TE Vwgh Beschluss 2020/5/7 Ra 2020/10/0034

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Veröffentlicht am 07.05.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
72/13 Studienförderung

Norm

B-VG Art133 Abs4
StudFG 1992 §11 Abs1 idF 2000/I/076
StudFG 1992 §11 Abs2 idF 2000/I/076
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der Studienbeihilfenbehörde in 1100 Wien, Gudrunstraße 179, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. Jänner 2020, Zl. W203 2221052- 1/9E, betreffend Zurückzahlung von Studienbeihilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Studienbeihilfenbehörde; mitbeteiligte Partei: LP in W), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. Jänner 2020 behob das Bundesverwaltungsgericht - aufgrund einer Beschwerde der Mitbeteiligten - einen Bescheid des an der Stipendienstelle Wien eingerichteten Senates der Studienbeihilfenbehörde vom 25. März 2019 ersatzlos, mit dem - im Vorstellungsverfahren - gemäß §§ 31 Abs. 4, 49 Abs. 3 und 51 Abs. 1 Z 3 Studienförderungsgesetz 1992 - StudFG ausgesprochen worden war, dass der Anspruch der Mitbeteiligten auf Studienbeihilfe im Kalenderjahr 2017 im Ausmaß von EUR 4.594,-- geruht habe und die Mitbeteiligte diesen Betrag zurückzahlen müsse.

2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Wesentlichen zugrunde, die Mitbeteiligte habe in den Monaten Jänner bis September 2017 Studienbeihilfe in der Höhe von insgesamt EUR 4.594,-- bezogen, im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2017 jedoch keine Studienbeihilfe. Im Kalenderjahr 2017 habe sie ein zu versteuerndes Einkommen in der Höhe von EUR 19.385,30, im Zeitraum von Jänner bis September 2017 insgesamt Einkünfte von weniger als EUR 7.500,-- erzielt.

3 In rechtlicher Hinsicht stützte das Verwaltungsgericht seine Entscheidung im Kern darauf, dass zufolge der §§ 12 Abs. 3, 31 Abs. 4 und 49 Abs. 3 StudFG Studierende in den Monaten, in denen sie Studienbeihilfe bezögen, durchschnittlich maximal ein Zwölftel des in § 31 Abs. 4 StudFG genannten Betrages (derzeit EUR 10.000,--) an Einkünften erzielen dürften; werde dieser Betrag überschritten, komme es zu einer Kürzung der zu gewährenden Studienbeihilfe bzw. im Zuge einer so genannten "Aufrollung" zu einer nachträglichen Verpflichtung zur (teilweisen) Zurückzahlung der bereits ausgezahlten Studienbeihilfe. Da die Mitbeteiligte nur von Jänner bis September 2017 Studienbeihilfe bezogen habe, verringere sich deren Zuverdienstgrenze aufgrund der Aliquotierungsbestimmung des § 31 Abs. 4 StudFG auf EUR 7.500,--. 4 Für die im vorliegenden Verfahren entscheidende Frage, welche Einkünfte die Mitbeteiligte in diesem Zeitraum erzielt habe, sei nicht bloß der Einkommenssteuerbescheid für das Kalenderjahr 2017 heranzuziehen; aufgrund der Bestimmungen der §§ 8 und 11 StudFG (und auch unter Berücksichtigung von VwGH 13.9.2001, 97/12/0344, VwSlg. 15.673 A, wonach der Einkommenssteuerbescheid in erster Linie maßgeblich sei) könnten auch andere Quellen zum Nachweis der erzielten selbständigen Einkünfte gefordert werden.

5 Dies gründete das Verwaltungsgericht u.a. auf § 11 Abs. 2 zweiter Satz StudFG, wonach "insbesondere bei ausländischen Einkünften, auch andere Nachweise über das Einkommen oder Teile desselben gefordert werden" können. Damit werde klargestellt, dass die in § 11 Abs. 1 StudFG genannten Einkommensnachweise nicht abschließend aufgezählt seien. Außerdem sei es seit der Einführung der "Aliquotierungsbestimmung" des § 31 Abs. 4 StudFG in dem Fall eines nicht ganzjährigen Bezuges der Studienbeihilfe - wie hier - erforderlich, unter Heranziehung weiterer Nachweise über den Einkommenssteuerbescheid hinaus die im maßgeblichen Zeitraum erzielten Einkünfte zu ermitteln.

6 Vorliegend erachtete das Verwaltungsgericht die von der Steuerberaterin der Mitbeteiligten vorgelegte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung in Zusammenhalt mit den Aussagen der Steuerberaterin und der Mitbeteiligten in der durchgeführten Verhandlung als überzeugende "sonstige Nachweisquelle" im Sinn des § 11 Abs. 2 letzter Satz StudFG und legte diese seinen Feststellungen zugrunde.

7 Zusammenfassend gelangte das Verwaltungsgericht zu dem Schluss, der vor ihm bekämpfte Bescheid sei zu Unrecht ergangen, weil die Mitbeteiligte die für sie maßgebliche Zuverdienstgrenze im Sinn des § 31 Abs. 4 StudFG im Zeitraum von Jänner bis September 2017 nicht überschritten habe.

8 Die Revision gegen diese Entscheidung ließ das Verwaltungsgericht - insbesondere unter Hinweis auf eine eindeutige Rechtslage - nicht zu.

9 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 3.1. Soweit die vorliegende außerordentliche Revision der belangten Behörde "zur Zulässigkeit der Revision" Verfahrensmängel behauptet (Punkt 4.2. der Revision) wird deren Relevanz nicht konkret dargelegt; die unbestimmte allgemeine Behauptung, die "betragsmäßige Richtigkeit der Eintragungen in der Einnahmen-Ausnahmen-Rechnung" sei "problematisch", reicht dafür keineswegs aus. Bereits aus diesem Grund wird insoweit eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgeworfen (vgl. etwa VwGH 21.6.2019, Ra 2019/02/0119, oder VwGH 6.12.2019, Ra 2017/06/0120, jeweils mwN).

13 Soweit die Revisionswerberin rügt, das Verwaltungsgericht habe bestimmte Fragen an die Zeugin nicht gestellt, sei darüber hinaus auf das der belangten Behörde (bzw. deren Vertreter) im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zustehende Fragerecht hingewiesen (vgl. etwa VwGH 25.9.2018, Ra 2017/01/0203, oder VwGH 15.5.2019, Ra 2019/01/0012, jeweils mwN).

14 3.2. Materiell-rechtlich bringt die belangte Behörde in den Zulässigkeitsausführungen ihrer außerordentlichen Revision (unter Punkt 4.1.) im Kern vor, der Gesetzgeber des § 11 Abs. 2 StudFG habe mit dieser Bestimmung zum Ausdruck bringen wollen, dass "aufgrund der Diversität der ausländischen Einkommensnachweise eine zusätzliche Möglichkeit für die Beurteilung der Einkommensdaten geschaffen werden muss"; nur in Fällen ausländischer Einkünfte könnten somit über den Einkommenssteuerbescheid hinaus zusätzliche Nachweise gefordert werden.

15 Zu dieser Frage bestehe keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes; die Klärung der Frage, ob im Falle eines nicht ganzjährigen Studienbeihilfenbezuges bei selbständigen inländischen Einkünften statt eines aliquotierten Einkommenssteuerbescheides andere Nachweise - wie etwa eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung - heranzuziehen seien, sei daher von grundsätzlicher Bedeutung.

16 § 11 Studienförderungsgesetz 1992 - StudFG, BGBl. Nr. 305/1992 in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 76/2000, lautet wie folgt:

"Einkommensnachweise

§ 11. (1) Das Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist wie folgt nachzuweisen:

1. grundsätzlich durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides über das zuletzt veranlagte, spätestens jedoch über jenes Kalenderjahr, das dem Beginn des laufenden Studienjahres vorangegangen ist; der Einkommensteuerbescheid einer Arbeitnehmerveranlagung ist nicht heranzuziehen, wenn das zuletzt veranlagte Jahr mehr als drei Jahre zurückliegt und im gemäß

Z 2 maßgeblichen Kalenderjahr ausschließlich lohnsteuerpflichtige Einkommen bezogen wurden,

2. bei lohnsteuerpflichtigen Einkünften außerdem durch die Vorlage sämtlicher Lohnzettel über jenes Kalenderjahr, das dem Beginn des laufenden Studienjahres vorangegangen ist,

3. bei Einkünften aus Land- und Fortwirtschaft, die nach Durchschnittssätzen (§ 17 EStG 1988) ermittelt werden, durch die Vorlage des zuletzt ergangenen Einheitswertbescheides,

4. bei steuerfreien Bezügen gemäß § 9 Z 1 und Z 3 durch eine Bestätigung der bezugsliquidierenden Stelle über die Bezüge jenes Kalenderjahres, das dem Beginn des laufenden Studienjahres vorangegangen ist.

(2) Über Sonderausgaben, allfällige steuerfreie Bezüge, Beträge gemäß § 9 Z 2 sowie ausländische Einkünfte ist eine Erklärung abzugeben. Es können, insbesondere bei ausländischen Einkünften, auch andere Nachweise über das Einkommen oder Teile desselben gefordert werden."

17 Der von der belangten Behörde ins Treffen geführte "Wille des Gesetzgebers" lässt sich aus dieser Bestimmung schon deshalb nicht ableiten, weil diese in Abs. 2 andere als die in § 11 Abs. 1 genannten Einkommensnachweise "insbesondere bei ausländischen Einkünften" ermöglicht (Hervorhebung durch den Gerichtshof). Dem Verwaltungsgericht ist daher nicht entgegenzutreten, wenn es auch bei inländischen Einkünften gegenüber den in § 11 Abs. 1 StudFG genannten Nachweisen alternative Nachweise nicht für ausgeschlossen gehalten hat.

18 Das Verwaltungsgericht ist in dem von ihm zu entscheidenden Fall unter Anwendung der Bestimmungen des StudFG und unter Bedachtnahme auf das hg. Erkenntnis 97/12/0344 sorgfältig begründet zu dem Ergebnis gelangt, dass die vorliegend relevante Höhe des Einkommens der Mitbeteiligten in den Monaten Jänner bis September 2017 anhand der von dieser vorgelegten Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ermittelt werden könne; eine derartige einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen nicht revisibel, wenn sie - wie hier - auf einer nicht zu beanstandenden Grundlage (vgl. oben unter Punkt 3.1.) erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde (vgl. etwa den Beschluss vom 25. März 2020, Ra 2020/10/0027, mwN).

19 4. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020100034.L00

Im RIS seit

01.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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