TE Vwgh Beschluss 2020/4/27 Ra 2019/19/0262

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Veröffentlicht am 27.04.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des K R, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Mai 2019, W133 2203995-1/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 8. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er habe Angst um sein Leben gehabt, da Mitglieder seiner Volksgruppe der Hazara in Afghanistan umgebracht würden, bzw. sei er verfolgt worden, da er eine außereheliche Beziehung mit einer Paschtunin gehabt habe.

2        Mit Bescheid vom 19. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Begründend führte das BVwG - soweit hier maßgeblich - hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus, der Revisionswerber könne zwar nicht in seine Heimatprovinz Ghazni zurückkehren. Ihm stehe jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif oder Herat offen.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Revision, die sich ausschließlich gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten richtet, bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 nicht ausreichend berücksichtigt habe. Unter Zugrundlegung dieser Richtlinien hätte das BVwG nicht von einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif und Herat ausgehen dürfen, da diese Städte mit innerstaatlichen Flüchtlingen überlastet seien, dort eine Jahrhundertdürre herrsche und eine außerordentliche Gefahr bestehe, auf dem Weg zur Arbeit Opfer von Gewalt im Rahmen des innerstaatlichen Konflikts zu werden. Auch verfüge der Revisionswerber in diesen Orten über kein soziales Netz oder familiäre Kontakte. Außerdem hätte das BVwG erheben müssen, ob dem Revisionswerber eine Niederlassung in Herat und Mazar-e Sharif auch langfristig möglich sei.

9        In diesem Zusammenhang ist einerseits auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach den Richtlinien des UNHCR besondere Beachtung zu schenken ist („Indizwirkung“). Diese Indizwirkung bedeutet zwar nicht, dass die Asylbehörden in Bindung an entsprechende Empfehlungen des UNHCR internationalen Schutz gewähren müssten. Allerdings haben sich die Asylbehörden (und dementsprechend auch das BVwG) mit den Stellungnahmen, Positionen und Empfehlungen des UNHCR auseinanderzusetzen und, wenn sie diesen nicht folgen, begründet darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind. Dies gilt auch für die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533, mwN).

10       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben die Asylbehörden bei den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat als Grundlage für die Beurteilung des Vorbringens von Asylwerbern die zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten und insbesondere Berichte der mit Flüchtlingsfragen befassten Organisationen in die Entscheidung einzubeziehen. Das gilt ebenso für von einem Verwaltungsgericht geführte Asylverfahren. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat daher seinem Erkenntnis die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderberichte zugrunde zu legen. Es reicht aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0644, mwN).

11       Dies gelingt der Revision nicht. Das BVwG legte seiner Entscheidung Länderinformationen zu Afghanistan zu Grunde und nahm auch auf die UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 Bezug. Es ging bei seiner Beurteilung einer innerstaatlichen Fluchtalternative davon aus, dass es sich beim Revisionswerber um einen gesunden, erwachsenen und arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung und Berufserfahrung als Handyverkäufer, Näher und Installations-/Gebäudetechniker handle, der mit den afghanischen Gewohnheiten vertraut sei, bei einer Rückkehr von seiner in Afghanistan befindlichen Familie unterstützt werden könne und dort selbst über finanzielle Ressourcen verfüge. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, dem Revisionswerber stehe - auch ohne soziale und familiäre Anknüpfungspunkte vor Ort - jedenfalls in der Stadt Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, fallbezogen mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Rechtswidrigkeit belastet wäre (vgl. etwa VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0408, mwN).

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190262.L00

Im RIS seit

13.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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