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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §58 Abs10Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des T O E in W, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29. Oktober 2019, I415 1409025-5/2E, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, beantragte nach der Einreise in das Bundesgebiet am 8. Dezember 2008 die Gewährung von internationalem Schutz. Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 31. August 2009 vollinhaltlich, verbunden mit einer Ausweisung des Revisionswerbers nach Nigeria, ab. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 28. Mai 2010 als unbegründet ab.
2 Am 17. Juli 2013 wurde der (ohne polizeiliche Meldung, nach eigenen Angaben etwa in Kärnten und Wien) im Bundesgebiet verbliebene Revisionswerber im Zuge einer Personenkontrolle aufgegriffen. Nach Verhängung der Schubhaft beantragte er am 19. Juli 2013 neuerlich die Gewährung von internationalem Schutz.
Diesen Antrag wies das Bundesasylamt mit Bescheid vom 17. August 2013 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Zugleich wurde der Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 10. September 2013 als unbegründet ab.
3 Der Revisionswerber kam neuerlich seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und hielt sich unangemeldet im Bundesgebiet auf. Am 9. Dezember 2016 wurde er aufgegriffen und festgenommen; es wurde über ihn Verwaltungsverwahrungshaft verhängt. Am 10. Dezember 2016 begann er während der Anhaltung einen Hunger- und Durststreik.
Ebenfalls stellte er an diesem Tag seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 30. November 2017 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückwies. Zugleich erteilte das BFA dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005. Es erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, stellte nach § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei, und bestimmte gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 16. August 2018 als unbegründet ab.
Begründend verwies es darauf, dass der Revisionswerber zu seinem neuerlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz selbst ausgeführt habe, er hätte keine neuen Gründe; der Antrag sei nur über Anraten seines Rechtsanwaltes gestellt worden, um nicht nach Nigeria abgeschoben zu werden. Der im Wesentlichen gesunde, zwar arbeitsfähige, aber nicht selbsterhaltungsfähige Revisionswerber habe keine familiären Kontakte in Österreich. Er sei von seiner (nigerianischen) Ehefrau geschieden, habe zwei minderjährige Söhne und eine minderjährige Tochter. Diese Angehörigen sowie seine Geschwister lebten in Nigeria. Den geringen, aus dem Erwerb von Deutschkenntnissen (Sprachniveau A2) und Sozialkontakten herrührenden privaten Interessen des Revisionswerbers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stünde das große öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gegenüber. Die Interessenabwägung schlage daher zum Nachteil des Revisionswerbers aus. Auf Grund der erwähnten aufrechten Anknüpfungspunkte in Nigeria sei mit der Möglichkeit einer Reintegration des Revisionswerbers im Herkunftsstaat zu rechnen. Einer persönlichen Verfolgung oder existenziellen Bedrohung wäre er dort nicht ausgesetzt.
5 Am 9. April 2019 stellte der Revisionswerber sodann den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005. Darin berief er sich darauf, österreichische Freunde zu haben und Mitglied einer Kirche zu sein. Er habe (laut vorgelegtem Zeugnis vom 12. Juli 2018) die Deutschprüfung auf Niveau A2 bestanden und verfüge über eine Einstellungszusage. Bereits in den Jahren 2009 bis 2013 sei er als selbständiger Zeitungskolporteur tätig gewesen.
6 Mit Bescheid vom 12. Juli 2019 wies das BFA diesen Antrag gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück.
Begründend verwies es im Wesentlichen darauf, seit Rechtskraft des erwähnten Erkenntnisses des BVwG vom 16. August 2018 sei es zu keiner relevanten Veränderung des Sachverhaltes, etwa im Privat- und Familienleben, den Sprachkenntnissen oder der (fehlenden) Selbsterhaltungsfähigkeit gekommen; der Revisionswerber beziehe unverändert Leistungen aus der Grundversorgung. Nach wie vor überwiege somit das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 29. Oktober 2019 wies das BVwG eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
8 Begründend teilte das BVwG die wiedergegebene Beurteilung des BFA. Der Revisionswerber, der sich seines prekären Aufenthalts seit Abweisung des ersten Antrages auf internationalen Schutz bewusst gewesen sei, führe nach wie vor kein Familienleben im Bundesgebiet, er habe ein solches nicht einmal behauptet. Vorgelegte private Empfehlungsschreiben dokumentierten kein besonderes Naheverhältnis zu den jeweiligen Ausstellern. Das erwähnte, Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 bescheinigende ÖSD-Zertifikat stamme vom 12. Juli 2018 und sei bereits in der Entscheidung des BVwG vom 16. August 2018 entsprechend berücksichtigt worden. Die vorgelegte Einstellungszusage begründe keinen Rechtsanspruch und könne daher die Integration nicht entscheidend intensivieren. Dazu komme, dass mittlerweile eine strafgerichtliche Verurteilung des Revisionswerbers aktenkundig geworden sei. Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 3. August 2018 sei über ihn wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften sowie der Sachbeschädigung eine bedingt nachgesehene vierwöchige Freiheitsstrafe verhängt worden. Ein maßgeblich geänderter Sachverhalt, der eine neue Abwägung nach Art. 8 EMRK erforderlich mache, liege somit insgesamt nicht vor.
Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung habe gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG abgesehen werden können, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheine.
9 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision erweist sich als unzulässig:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11 Als Argumente für einen iSd § 58 Abs. 10 AsylG 2005 maßgeblich geänderten Sachverhalt nennt der Revisionswerber weitere - Sozialkontakte belegende - Befürwortungsschreiben sowie eine Vertiefung seiner Deutschkenntnisse durch Besuch eines „B1-Sprachkurses“, wobei er allerdings selbst einräumt, die entsprechende - Deutschkenntnisse auf diesem Niveau belegende - Prüfung bislang nicht abgelegt zu haben.
Mit dieser, der Sache nach im Wesentlichen bereits die im Erkenntnis des BVwG vom 16. August 2018 berücksichtigten Gesichtspunkte wiederholenden Argumentation werden allerdings keine derartigen Umstände aufgezeigt, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten.
12 Das trifft auch auf die um nur etwa ein Jahr verlängerte, nunmehr knapp elfjährige Dauer des Inlandsaufenthaltes zu, zumal sich der Revisionswerber nicht auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes berufen kann, wonach bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt eines Fremden regelmäßig von einem Überwiegen seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen ist. Denn diese Judikaturlinie kommt infolge der wiederholten Asylantragstellungen, die mit Zurückweisung wegen entschiedener Sache endeten, der strafgerichtlichen Verurteilung, der Missachtung melderechtlicher Vorschriften sowie des wiederholt unbekannten Aufenthalts des Revisionswerbers fallbezogen nicht zum Tragen (vgl. etwa VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005, Rn. 13, und VwGH 12.11.2019, Ra 2019/21/0077, Rn. 9, jeweils mwN).
13 Jedenfalls vor diesem Hintergrund erweist es sich auch als unbedenklich, dass das BVwG (der Sache nach war dafür § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG maßgeblich) von der Durchführung der beantragten Beschwerdeverhandlung abgesehen hat (siehe zu einer insoweit ähnlichen Konstellation VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0341 und 0342, Rn. 19, mwN).
14 Insgesamt zeigt die Revision somit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am 30. April 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210374.L00Im RIS seit
08.07.2020Zuletzt aktualisiert am
14.07.2020