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90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §5 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Straßegger und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Baden gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 9. April 2019, Zl. LVwG-S-1129/001-2018, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: A in G, vertreten durch die Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Verwaltungsgericht u. a. das Straferkenntnis der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft Baden vom 12. April 2018, mit dem der Mitbeteiligte wegen Lenkens eines Personenkraftwagens in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand bestraft wurde, auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt. 2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 5 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0133) ab, weil es die Verfahrenseinstellung nur auf die Blutanalyse stütze, ohne die Ergebnisse der klinischen Untersuchung näher zu hinterfragen.
6 Dem steht schon entgegen, dass im zitierten Erkenntnis ein anderer, in einem wesentlichen Punkt abweichender Sachverhalt zugrunde lag: Dort ergab die Blutanalyse 1,2 ng/ml aktives THC, während hier keine psychoaktiven Stoffwechselprodukte im Blut festgestellt wurden. Hinzu kommt, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits aussprach, dass durch die klinische Untersuchung zwar die Beeinträchtigung, die auf eine Suchtgifteinnahme schließen lässt, festgestellt werden kann. Nach einer solchen Feststellung ist jedoch zwingend eine Blutabnahme vorzunehmen. Erst die Blutabnahme bringt demnach Gewissheit, ob der durch die klinische Untersuchung gewonnene Verdacht, die Beeinträchtigung sei auf eine Suchtgifteinnahme zurückzuführen, zutrifft (vgl. VwGH 24.7.2019, Ra 2019/02/0105).
7 Die Bedeutung der klinischen Untersuchung liegt jedenfalls in der Feststellung, ob der Lenker fahrtüchtig ist, was im Revisionsfall verneint wurde.
8 Ob die Beeinträchtigung des Lenkers auf Alkohol oder Suchtgift zurückzuführen ist (spezifische Fahruntüchtigkeit gemäß § 5 Abs. 1 StVO) oder eine sonstige Fahruntüchtigkeit gemäß § 58 Abs. 1 StVO vorliegt (etwa wegen starker Übermüdung), ist - abgesehen von den Fällen der Verweigerung - anhand der Blutuntersuchung festzustellen (vgl. VwGH 11.11.2019, Ra 2019/02/0167).
9 Das Verwaltungsgericht zog daher bei seiner Beurteilung, ob beim Mitbeteiligten (auch) eine Beeinträchtigung wegen Suchtgiftkonsums vorlag, zutreffend die der Blutuntersuchung vorgelagerte klinische Untersuchung nicht heran, sondern stützte sein Erkenntnis auf die Ergebnisse des medizinischen Gutachtens, das eine Beeinträchtigung des Mitbeteiligten durch Suchtgift ausgeschlossen hat, weil im Blut lediglich das nicht psychoaktive Stoffwechselprodukt THC-COOH nachweisbar gewesen sei. Damit verstieß das Verwaltungsgericht auch nicht gegen die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision (mit Hinweis auf VwGH 16.8.2016, Ra 2015/08/0074) angesprochene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Beweiswürdigung.
10 Wenn die Revisionswerberin mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen - dass sich die bekämpfte Entscheidung nur auf die Blutanalyse stütze, ohne die Ergebnisse der klinischen Untersuchung näher zu hinterfragen, es komme jedoch den vom Polizeiarzt im Rahmen der Amtshandlung getroffenen Feststellungen maßgebliche Bedeutung zu, zumal dieser der einzige Arzt gewesen sei, der bei der Untersuchung dem Beschuldigten persönlich gegenübergestanden sei, und die festgestellten Symptome (trockene Schleimhäute, gerötete und wässrig glänzende Augen, träge Pupillenreaktion, Unsicherheit beim Ein-Bein-Stehtest, Schwanken beim Balancieren, zittrig und hektisch beim Finger-Finger-Test, Zittern des Körpers und der Augenlider, benommenes Bewusstsein, Desorientiertheit, verminderte Konzentration und gestörte Aufmerksamkeit) seien schwerwiegend und es stehe wohl außer Zweifel, dass der Gesetzgeber mit der Novelle BGBl. I Nr. 52/2005 zum Ziel gehabt habe, Fahrzeuglenker in dieser körperlichen Verfassung als fahruntauglich zu beurteilen, weil diese eine für sich und andere Straßenverkehrsteilnehmer allgemein gefährliche Situation schafften - meinen sollte, dass im Falle des Ausschlusses einer Beeinträchtigung durch Suchtgift durch die Blutuntersuchung aber nach dem Ergebnis der klinischen Untersuchung eine Bestrafung gemäß § 58 Abs. 1 StVO iVm § 99 Abs. 3 StVO (allgemeine Fahruntüchtigkeit, etwa durch Übermüdung) zu erfolgen gehabt hätte, so übersieht sie, dass einerseits eine derartige Tat innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 1 VStG gesondert verfolgt werden muss, weil es sich um eine andere strafbare Handlung als eine Übertretung des § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1b StVO handelt und andererseits eine strafbare Handlung gemäß § 58 Abs. 1 StVO iVm § 99 Abs. 3 StVO nicht Gegenstand des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 12. April 2018 war. Das Landesverwaltungsgericht war daher zu einem "Austausch" der Tat nicht berechtigt.
11 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 6. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020104.L00Im RIS seit
30.06.2020Zuletzt aktualisiert am
30.06.2020