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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
ASVG §10 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des K A in W, vertreten durch die pfletschinger.renzl Rechtsanwalts-Partnerschaft (OG) in 1010 Wien, Weihburggasse 26/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 1. Februar 2019, VGW- 041/005/6092/2018-10, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht Wien über den Revisionswerber - in Bestätigung des Straferkenntnisses des Magistrats der Stadt Wien vom 27. März 2018 - gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 (zweiter Strafsatz) iVm.
§ 33 Abs. 1 ASVG eine Geldstrafe in Höhe von EUR 2.500,-- verhängt, weil er als Dienstgeber am 5. Oktober 2017 den SG als Paketauslieferer beschäftigt habe, ohne ihn vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Die Revision macht unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung geltend, das angefochtene Erkenntnis werde den Anforderungen, die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Begründung der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte entwickelt worden seien, nicht gerecht. Weiters wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung.
6 Es trifft zu, dass das angefochtene Erkenntnis insofern Schwächen in der Gliederung aufweist, als die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes teilweise nicht von der Beweiswürdigung - bzw. der bloßen Wiedergabe des Verfahrensablaufs - getrennt wurde. Dennoch vermag die Revision mit diesem Vorbringen keine grundsätzliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Es ist nämlich hinreichend klar zu erkennen, von welchen entscheidungswesentlichen Tatsachen das Verwaltungsgericht auf Grund welcher Erwägungen ausgegangen ist und wie es diesen Sachverhalt rechtlich beurteilt hat, sodass weder die Rechtsverfolgung durch die Parteien noch die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. VwGH 20.11.2019, Ra 2018/08/0227, mwN).
7 Rechtsfragen des Verfahrensrechts - wie insbesondere hier eine behauptete unrichtige Sachverhaltsfeststellung - sind nur dann von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte. Dies wäre dann der Fall, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall erforderliche Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 26.9.2019, Ra 2019/08/0134). Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall seine Feststellungen maßgeblich darauf gestützt, dass SG bei einer Kontrolle am 5. Oktober 2017 selbst angegeben hatte, an diesem Tag für eine Arbeitszeit von sieben Stunden für den Revisionswerber tätig zu werden. Es kann fallbezogen nicht als unvertretbar angesehen werden, dass das Verwaltungsgericht späteren gegenteiligen Angaben des SG sowie der Ehegattin des SG und des Revisionswerbers in seiner Beweiswürdigung ein geringeres Gewicht zugemessen hat.
8 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang auch vorbringt, dem Verwaltungsgericht liege ein Verstoß gegen den Grundsatz "in dubio pro reo" zu Last, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz nur für jene Fälle gilt, in denen im Beweisverfahren bzw. der anschließenden freien Würdigung der Beweise beim entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfs erzeugt werden konnte. Nur wenn nach Durchführung aller Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, könnte nach dem genannten Grundsatz kein Schuldspruch erfolgen (vgl. VwGH 20.5.2019, Ra 2018/08/0031, mwN). Dafür, dass im vorliegenden Fall Zweifel am festgestellten Sachverhalt verblieben wären, die die Anwendung dieses Grundsatzes erfordert hätten, gibt es keine Anhaltspunkte.
9 Zur Zulässigkeit der Revision wird weiters vorgebracht, SG habe nur seine beim Revisionswerber beschäftigte Ehefrau aus Gefälligkeit unterstützt. Es sei daher kein Dienstverhältnis des SG zum Revisionswerber als Dienstgeber vorgelegen. Weiters wendet die Revision sich dagegen, dass bei der Tätigkeit des SG die Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 4 Abs. 2 ASVG vorgelegen seien.
10 Die Vorschriften des ASVG über das Beschäftigungsverhältnis stehen auf dem Boden der Eingliederungstheorie. Ein Beschäftigungsverhältnis im Sinn des ASVG wird durch den "Einstellungsakt" begründet. Es setzt einen "Verpflichtungsakt" nicht voraus. Es ist nicht erforderlich, dass der Dienstgeber dem Einstellungsakt zugestimmt hat oder von diesem in Kenntnis gesetzt wurde. Die Pflichtversicherung der Dienstnehmer beginnt nach § 10 Abs. 1 ASVG in der Regel mit dem Tage des Beginns (Antritts) ihrer Beschäftigung, sie dauert mit dem Beschäftigungsverhältnis fort, bis sie nach § 11 Abs. 1 ASVG in der Regel mit dem Ende der Beschäftigung erlischt. Das Beschäftigungsverhältnis im Sinn des ASVG wird in der Regel durch die Aufnahme der Beschäftigung im Betrieb des Dienstgebers begründet (vgl. VwGH 20.11.2019, Ra 2018/08/0227, mwN). Für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für eine unterbliebene Anmeldung zur Sozialversicherung ist die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems entscheidend. Will der Dienstgeber verhindern, dass Beschäftigungsverhältnisse durch die Aufnahme einer Beschäftigung in seinem Betrieb ohne seine Zustimmung bzw. ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung begonnen werden, so muss er ein wirksames Kontrollsystem errichten bzw. entsprechende Weisungen erteilen und deren Befolgung sicherstellen (vgl. VwGH 20.11.2019, Ra 2018/08/0227). Auch die Erteilung entsprechender Weisungen entschuldigt den Arbeitgeber nur dann, wenn er darlegt und nachgewiesen hat, dass er Maßnahmen ergriffen hat, die die Einhaltung der erteilten Anordnungen betreffend die Beachtung der Rechtsvorschriften über die Anmeldung von pflichtversicherten Dienstnehmern gewährleisten; insbesondere welche Kontrollen er eingerichtet hat und wie er sich vom Funktionieren des Kontrollsystems informiert hat (vgl. VwGH 9.10.2013, 2013/08/0183, mwN).
11 Das Verwaltungsgericht ist im vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass der Revisionswerber das Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems in diesem Sinn nicht nachweisen habe können. Betriebliche Kontrollsysteme, die einander in der Regel nicht gleichen, unterliegen einer einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht. Eine grundsätzliche Rechtsfrage läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. etwa VwGH 25.3.2019, Ra 2019/02/0043, mwN). Eine solche grobe Fehlerhaftigkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes legt die Revision nicht dar. 12 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dann, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen unter solchen Umständen angetroffen wird, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten - wie dies nach den Feststellungen vorliegend der Fall war -, die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn ausgehen kann, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen. Spricht also die Vermutung für ein Dienstverhältnis, dann muss die Partei ein ausreichend substanziiertes Vorbringen erstatten, aus dem man anderes ableiten könnte (vgl. VwGH 20.06.2018, Ra 2015/08/0149). Es entspricht im Übrigen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung aller für bzw. gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Umstände. Wurde diese Gesamtabwägung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Abwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 8.7.2019, Ra 2017/08/0119). Die Revision vermag keine Umstände aufzuzeigen, aus denen eine Unvertretbarkeit der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes abzuleiten wäre, wonach es sich - bei der schon ihrer Art nach im Wesentlichen vorgegebenen - von SG nach den Feststellungen ausgeübten Tätigkeit des Paketauslieferers die Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 4 Abs. 2 ASVG vorgelegen seien. 13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 27. April 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019080080.L00Im RIS seit
16.06.2020Zuletzt aktualisiert am
16.06.2020