TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/18 96/19/1677

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Veröffentlicht am 18.03.1998
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/05 Reisedokumente Sichtvermerke;

Norm

AufG 1992 §2 Abs3 Z4 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1996 §4 Z2;
AVG §56;
FrG 1993 §14 Abs1;
FrG 1993 §14 Abs3 idF 1994/110;
MRK Art8;
PaßG 1951 §12 idF 1954/061;
PaßG 1969 §23 Abs2;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Aussetzung Jugoslawien 1995;
Sichtvermerkspflicht Aufhebung Jugoslawien 1965 Art1 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens,

Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der P S in Wien, geboren 1962, vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. April 1996, Zl. 305.582/3-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Mazedoniens, beantragte am 9. Oktober 1995 durch einen Dritten bei der österreichischen Botschaft Preßburg die Erteilung einer Aufenthaltbewilligung durch Ankreuzen der Variante "Erstantrag", wobei sie als Aufenthaltszwecke die Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit und die Familiengemeinschaft mit ihrem österreichischen Ehegatten, mit dem sie am 19. Dezember 1994 die Ehe geschlossen habe, angab. Die Antragsfrage nach ihrem derzeitigen Wohnsitz beantwortete die Beschwerdeführerin mit einer Anschrift im 2. Wiener Gemeindebezirk. Dem Antrag waren u.a. ein auf die Beschwerdeführerin lautender, am 15. Juli 1995 ausgestellter Reisepaß der Republik Mazedonien sowie eine Bestätigung angeschlossen, wonach die Beschwerdeführerin seit 3. Jänner 1995 bei einem namentlich angeführten Unternehmen als Raumpflegerin beschäftigt sei. Die Beschwerdeführerin behauptete in einer niederschriftlichen Einvernahme vom 23. November 1995 ausdrücklich, seinerzeit als Touristin nach Österreich eingereist zu sein.

Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 24. Jänner 1996 den Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "gemäß § 6 Abs. 2 AufG" unter Berücksichtigung der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995" mangels Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus ab.

Begründend führte die erstinstanzliche Behörde im wesentlichen aus, der gegenständliche Antrag sei von einer dritten Person im Ausland, bei gleichzeitigem Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland, eingebracht worden. Da die Beschwerdeführerin nicht unter die in § 6 Abs. 2 AufG und die in der Verordnung aufgelisteten Personengruppen falle, komme nur eine Erstantragstellung aus dem Ausland in Betracht.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, nach Österreich zu einer Zeit eingereist zu sein, als mazedonische Staatsbürger noch ohne Visum einreisen durften. Sie habe während der Monate, in denen sie sich rechtmäßig im Lande aufgehalten habe, ihren Ehemann kennengelernt, der österreichischer Staatsbürger sei, und diesen im Dezember 1994 geheiratet.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 1. April 1996 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes ab. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe nach der Aktenlage das Formular für den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung durch einen Vertreter von Österreich aus bei der österreichischen Botschaft Bratislava eingereicht. Sie habe sich vor, während und nach der Antragstellung eindeutig im Bundesgebiet aufgehalten und dadurch das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt. Auch gehöre die Beschwerdeführerin nicht zu jener Personengruppe "der Verordnung gemäß § 3 AufG, BGBl. Nr. 408/1995, die zu einer Inlandsantragstellung berechtigt sei". Mit ihrer Absicht, in Österreich einen Wohnsitz zu begründen und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen sowie in Familiengemeinschaft mit ihrem Ehegatten und ihren Kindern zu leben, hätte die Beschwerdeführerin gemäß § 1 Abs. 1 AufG von Anfang an eine Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz benötigt. Zu den persönlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin sei zu sagen, daß nur die dargestellten familiären Beziehungen zu Österreich bestünden. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen und der privaten Interessen der Beschwerdeführerin im Rahmen des Art. 8 MRK sei aufgrund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend gemacht werden, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides (23. April 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 6 Abs. 2 AufG lautet in der Fassung dieser Novelle:

"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 oder einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

§ 4 Z. 2 und 4 der im vorliegenden Fall maßgeblichen Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, lautete:

"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

...

2.

Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde,

...

4.

Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."

§ 14 Abs. 1 und 3 FrG, BGBl. Nr. 838/1992, lauten:

"§ 14. (1) Sofern die Bundesregierung zum Abschluß von Regierungsübereinkommen gemäß Art 66 Abs. 2 B-VG ermächtigt ist, kann sie zur Erleichterung des Reiseverkehrs unter der Voraussetzung, daß Gegenseitigkeit gewährt wird, vereinbaren, daß Fremde berechtigt sind, ohne Sichtvermerk in das Bundesgebiet einzureisen und sich in diesem aufzuhalten.

...

(3) In Übereinkommen gemäß Abs. 1 und in Verordnungen gemäß Abs. 2 kann unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit vorgesehen werden, daß Fremden ein Sichtvermerk auch nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden kann."

Der Abs. 3 wurde dem § 14 FrG durch die am 17. Februar 1994 ausgegebene Novelle BGBl. Nr. 110/1994 angefügt.

Bis 14. Mai 1995 wurde das Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, in vollem Umfang gegenüber der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien pragmatisch weiter angewendet. Art. 1, 2 und 3 dieses Abkommens lauten auszugsweise:

"Artikel 1

(1) Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die einen der im Art. 3 angeführten Reiseausweise mit sich führen, können ohne Sichtvermerk des anderen Vertragsstaates die Grenzen der Vertragsstaaten überschreiten und sich drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten.

(2) Den Personen, die sich länger als drei Monate auf dem Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten wollen, können die zuständigen Behörden dieses Vertragsstaates die Aufenthaltsberechtigung verlängern.

...

Artikel 2

Die Staatsbürger der Vertragsstaaten, die sich zum Zwecke der Arbeitsaufnahme in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates begeben, bedürfen eines Sichtvermerkes, der auch die Aufenthaltsberechtigung einschließt. ...

Artikel 3

...

(3) Der Genzübertritt aufgrund dieses Abkommens ist jugoslawischen Staatsbürgern, die Inhaber eines der nachstehend angeführten gültigen Reiseausweise sind, gestattet:

a)

Reisepaß (persönlicher oder Familienreisepaß)

b)

Diplomatenpaß

..."

Mit Wirksamkeit vom 15. Mai 1995 wurde die Anwendung des Art. 3 Abs. 3 lit. a, c, d, e, f und g des im beiderseitigen Einverständnis zwischen der Republik Österreich und der Ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien pragmatisch weiter angewendeten Abkommens, BGBl. Nr. 365/1965, bis auf weiteres ausgesetzt (BGBl. Nr. 322/1995).

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, sich im Zeitpunkt ihrer durch einen Vertreter bei der österreichischen Botschaft in Preßburg erfolgten Antragstellung im Inland aufgehalten zu haben. Gemäß § 6 Abs. 2 AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung grundsätzlich vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne dieser Bestimmung ist ohne jeden Zweifel die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/1600). Die Antragstellung durch einen Vertreter vom Ausland aus, während sich der Fremde selbst im Inland aufhält, entspricht nicht der Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG. Vom Erfordernis der Antragstellung vom Ausland aus hätte die belangte Behörde nur absehen dürfen, wenn aufgrund einer besonderen Rechtsvorschrift ausnahmsweise eine Antragstellung im Inland zulässig gewesen wäre.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, sie gehöre als Angehörige eines österreichischen Staatsbürgers und Inhaberin einer Beschäftigungsbewilligung zu der privilegierten Personengruppe gemäß § 3 Z. 3 der Verordnung

BGBl. Nr. 408/1995.

Diesem Vorbringen ist vorerst zu entgegnen, daß im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides im vorliegenden Fall die Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 anzuwenden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475). Deren hier maßgebliche Bestimmung des § 4 Z. 2 und 4 ist allerdings wortident mit der von der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Rechtsstandpunktes herangezogenen Bestimmung des § 3 Z. 3 und 4 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995. In diesem Zusammenhang sei angemerkt, daß bereits die belangte Behörde über die im gegenständlichen Fall anzuwendende Verordnung geirrt hat.

Insoweit sich die Beschwerdeführerin auf ihre am 19. Dezember 1994 geschlossene Ehe mit einem österreichischen Staatsangehörigen beruft, ist festzuhalten, daß § 4 Z. 2 der genannten Verordnung nur solche Angehörige von österreichischen Staatsbürgern zur Antragstellung im Inland berechtigt, die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde.

Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Berufung vorgebracht, sie sei zu einem (nicht näher genannten) Zeitpunkt nach Österreich eingereist, als mazedonische Staatsbürger dies noch ohne Visum durften. Die belangte Behörde traf keinerlei Feststellungen über den genauen Zeitpunkt der Einreise der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet. Diese wären aus nachstehenden Gründen von Bedeutung:

Das Abkommen zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der SFR Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, wurde auf Grundlage der Bestimmung des § 12 des Paßgesetzes 1951, BGBl. Nr. 57 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 61/1954, abgeschlossen. Dieses Abkommen gilt nunmehr (ebenso wie die von der Bundesregierung gemäß § 23 Abs. 2 des Paßgesetzes 1969 abgeschlossenen Abkommen) als auf der Grundlage des § 14 FrG, und zwar dessen Abs. 1, abgeschlossen. Im Art. 1 Abs. 2 des Abkommens findet sich ausdrücklich die Bestimmung, daß die zuständigen Behörden des Aufenthaltsstaates den Fremden, die sich länger als drei Monate auf seinem Hoheitsgebiet aufhalten wollen, die Aufenthaltsberechtigung verlängern können. Diese Bestimmung qualifiziert das vorliegende Abkommen als ein solches gemäß § 14 Abs. 3 FrG, da das Abkommen die Möglichkeit der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach sichtvermerksfreier Einreise vorsieht. Dies hat zur Folge, daß eine sichtvermerksfreie Einreise aufgrund dieses Abkommens nach dem 18. Februar 1994 (Inkrafttreten des § 14 Abs. 3 FrG) als Einreise gemäß dieser Bestimmung im Sinne des § 4 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 anzusehen ist. Sollte die Beschwerdeführerin also im Zeitraum zwischen dem 18. Februar 1994 und dem 15. Mai 1995 (Aussetzung des obgenannten Abkommens) sichtvermerksfrei ins Bundesgebiet eingereist sein, so läge eine Einreise gemäß § 14 Abs. 3 FrG vor.

Nach den vorliegenden Aktenunterlagen gab die Beschwerdeführerin anläßlich einer Niederschrift vor der Behörde erster Instanz am 23. November 1995 an, seit "ca. einem Jahr" in Österreich zu sein. Vor der Eheschließung habe sie ihren Gatten ca. zwei Monate gekannt (Blatt 21 des Verwaltungsaktes). Sie sei als Touristin nach Österreich gekommen (Blatt 22 des Verwaltungsaktes).

Der Ehegatte der Beschwerdeführerin gab bei einer Niederschrift am 14. Dezember 1995 vor der erstinstanzlichen Behörde an, die Beschwerdeführerin vor der Eheschließung "drei oder vier Monate" gekannt zu haben (Blatt 23 des Verwaltungsaktes).

Es ist daher aufgrund dieser Indizien nicht auszuschließen, daß die Beschwerdeführerin nach dem 18. Februar 1994, und vor den 19. Dezember 1994 (Datum der Eheschließung) ins Bundesgebiet einreiste; diesfalls läge eine Einreise der Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 3 FrG vor und sie wäre als Angehörige (Ehegattin) eines österreichischen Staatsbürgers gemäß § 4 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 zur Antragstellung vom Inland aus berechtigt. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Angehörigeneigenschaft erst nach der Einreise in das Bundesgebiet erworben wurde und die Beschwerdeführerin den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz erst am 9. Oktober 1995 gestellt hat: Zum einen ist der Bestimmung des § 4 Z. 2 der zitierten Verordnung nicht zu entnehmen, daß die Angehörigeneigenschaft bereits im Zeitpunkt der (letzten) Einreise ins Bundesgebiet bestanden haben müsse (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010, und vom 17. Oktober 1997, Zl. 96/19/2222). Zum anderen ist es für die Zulässigkeit der Inlandsantragstellung ohne Bedeutung, ob sich die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Antragstellung rechtens in Österreich aufgehalten hat oder nicht. Nach den Intentionen des Gesetzgebers sollten die Ausnahmebestimmungen der aufgrund des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG ergangenen Verordnung gerade solche Personengruppen durch die eingeräumte Möglichkeit der Inlandsantragstellung in einer der Verfassung (Art. 8 MRK) entsprechenden Weise zu begünstigen, die - aus welchen Gründen auch immer - eine rechtzeitige Antragstellung nach vorhergegangenem legalen Aufenthalt in Österreich - wie hier eben nach einer Einreise gemäß § 14 Abs. 3 FrG und dem daran anschließenden rechtmäßigen Aufenthalt von drei Monaten - versäumten (RV 125 BlgNR 19. GP) und sich demnach sowohl im Zeitpunkt der Antragstellung als auch der Entscheidung über den Antrag ohne aufrechten Aufenthaltstitel in Österreich aufhielten.

Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsauffassung, wonach eine Inlandsantragstellung der Beschwerdeführerin nicht in Betracht komme, unterließ es die belangte Behörde, entsprechende Ermittlungen hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 4 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995, insbesondere zum genauen Einreisezeitpunkt der Beschwerdeführerin durchzuführen. Hinsichtlich des Versagungsgrundes des § 6 Abs. 2 AufG bedarf der vorliegende Sachverhalt daher in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung, da nicht auszuschließen ist, daß die Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreiste und als Angehörige eines österreichischen Staatsbürger somit zur Antragstellung vom Inland aus berechtigt gewesen wäre.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt es, gemäß § 1 Abs. 1 AufG hätte die Beschwerdeführerin "mit ihrer Absicht, in Österreich einen Wohnsitz zu begründen und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen ...", von Anfang an eine Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz benötigt. Die belangte Behörde hat es allerdings unterlassen, begründete Feststellungen über eine - von ihr in ihrer niederschriftlichen Einvernahme vom 23. November 1995 ausdrücklich bestrittene - bereits im Einreisezeitpunkt bestandene Absicht der Beschwerdeführerin zur Arbeitsaufnahme zu treffen. Derart begründete Feststellungen wären hier jedoch wesentlich, da die Beschwerdeführerin bei einer Einreise in das Bundesgebiet zum Zwecke der Arbeitsaufnahme gemäß Art. 2 des Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung des Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht, BGBl. Nr. 365/1965, eines Sichtvermerkes bedurft hätte und in diesem Fall eine Einreise gemäß § 14 Abs. 3 FrG nicht vorgelegen wäre.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung wurde aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen, zumal die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahren erkennen lassen, daß die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten läßt, und Art. 6 MRK dem nicht entgegensteht.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenaufwand war abzuweisen, da nach dem VwGG die Vorlage des Bescheides in einfacher Ausfertigung ausgereicht hätte und hiefür lediglich S 30,-- beizubringen waren.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996191677.X00

Im RIS seit

06.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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