Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BVergG 2006 §13 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision der G Ges.m.b.H. in M, vertreten durch Dr. Martin Leitner und Dr. Ralph Trischler, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Lindengasse 38/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2018, Zlen. W138 2203766-1/23E, W138 2203771-1/25E, und den Beschluss vom 30. Oktober 2018, Zlen. W138 2203766-2/2E, W138 2203771-2/2E, betreffend vergaberechtliches Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. F AG, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6, und 2. C GmbH in W, vertreten durch die Singer Fössl Rechtsanwälte OG in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 30), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1.1 Die Erstmitbeteiligte (im Folgenden: Auftraggeberin) führte im Jahr 2008 ein Vergabeverfahren mit der Bezeichnung "Ausschreibung für die Lieferung von div. Hygieneartikel sowie der dafür benötigten Spender am Flughafen X* für die Dauer von vier Jahren mit Option auf ein weiteres Jahr" als Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb nach den Bestimmungen des Sektorenvergaberechts. Die Ausschreibung umfasste die Lieferung von Hygieneartikeln aus Papier und Zellstoff, etwa Toilettenpapier, Putzpapier, Falt- und Rollenhandtücher, sowie Duftspender und Hygienebehälter und die Ausstattung mit Spendersystemen. Die Auftragsgeberin erteilte der Zweitmitbeteiligten einen entsprechenden Zuschlag. Nach Inanspruchnahme einer vertraglich vereinbarten Verlängerungsoption endete die Vertragslaufzeit am 30. Juni 2014.
2 1.2 Am 6. Juni 2014 schloss die Auftraggeberin betreffend die Lieferung von Handtuchrollen, Seife, Lufterfrischer und Toilettensitzreinigern "für bestehende Spendersysteme" wiederum mit der Zweitmitbeteiligten einen Rahmenvertrag für die Dauer von drei Jahren mit Option auf Verlängerung um weitere zwölf Monate. Dieser Vertrag wurde von der Auftraggeberin unter Berufung auf § 195 Z 3 iVm Z 5 BVergG 2006 im Wege eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung abgeschlossen.
3 Hinsichtlich dieses Vertrages stellte die Revisionswerberin am 29. Juni 2017 einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Vergabevorgangs. Dieser Antrag wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2018, W139 2162939-2/81E, abgewiesen. Gegen diese Entscheidung wurde Revision erhoben.
4 1.3 Am 25. Juni 2018 beauftragte die Auftraggeberin die Zweitmitbeteiligte mit der Lieferung von Papierhandtuchrollen sowie Seife und Lufterfrischer jeweils im Weg der Direktvergabe. 5 Bezugnehmend auf diese Beschaffungen stellte die Revisionswerberin am 8. August 2018 den (verfahrensgegenständlichen) Antrag, das Bundesverwaltungsgericht möge feststellen, dass die Auftraggeberin den Vertrag betreffend die Vergabe von Hygieneartikeln aus Papier und Zellstoff, wie Toilettenpapier, Rollenhandtücher, Falthandtücher, Putzpapierrollen, Zellstofftücher, Flüssigseife und Duftpatronen sowie dazugehörige Spender (Rollenhandtuchspender, Seifenspender und Duftspender) und Hygienebehälter rechtswidriger Weise ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens mit vorheriger Bekanntmachung bzw. vorherigem Aufruf zum Wettbewerb durchgeführt habe.
6 2.1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht diesen Antrag ab (Spruchpunkt A). Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
7 Ergänzend zu dem oben wiedergegebenen Sachverhalt stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, der Auftragswert der verfahrensgegenständlichen Direktvergaben liege jeweils unter EUR 100.000,--. Bezüglich der Seife und den Lufterfrischern sei eine Vertragslaufzeit von 1. Juli 2018 bis 31. Dezember 2018 vereinbart, die Vertragslaufzeit für die Handtuchrollen ende bereits am 30. September 2018.
8 In rechtlicher Hinsicht bejahte das Bundesverwaltungsgericht zunächst die eigene Zuständigkeit und die Antragslegitimation der Revisionswerberin.
9 Zur Berechnung der geschätzten Auftragswerte führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es handle sich jeweils um Lieferverträge mit einer Laufzeit von unter zwölf Monaten. Es seien daher die voraussichtlich zu leistenden Entgelte zugrunde zu legen. Bei der Beschaffung von Flüssigseife und Lufterfrischern einerseits und Papierhandtüchern andererseits handle es sich nicht um gleichartige Lieferungen im Sinne der Rechtsprechung. Die Produkte würden nicht aus vergleichbaren Stoffen oder gleichen Fertigungsmethoden hergestellt. Sie würden auch nicht einem im Wesentlichen einheitlichen Verwendungszweck dienen. Die Annahme der Revisionswerberin, es handle sich bei den Produkten jeweils um solche der Körperhygiene, weshalb die Aufträge zusammenzurechnen seien, sei zu weit gefasst. Die Auftraggeberin habe die Auftragswerte richtig errechnet und aus diesem Grund jeweils eine Direktvergabe durchführen dürfen. Die Feststellungsanträge seien daher abzuweisen.
10 2.2 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Ersatz der für den Feststellungsantrag entrichteten Pauschalgebühr ab und erklärte unter einem die ordentliche Revision für nicht zulässig. Zur Begründung des Beschlusses verwies das Verwaltungsgericht auf das oben dargestellte Ergebnis betreffend den Feststellungsantrag und darauf, dass ein Ersatz der entrichteten Pauschalgebühr wegen der Abweisung des Antrages nicht stattfinde.
11 3. Gegen diese Entscheidungen richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, die angefochtenen Entscheidungen aufzuheben.
12 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 15 4.1 Die Revision bringt zur Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht sei mit der angefochtenen Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen und verweist dazu insbesondere auf das hg. Erkenntnis vom 20. April 2016, Ro 2014/04/0071.
16 4.2 In diesem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof Folgendes aus:
"Für die Beurteilung, ob ein für die Berechnung des geschätzten Auftragswertes maßgebliches einheitliches Vergabevorhaben iSd § 13 BVergG 2006 vorliegt, ist der Rechtsprechung des EuGH zufolge von einer - in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht - funktionellen Betrachtungsweise auszugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2014, 2013/04/0025, mit Verweis auf das Urteil des EuGH vom 15. März 2012 in der Rechtssache C-574/10, Kommission/Deutschland, Rn 36 ff). Die gebotene funktionelle Betrachtung erfordert nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Einbeziehung unterschiedlicher Gesichtspunkte wie den örtlichen Zusammenhang, den gemeinsamen Zweck, die gemeinsame Planung oder das Vorliegen von Aufträgen aus gleichen Fachgebieten (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis 2013/04/0025, mwN). Darüber hinaus ist als weiterer Gesichtspunkt zu berücksichtigen, ob die in Frage stehenden Auftragsvergaben einen wirtschaftlichen Zusammenhang aufweisen. Die Beurteilung der Zugehörigkeit von Aufträgen zu einem (einheitlichen) Vorhaben im Sinne des § 13 Abs. 1 BVergG 2006 ist demzufolge im Einzelfall der Vergabe eines Auftrags ausgehend von den jeweiligen tatsächlichen Umständen, die einen allfälligen wirtschaftlichen und technischen Zusammenhang begründen, vorzunehmen (vgl. das genannte Urteil des EuGH, C-16/98, Rn 64 und 65)."
17 4.3 Die Frage, ob bestimmte Beschaffungsvorgänge eine Zusammenrechnung der Aufträge erforderlich machen, ist aus einer Gesamtschau unter Bedachtnahme auf die Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung geht in ihrer Bedeutung nicht über den konkreten Fall hinaus und stellt daher keine grundsätzliche Rechtsfrage dar, weshalb diese keine Zulässigkeit der Revision begründet, sofern sie zumindest vertretbar ist (vgl. etwa VwGH 8.8.2018, Ra 2018/04/0135; VwGH 1.10.2018, Ra 2018/04/0010;) Die Zulässigkeit der Revision könnte sich daher nur ergeben, wenn in den Zulässigkeitsgründen substantiiert aufgezeigt wird, dass die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichts grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis führen würde (ständige Rechtsprechung; VwGH 18.12.2019, Ra 2018/17/0122; VwGH 17.12.2019, Ra 2018/06/0042; uva.).
18 Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Revision vermeint zwar, das Bundesverwaltungsgericht habe die Beurteilung abweichend von der Rechtsprechung vorgenommen, zeigt jedoch in der Zulässigkeitsbegründung nicht auf, inwiefern diese anhand unterschiedlicher Produktgruppen und jeweils unterschiedlicher Vertragslaufzeiten getroffene Annahme unvertretbar sei. 19 Hinsichtlich des Vorbringens der unklaren Vertragsdauer und der daraus resultierenden Notwendigkeit des Ansetzens des 48- fachen Monatsentgelts als geschätzten Auftragswert, weicht die Revision von den zugrunde zu legenden Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zu den - insofern klaren - Vertragslaufzeiten ab.
20 Hinsichtlich des angefochtenen Beschlusses über die Abweisung des Antrages auf Ersatz der Pauschalgebühren wurde kein darüber hinausgehendes Zulässigkeitsvorbringen erstattet. 21 4.4 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 4. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018040200.L00Im RIS seit
23.06.2020Zuletzt aktualisiert am
23.06.2020