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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §18 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache der F K T S, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Oktober 2019, Zl. G303 2223993-1/3Z, betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach dem BFA-VG in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den von der Revisionswerberin, einer peruanischen Staatsangehörigen, gestellten Antrag auf internationalen Schutz ab und sprach unter anderem aus, dass gegen sie eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen werde. Einer allfälligen Beschwerde wurde vom BFA gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt, weil die Revisionswerberin HIV-positiv sei und seit Anbeginn ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet der illegalen Prostitution nachgehe. Dadurch bestehe der Verdacht einer vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten. Darüber hinaus habe die Revisionswerberin im verwaltungsbehördlichen Verfahren Verfolgungsgründe nicht vorgebracht.
2 Mit dem in Revision gezogenen (Teil-)Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde, soweit sie sich gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung richtete, als unbegründet ab und sprach aus, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt werde. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
3 In der Begründung hielt das BVwG unter anderem fest, dass die Revisionswerberin eine einzige Diskriminierung durch eine Privatperson vorgebracht habe, nämlich dass sie nicht in eine Diskothek eingelassen worden sei. Die Revisionswerberin habe dies auch angezeigt und die Diskothek sei auf Grund der Anzeige geschlossen worden.
Die Revisionswerberin habe selbst eingeräumt, dass sie in Österreich illegal als „Sexualdienstleisterin“ Prostitution ausübe. Dieses festgestellte Fehlverhalten lasse ihren Aufenthalt im Bundesgebiet als Gefährdung der öffentlichen Ordnung erscheinen. Die illegale Prostitution bringe insbesondere die Gefahr der Verbreitung ansteckender Krankheiten mit sich und berühre damit das Grundinteresse der Gesellschaft an der Bekämpfung derartiger Krankheiten.
Auf Grund der dem BVwG vorliegenden Informationen über die Lage im Herkunftsstaat Peru würden sich keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 BFA-VG ergeben. Auch das Vorbringen der Revisionswerberin, transsexuell und HIV-positiv zu sein, führe nicht zwangsläufig dazu, dass im Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung (insbesondere) von Art. 3 EMRK bestehe. Die HIV-Erkrankung der Revisionswerberin werde im Herkunftsstaat behandelt. Die Revisionswerberin habe auch angegeben, dass es im Herkunftsstaat eine kostenlose Behandlung von HIV gäbe, sie dort regelmäßig Tabletten eingenommen und diese sogar bei ihrer Ausreise mitgenommen habe. Ebenso würden in Lima Geschlechtsumwandlungen durchgeführt. Die Revisionswerberin habe auch angegeben, sich dort einem hormonellen Umwandlungsprozess durch Injektionen unterzogen zu haben. Die Revisionswerberin verfüge im Herkunftsstaat über familiären Anschluss. Es lebten dort ihre Eltern und ihr Bruder sowie Onkeln und Tanten. Sie habe auch durch diverse Jobs, wie Kellner und Verkäufer, ihren Lebensunterhalt verdienen können. Zudem werde die Revisionswerberin laut eigenen Angaben von ihrer Mutter finanziell unterstützt. In Österreich bestehe hingegen kein schützenswertes Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK.
Es habe daher nicht festgestellt werden können, dass eine Abschiebung der Revisionswerberin in den Herkunftsstaat Peru eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
5 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das angefochtene (Teil-)Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den sich aus § 29 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen ab. Dem Erkenntnis lasse sich nicht entnehmen, von welchem Sachverhalt das BVwG ausgehe und aus welchen Erwägungen es die behördlichen Beweisergebnisse als nicht bestritten ansehe, obwohl die Revisionswerberin den beiden Annahmen des BFA, sie stelle infolge ihrer Sexarbeit bei gleichzeitig gegebener HIV-Erkrankung eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar und sie habe keine Verfolgungsgründe vorgebracht, in der Beschwerde entgegen getreten sei. So habe sie vorgebracht, Geschlechtsverkehr im Rahmen der von ihr ausgeübten Sexarbeit ausschließlich geschützt angeboten und demnach kein strafrechtswidriges Verhalten gesetzt zu haben. Vom BVwG sei nicht begründet worden, warum es die in der Beschwerde vorgetragene Kritik an diesen Beweisergebnissen für unbeachtlich erachte. Insbesondere enthalte das angefochtene Erkenntnis keine erkennbare Auseinandersetzung mit der Frage der Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der peruanischen Behörden. Angesichts der divergierenden Standpunkte betreffend eine drohende Verletzung der von Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte sowie der Erforderlichkeit, die Glaubwürdigkeit der Revisionswerberin zu beurteilen, habe das BVwG ferner zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.
6 Dem Vorwurf einer nicht nachvollziehbaren Begründung vermag sich der Verwaltungsgerichtshof am Boden des Inhaltes der angefochtenen Entscheidung, der die maßgeblichen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen sind, nicht anzuschließen. Das BVwG legte den von ihm angenommenen Sachverhalt - wenn auch disloziert - offen, stellte klar, dass sich dieser widerspruchsfrei aus dem Akteninhalt ergebe und diesem widerstreitende Beweisergebnisse nicht vorlägen. Es kam zu dem Ergebnis, dass insbesondere auf Grund der glaubhaften Angaben der Revisionswerberin nicht anzunehmen sei, dass ihre Abschiebung in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung der von Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte bedeuten würde. Ausgehend davon gelingt es der Revision nicht, eine mangelnde Nachvollziehbarkeit der vom BVwG gegebenen Begründung und damit ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufzuzeigen.
7 Das Revisionsvorbringen, wonach in der Beschwerde der Annahme des BFA, die Revisionswerberin habe keine Verfolgungsgründe vorgebracht (§ 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG), entgegengetreten worden sei, erweist sich insofern als unzutreffend, als auch in der Beschwerde ein Konnex des angeblich fluchtauslösenden Ereignisses mit einem Konventionsgrund nicht dargetan werden konnte. Insbesondere enthielt die über das gesamte verwaltungsbehördliche Verfahren gleichbleibende Schilderung dieses Ereignisses durch die Revisionswerberin einen Beleg für den ihr zugekommenen Schutz durch die peruanischen Behörden. Ein davon abweichendes Vorbringen wurde in der Beschwerde nicht erstattet.
Auf das in der Revision zu § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG erstattete Vorbringen kommt es somit fallbezogen nicht mehr an.
8 Soweit die Revision schließlich das Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung rügt, legt sie nicht dar, dass das BVwG das ihm durch § 21 Abs. 6a BFA-VG eingeräumte Ermessen in unvertretbarer Weise ausgeübt oder überschritten hätte. Dies gelingt der Revision weder mit dem Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber bei Erlassung des § 21 Abs. 6a BFA-VG „kein generelles Unterbleiben der Verhandlung vor Augen hatte“ (so in VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072), noch mit der von ihr ins Treffen geführten hg. Rechtsprechung (zB VwGH 29.8.2019, Ra 2018/19/0522) zu § 21 Abs. 7 BFA-VG. Insbesondere stellen sich im Zusammenhang mit der Beurteilung nach § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG keine Tatsachenfragen.
9 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 5. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190493.L00Im RIS seit
13.07.2020Zuletzt aktualisiert am
13.07.2020