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E3L E19103010Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des M S, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 2020, W151 2179514-1/24E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus der Provinz Ghazni, beantragte am 30. Dezember 2015 internationalen Schutz und begründete seinen Antrag zunächst damit, bei Rückkehr nach Afghanistan die Ermordung durch Angehörige einer näher bezeichneten politischen Gruppierung zu fürchten. Im Beschwerdeverfahren brachte er überdies vor, aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten zu sein und deshalb im Herkunftsstaat Verfolgung wegen Apostasie zu erwarten.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Antrag in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 9. November 2017 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
3 Begründend führte das BVwG - soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich ist - aus, der Revisionswerber sei in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen. Er sei zwar zu einem näher genannten Zeitpunkt nach seiner Einreise in Österreich aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten, habe jedoch nicht glaubhaft machen können, dass er aus innerer Überzeugung vom islamischen Glauben abgefallen sei und aus diesem Grund bei Rückkehr nach Afghanistan Verfolgung ausgesetzt wäre. Dem Revisionswerber sei auch kein subsidiärer Schutz zu gewähren, weil er (u.a.) in den Städten Mazar-e Sharif und Herat eine innerstaatliche Fluchtalternative vorfinde.
4 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die in der Zulassungsbegründung zusammengefasst geltend macht, das BVwG sei „von der ständigen Judikatur der Höchstgerichte jedenfalls zur Frage der Gewährung von Asyl bei afghanischen Asylwerbern, die vom islamischen Glauben abgefallen [seien], abgewichen“ (Hinweis auf VwGH 23.6.2015, Ra 2014/01/0117 und VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395). So sei unberücksichtigt geblieben, dass der Revisionswerber von seinem Glauben abgefallen und nunmehr Atheist sei, er weder an eine Religion noch an einen Gott glaube, und dies in Afghanistan nach den vom BVwG getroffenen Feststellungen mit dem Tode geahndet werde. Das BVwG habe auch außer Acht gelassen, dass sich die Sicherheitslage in Afghanistan zuletzt massiv verschlechtert habe. Dadurch sei das BVwG nicht in der Lage gewesen, eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Beurteilung der Frage vorzunehmen, ob subsidiärer Schutz zuzuerkennen sei.
5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revisiongemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
6 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Verfolgung aus Gründen der Religion, wozu auch atheistische Glaubensüberzeugungen zählen, zur Gewährung von Asyl führen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Asylwerber aufgrund seiner atheistischen Lebensweise im Herkunftsstaat tatsächlich Gefahr läuft, verfolgt zu werden. Dies setzt allerdings voraus, dass der Asylwerber seine Konfessionslosigkeit als innere Überzeugung und identitätsstiftendes Merkmal versteht, die er auch im Herkunftsstaat leben wird. Die Tatsache, dass einem Asylwerber im Herkunftsstaat etwa aufgrund eines Gesetzes über Apostasie eine Todes- oder Freiheitsstrafe droht, kann für sich genommen eine asylrelevante Verfolgung darstellen, sofern eine solche Strafe in dem Herkunftsland, das eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird (vgl. etwa VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0395, mwN).
7 Wenn die Revision geltend macht, das BVwG sei insbesondere von dieser höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen (die weitere von der Revision zitierte Entscheidung ist schon sachverhaltsmäßig nicht vergleichbar), übersieht sie zum einen, dass das BVwG dem Vorbringen des Revisionswerbers, aus innerer Überzeugung Atheist geworden zu sein, keinen Glauben geschenkt, sondern sein Verhalten als „asyltaktisch“ gewertet hat. Implizit hat das Verwaltungsgericht damit zu erkennen gegeben, dass es von einer Fortsetzung der atheistischen Lebensweise bei Rückkehr nach Afghanistan nicht ausgeht und eine Verfolgungsgefahr wegen Apostasie (ungeachtet des formalen Austritts aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft) nicht annimmt. Die Revision entfernt sich somit von den gegenteiligen Annahmen des BVwG, wenn sie ohne nähere Begründung unterstellt, der Revisionswerber sei aus innerer Überzeugung Atheist, der deshalb in Afghanistan verfolgt würde.
8 Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass nach den Länderfeststellungen im angefochtenen Erkenntnis der Abfall vom Islam in Afghanistan unter strenger Strafdrohung steht. Sie übersieht allerdings, dass nach diesen Länderfeststellungen keine Berichte über den tatsächlichen (strengen) Vollzug dieser Strafgesetze vorliegen. Derartiges wird in der Revision auch nicht dargelegt. Auch deshalb vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass dem Revisionswerber wegen der behaupteten Apostasie im Herkunftsstaat asylrelevante Verfolgung drohen könnte.
9 Mit dem allgemeinen Hinweis, die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich massiv verschlechtert, legt die Revision im Übrigen nicht dar, dass die umfassend begründete Entscheidung des BVwG zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (wegen einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat) rechtswidrig wäre.
10 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 30. April 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180124.L00Im RIS seit
17.07.2020Zuletzt aktualisiert am
17.07.2020