TE Vwgh Beschluss 2020/5/5 Ra 2019/06/0023

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Veröffentlicht am 05.05.2020
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Vorarlberg
L81708 Baulärm Umgebungslärm Vorarlberg
L82008 Bauordnung Vorarlberg
001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13 Abs3
AVG §38
BauG Vlbg 2001 §24 Abs3 lita
BauG Vlbg 2001 §32 Abs1
BauG Vlbg 2001 §32 Abs2
B-VG Art133 Abs4
MRK Art6 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §24 Abs2
VwGVG 2014 §24 Abs2 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, über die Revision des T T in St. G, vertreten durch Dr. Michael Battlogg, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 8. November 2018, Zl. LVwG-318-63/2018-R8, betreffend eine Angelegenheit nach dem Vorarlberger Baugesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Berufungskommission der Gemeinde St. Gallenkirch; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde St. Gallenkirch vom 8. Jänner 2015 wurde dem Revisionswerber die Errichtung einer Teichanlage, einer Zufahrtstraße mit Stützmauern, weiterer Stützmauern, einer befestigten Gartenanlage sowie einer Außentreppe auf näher genannten Grundstücksnummern wegen Widerspruchs zum örtlichen Flächenwidmungsplan untersagt, zudem sei der Nachweis der Zustimmung der betroffenen, im Bescheid näher genannten Grundeigentümer nicht vorgelegt worden.

2        Der rechtsfreundlich vertretene Revisionswerber erhob dagegen eine Berufung, der ein handschriftliches Schreiben mit folgendem Wortlaut beilag: „Ich H N habe keinen Einspruch auf die von R T errichtete Zufahrt zu den Häusern und Grundstücken

von H N

und R T“.

3        Die Berufungskommission der Gemeinde St. Gallenkirch gab dieser Berufung im zweiten Rechtsgang mit Bescheid vom 7. Juni 2018 teilweise Folge, untersagte dem Revisionswerber im Ergebnis aber die näher genannten, angezeigten Bauvorhaben. Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG).

4        Mit Beschluss vom 24. Oktober 2018, zugestellt am selben Tag, erteilte das LVwG dem rechtsfreundlich vertretenen Revisionswerber einen Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG, der unter Setzung einer Frist bis 5. November 2018 einlangend die „Vorlage der unzweifelhaften Zustimmung der einzelnen Grundeigentümer zu den bereits durchgeführten Baumaßnahmen, wie sie in der Bauanzeige vom 22.12.2014 angeführt sind, für folgende Grundstücke: GST-Nr A/1, A/2, B, C, D sowie E, jeweils KG St. G“ auftrug. Das LVwG verwies auf die gemäß § 24 Abs. 3 lit. a Vorarlberger Baugesetz (BauG) mit der Bauanzeige vorzulegenden liquiden Zustimmungen der betroffenen Grundeigentümer. Die Bauanzeige sei mangelhaft, da die entsprechenden Zustimmungserklärungen nicht liquid vorgelegt worden wären. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist sei die Bauanzeige zurückzuweisen.

5        Mit der angefochtenen Entscheidung des LVwG entschied dieses über die Beschwerde und wies die Bauanzeige des Revisionswerbers mangels erfolgter Mängelbehebung zurück. Das LVwG führte in seiner Begründung aus, dass dem Fristerstreckungsersuchen des Revisionswerbers nicht nachzukommen gewesen sei, da die gemäß § 13 Abs. 3 AVG gewährte Frist nur zur Vorlage bereits vorhandener, nicht allerdings zur Beschaffung nicht vorhandener Unterlagen ausreichen müsse. Die Zustimmungserklärungen hätten schon zum Zeitpunkt der Antragstellung im Dezember 2014 vorliegen müssen. Der Revisionswerber sei dem Mängelbehebungsauftrag nicht nachgekommen. Das im Zusammenhang mit der Berufung übermittelte Schriftstück enthalte weder ein Datum noch eine Unterschrift noch einen Bezug zu der eingebrachten Bauanzeige, auch beziehe sich das Schriftstück lediglich auf eine vom Revisionswerber errichtete Zufahrt.

6        Die nunmehr erhobene Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das LVwG gehe von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab, da die gewährte Verbesserungsfrist zu kurz gewesen sei. Auch sei die Auffassung des LVwG, es habe keine Zustimmung vorgelegen, aktenwidrig. Es fehle weiters Judikatur zur Frage, ob bei nur teilweiser Zustimmung das gesamte Ansuchen zurückzuweisen sei, sowie zur Frage, welche Form für die Zustimmung einzuhalten sei. So hätte das LVwG das Verfahren deshalb nach dem Vorarlberger Baugesetz bis zur Klärung der zivilrechtlichen Vorfrage, ob der Revisionswerber überhaupt berechtigt gewesen sei, auf diesen Grundstücken zu bauen, unterbrechen müssen, denn die Zustimmung der Grundstückseigentümer könne auch durch Zivilurteil ersetzt werden. Zudem habe das LVwG die mündliche Verhandlung zu Unrecht unterlassen, wodurch es die Parteistellung der übrigen betroffenen Grundeigentümer verletzt habe. Das LVwG habe die Beschwerde zu Unrecht zurückgewiesen, nur Beschwerden, die an einem Formgebrechen leiden würden, seien zurückzuweisen.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Soweit die Revision das Fehlen von Judikatur zu den Erfordernissen des § 24 Abs. 3 lit. a BauG vorbringt, ist sie auf die folgende Rechtsprechung zu verweisen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt der Nachweis der Zustimmung des Grundeigentümers (aller Miteigentümer) einen notwendigen Beleg des Bauansuchens im Sinn des § 24 Abs. 3 lit. a BauG als Tatbestandsvoraussetzung dar. Die Zustimmung des Grundeigentümers muss „liquid“ vorliegen, das heißt, es darf nicht strittig sein, ob der Grundeigentümer seine Zustimmung erteilt hat (vgl. VwGH 10.4.2019, Ra 2018/06/0330, mwN). Gemäß § 32 Abs. 2 BauG iVm § 24 Abs. 3 lit. a BauG ist der - gemäß § 32 Abs. 1 BauG schriftlich einzubringenden - Bauanzeige der Nachweis des Eigentums- oder Baurechtes am Baugrundstück oder, wenn der Antragsteller nicht selbst Eigentümer oder bauberechtigt ist, die Zustimmung des Eigentümers bzw. Bauberechtigten anzuschließen; sie hat sich auf ein durch Pläne belegtes konkretes Vorhaben zu beziehen. Das LVwG ging somit im Lichte vorliegenden, oben zitierten Rechtsprechung zu den notwendigen, der Bauanzeige anzuschließenden Unterlagen zu Recht davon aus, dass der Bauanzeige im vorliegenden Fall der Nachweis der Zustimmung der betroffenen Grundstückseigentümer unzweifelhaft hätte beigelegt werden müssen.

11       Soweit die Revision vorbringt, das LVwG sei von den Vorgaben des § 38 AVG abgegangen, indem es das Verfahren zur Einholung der Zustimmung auf dem Zivilrechtsweg nicht unterbrochen habe, ist sie darauf zu verweisen, dass die Frage des Vorliegens der Zustimmung gemäß § 24 Abs. 3 lit. a BauG keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG darstellt (VwGH 31.3.2004, 2003/06/0148; 14.4.2016, 2013/06/0169 mit Verweis auf VwGH 14.9.1995, 95/06/0013), sondern eine Tatbestandsvoraussetzung. Die Zulässigkeit der Revision wird mit diesem Vorbringen nicht dargetan.

12       Wenn die Revision vorbringt, dass das LVwG von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 13 Abs. 3 AVG hinsichtlich der Dauer einer Frist zur Verbesserung abgegangen, ist festzuhalten, dass die Angemessenheit der nach § 13 Abs. 3 AVG festzusetzenden Frist von der Art des vorhandenen Mangels abhängt und damit grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des LVwG unterliegt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 17.12.2019, Ra 2019/06/0175, mwN). Eine derartige Fehlbeurteilung legt der Revisionswerber mit der bloßen Behauptung, die Frist sei zu kurz gewesen, nicht dar.

13       Wenn die Revision vorbringt, das LVwG hätte die Beschwerde zu Unrecht zurückgewiesen, so übersieht dieses Vorbringen, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der angefochtenen Entscheidung nicht die Beschwerde, sondern die verfahrenseinleitende Bauanzeige des Revisionswerbers wegen nicht behobenen Mangels zurückgewiesen wurde. Argumente dafür, warum die angefochtene - und an die Stelle des behördlichen Bescheides getretene (vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2019/07/0010, Rn. 17; 9.9.2019, Ro 2016/08/0009, Pkt. 7.4. der Begründung) - Entscheidung des LVwG, mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Widerspruch stünde, enthält die Revision ebensowenig wie Ausführungen dazu, von welcher Rechtsprechung konkret das LVwG abgegangen wäre. Die Zulässigkeit der Revision wird mit diesem Vorbringen nicht dargelegt.

14       Wenn die Revision behauptet, die Rechtsauffassung des LVwG, es liege keine Zustimmung vor, sei „aktenwidrig“, so wendet sie sich ihrem Vorbringen nach gegen die Beweiswürdigung. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn das LVwG die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. (vgl. VwGH 21.3.2018, Ra 2018/18/0075, mwN). Eine derartige Unvertretbarkeit hat die Revision aber nicht dargetan. Das LVwG hat das diesbezügliche, im Zusammenhang mit der Berufung übermittelte Schriftstück in seine Entscheidung miteinbezogen und auch nachvollziehbar dargelegt, weshalb damit keine Zustimmung im Sinne des § 24 Abs. 3 lit. a BauG nachgewiesen wurde.

15       Zur behaupteten Verletzung der Verhandlungspflicht ist festzuhalten, dass nach dem ersten Fall des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG 2014 die Verhandlung auch dann entfallen kann, wenn der das Verfahren einleitende Antrag der Partei zurückzuweisen ist. Eine zurückweisende Entscheidung, in der nur über die Zulässigkeit eines Antrags abgesprochen wird, nicht aber über die Sache selbst, ist jedenfalls im hier gegebenen Zusammenhang keine (inhaltliche) Entscheidung über „eine strafrechtliche Anklage“ oder „über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen“, sodass die Verfahrensgarantie des „fair hearing“ im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK nicht zur Anwendung kommt (vgl. VwGH 30.4.2019, Ra 2019/06/0057; 9.1.2019, Ra 2018/08/0244, mwN). Die Nichtdurchführung der mündlichen Verhandlung steht daher nicht im Widerspruch zur Rechtslage oder zur hg. Rechtsprechung, sodass auf den Umstand, dass der Revisionswerber in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Rechten Dritter geltend macht, nicht mehr eingegangen werden muss.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 5. Mai 2020

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019060023.L00

Im RIS seit

12.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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