TE Vwgh Erkenntnis 2020/4/27 Ra 2019/11/0077

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Veröffentlicht am 27.04.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

AVRAG 1993 §7b Abs5
AVRAG 1993 §7b Abs8 Z3
VStG §16
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §42 Abs3
VwGVG 2014 §52 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des J S in P (Slowenien), vertreten durch Dr. Roland Grilc, Mag. Rudolf Vouk, Dr. Maria Skof, MMag. Maja Ranc und Mag. Sara Julia Grilc, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 14/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 19. April 2018, Zlen. 1) 405-7/401/1/21-2018 und 2) 405-7/402/1/21- 2018, betreffend Übertretungen nach dem AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Schuldspruch des angefochtenen Erkenntnisses richtet, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Strafausspruches, des Ausspruches über den Beitrag zu den Verfahrenskosten und des Ausspruches über die Erstattung der Barauslagen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde zum einen, durch Bestätigung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 23. Juni 2017, der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe es als der gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufene einer Gesellschaft mit Sitz in Slowenien zu verantworten, dass diese als Arbeitgeberin hinsichtlich von neun namentlich genannten Arbeitnehmern während deren Entsendung näher genannte Lohnunterlagen zur Überprüfung des den Arbeitskräften für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache am Arbeitsort nicht bereitgehalten habe.

2 Der Revisionswerber habe dadurch § 7d Abs. 1 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz - AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993 (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 44/2016) verletzt, weswegen über ihn gemäß § 7i Abs. 4 Z 1 AVRAG jeweils eine Geldstrafe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils ein Tag und acht Stunden) verhängt werde. Weiters werde dem Revisionswerber ein Kostenbeitrag für das behördliche Strafverfahren von EUR 1.800,-- (10% der Geldstrafen gemäß § 64 Abs. 2 VStG) und ein Kostenbeitrag für das Beschwerdeverfahren von EUR 3.600,-- (20% der Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG) vorgeschrieben.

3 Zum anderen wurde der Revisionswerber mit dem angefochtenen Erkenntnis, durch Bestätigung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 22. Juni 2017, schuldig erkannt, er habe es als der gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen Berufene der zuvor genannten Gesellschaft zu verantworten, dass diese als Arbeitgeberin hinsichtlich von fünf namentlich genannten Arbeitnehmern keine Unterlagen über die Anmeldung zur Sozialversicherung im Inland bereitgehalten oder den Organen der Abgabenbehörde unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich gemacht habe, obwohl für die entsandten Arbeitnehmer keine Sozialversicherungspflicht in Österreich bestanden habe. 4 Der Revisionswerber habe dadurch § 7b Abs. 5 AVRAG (in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 44/2016) verletzt, weswegen über ihn gemäß § 7b Abs. 8 Z 3 AVRAG jeweils eine Geldstrafe von EUR 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils ein Tag und acht Stunden) verhängt werde. Weiters werde dem Revisionswerber ein Kostenbeitrag von EUR 250,-- zum behördlichen Strafverfahren (10% der Geldstrafen gemäß § 64 Abs. 2 VStG) und ein Kostenbeitrag von EUR 500,-- zum Beschwerdeverfahren (20% der Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 VwGVG) vorgeschrieben.

5 Schließlich wurde im angefochtenen Erkenntnis ausgesprochen, der Revisionswerber habe gemäß § 52 Abs. 1 und 3 VwGVG die in den Beschwerdeverfahren angelaufenen Barauslagen (Kosten des nichtamtlichen Dolmetschers) in Höhe von insgesamt EUR 411,54 innerhalb von zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu erstatten. 6 Gemäß § 25a VwGG wurde ausgesprochen, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht als entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest, dass für die genannten, nach Österreich entsandten neun Arbeitnehmer ein Arbeitsvertrag oder Dienstzettel, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung nicht bereitgehalten worden seien. Für fünf dieser Arbeitnehmer seien keine Unterlagen über die Anmeldung zur Sozialversicherung (Sozialversicherungsdokument A1) bereitgehalten bzw. unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich gemacht worden.

8 Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht aus, über den Revisionswerber sei zu allen Tatvorwürfen jeweils die gesetzliche Mindeststrafe verhängt worden.

9 Mit Beschluss vom 25. Februar 2019, E 2157/2018-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diese Erkenntnisse erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 20. März 2019, E 2157/2018-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zum Schuldspruch des angefochtenen Erkentnnisses:

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 15 Insoweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit lediglich allgemein vorbringt, das Verwaltungsgericht hätte "bei bestehenden Unklarheiten hinsichtlich des Sachverhalts wie im vorliegenden Fall ergänzende Feststellungen" treffen müssen, legt sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ebenso wenig dar wie mit dem nicht näher konkretisierten Zulässigkeitsvorbringen, der Tatvorwurf hinsichtlich der fehlenden Lohnunterlagen beruhe auf einer

"unschlüssigen ... Beweiswürdigung" und sei "erst nach Ablauf der

Verjährungsfrist konkretisiert" worden.

16 In der Revision werden daher, was den Schuldspruch des angefochtenen Erkenntnisses betrifft, keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, sodass die Revision insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen war.

Zu den verhängten Strafen, zur Vorschreibung eines Kostenbeitrages und zur Erstattung der Barauslagen:

17 Das Verwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung über das Strafausmaß für die Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen von der in § 7i Abs. 4 AVRAG vorgesehenen gesetzlichen Mindeststrafe sowie vom dort normierten Gebot der Verhängung einer Geldstrafe pro betroffenem Arbeitnehmer ausgegangen und hat überdies für die Übertretung der in Rede stehenden Bereithaltepflicht für jede Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe (§ 16 VStG) verhängt. 18 Der Revisionsfall gleicht daher, was den Strafausspruch und die Vorschreibung des Kostenbeitrages in Zusammenhang mit der Nichtbereithaltung von Lohnunterlagen betrifft, jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2019, Ra 2019/11/0033 bis 0034, zu Grunde lag. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

19 Das im Erkenntnis Ra 2019/11/0033 bis 0034 Ausgeführte gilt in gleicher Weise insoweit, als das Verwaltungsgericht von der - im Wesentlichen gleichartigen - in § 7b Abs. 8 Z 3 AVRAG vorgesehenen gesetzlichen Mindeststrafe für die Nichtbereithaltung bzw. Nichtzugänglichmachung der Sozialversicherungsunterlagen sowie vom dort normierten Gebot der Verhängung einer Geldstrafe pro betroffenem Arbeitnehmer ausgegangen und für die Übertretung dieser Bereithaltepflicht für jede Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe (§ 16 VStG) verhängt und einen Kostenbeitrag vorgeschrieben hat (vgl. VfGH 27.11.2019, E 2047/2019 ua, zur Nachfolgeregelung des § 26 Abs. 1 Z 3 LSD-BG).

20 Da die Vorschreibung von Barauslagen gemäß § 52 Abs. 3 VwGVG die Bestrafung des Beschuldigten voraussetzt, ist mit der Aufhebung des Strafausspruches des angefochtenen Erkenntnisses gemäß § 42 Abs. 3 VwGG die Rechtsgrundlage für den Ausspruch über die Erstattung von Barauslagen weggefallen (vgl. VwGH 26.2.2007, 2005/10/0011).

21 Das angefochtene Erkenntnis war somit hinsichtlich der verhängten Strafen, der daran anknüpfenden Kostenbeiträge sowie der Erstattung der Barauslagen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

22 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019110077.L00

Im RIS seit

16.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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