TE Vwgh Erkenntnis 2020/5/6 Ra 2020/02/0026

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Veröffentlicht am 06.05.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §45 Abs2
VwGG §42 Abs1
VwGG §42 Abs4
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Dr. R in W, vertreten durch Ing. Mag. Klaus Helm, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Schulstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 17. Dezember 2019, Zl. LVwG-S-2072/009-2016, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass der Beschwerde Folge gegeben, das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 20. Juni 2016, NKS2-V- 16 9592/5, behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt wird.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Über Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen gab der Revisionswerber als Zulassungsbesitzer eines näher angeführten Kraftfahrzeuges gemäß § 103 Abs. 2 KFG bekannt, das Fahrzeug sei von der Mutter des Revisionswerbers zum angefragten Zeitpunkt gelenkt worden. Der Anfrage lag zu Grunde, dass mit diesem Fahrzeug eine Geschwindigkeitsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 StVO begangen wurde.

2 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 20. Juni 2016 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe als Zulassungsbesitzer die Auskunft erteilt, dass seine Mutter das Fahrzeug gelenkt habe, obwohl am Radarfoto ersichtlich sei, dass es sich beim Lenker um eine männliche Person handle. Der Revisionswerber habe daher nicht innerhalb von zwei Wochen darüber Auskunft erteilt, wer das Fahrzeug zum angefragten Zeitpunkt gelenkt habe.

3 Dieser Ansicht folgte das vom Revisionswerber angerufene Verwaltungsgericht und gab seiner Beschwerde gegen das Straferkenntnis mit Erkenntnis vom 24. August 2017 keine Folge. 4 Dieses Erkenntnis wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit dem Erkenntnis vom 21. März 2018, Ra 2018/02/0063, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil das Verwaltungsgericht die Lenkereigenschaft der Mutter des Revisionswerbers verneinte, ohne diese einvernommen zu haben.

5 In der Folgeentscheidung vom 7. Mai 2018 kam das Verwaltungsgericht aus rechtlichen Überlegungen zu einer Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers, ohne ein Beweisverfahren durchzuführen, also auch ohne die Mutter des Revisionswerbers zu vernehmen.

Dieses Erkenntnis wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 5. April 2019, Ra 2019/02/0040, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers im dritten Rechtsgang neuerlich abgewiesen.

7 Begründend führte es aus, dass die Mutter des Revisionswerbers verstorben sei und daher keine Angaben zur Frage, wer das Fahrzeug damals gelenkt habe, mehr habe machen können. Das Verwaltungsgericht stützte die - neuerliche - Feststellung, die Mutter des Revisionswerbers sei nicht die Lenkerin gewesen, - wiederum - ausschließlich auf die vorhandenen Lichtbilder und erachtete die gegenteiligen Angaben des Revisionswerbers und seiner Ehefrau als Versuch, sich der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung zu entziehen.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

9 Die Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen verweist in ihrem Schriftsatz auf den bisherigen Akteninhalt.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Der Revisionswerber erachtet die Revision unter anderem

deshalb als zulässig, weil die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes unschlüssig sei.

12 Die Revision ist zulässig und berechtigt:

13 In dem zitierten aufhebenden Erkenntnis vom 21. März 2018

heißt es:

"12 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (VwGH 24.1.2018, Ra 2018/02/0005, mwN).

13      Durch die Heranziehung allein des Radarfotos erweist sich

die vom Verwaltungsgericht getroffene Feststellung, die Mutter des

Revisionswerbers sei keinesfalls die Lenkerin gewesen, ohne

Berücksichtigung weiterer Beweismittel als unschlüssig.

14      Auf dem im Akt einliegenden Foto ist die lenkende Person

nämlich nur schemenhaft zu sehen. Der Revisionswerber hat weitere Beweise für seinen Standpunkt angeboten, die das Verwaltungsgericht in vorgreifender Beweiswürdigung nicht berücksichtigt hat. Das Verwaltungsgericht wäre verhalten gewesen, diese weiteren Beweise aufzunehmen und erst dann beweiswürdigend über die entscheidungswesentliche Feststellung zu erwägen."

14 Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis deutlich zum Ausdruck gebracht hat, lag durch die Heranziehung allein des Radarfotos zum Beweis, die Mutter des Revisionswerbers sei keinesfalls die Lenkerin gewesen, eine unschlüssige Beweiswürdigung vor, weil der weiter beantragte Beweis, nämlich die Einvernahme der Mutter des Revisionswerbers, nicht durchgeführt worden ist.

15 Es kann nun dahin stehen, welches Ergebnis die Einvernahme der Mutter des Revisionswerbers erbracht hätte, ihre Angaben können jedenfalls nicht mehr berücksichtigt werden. 16 Erweist sich aber eine Beweiswürdigung wegen der Schwäche eines Beweismittels (hier: Unschärfe des Fotos) "ohne Berücksichtigung weiterer Beweismittel" als unschlüssig, kommt es nicht darauf an, ob die weiteren Beweismittel in antizipierender Beweiswürdigung nicht berücksichtigt wurden oder deshalb nicht, weil sie nicht mehr zur Verfügung stehen.

17 Ist die Aussage der Mutter des Revisionswerbers nicht mehr möglich, kann daher allein das im Akt einliegende Foto, auf dem die lenkende Person "nur schemenhaft zu sehen" ist (vgl. das Erkenntnis vom 21. März 2018), weiterhin nicht Grundlage für die vom Verwaltungsgericht getroffene Feststellung und damit für die Bestrafung des Revisionswerbers sein; das umso weniger, als auch gegenteilige Verfahrensergebnisse vorliegen.

18 Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, nunmehr reiche - wiederum - allein das besagte Foto als Beweis, erweist sich - neuerlich - als eine die Rechtssicherheit beeinträchtigende, unvertretbare Beweiswürdigung.

19 Gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

20 Mangels Nachweis der Tatbegehung liegt im Revisionsfall der angeführte Einstellungsgrund vor.

21 Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und diese Entscheidung im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Dies ist hier der Fall. Der Verwaltungsgerichthof hat somit von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und der Revision gemäß § 42 Abs. 1 und 4 VwGG aus den dargelegten Gründen im aufgezeigten Sinn Folge gegeben. Wien, am 6. Mai 2020

Schlagworte

Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020026.L00

Im RIS seit

30.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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