TE Vwgh Erkenntnis 2020/5/4 Ro 2019/16/0004

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Veröffentlicht am 04.05.2020
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §209 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der C Privatstiftung in H, vertreten durch die Sutterlüty Klagian Brändle Gisinger Rechtsanwälte GmbH in 6850 Dornbirn, Marktstraße 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 26. Februar 2019, Zl. RV/1100510/2016, betreffend Schenkungssteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Bundesfinanzgericht im Instanzenzug gegenüber der revisionswerbenden Privatstiftung (Revisionswerberin) Schenkungssteuern in näher angeführter Höhe fest und sprach aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

2        Mit Notariatsakt vom 5. November 2007 hätten vier Personen die Revisionswerberin errichtet und ihr jeweils näher angeführtes Barvermögen gewidmet. Zwei der Stifter hätten der Revisionswerberin darüber hinaus Geschäftsanteile an verschiedenen Gesellschaften gewidmet. Die Stiftungsurkunde sei am 12. November 2007 dem Finanzamt angezeigt worden.

3        Mit Ergänzungsersuchen vom 13. Dezember 2007 habe das Finanzamt zur Feststellung des Wertes des zugewendeten Vermögens „die Bilanzen und gemeinen Werte der in die Stiftung eingebrachten Geschäftsanteile“ mit Frist bis 28. Jänner 2008 abverlangt.

4        Auf Grund telefonischer Anfragen durch „die Steuerberatungskanzlei“ sei es zu mehrmaligen Fristverlängerungen durch das Finanzamt gekommen.

5        Mit Schriftsatz vom 16. April 2008 habe die steuerliche Vertreterin der Revisionswerberin dem Finanzamt Bilanzen übermittelt.

6        Am 12. Dezember 2013 habe das Finanzamt der Revisionswerberin einen Vorhalt übermittelt. Am 25. Juni 2014 habe die Betriebsprüfung „des beschwerdegegenständlichen Vorgangs“ begonnen.

7        Das Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel habe mit vier Bescheiden vom 19. Jänner 2015 Schenkungssteuer für die Erwerbe von den vier Stiftern festgesetzt.

8        Die im Beschwerdeverfahren eingewendete Verjährung sei nicht eingetreten, denn der Vorhalt vom 13. Dezember 2007 sei innerhalb der Verjährungsfrist ergangen und das Finanzamt habe im Jahr 2008 mehrfach auf telefonisches Ersuchen der Revisionswerberin die Frist für die Beantwortung des Vorhalts erstreckt. Damit sei die Verjährungsfrist bis zum 31. Dezember 2013 verlängert worden.

9        Die Verjährungsfrist sei durch den Vorhalt der Betriebsprüferin am 12. Dezember 2013 wiederum um ein Jahr verlängert und durch die Betriebsprüfung im Jahr 2014 abermals um ein Jahr verlängert worden, weshalb die Schenkungssteuerbescheide vom 19. Jänner 2015 innerhalb der Verjährungsfrist ergangen seien.

10       Die Revision sei zulässig, weil zur Frage, ob Amtshandlungen im Zeitraum zwischen Entstehung des Abgabenanspruchs und dem Beginn des darauffolgenden Jahres verjährungsverlängernde Wirkung zukomme, keine Rechtsprechung bestehe.

11       Die dagegen erhobene Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens und einer mit Schriftsatz vom 29. Mai 2019 eingereichten, die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragenden Revisionsbeantwortung des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel dem Verwaltungsgerichtshof vor.

12       Die Revisionswerberin erachtet sich im Recht verletzt, dass ihr Schenkungssteuer nach eingetretener Verjährung nicht vorgeschrieben werde.

13       Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

14       Gemäß dem mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 15. Juni 2007, G 23/07 ua, VfSlg 18.147, mit Ablauf des 31. Juli 2008 aufgehobenen § 1 Abs. 1 Z 2 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 (ErbStG) unterlagen Schenkungen unter Lebenden der Schenkungssteuer.

15       Als Schenkung gilt gemäß § 3 Abs. 1 Z 7 ErbStG der Übergang von Vermögen auf Grund eines Stiftungsgeschäftes unter Lebenden.

16       Die Steuerschuld entsteht bei Schenkungen unter Lebenden gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 ErbStG mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung.

17       Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt nach § 207 Abs. 1 BAO der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 207 Abs. 2 leg. cit. bei der Schenkungssteuer fünf Jahre. Bei der Schenkungssteuer beginnt - mit hier nicht interessierenden Ausnahmen - die Verjährung gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.

18       § 209 Abs. 1 BAO lautet:

„Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.“

19       Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen offensichtlich davon aus, dass die Zuwendung des in Rede stehenden, als Schenkung unter Lebenden geltenden Vermögensüberganges auf die Revisionswerberin im Jahr 2007 erfolgte.

20       Zunächst ist strittig, ob die demnach mit Ablauf des Jahres 2007 beginnende und sonst bis Ablauf des Jahres 2012 laufende Verjährungsfrist durch im Jahr 2008 gesetzten Telefongespräche über Verlängerungen der im Schreiben vom 13. Dezember 2007 gesetzten Frist um ein Jahr verlängert wurde.

21       Der Verwaltungsgerichtshof hat - worauf auch das Finanzamt in der Revisionsbeantwortung hinweist - ausgesprochen, ein Telefongespräch könne nur hinsichtlich des Gesprächsteiles beurteilt werden, welcher die von der Abgabenbehörde unternommene Amtshandlung, somit die behördliche Fragestellung, bildet. Ebensowenig wie eine schriftliche Vorhaltbeantwortung eines Abgabepflichtigen eine von der Abgabenbehörde unternommene Amtshandlung sei, könne eine Aussage des Abgabepflichtigen im Rahmen eines Telefongespräches eine als Unterbrechungshandlung zu beurteilende Amtshandlung sein. Die bloße Tatsache eines Telefongespräches als solches und ein Schriftsatz des Abgabepflichtigen, der sich auf das Telefongespräch bezieht, stellten somit keine Unterbrechungshandlung dar (VwGH 30.9.1998, 94/13/0012).

22       Der Verwaltungsgerichtshof hegte auch Bedenken, ob ein Telefongespräch eine die Verlängerung der Verjährung bewirkende Amtshandlung gewesen wäre, weil schon die eigenen Feststellungen der damals belangten Behörde einen Bezug des Telefongesprächs zu dem damals in Rede stehenden, für die Börsenumsatzsteuer relevanten Abtretungsgeschäft vermissten (VwGH 7.9.2006, 2006/16/0041).

23       Das Bundesfinanzgericht stützt sich auf eine fernmündlich im Jahr 2008 erfolgte Verlängerung der vom Finanzamt mit Aufforderung vom 13. Dezember 2007 gesetzten Frist. Auch eine unwirksame (weil lediglich fernmündliche) Fristverlängerung könnte als Unterbrechungshandlung angesehen werden (vgl. VwGH 27.9.2012, 2009/16/0185). Das Bundesfinanzgericht lässt allerdings Feststellungen über den Inhalt jener Aufforderung vermissen. Auf welche der mehreren Zuwendungen von insgesamt vier Stiftern sich das Aufforderungsschreiben bezog, bleibt offen. Damit ist auch nicht ersichtlich, zur Geltendmachung welches Abgabenanspruchs (Schenkungssteuer für welche Zuwendung) sich dieses Schreiben, die damit gesetzte Frist und die vom Bundesfinanzgericht herangezogene Fristverlängerung beziehen.

24       Zwar kann nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Telefongespräch eine Unterbrechungshandlung darstellen, wenn der Inhalt des Telefongesprächs (auch) in einer Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs besteht, doch ist dies dem angefochtenen Erkenntnis - wie die Revisionswerberein zu Recht moniert - nicht zu entnehmen.

25       Auf die in Rede stehenden Telefongespräche durfte sich das Bundesfinanzgericht zur Verlängerung der Verjährungsfrist daher nicht stützen.

26       Ist der Steueranspruch nach der Annahme des Bundesfinanzgerichtes im Jahr 2007 entstanden, so hat die Verjährungsfrist gemäß § 208 Abs. 1 BAO mit Ablauf des Jahres 2007 begonnen.

27       Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 209 Abs. 1 BAO verlängern innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207 BAO) unternommene Amtshandlungen die Verjährungsfrist. Innerhalb der Verjährungsfrist liegen Zeiträume zwischen Beginn und Ablauf der in § 207 BAO in Jahren ausgedrückten Verjährungsfrist. Vor Beginn der Verjährungsfrist unternommene Amtshandlungen liegen nicht innerhalb der Verjährungsfrist und führen daher nicht zu deren Verlängerung.

28       Insoweit hat sich mit den Änderungen des § 209 Abs. 1 BAO durch das Steuerreformgesetz 2005 (StReformG 2005), BGBl. I Nr. 57/2004, und das Abgabenänderungsgesetz 2004 (AbgÄG 2004) BGBl. I Nr. 180/2004, nichts geändert. Denn nach § 209 Abs. 1 BAO idF vor diesen Änderungen führten zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs gesetzte Amtshandlungen zur Unterbrechung der Verjährung. Eine Unterbrechung einer Frist erfordert aber begrifflich bereits den erfolgten Beginn des Fristenlaufs.

29       Somit durfte sich das Bundesfinanzgericht auch nicht auf das vor Beginn der Verjährungsfrist und damit nicht innerhalb der Verjährungsfrist ergangene Schreiben des Finanzamtes vom 13. Dezember 2007 stützen, wobei zu bemerken bleibt, dass mangels Feststellungen über den näheren Inhalt des Schreibens auch nicht beurteilbar ist, zur Geltendmachung welches Abgabenanspruchs das Schreiben ergangen ist.

30       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

31       Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.

Wien, am 4. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019160004.J00

Im RIS seit

13.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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