TE Vwgh Erkenntnis 2020/5/6 Ra 2018/11/0021

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Veröffentlicht am 06.05.2020
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Index

L94404 Krankenanstalt Spital Oberösterreich
L94407 Krankenanstalt Spital Tirol
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

ABGB §6
KAG OÖ 1997 §45
KAG Tir 1957 §30
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des L F (als Rechtsnachfolger des E F) in A, vertreten durch Mag. Mathias Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Burggraben 4/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 4. Dezember 2017, Zl. LVwG- 2017/21/2070-2, betreffend Vorschreibung von Sonderklassegebühren nach dem Tiroler Krankenanstaltengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck; mitbeteiligte Partei: Akrankenhaus), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Rückstandsausweis vom 14. Oktober 2014 schrieb die mitbeteiligte Partei, eine allgemeine öffentliche Krankenanstalt, dem Rechtsvorgänger des Revisionswerbers, EF, für den Zeitraum 17. November 2013 bis 13. Dezember 2013 Gebühren in Höhe von EUR 3.480,84, abzüglich einer bereits geleisteten Teilzahlung von EUR 19,71, sohin EUR 3.468,13, zuzüglich 4% Verzugszinsen ab 11. August 2014, vor. Dagegen erhob EF fristgerecht Einspruch. 2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. April 2015 wurde dieser Einspruch als unbegründet abgewiesen. Unbestritten sei, dass EF die Leistung (Aufnahme in die Sonderklasse der "Anästhesie Wachstation" und "Medizin Gastro" der mitbeteiligten Partei) in Anspruch genommen habe. Die Bestimmungen des Tiroler Krankenanstaltengesetzes würden den Krankenhausträger bei einer Aufnahme eines Pfleglings in die Sonderklasse zu einer schriftlichen Vereinbarung mit dem Patienten verpflichten, wobei dieser über die genauen Kosten zu informieren sei. Die Aufnahme in die Sonderklasse habe freiwillig - auf Verlangen des Patienten - zu erfolgen. Eine darüber hinausgehende Verpflichtung zur Aufklärung treffe die Krankenanstalt nicht, die gesetzliche Verpflichtung zur Bezahlung der aufgelaufenen Sondergebühren bestehe unabhängig von einer Kostenübernahmeerklärung einer Privatversicherungsanstalt. Daher sei für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Vorschreibung lediglich von Interesse, ob das Krankenhaus den Pflegling auf dessen Verlangen in die Sonderklasse aufgenommen habe oder ob dies ohne diesbezüglichen Wunsch geschehen sei. Da BS-F, die Tochter des EF, "als Bevollmächtigte" die Aufnahme in die Sonderklasse veranlasst habe, sei der Sonderklassezuschlag zu bezahlen. Die entsprechende Verpflichtungserklärung habe BS-F am 18. November 2013 unterfertigt und somit bestätigt.

3 Gegen diesen Bescheid erhob EF Beschwerde.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht

die Beschwerde ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass EF am 17. November 2013 um 21:00 Uhr stationär in der Sonderklasse der mitbeteiligten Partei aufgenommen worden sei. Es habe sich um eine Notfallaufnahme gehandelt. Bei seiner Aufnahme sei EF (unter anderem) von seiner Tochter BS-F begleitet worden, welche das Formular "Administrative Anmeldung" ausgefüllt und dabei die Aufnahme in die Sonderklasse angekreuzt habe. Dieses Formular enthalte einen eigenen Passus betreffend die Kosten, insbesondere auch über den Sonderklassezuschlag. EF habe über eine Zusatzversicherung verfügt, welche jedoch die mit der Aufnahme in die Sonderklasse verbundenen zusätzlichen Kosten nicht erstattet habe. Mit Rückstandsausweis der mitbeteiligten Partei vom 14. Oktober 2014 seien diese Sonderklassegebühren inklusive entsprechender Mahnspesen vorgeschrieben worden. Dagegen habe EF fristgerecht Einspruch erhoben.

Unter dem Punkt "IV. Rechtliche Erwägungen" führte das Verwaltungsgericht aus, dass nach den Sachverhaltsfeststellungen die Aufnahme des EF in die Sonderklasse von seiner Tochter BS-F veranlasst worden sei. Dabei sei diese auch darüber informiert worden, welche Kosten mit der Aufnahme verbunden seien. Eine weitergehende Verpflichtung der Anstaltsträgerin - wie etwa die Abklärung, ob die Zusatzversicherung von EF für die Kosten des Aufenthaltes in der Sonderklasse tatsächlich aufkomme - bestehe nicht. Es wäre Aufgabe des Patienten bzw. seines Vertreters gewesen, sich darüber entsprechend zu informieren.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Eine Revisionsbeantwortung wurde von der belangten Behörde erstattet, nicht jedoch von der Mitbeteiligten.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 In der Zulässigkeitsbegründung macht der Revisionswerber

geltend, das Verwaltungsgericht sei von der (näher genannten) hg. Judikatur abgewichen, weil es weder geprüft habe, ob eine rechtsgültige Verpflichtungserklärung einer dazu berechtigten Person vorlag, noch, ob - im Hinblick auf eine mögliche Zahlungsverpflichtung des Pfleglings mangels Deckungszusage des Versicherungsträgers - eine wirksame Willenserklärung abgegeben wurde.

8 Die Revision ist aus den in ihr genannten Gründen zulässig. 9 Das Tiroler Krankenanstaltengesetz, LGBl. Nr. 35/1958, in der vorliegend maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 104/2014 (Tir KAG), lautet auszugsweise:

"Bestimmungen über Gebührenklassen

§ 29

Sonderklasse

(1) Neben der allgemeinen Gebührenklasse kann eine Sonderklasse geführt werden. Der Anstaltsträger hat die Führung einer Sonderklasse der Landesregierung unverzüglich schriftlich anzuzeigen. Der Anzeige ist ein Verzeichnis der betreffenden Krankenzimmer mit Angabe der jeweiligen Bettenanzahl anzuschließen.

(2) Die Sonderklasse hat höheren Ansprüchen hinsichtlich der Verpflegung und der Unterbringung, insbesondere durch eine niedrigere Bettenanzahl in den Krankenzimmern und eine bessere Ausstattung und Lage der Krankenzimmer, zu entsprechen.

§ 30

In der Sonderklasse dürfen Pfleglinge - unbeschadet der Bestimmung des § 33 Abs. 5 - nur auf ihr Verlangen aufgenommen werden. Der Pflegling hat sich bei der Aufnahme durch eine schriftliche Erklärung zu verpflichten, die LKF-Gebühren und die Sondergebühren zu tragen. Zuvor ist der Pflegling über die voraussichtliche Höhe dieser Gebühren sowie über die Honorarberechtigung der Ärzte zu informieren. Es kann von ihm eine Vorauszahlung auf die zu erwartenden Gebühren in angemessener Höhe verlangt werden.

...

§ 33

Aufnahme von Pfleglingen

...

(5) Ist die Aufnahme einer unabweisbaren Person in die allgemeine Gebührenklasse wegen Platzmangels nicht möglich, so hat sie die Anstaltsleitung ohne Verrechnung von Mehrkosten solange in die Sonderklasse aufzunehmen, bis der Platzmangel in der allgemeinen Gebührenklasse behoben ist und der Zustand des Pfleglings die Verlegung zulässt.

...

§ 40

LKF-Gebühren, Pflegegebühren

(1) Für die in der allgemeinen Gebührenklasse und in der Sonderklasse aufgenommenen Pfleglinge sind unbeschadet des § 41b LKF-Gebühren zu entrichten. Für forensische Patienten am A. ö. Landeskrankenhaus Hall i.T. sind Pflegegebühren zu entrichten; für den Aufnahme- und den Entlassungstag sind die Pflegegebühren in voller Höhe zu entrichten.

...

§ 41

Sondergebühren, Honorare

(1) Folgende Sondergebühren sind zu entrichten:

a) für die in der Sonderklasse aufgenommenen Pfleglinge eine Anstaltsgebühr für den erhöhten Sach- und Personalaufwand und eine Hebammengebühr und

b) für Personen, die ambulant untersucht oder behandelt werden (§ 38), unbeschadet des § 41b, eine Ambulanzgebühr.

(2) Für den Aufnahme- und den Entlassungstag eines Pfleglings ist die Anstaltsgebühr in voller Höhe zu entrichten. Bei Überstellung eines Pfleglings in eine andere Krankenanstalt hat nur die aufnehmende Krankenanstalt Anspruch auf die Anstaltsgebühr für diesen Tag.

...

(10) Andere als die gesetzlich vorgesehenen Entgelte dürfen von Pfleglingen oder ihren Angehörigen nicht verlangt werden.

...

§ 43

Einbringung der Gebühren

(1) Sofern nicht ein Dritter auf Grund eines besonderen Rechtstitels leistungspflichtig ist, sind die LKF-Gebühren und die Sondergebühren vom Pflegling zu entrichten.

(2) Die Gebühren sind, soweit sie nicht im Vorhinein entrichtet werden, ehestens nach der Entlassung des Pfleglings dem Zahlungspflichtigen in Rechnung zu stellen. Bei länger dauernder Pflege kann auch mit dem letzten Tag jedes Pflegemonats eine Vorschreibung der Gebühren erfolgen. Die Gebühren sind mit dem Tag der Vorschreibung fällig. Nach dem Ablauf von sechs Wochen ab dem Fälligkeitstag können gesetzliche Verzugszinsen verrechnet werden.

(3) Bleibt ein Pflegling mit der Bezahlung von Gebühren länger als vier Wochen im Rückstand, so kann der Träger der Krankenanstalt einen Rückstandsausweis ausfertigen, der neben der Höhe der ausstehenden Gebühren insbesondere den Hinweis auf den Zeitpunkt der Fälligkeit und auf die Verzugszinsen sowie auf die Möglichkeit der Erhebung eines Einspruches nach Abs. 4 zu enthalten hat.

(4) Der Pflegling kann gegen den Rückstandsausweis binnen zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder mündlich bei der Stelle, die den Rückstandsausweis erlassen hat, Einspruch erheben.

(5) Über den Einspruch entscheidet die Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Sprengel die betreffende Krankenanstalt liegt.

(6) Rückstandsausweise, die von der Bezirksverwaltungsbehörde mit der Bestätigung versehen sind, dass sie einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegen, sind im Verwaltungsweg vollstreckbar.

(7) Zur Einbringung rückständiger Gebühren, zu deren Bezahlung nicht der Pflegling selbst, sondern eine andere physische oder juristische Person verpflichtet ist, hat der Träger der Krankenanstalt den ordentlichen Rechtsweg zu beschreiten, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

...

§ 45

(1) Die Fondskrankenanstalten sind nach Maßgabe des § 33 verpflichtet, die nach den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften eingewiesenen Pfleglinge in die allgemeine Gebührenklasse aufzunehmen.

(2) Werden sozialversicherte Pfleglinge auf ihr Verlangen in die Sonderklasse aufgenommen, so haben sie die Sondergebühren und die Honorare aus eigenem zu tragen, soweit sich nicht aus einem zwischen dem Sozialversicherungsträger und dem Träger der Krankenanstalt abgeschlossenen Vertrag oder aus der Satzung des Sozialversicherungsträgers etwas anders ergibt."

10 Die Revision ist begründet.

11 Im Revisionsfall ist unstrittig, dass die Verpflichtungserklärung nicht vom Pflegling selbst, sondern von dessen Tochter abgegeben wurde (in der Annahme, dass die Sondergebühren von der Zusatzversicherung des EF getragen würden). Eine dem EF zuzurechnende Erklärung, die Sondergebühren (gegebenenfalls unter der Bedingung der Kostenübernahme durch seine Zusatzversicherung) zu tragen, könnte somit nur dann vorliegen, wenn eine rechtswirksame Vertretung durch seine Tochter bestand.

12 Gemäß § 30 Tir KAG dürfen Pfleglinge nur auf ihr Verlangen in die Sonderklasse aufgenommen werden. Der Pflegling hat sich bei der Aufnahme durch eine schriftliche Erklärung zu verpflichten, die LKF-Gebühren und die Sondergebühren zu tragen. Zuvor ist der Pflegling über die voraussichtliche Höhe dieser Gebühren sowie über die Honorarberechtigung der Ärzte zu informieren. Wie die Revision zutreffend darlegt, enthält das Tir KAG, anders als etwa § 45 des Oberösterreichischen Krankenanstaltengesetzes, keine Sonderbestimmungen über die Abgabe einer solchen Verpflichtungserklärung durch (nahe) Angehörige. Es ist daher ein Rückgriff auf das ABGB geboten (vgl. etwa VwGH 13.11.2019, Ra 2017/11/0114, mit Hinweis auf VwGH 27.4.2016, Ra 2016/05/0031). 13 Das angefochtene Erkenntnis lässt jegliche Feststellungen zum Vorliegen einer allfälligen Vollmacht oder Vertretungsmacht vermissen. Nur auf der Basis konkreter Feststellungen dazu könnte aber überhaupt (unter Berücksichtigung der weiteren Voraussetzung des Fehlens einer sonstigen Vertretung) vor dem Hintergrund der diesbezüglichen Bestimmungen des ABGB von einer wirksamen Vertretungsbefugnis der Tochter des EF ausgegangen werden. Sollte das Verwaltungsgericht jedoch eine auf einer anderen Rechtsgrundlage beruhende Vollmacht der Tochter des EF als gegeben erachtet haben, wären auch hierzu konkrete Feststellungen zu treffen gewesen, die das angefochtene Erkenntnis aber nicht enthält.

14 Das Verwaltungsgericht hat bloß aufgrund des Umstandes, dass EF bei seiner Aufnahme in die Krankenanstalt von seiner Tochter begleitet und das Aufnahmeformular von ihr ausgefüllt worden war, eine durch sie wirksam abgegebene Verpflichtungserklärung hinsichtlich der Sonderklasse-Unterbringung des EF angenommen und hat daher, ausgehend von dieser unzutreffenden Rechtsansicht, die für die Beurteilung des Revisionsfalls erforderlichen Feststellungen nicht getroffen. 15 Da das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war, erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen.

16 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 6. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018110021.L00

Im RIS seit

01.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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