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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
ASVG §111 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und die Hofräte Dr. Strohmayer und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des H H in K, vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in 3170 Hainfeld, Hauptstraße 28, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 26. November 2019, Zl. LVwG-S-2151/001-2018, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Landesverwaltungsgericht über den Revisionswerber gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 1 und Abs. 1a ASVG Geldstrafen iHv je € 730,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von je 112 Stunden) verhängt, weil er als Dienstgeber in K. die Arbeiter J G., M G. und O H. ab 9. April 2018 mit dem Aufbau von Regalen für Einkaufsmärkte gegen ein die Versicherungsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG übersteigendes Entgelt beschäftigt hat, ohne diese vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
5 Der Revisionswerber übe vorwiegend im Lebensmittelbereich das Gewerbe „Montage von vorgefertigten Stellagen- und Regalsystemen“ aus. Er beschäftige sieben mit solchen Montagen beschäftigte Dienstnehmer, engagiere aber auslastungsbedingt auch weitere Personen. Im vorliegenden Fall habe ein Lebensmittelkonzern die A. L GmbH mit der Montage von Regalen in einem Lebensmittelmarkt beauftragt. Diese habe den binnen drei Tagen durchzuführenden, durch einen detaillierten Aufbauplan festgelegten Montageauftrag an den Revisionswerber weitergegeben. Der Revisionswerber habe zur Erfüllung dieses Auftrags seinen Dienstnehmer F. sowie die im Spruch genannten drei weiteren Personen eingesetzt, mit denen zuvor Rahmenwerkverträge über nicht näher konkretisierte „Montagearbeiten“ für die Dauer von einem Jahr geschlossen worden seien. An diese sei jeweils schriftlich ein „Bestellung Auftrag“ mit einer nach Regal-Laufmetern kalkulierten Pauschalsumme und Bezahlung der Unterkunft erteilt worden. Ihm sei bekannt gewesen, dass J G. eine weitere Hilfskraft mitbringen werde. O H. habe über die längste Erfahrung verfügt und sei den anderen für Fragen - insbesondere in koordinativer Hinsicht - zur Verfügung gestanden. Die genannten Personen und ein weiterer Mitarbeiter des Revisionswerbers hätten unter der Leitung und Aufsicht des Revisionswerbers im Lebensmittelmarkt im gemeinsamen arbeitsteiligen Zusammenwirken (Abladen der Regale vom LKW, Abstimmung der Montagearbeiten beim Grundregal und den Überbauten, Umschichten der Paletten etc.) mit eigenem Werkzeug (Akkuschrauber, Maßstab, Bohrmaschine) ganztägig mit einer Stunde Mittagspause die ihnen jeweils zugewiesenen Abschnitte der Regale errichtet. Es handle sich um ein Stecksystem. Für den Regalaufbau sei keine besondere Befähigung erforderlich. Die Tätigkeit könne rasch erlernt werden. Die Deckenvorrichtungen für Werbetafeln und eine Parkplatztafel seien von weiteren vom Revisionswerber eingesetzten Personen montiert worden. Oliver H. verfüge über eine Gewerbeberechtigung „Montage von vorgefertigten Stellagen- und Regalsystemen“ und über einen vollausgestatteten Montagebus. Er sei auf die geschilderte Weise pro Monat 15 bis 20 Tage für den Revisionswerber und 2 Tage für die A. L GmbH, nicht aber für sonstige Auftraggeber tätig. Darüber hinaus arbeite er im Rahmen eines Handelsgewerbes als Fensterverkäufer. J G. und M G. hätten slowakische Gewerbeberechtigungen und würden 40 bis 50 Tage pro Jahr ausschließlich für den Revisionswerber arbeiten. Keine der Personen würde über eine eigene betriebliche Organisation oder über nennenswerte eigene Betriebsmittel verfügen. Keine würde ihre Tätigkeit selbständig am Markt anbieten. Bei einer GPLA-Prüfung durch die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse am 9. November 2018 betreffend die Jahre 2013 bis 2017 seien die Leistungen des O H., J G. und M G. auf Grund der vorgelegten schriftlichen Unterlagen (Werkvertrag, Gewerbeberechtigung, Buchhaltungsunterlagen) als „Fremdleistungen“ anerkannt worden.
6 In rechtlicher Hinsicht führte das Landesverwaltungsgericht aus, es handle sich bei den manuellen Beiträgen der Monteure nach ihrem wahren wirtschaftlichen Gehalt (§ 539a ASVG) um die Erbringung einfacher Hilfstätigkeiten, die in Eingliederung in den Betrieb des Revisionswerbers erbracht worden seien. In Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte würden Beschäftigungsverhältnisse iSd § 4 Abs. 2 ASVG vorliegen, die gemäß § 33 Abs. 1 ASVG beim zuständigen Krankenversicherungsträger hätten gemeldet werden müssen.
7 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Landesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 14.11.2018, Ra 2018/08/0172, 0173) abgewichen, weil es eine Einbindung der genannten Mitarbeiter in seinen Betrieb angenommen habe.
8 Dem ist zu erwidern, dass es sich bei der Bejahung der Eingliederung eines Erwerbstätigen in eine betriebliche Organisation und in weiterer Folge bei der darauf aufbauenden Beurteilung der Dienstnehmereigenschaft iSd § 4 Abs. 2 ASVG um eine nur in Ausnahmefällen revisible Einzelfallentscheidung handelt. Hier hat das Landesverwaltungsgericht die Beurteilung in Anbetracht der Gegebenheiten und Tätigkeiten auf der gegenständlichen Baustelle in vertretbarer Weise vorgenommen (vgl. zu Tätigkeiten auf Baustellen VwGH 11.7.2012, 2010/08/0217; 3.10.2013, 2013/08/0162 u.a.).
9 Weiters bringt der Revisionswerber vor, das Landesverwaltungsgericht habe sich zu Unrecht nicht an die Ergebnisse der (späteren) GPLA-Prüfung gebunden erachtet. Es hätte das Verwaltungsstrafverfahren unterbrechen und die Entscheidung über die Vorfrage der Dienstnehmereigenschaft im Rahmen eines Verfahrens nach §§ 412a ff ASVG abwarten müssen.
10 Eine Bindung des Landesverwaltungsgerichts an die Ergebnisse einer GPLA-Prüfung kommt schon mangels Vorliegens einer rechtskräftigen Entscheidung nicht in Betracht (vgl. etwa VwGH 2.7.2019, Ra 2019/08/0068). Im Übrigen entfernt sich der Revisionswerber mit seinem Vorbringen, dass im Jahr 2017 eine GPLA-Prüfung stattgefunden hätte, von den Feststellungen, wonach diese Prüfung durch die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse betreffend die Jahre 2013 bis 2017 Ende 2018 abgeschlossen worden ist.
11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 6. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020080014.L00Im RIS seit
07.07.2020Zuletzt aktualisiert am
14.07.2020