Gefahr ausgehe. Entgegen diesem Vorbringen hat das Bundesverwaltungsgericht aber - wie oben wiedergegeben - ausreichende Feststellungen zum Verhalten des Revisionswerbers sowie dem sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbild getroffen und dargelegt, warum daraus eine Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 3 FPG abzuleiten war. Der Gefährdungsmaßstab des § 53 Abs. 3 FPG ist im Übrigen jener, auf den auch in dem vom Revisionswerber ins Treffen geführten § 52 Abs. 5 FPG verwiesen wird.
10 Auf die Behauptung, der Revisionswerber sei „de facto nur deshalb verurteilt“ worden, weil er sich „zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort aufgehalten“ und nur deshalb ein Geständnis abgelegt habe, um eine möglichst geringe Strafe zu erhalten, wäre er doch als Afrikaner ohnehin verurteilt worden, ist angesichts der Bindungswirkung des rechtskräftigen Strafurteils nicht weiter einzugehen. Entgegen der Meinung des Revisionswerbers bedurfte es auch keiner mündlichen Verhandlung, um dem Bundesverwaltungsgericht die erwähnten Umstände „im Detail“ erklären zu können. Vielmehr durfte das Bundesverwaltungsgericht insgesamt von einem eindeutigen Fall ausgehen, der das Absehen von der Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG gerechtfertigt hat (vgl. zB VwGH 26.4.2018, Ra 2018/21/0052, mwN).
11 Soweit sich der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung schließlich noch gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde wendet, ist ihm entgegen zu halten, dass er nicht aufzeigt, inwieweit er dadurch noch in Rechten verletzt sein könnte. Insoweit war die Revision folglich schon mangels Rechtsschutzinteresses zurückzuweisen.
12 Dass aber im Sinn des § 52 Abs. 6 FPG die sofortige Ausreise des Revisionswerbers aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich war und daher mit Erlassung einer Rückkehrentscheidung (statt mit der bloßen Aufforderung, nach Spanien auszureisen) vorzugehen war, hat das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die schon zwei Tage nach der Einreise in Österreich begangenen Straftaten ausreichend begründet.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher insgesamt zurückzuweisen.
Wien, am 27. April 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210413.L00Im RIS seit
08.07.2020Zuletzt aktualisiert am
14.07.2020