TE Vwgh Erkenntnis 2020/5/4 Ra 2019/03/0141

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Veröffentlicht am 04.05.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/04 Sprengmittel Waffen Munition

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §52
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
WaffG 1996
WaffG 1996 §12 Abs1
WaffG 1996 §8 Abs6

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Mag. M G in L, vertreten durch Mag. Edgar Kilian, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brucknerstraße 2/5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 5. September 2019, Zl. LVwG-AV-227/001-2018, betreffend Waffenverbot (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Krems), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Krems an der Donau vom 23. Jänner 2018 wurde dem Revisionswerber der Besitz von Waffen und Munition gemäß § 12 Abs. 1 WaffG verboten. Die Behörde legte diesem Bescheid den bereits im Mandatsbescheid vom 5. September 2017 angenommenen Sachverhalt zu Grunde. Demnach sei am 22. August 2017 gegen 18:00 Uhr die Polizeiinspektion Krems von C.M. informiert worden, dass der Revisionswerber Selbstmordabsichten geäußert und Nervengift zu sich genommen habe. Der Revisionswerber sei daraufhin von Beamten der Polizeiinspektion Krems an seinem näher bezeichneten Firmensitz und weiteren Wohnsitz in stark alkoholisiertem Zustand angetroffen worden. Er habe angegeben, Wasserstoff und Arsen-Biozid zu sich genommen zu haben, um den Tod zu sehen. Weiters habe er immer wieder angegeben, mit einer verbotenen Schusswaffe, einem russischen Sturmgewehr Kalaschnikow AK-47, im Innenhof seines Anwesens mehrere Schüsse abgegeben zu haben. So hätten am 15. August 2015 gegen 17:10 Uhr Zeugen zwei Schüsse aus dem Anwesen gehört. Den Polizeibeamten gegenüber habe der Revisionswerber wiederholt angegeben, dass die Polizei die Kalaschnikow AK-47 nie finden würde. Der Revisionswerber sei in das Krankenhaus Krems verbracht und vorerst auf der Intensivstation aufgenommen worden. Dort sei ein Blutalkoholwert von 3,2 Promille festgestellt worden. Am 24. August 2017 sei er in das Krankenhaus Tulln zur Behandlung auf die Erwachsenenpsychiatrie eingeliefert worden. Über Anordnung der Staatsanwaltschaft Krems seien das Wohngebäude und Nebengebäude des Revisionswerbers durchsucht worden. Die Suche nach dem Sturmgewehr Kalaschnikow AK-47 sei ohne Ergebnis verlaufen. 2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde. Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde abgewiesen und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof als nicht zulässig erklärt.

3 Nach Darlegungen zum angefochtenen Bescheid und zum Verfahrensgang, unter anderem zur - letztlich wegen Nichterscheinens des Revisionswerbers bei mehreren Terminen - unterbliebenen Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens über den Gesundheitszustand des Revisionswerbers im Verfahren vor der belangten Behörde, zum Inhalt des Berichts der Polizeiinspektion über den Vorfall vom 22. August 2017 und zu den Angaben des Revisionswerbers bei der mündlichen Verhandlung, stellte das Verwaltungsgericht unter der Überschrift "Wesentlicher Sachverhalt" Folgendes fest:

"Am 22.8.2017 wurde die Polizeiinspektion Krems über einen angekündigten Selbstmord des (Revisionswerbers) in Kenntnis gesetzt. Der Anruf erfolgte von (C.M.), einer langjährigen Bekannten des (Revisionswerbers). Gegenüber den eintreffenden Polizeibeamten hat (der Revisionswerber) angegeben, dass er Arsen-Biozid in geringsten Mengen zu sich genommen hat, um ‚den Tod zu sehen'. Er wurde in das Krankenhaus Krems, Intensivstation, eingeliefert. Der Blutalkoholgehalt ergab 3,2 Promille. In weiterer Folge war er im Krankenhaus Tulln, Erwachsenenpsychiatrie, zehn Tage in Behandlung. Im Anwesen des (Revisionswerbers) wurden mehrere Langwaffen und Faustfeuerwaffen und Munition sichergestellt. Eine waffenrechtliche Urkunde lag vor. Ein Sturmgewehr AK47 wurde auf dem Gelände in (...) nicht vorgefunden.

Die wiederholte Aufforderung, sich beim Amtsarzt der belangten Behörde untersuchen zu lassen, wurde ignoriert. Der Blutbefund des Kremser Landeskrankenhauses wurde nicht beigebracht."

4 In der Folge führt das Verwaltungsgericht unter der Überschrift "Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung" im Wesentlichen aus, dass Einsicht in den Verwaltungsakt der belangten Behörde genommen worden sei. Dieser bestehe im Wesentlichen aus den Berichten der Polizeiinspektion Krems an der Donau nach der Ankündigung des Selbstmordes, der Vorstellung des Revisionswerbers und der Befragung von Anrainern hinsichtlich der Schussabgabe. Der Entlassungsbericht des Landesklinikums Tulln sei beigebracht worden.

Es sei unbestritten, dass am 22. August 2017 um 18:00 Uhr C.M. die Polizeiinspektion Krems wegen eines angekündigten Selbstmordversuches verständigt habe. Der Revisionswerber habe nach ihren Angaben in einem Gespräch "die Einnahme von Nervengift geäußert". Diese Äußerung habe er auch gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten gemacht. Die einschreitenden Beamten hätten mit der Anruferin, C.M., Rücksprache gehalten. Diese habe bestätigt, dass der Revisionswerber die Einnahme von Nervengift angekündigt habe. Der Revisionswerber sei in das Landeskrankenhaus Krems eingeliefert und intensivmedizinisch betreut worden. Es seien 3,2 Promille Blutalkoholgehalt festgestellt worden. Im Zuge des Verfahrens und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung habe der Revisionswerber die Einnahme von Nervengift verneint und angegeben, gegenüber seiner langjährig Bekannten nur allgemein über die Selbstmordrate bei Landwirten gesprochen zu haben. Demgegenüber stehe jedoch nicht nur die wiederholte telefonische Aussage von C.M. gegenüber den Polizeibeamten, sondern auch die Aussage des Revisionswerbers gegenüber den einschreitenden Beamten, wonach er durch die Einnahme von Wasserstoff und einem Nervengift "den Tod sehen" habe wollen. Die Äußerung gegenüber den Beamten sei vom Revisionswerber mit Erinnerungslücken (retrograde Amnesie) kommentiert worden und er habe angegeben, dass er kein Arsen besitze.

Die Verhängung eines Waffenverbotes diene der Verhütung von Gefährdungen der in § 12 Abs. 1 WaffG bezeichneten Art und setze nicht voraus, dass es schon zu einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen durch den Betroffenen gekommen sei. Es genüge, wenn konkrete Umstände vorliegen, durch die die im Gesetz umschriebene Annahme für die Zukunft gerechtfertigt erscheine. Bei der Beurteilung dieser Frage sei nach dem Schutzzweck des WaffG ein strenger Maßstab anzulegen. Ernsthafte Selbstmordabsichten rechtfertigten die Verhängung eines Waffenverbots (Hinweis auf VwGH 24.1.1990, 89/01/0337). Der Revisionswerber habe die Selbstmordabsichten gegenüber den einschreitenden Beamten geäußert. In weiterer Folge seien Maßnahmen nach dem Unterbringungsgesetz ergriffen worden und der Revisionswerber sei nach der intensivmedizinischen Behandlung im Krankenhaus Krems unter Polizeibegleitung in das Landesklinikum Tulln überstellt worden. Unter der im ärztlichen Entlassungsbrief des Landesklinikums Tulln angeführten Diagnose "schwere Episode ohne psychotische Symptome F32.2" sei nach dem Klassifizierungscode der WHO "eine schwere depressive Episode mit Suizidgedanken und Handlungen häufig anzutreffen." Typischerweise bestehe ein Verlust des Selbstwertgefühls und Gefühle von Wertlosigkeit und Schuld.

Von der belangten Behörde sei der Revisionswerber zum Amtsarzt bestellt worden. Nach der ersten Ladung habe er sich wegen dringender Arbeiten im landwirtschaftlichen Betrieb entschuldigt. Trotz seines von ihm vorgebrachten Hinweises, dass er im Herbst mehr Zeit haben würde, habe er die Ladungen für November und Dezember 2017 ebenfalls ignoriert und sei beim Amtsarzt nicht erschienen. Somit sei es für die belangte Behörde zum Entscheidungszeitpunkt nicht möglich gewesen festzustellen, ob die gesundheitliche Eignung gegeben sei, sodass von einer bestimmten Tatsache nach § 12 Abs. 1 WaffG auszugehen sei und dass durch die missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährdet werden könnte. Mit der Weigerung, sich der Begutachtung durch den Amtsarzt zu unterziehen, habe der Revisionswerber seine Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts verletzt und sich um die Gelegenheit gebracht, in einem Untersuchungsgespräch mit dem Amtsarzt die Spitalsbefunde und damit die Grundlage für den Schluss auf eine Missbrauchsgefahr nach § 12 WaffG zu entkräften (Hinweis auf VwGH 27.11.2012, 2012/03/0134). Im Entlassungsbrief des Landesklinikums Tulln sei zudem eine Weiterbetreuung durch einen niedergelassenen Facharzt für Psychiatrie empfohlen worden. Der Revisionswerber habe sich nach den Ausführungen in dem Entlassungsbrief damit einverstanden erklärt. Die Bestimmungen des WaffG würden auch dem erkennenden Gericht keine Möglichkeit geben, Einsicht in die Krankenakte des Revisionswerbers zu nehmen bzw. die Befunde des Landesklinikums Krems anzufordern. Der Revisionswerber habe trotz Zusage und wiederholter Aufforderung die Befunde nicht beigebracht und es sei von einer weiterführenden psychiatrischen Behandlung auch nichts bekannt. Ein zumindest mündlich zugesagtes Gutachten oder Äußerung eines Facharztes auf dem Gebiet der Psychiatrie sei ebenfalls nicht beigebracht worden. Vielmehr habe sich der Revisionswerber als nicht zuverlässig hinsichtlich der angekündigten Übermittlung der Unterlagen erwiesen und zuletzt die unterlassene Übermittlung auf einen unzuverlässigen Familienangehörigen zurückgeführt.

Beim Revisionswerber seien mehrere Schusswaffen sichergestellt worden, darunter zwei Faustfeuerwaffen und Munition. Ob er tatsächlich auf seinem Anwesen Schießübungen durchgeführt habe und dadurch neben einer Lärmerregung allfällige Gefährdung anderer Personen und Sachen vorgelegen sei, sei nicht verifiziert worden. Die Angaben hinsichtlich des Besitzes von Kriegsmaterial (Maschinengewehr AK47) seien nicht bestätigt worden, wobei auf Grund der Größe des Areals eine lückenlose Kontrolle kaum möglich sei. Ein wiederholter Alkoholmissbrauch sei für sich genommen nicht geeignet, um ein Waffenverbot zu begründen, sofern nicht andere Umstände hinzutreten (Hinweis auf VwGH 30.6.2011, 2008/03/0114, und VwGH 25.1.2001, 2000/20/0153). Die ernsten Selbstmordabsichten, die die Verhängung eines Waffenverbots rechtfertigten (Hinweis auf VwGH 21.10.2011, 2010/03/0148), seien zum Tatzeitpunkt vorgelegen und bis zur nunmehrigen Entscheidung nicht entkräftet worden, zumal der Revisionswerber auch keine weitere psychiatrische Behandlung in Anspruch genommen habe. Der Beschwerde sei sohin der Erfolg zu versagen. Bei diesem Ergebnis sei auf die Frage der waffenrechtlichen Verlässlichkeit nach § 8 WaffG nicht einzugehen und nicht zu untersuchen, ob andere Personen Zutritt zu dem Raum hatten, wo die Waffen ohne zusätzliche Sicherung vorgefunden worden seien.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, in der der Revisionswerber die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit beantragt.

6 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein. Die belangte Behörde erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, dass das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche. Nach dem auch vom Verwaltungsgericht zitierten Erkenntnis des VwGH vom 21. Oktober 2011, 2010/03/0148, rechtfertigten ernsthafte Selbstmordabsichten zwar die Verhängung eines Waffenverbotes, derartige Absichten müssten sich aber nicht nur bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit, sondern auch noch bei Erlassung des Waffenverbots durch die belangte Behörde feststellen lassen, um die Gefährdungsprognose im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG nachvollziehbar zu machen.

8 Die Revision erweist sich aus den in der Revision dargelegten Gründen als zulässig und berechtigt:

9 Gemäß § 12 Abs. 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte. 10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dient die Verhängung eines Waffenverbotes der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt erkannt, dass ernsthafte Selbstmordabsichten die Verhängung eines Waffenverbots rechtfertigen. Derartige Absichten müssen sich aber nicht nur bezogen auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit, sondern auch noch bei Erlassung des Waffenverbots durch die entscheidende Behörde - im Falle einer Beschwerde im Zeitpunkt der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht - feststellen lassen, um die Gefährdungsprognose im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG nachvollziehbar zu machen (vgl. etwa VwGH 2.3.2016, Ra 2016/03/0011, mit weiteren Nachweisen).

11 Im Fall des § 12 WaffG kann dem Betroffenen die Beibringung eines Gutachtens nicht mit einer dem § 8 Abs. 6 WaffG betreffend die Verlässlichkeitsprüfung entsprechenden Wirkung aufgetragen werden, sondern die Behörde hat entweder sogleich oder im Fall der Nichtvorlage eines Gutachtens durch den Betroffenen von Amts wegen einen entsprechenden Sachverständigen zu bestellen und selbst mit der Erstellung eines Gutachtens zu betrauen. Wirkt der Betroffene dann nicht entsprechend mit, kann die Behörde diesen Umstand - auch in einem Verfahren nach § 12 WaffG - zum Nachteil des Betroffenen würdigen. Zur Anordnung einer ärztlichen Untersuchung und Gutachtenserstellung bzw. zur besagten Würdigung der Verletzung der Mitwirkungspflicht bedarf es bestimmter Anhaltspunkte dafür, dass vom Betroffenen eine Gefährdung im Sinne des § 12 WaffG ausgehen könnte, wobei für die Anordnung einer ärztlichen oder psychologischen Begutachtung des Betroffenen keine allzu hohen Anforderungen in Bezug auf die Umstände, die eine solche Anordnung gerechtfertigt erscheinen lassen, zu stellen sind (vgl. VwGH 25.3.2009, 2007/03/0087; 27.11.2012, 2012/03/0134). 12 Im vorliegenden Revisionsfall ist zunächst festzuhalten, dass das angefochtene Erkenntnis nicht den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung einer Entscheidung eines Verwaltungsgerichts (vgl. dazu etwa VwGH 19.6.2015, Ra 2015/03/0027) entspricht, da es unter anderem keine Trennung zwischen Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung enthält und Feststellungen, beweiswürdigende Überlegungen und rechtliche Beurteilungen im gesamten Verlauf der Begründung vermengt werden. 13 Die Ausführungen, wonach "nicht verifiziert" hätte werden können, ob der Revisionswerber tatsächlich "Schießübungen" auf seinem Anwesen mit einer damit verbundenen allfälligen Gefährdung anderer Personen durchgeführt habe (vgl. zur Beurteilung von Schießübungen auf der eigenen Liegenschaft etwa VwGH 22.08.2018, Ra 2018/03/0077), sowie das Dahinstehenlassen einer möglichen nicht sachgemäßen Verwahrung von Waffen (vgl. zur möglichen Berücksichtigung der nicht sorgfältigen Aufbewahrung von Waffen als "bestimmte Tatsache" im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG VwGH 28.02.2006, 2005/03/0206) lassen erkennen, dass das Verwaltungsgericht - anders als noch die belangte Behörde, die aufgrund der von ihr angenommenen "Schießübungen" des Revisionswerbers auch von einer Gefahr für andere Personen ausgegangen ist - das Waffenverbot ausschließlich auf das Vorliegen von Selbstmordabsichten gestützt hat.

14 Der mit der Überschrift "Wesentlicher Sachverhalt" versehene Teil des angefochtenen Erkenntnisses enthält jedoch keine nachvollziehbaren Feststellungen zum Vorliegen von Selbstmordabsichten des Revisionswerbers zum Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes. Soweit die Ausführungen gegen Ende des angefochtenen Erkenntnisses, wonach ernste Selbstmordabsichten des Revisionswerbers "zum Tatzeitpunkt" vorgelegen und bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtes "nicht entkräftet" worden seien, als Feststellung von Selbstmordabsichten im Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes zu verstehen sein sollten, fehlen dazu relevante beweiswürdigende Überlegungen. Die Revision weist in diesem Zusammenhang zudem zutreffend darauf hin, dass bereits im ärztlichen Entlassungsbrief des Universitätsklinikums Tulln vom 4. September 2017 - den auch die belangte Behörde im Verfahren vorgelegt hat - beim "Entlassungszustand" angegeben wird: "Aus fachärztlicher Sicht keine Selbst- oder Fremdgefährdung."

15 Das durch Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers vom Verwaltungsgericht verhängte Waffenverbot beruht damit nicht auf einem in einwandfreier Weise festgestellten Sachverhalt, der die der Entscheidung zugrundegelegte Annahme, beim Revisionswerber hätten zum Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes Selbstmordabsichten bestanden, zu tragen vermöchte. 16 Soweit das Verwaltungsgericht erkennbar auch auf eine Verletzung der Mitwirkungspflicht des Revisionswerbers im Verfahren vor der belangten Behörde - in dem er Ladungen zum Amtsarzt nicht Folge geleistet habe - abstellt, ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht verpflichtet war, in der Sache selbst zu entscheiden (Anhaltspunkte für eine mögliche Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG liegen nicht vor) und dazu den entscheidungswesentlichen Sachverhalt selbst festzustellen. Jedenfalls in einem Fall wie dem hier vorliegenden, in dem über die Beschwerde erst mehr als eineinhalb Jahre nach Erlassung des angefochtenen Bescheides entschieden wurde, kann die für die Verhängung eines Waffenverbots hier entscheidende Annahme, es bestünden zum Entscheidungszeitpunkt ernsthafte Selbstmordabsichten, nicht darauf gestützt werden, dass der Revisionswerber im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde die zur Erstellung eines behördlich beauftragten Sachverständigengutachtens

bzw. zu einer amtsärztlichen Untersuchung erforderliche Mitwirkung verweigert habe.

17 Wenn das Verwaltungsgericht im Übrigen davon ausgeht, dass der Revisionswerber die Beibringung einer fachärztlichen Stellungnahme (Gutachten) "mündlich zugesagt" habe - in einem im verwaltungsgerichtlichen Akt befindlichen Schreiben des Verwaltungsgerichtes ist von einer "im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung" erfolgten Zusage die Rede - ist auf die bereits oben (Rn. 11) zitierte Rechtsprechung hinzuweisen. Das Verwaltungsgericht hätte daher entweder sogleich oder im hier vorliegenden Fall der Nichtvorlage eines Gutachtens durch den Betroffenen von Amts wegen einen entsprechenden Sachverständigen zu bestellen und selbst mit der Erstellung eines Gutachtens zu betrauen gehabt. Hätte der Revisionswerber dann nicht entsprechend mitgewirkt, könnte dies zum Nachteil des Betroffenen gewürdigt werden. Anzumerken ist zudem, dass eine derartige "Zusage" des Revisionswerbers in der Niederschrift über die Verhandlung nicht zu finden ist; dort ist nur vermerkt, dass der Revisionswerber bekannt gegeben habe, innerhalb von zwei Wochen "den Blutbefund vom Krankenhaus Krems" (womit offensichtlich ein im Zuge des Aufenthalts des Revisionswerbers in diesem Krankenhaus unmittelbar nach dem Vorfall vom 22. August 2017 erstellter Blutbefund gemeint war) beizubringen (der demnach über das Vorliegen einer Selbstmordgefährdung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes - mehr als zwei Jahre nach dem Vorfall - nichts hätte beitragen können).

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

20 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 4. Mai 2020

Schlagworte

Beweismittel SachverständigenbeweisSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019030141.L00

Im RIS seit

30.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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