TE Vwgh Beschluss 2020/4/30 Ra 2019/14/0534

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Veröffentlicht am 30.04.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §11
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Mag. Eder und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des X Y in Z, vertreten durch Mag. Susanne Singer, Rechtsanwältin in 4600 Wels, Ringstraße 9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. September 2019, W136 2197711-1/14E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, stellte am 7. Mai 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er damit begründete, dass sein Vater zehn Jahre zuvor Afghanistan wegen einer Feindschaft verlassen habe. Die Feinde hätten die Familie im Iran gefunden, weshalb sie wiederholt den Wohnsitz hätten wechseln müssen. In Afghanistan habe er niemanden, zudem fürchte er diese Feinde.

2 Mit Bescheid vom 3. Mai 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf das Fluchtvorbringen aus, dass dieses mangels Nachvollziehbarkeit und konkretem Vorbringen nicht als tatsächliches Geschehen habe festgestellt werden können. Auch liege keine Gruppenverfolgung in Bezug auf die tadschikische Volksgruppe vor.

5 Die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass der Revisionswerber zwar aus einer afghanischen Provinz mit volatiler Sicherheitslage stamme, ihm aber eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 und der EASO Country Guidance Notes zu Afghanistan vom Juni 2018 in Herat und Mazar-e Sharif offenstehe. Die Versorgung sei in diesen beiden Gebieten gesichert. Diese seien auch erreichbar. Nach den in den UNHCR-Richtlinien vom 30. August 2018 und den EASO Country Guidance Notes zu Afghanistan vom Juni 2018 definierten Risikoprofilen bedürften Personen wie der Revisionswerber - alleinstehende, junge, arbeitsfähige Männer im erwerbsfähigen Alter - keines Unterstützungsnetzwerkes in Afghanistan. Der Revisionswerber sei gesund, spreche die üblichen Landessprachen und habe im Iran mehrjährige Erfahrung als Bauarbeiter gesammelt. Auch wenn der Kontakt mit den in Afghanistan verbliebenen Familienmitgliedern lose geworden sei und zu den Tanten kein persönlicher Kontakt bestanden habe, könne der Revisionswerber bei einer Rückkehr nach afghanischer Tradition wieder Anschluss finden. Weiters gebe es keine Hinweise, dass ihn seine Eltern und Geschwister sowie sein Onkel väterlicherseits nicht unterstützen könnten. Er habe den Großteil seines Lebens in islamisch geprägten Ländern gelebt und auch im Bundesgebiet Kontakte zu Landsleuten gepflegt. Der Revisionswerber sei mit den kulturellen Gepflogenheiten Afghanistans vertraut. Die Prüfung der Zumutbarkeit ergebe, dass der Revisionswerber über keine besonderen individuellen Gefährdungsfaktoren verfüge und in der Lage sein werde, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten in Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten zu führen. Zur Rückkehrentscheidung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Interessenabwägung ein Überwiegen der öffentlichen Interessen gegenüber den schwach ausgeprägten privaten Interessen des Revisionswerbers ergebe. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei zulässig. Ebenso sei die Abschiebung nach Afghanistan zulässig.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Bundesverwaltungsgericht stütze die Beurteilung, dass der Revisionswerber auf eine innerstaatliche Fluchtalternative in die Städte Mazar-e Sharif und Herat verwiesen werden könne, nicht auf die aktuelle Fassung der EASO Country Guidance Notes zu Afghanistan vom Juni 2019 und übersehe, dass sich aus diesem Bericht ergebe, dass Rückkehrern, die außerhalb Afghanistans geboren wurden oder lange außerhalb Afghanistans lebten, keine innerstaatliche Fluchtalternative, deren Inanspruchnahme auch zumutbar sei, offenstehe. Das Bundesverwaltungsgericht habe es verabsäumt, sich umfassend mit der Situation des Revisionswerbers auseinanderzusetzen, diese entsprechend zu würdigen und die entsprechenden Feststellungen zu treffen.

10 Soweit die Revision damit Begründungsmängel, insbesondere eine unzureichende Auseinandersetzung mit den EASO Country-Guidance Notes zu Afghanistan in ihrer Fassung vom Juni 2019, rügt, ist der Revision entgegen zu halten, dass es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzutun (vgl. VwGH 22.8.2019, Ra 2019/14/0343, mwN). Mit den bloß allgemeinen Ausführungen, dass die Rückkehr dem Revisionswerber aufgrund seines langen Aufenthalts im Iran nicht zumutbar sei, wird die Revision diesen Anforderungen nicht gerecht. Der Revisionswerber ist nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts in Afghanistan geboren und gesund. Er befindet sich im erwerbsfähigen Alter, beherrscht die Landessprache auf muttersprachlichem Niveau sowie zwei weitere gebräuchliche Sprachen, verfügt über Berufserfahrung als Bauarbeiter und ist im afghanischen Familienverband aufgewachsen, weshalb er mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut ist und sich innerhalb kurzer Zeit Ortskenntnisse aneignen wird können. Das Bundesverwaltungsgericht traf fallbezogen - wenn auch disloziert - hinreichend aktuelle Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Mazar-e Sharif und Herat. Vor diesem Hintergrund vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts unvertretbar erfolgt wäre (vgl. VwGH 22.1.2020, Ra 2019/14/0591, mwN) und aufgrund welcher weiteren Feststellungen das Verwaltungsgericht zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. 11 Soweit sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung zur Unterstützungsfähigkeit durch im Iran und in Afghanistan lebende Familienangehörige wendet, so ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429, mwN). Es gelingt der Revision nicht aufzuzeigen, dass die nach Durchführung einer Verhandlung erfolgten beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts als unvertretbar einzustufen wären. 12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140534.L00

Im RIS seit

16.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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