TE Vwgh Beschluss 2020/4/30 Ra 2017/22/0187

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.04.2020
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs9 Z2
VwGG §33 Abs1
VwGG §58 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache der U B in S, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. August 2017, I409 1433737-2/2E, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Ein Ersatz von Aufwendungen findet nicht statt.

Begründung

1. Die Revisionswerberin, nach ihren Behauptungen Staatsangehörige von Sierra Leone, reiste im September 2012 illegal in Österreich ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde im Juni 2013 in zweiter Instanz negativ entschieden und die Revisionswerberin aus dem Bundesgebiet nach Sierra Leone ausgewiesen.

Die Revisionswerberin verblieb unrechtmäßig in Österreich. Nach Auffassung der Behörden wirkte sie an der Erlangung der für die Ausreise benötigten Dokumente nicht entsprechend mit.

2. Am 11. Juni 2015 stellte die Revisionswerberin einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005; bezüglich der erforderlichen Dokumente erhob sie einen Heilungsantrag.

Mit Bescheid vom 9. Februar 2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 wegen Unterlassung der erforderlichen Mitwirkung gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurück; den Heilungsantrag wies sie als unbegründet ab.

Die Revisionswerberin erhob gegen den Bescheid Beschwerde.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin - nach Bewilligung der Verfahrenshilfe - am 23. Jänner 2018 außerordentliche Revision. Der Verwaltungsgerichtshof führte das Vorverfahren durch, eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

4. Im Jahr 2019 erlangte der Verwaltungsgerichtshof durch eine Mitteilung der belangten Behörde davon Kenntnis, dass diese mit Bescheid vom 22. Juli 2019 dem (Folge)Antrag der Revisionswerberin auf internationalen Schutz vom 7. Juni 2019 gemäß den §§ 3, 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattgegeben, der Revisionswerberin den Status der Asylberechtigten zuerkannt und deren Flüchtlingseigenschaft festgestellt hat. Aus der Begründung des Bescheids geht hervor, dass der im November 2016 geborenen leiblichen Tochter der Revisionswerberin, die mit dieser in Hausgemeinschaft lebt, mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 24. Mai 2019 der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden war. Die Revisionswerberin hat daraufhin einen (Folge)Asylantrag im Familienverfahren nach den schon genannten Bestimmungen gestellt, dem infolge Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen stattgegeben wurde.

An dem aufgezeigten Status der Revisionswerberin hat sich - laut Mitteilung der belangten Behörde - bis zuletzt nichts geändert.

5.1. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkennt, ist mit der Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Sinn des § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur bei formeller Klaglosstellung, sondern auch bei „Gegenstandslosigkeit“ der Beschwerde bzw. Revision vorzugehen. Gegenstandslosigkeit wird dann angenommen, wenn durch die Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers bzw. Revisionswerbers an der Entscheidung wegfällt (vgl. VwGH 16.10.2019, Ra 2019/03/0116; mwN). Davon ist immer dann auszugehen, wenn es für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied (mehr) macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw. wenn die Erreichung des Verfahrensziels für den Revisionswerber keinen objektiven Nutzen mehr hat (vgl. VwGH 30.11.2015, Ra 2015/08/0111). Wie der Verwaltungsgerichtshof ferner in ständiger Rechtsprechung vertritt, lässt sich § 33 Abs. 1 VwGG entnehmen, dass der Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof versteht. Liegt diese Voraussetzung schon bei der Einbringung einer Revision nicht vor, ist diese unzulässig. Fällt die Voraussetzung erst nach der Einbringung einer zulässigen Revision weg, so führt dies zur Einstellung des Verfahrens (vgl. neuerlich VwGH Ra 2019/03/0116; mwN).

5.2. Gemäß § 58 Abs. 9 AsylG 2005 ist ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück unter anderem dann als unzulässig zurückzuweisen, wenn (Z 2) der Drittstaatsangehörige bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz verfügt.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu, wobei diese Berechtigung zunächst drei Jahre gilt und sich in der Folge um eine unbefristete Gültigkeitsdauer verlängert, sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

6. Nach dem Vorgesagten wurde der Revisionswerberin mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Juli 2019 der Status der Asylberechtigten nach den §§ 3, 34 Abs. 2 AsylG 2005 zuerkannt und ist dieser Status weiterhin aufrecht. Mit dem Status der Asylberechtigten kommt der Revisionswerberin gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 eine auf zunächst drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte zu. Sie verfügt daher bereits über ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 2005, sodass gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 die Zuerkennung des beantragten (weiteren) Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 nicht (mehr) in Betracht kommt.

Durch die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten haben sich die maßgeblichen sachlichen Umstände dahin geändert, dass das rechtliche Interesse der Revisionswerberin an der Entscheidung über ihre außerordentliche Revision weggefallen ist. Für ihre Rechtsstellung macht es nämlich (vor allem auch im Hinblick darauf, dass ein Erstantrag vorliegt) keinen Unterschied mehr, ob das angefochtene Erkenntnis aufrecht bleibt oder aufgehoben wird. Sie kann auf Grund ihres Status den beantragten Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 jedenfalls nicht erlangen.

Da das Rechtsschutzbedürfnis als Prozessvoraussetzung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht schon vor, sondern erst nach Einbringung der vorliegenden Revision entfallen ist, war von deren Gegenstandslosigkeit auszugehen und die Einstellung des Verfahrens auszusprechen.

7. Der fiktive Ausgang des Revisionsverfahrens ist - wäre die Gegenstandslosigkeit nicht eingetreten - nicht völlig eindeutig und kann daher nicht ohne Weiteres bzw. nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand beurteilt werden. Aus dem Grund war gemäß § 58 Abs. 2 VwGG nach freier Überzeugung zu entscheiden und ein Aufwandersatz nicht zuzusprechen (vgl. VwGH 27.2.2015, 2013/06/0117; 15.3.2012, 2011/06/0203).

Wien, am 30. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2017220187.L00

Im RIS seit

06.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten