TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/18 96/09/0287

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Veröffentlicht am 18.03.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AuslBG §3 Abs1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
VStG §51e Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Ing. K in L, vertreten durch Ehrlich-Rogner & Schlögl, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien I, Himmelpfortgasse 20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 26. März 1996, Zl. Senat-MI-94-418, (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 10. Februar 1994 wurde der Beschwerdeführer (über Anzeige des Arbeitsamtes Mistelbach) in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma M Ges.m.b.H. mit Sitz in P schuldig erkannt, er habe es zu verantworten, daß die ausländischen Arbeitskräfte L am 5. und am 7. sowie vom 8. bis 22. April 1993 und Herr O in der Zeit vom 5. bis 15. sowie vom 16. bis 22. April 1993 auf der Baustelle P, S-Straße, als Arbeitnehmer mit Bauhilfsarbeiten beschäftigt worden seien, obwohl dieser Gesellschaft für diese Personen keine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei und diese auch keine gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besessen hätten. Er habe damit gegen § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz in zwei Fällen verstoßen und werde gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG zu einer Geldstrafe in Höhe von je S 30.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 14 Tage) sowie zu einem Kostenbeitrag von S 6.000,--, insgesamt daher S 66.000,-- bestraft.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, mit dem wesentlichen Inhalt, er habe die genannten Ausländer zwar einstellen wollen, jedoch keine Beschäftigungsbewilligungen beim Arbeitsamt erhalten. Er selbst habe nichts davon gewußt, daß der Polier der

M Gesellschaft m.b.H. in der Zeit zwischen Antragstellung und Entscheidung des Arbeitsamtes die Ausländer bereits zu verschiedensten Arbeiten herangezogen habe und er diesen Umstand auch nicht - wie unternehmensintern vorgeschrieben - der Lohnbuchhalterin gemeldet habe. Er als handelsrechtlicher Geschäftsführer eines Unternehmens könne nicht alle Arbeiten selber ausführen, sondern habe verschiedene Aufgaben an Erfüllungsgehilfen delegiert. Den Polieren der

M Gesellschaft m.b.H. komme die Kompetenz zu, Arbeiter auszusuchen, sie seien jedoch angewiesen, keine Zusagen abzugeben, bevor nicht eine Beschäftigungsbewilligung eingeholt bzw. überprüft worden sei, ob eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein vorliege. Das Einholen von Beschäftigungsbewilligungen, die Anmeldung von Arbeitnehmern etc. obliege der Lohnbuchhalterin. Die Poliere müßten jede ins Auge gefaßte Aufnahme eines Mitarbeiters der Lohnbuchhalterin melden, die sich dann um notwendigen Formalitäten zu kümmern habe. Durch diese Vorkehrung sei organisatorisch alles getan, was bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit der Mitarbeiter den gesetzwidrigen Erfolg verhindere. Sowohl der im gegenständlichen Fall tätig gewordene Polier als auch die Lohnverrechnerin seien langjährige, verläßliche Mitarbeiter der

M Gesellschaft m.b.H. gewesen. Die Nichtmeldung der Ausländer durch den Polier an die Lohnverrechnerin sei vermutlich auf ein Mißverständnis zurückzuführen gewesen, da die genannten Ausländer bereits im Jahr 1992 bei der M Gesellschaft m.b.H. beschäftigt gewesen seien und damals eine gültige Arbeitserlaubnis besessen hätten. Der Polier habe offenbar angenommen, daß diese Situation noch weiter bestanden habe. Den Beschwerdeführer treffe daher im vorliegenden Fall kein Verschulden. Selbst bei regelmäßiger Überwachung komme es zu (entschuldbaren) Fehlleistungen von Erfüllungsgehilfen; diese völlig auszuschließen sei nie möglich, eine solche Forderung sei lebensfremd. Im übrigen habe die Behörde erster Instanz die weiteren vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen mit einer Scheinbegründung nicht gehört. Im übrigen bekämpfte der Beschwerdeführer die erstinstanzliche Beweiswürdigung sowie die Strafbemessung als mangelhaft.

Ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung erließ die belangte Behörde den nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 26. März 1996, mit dem sie das erstinstanzliche Straferkenntnis hinsichtlich des Schuldspruches bestätigte, die Strafen jedoch auf je S 10.000,-- (bzw. einer Ersatzfreiheitsstrafe von je einem Tag) sowie den Kostenbeitrag auf S 2.000,-- reduzierte.

Nach Darstellung der von ihr Anwendung gebrachten Rechtslage und des bisherigen Verfahrensganges ging die belangte Behörde in ihrer Begründung davon aus, das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers könne keinen Entlastungsbeweis ein nach § 5 Abs. 1 2. Satz VStG darstellen, weil ein Kontrollsystem, wie es der Beschwerdeführer behauptet habe, in der Firma einfach nicht existiert haben könne, weil es ansonsten unmöglich gewesen wäre, daß zwei ausländische Arbeitskräfte, die sich aus welchem Grund auch immer im Bereich des Firmenareals aufgehalten hätten, einzig und allein, weil sie gerade auf dem Firmengelände aufhältig gewesen seien, von einem Polier auf die Baustelle mitgenommen würden, wobei dieser Polier über die Mitnahme der Arbeitskräfte auf die Baustelle auch keinerlei weitere Informationen an das Büro weitergebe. Eine derartige firmeninterne Ablauforganisation sei jedenfalls nicht geeignet, ein Kontrollsystem wie der Berufungswerber behauptet habe, darzulegen. Darüber hinaus habe der von der Erstbehörde einvernommene Polier bestritten, daß er die Ausländer auf die Baustelle mitgenommen habe, er sei hiezu auch nicht berechtigt gewesen, vielmehr seien die Arbeiter für die Baustelle von der Firmenleitung zugeteilt worden und überdies habe er sich zu dem im Straferkenntnis der ersten Instanz angeführten Tatzeitpunkt bereits in Pension befunden. Für diese Aussage und das Nichtvorhandensein eines geeigneten Kontrollsystems spreche auch der Umstand, daß die Ausländer nicht erstmalig auf die Baustelle mitgenommen worden seien, sondern, wie sich aus den Beschäftigungszeitraum im Straferkenntnis der ersten Instanz ersichtlich sei, über mehrere Zeiträume hinweg. Im übrigen erläuterte die belangte Behörde im einzelnen die von ihr in Erwägung gezogenen Strafzumessungsgründe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht, nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bestraft zu werden sowie in seinem Recht auf Durchführung eines gesetzmäßigen Verfahrens verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer zusammengefaßt im wesentlichen geltend, die belangte Behörde habe in Verletzung der Vorschrift des § 51e VStG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu seinem Nachteil die Verschuldensfrage gelöst, ein Verschulden bestreite er hingegen nach wie vor entschieden. Zu seiner Entlastung habe der Beschwerdeführer insbesondere die Einvernahme der Zeugin V, des Poliers H und des Bautechnikers G beantragt, die die belangte Behörde ohne nähere Begründung unterlassen habe. Die belangte Behörde habe zu Unrecht und einfach aus der Luft gegriffen dem Beschwerdeführer eine Vernachlässigung oder gar ein Nichtvorhandensein eines geeigneten Kontrollsystems vorgeworfen, ohne sich mit den von ihm zu diesem Beweisthema angebotenen Entlastungsbeweisen auseinanderzusetzen.

Gemäß § 51e Abs. 1 VStG in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 620/1995 ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen ist oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige zu laden. Wenn in der Berufung ausdrücklich nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, ist nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle eine Verhandlung nur dann anzuberaumen, wenn dies in der Berufung ausdrücklich verlangt wurde.

Gemäß § 51i leg. cit. ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet.

Schon in der Berufung machte der Beschwerdeführer unter anderem mangelhafte Sachverhaltsfeststellung und unrichtige Beweiswürdigung geltend. Er hat demnach auch im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde die Strafbarkeit des ihm vorgeworfenen Verhaltens auch auf Sachverhaltsebene bestritten. Es lagen daher der belangten Behörde strittige Tatfragen vor, die der Klärung in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung bedurft hätten. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war nach Lage des Beschwerdefalles zudem auch deshalb geboten, weil die belangte Behörde in den strittigen Sachverhaltsfragen zu dem für den Beschwerdeführer nachteiligen Ergebnis gelangt ist, in dem sie in den strittigen Sachverhaltsfragen allein aufgrund der ihr vorliegenden vor der Behörde erster Instanz aufgenommenen Zeugenaussagen eine selbständige - wenngleich mit der Behörde erster Instanz übereinstimmende - Beweiswürdigung vornahm, ohne diese Zeugen unmittelbar selbst vernommen zu haben oder auch die vom Beschwerdeführer zu seiner Entlastung angebotenen ergänzenden Zeugen einzuvernehmen. Der Beschwerdeführer hat sich darauf berufen, die beschwerdegegenständliche Beschäftigung der Ausländer sei durch ein Mißverständnis trotz eines generell funktionierenden Kontrollsystems ohne sein Wissen erfolgt und hat hiezu Beweise angeboten. Geht nun die belangte Behörde davon aus, diese Zeugen seien nicht einzuvernehmen gewesen, da sich aus den Umständen des Beschwerdefalles ergeben habe, daß in dem vom Beschwerdeführer vertretenen Unternehmen ein "Kontrollsystem einfach nicht existiert haben kann", so ist diese Überlegung eine unzulässige antizipative Beweiswürdigung. Für den Fall des gesetzmäßigen Vorgehens hätte die belangte Behörde bei der sich im Beschwerdefall ergebenden Beweislage im Hinblick auf § 51i VStG (Unmittelbarkeit des Verfahrens) bei ihrer Entscheidung nur auf das Rücksicht nehmen dürfen, was in der Verhandlung vorgekommen ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 6. März 1997, Zl. 95/09/0207). In diesem Fall hätte sie sich dann aufgrund des unmittelbaren Eindruckes nicht nur mit den Aussagen jener Zeugen, die schon Gegenstand des Verfahrens erster Instanz gewesen waren, sondern auch jener zusätzlichen, in der Berufung beantragten Zeugen im Rahmen beweiswürdigender Erwägung auseinanderzusetzen gehabt.

Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ist vom Verwaltungsgerichtshof der vor ihm angefochtene Bescheid aufzuheben, wenn Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Im vorliegenden Fall läßt sich nicht ausschließen, daß die belangte Behörde bei Beachtung der Bestimmung der §§ 51e und 51i VStG sowie unter Wahrung der dem Beschwerdeführer in der Verhandlung zukommenden Mitwirkungsbefugnisse zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996090287.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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