TE Vwgh Beschluss 2020/5/7 Ra 2020/10/0021

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Veröffentlicht am 07.05.2020
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Index

L55052 Nationalpark Biosphärenpark Kärnten
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

Biosphärenpark-NockbergeG Krnt 2013 §5 Abs2
Biosphärenpark-NockbergeG Krnt 2013 §5 Abs3 lite
Biosphärenpark-NockbergeG Krnt 2013 §5 Abs4
B-VG Art133 Abs4
NationalparkG BiosphärenparkG Krnt 2019 §3 lita
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie den Hofrat Dr. Fasching und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der C I in G, vertreten durch Dr. Bertram Broesigke, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Gumpendorfer Straße 14/1/22, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 19. November 2019, Zl. KLVwG- 562/11/2018, betreffend biosphärenparkrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG) - im Beschwerdeverfahren, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - den Antrag der Revisionswerberin auf Erteilung der biosphärenparkrechtlichen Bewilligung für die Errichtung einer Forststraße mit einer Gesamtweglänge von 469 lfm auf einer näher genannten Parzelle der KG Leoben gemäß § 5 Abs. 3 lit. e und Abs. 4 Biosphärenpark-Nockberge-Gesetz, LGBl. Nr. 124/2012 idF LGBl. Nr. 74/2013 (K-BPNG), ab.

2 Begründend führte das LVwG - gestützt auf Gutachten bzw. Ausführungen der forstfachlichen und naturschutzfachlichen Amtssachverständigen - aus, die in Rede stehende Parzelle sei Bestandteil des Biosphärenparks Nockberge und Teil des nominierten Natura 2000 Gebietes "Nockberge". Die Fläche, auf der das verfahrensgegenständliche Projekt ausgeführt werden solle, sei Teil der Naturzone des Biospährenparks Nockberge.

3 Mit der beabsichtigten Forststraße würden ca. 25 ha Waldfläche erschlossen. Die Waldflächen über Dolomitgestein hätten in der Naturzone des Biosphärenparks ein Ausmaß von weniger als 1%; es handle sich um einen äußerst seltenen Lebensraum innerhalb der Naturzone. Die geplante Forststraße führe zudem auch durch Schutzwald (subalpiner Fichten-Lärchenwald).

4 Bedingt durch den kalkhaltigen Untergrund gälten die betroffenen Flächen als artenreiche Pflanzengesellschaften; auffällig für dieses Biotop sei der floristische Artenreichtum mit vielen - im Einzelnen genannten - geschützten und gefährdeten Arten. Die Straße würde einen wesentlichen Bestand dieser naturschutzrelevanten Pflanzenarten zerschneiden bzw. vernichten und (im letzten Teil des Weges) einen direkten Verlust der Pflanzengesellschaft im Ausmaß von ca. 800 bis 900 m2 bewirken. 5 Dramatisch sei weiters die Gefährdungssituation von drei - ebenfalls näher genannten und im Anhang I der Vogelschutzrichtlinie angeführten - Vogelarten. Aufgrund der geringen Erschließung der forststraßenfreien Zone habe sich ein ursprünglicher Wald mit hoher Naturnähe erhalten; gerade solche Waldbestände hätten höchste Priorität in einem Schutzgebiet, zumal sie die letzten Rückzugsgebiete von - näher genannten - seltenen Tierarten seien. Die Nutzung und Erschließung von Bergwäldern führten nicht nur zum Verlust der genannten Vogelarten, sondern auch zum Verschwinden einer Reihe von alt- und totholzbewohnenden wirbellosen Tierarten.

6 Die Naturzone diene auch der Erhaltung natürlicher Abläufe (Prozessschutz); gerade alte Wälder seien für die Erhaltung der Biodiversität unentbehrlich. Diese Prozessabläufe würden aber durch forstwirtschaftliche Nutzungen unterbunden. Der Bau der Forststraße habe negative Auswirkungen in Bezug auf die Lebensraumqualität für verschiedene Schutzgüter, indirekt auch in den angrenzenden Waldflächen. Die geplante Forststraße bewirke nicht nur nachhaltige direkte Beeinträchtigungen des Haushalts der Natur in den betroffenen Waldlebensräumen, sondern auch indirekte nachhaltige Beeinträchtigungen der alt- und totholzbewohnenden Tierarten der talabwärts gelegenen naturnahen Bergwälder. Die geplanten Maßnahmen Straßenbau und Nutzungsintensivierung stünden mit dem Schutzzweck der möglichst unbeeinflussten Naturzone nicht im Einklang.

7 Mit Ausnahme von Weidezäunen zeige sich der Charakter der betroffenen Landschaft als eine von baulichen Anlagen unberührte Landschaft. Die geplante Forststraße befinde sich in der Alpinregion und wäre infolge mangelnden Sichtschutzes im naturbelassenen Landschaftsteil weithin sichtbar, wodurch auch der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachhaltig beeinträchtigt würde. Das Landschaftsbild im letzten Abschnitt der Straße würde über einen längeren Zeitraum leiden.

8 Zusammenfassend führte das LVwG aus, die geplante Fortstraße verlaufe zur Gänze in der Naturzone des Biosphärenparks. Dies sei die Zone mit der höchsten Schutzintensität, wobei die unversehrte Erhaltung der Ökosysteme Vorrang habe. Die Schutzziele in der Naturzone eines Biospährenparks würden sich deutlich von der Pflegezone, wo die Nutzung im Vordergrund stehe, unterscheiden. Aufgrund des festgestellten Sachverhalts sei davon auszugehen, dass die geplante Forststraße einen erheblichen nachteiligen Einfluss auf das Schutzziel der Erhaltung einer weitgehend unbeeinträchtigten Naturlandschaft sowie der möglichst unbeeinträchtigten Erhaltung von Natur und Landschaft habe.

9 Die Bewilligungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 4 K-BPNG seien daher nicht gegeben, zumal der Gesetzgeber im Gegensatz zu anderen naturschutzrechtlichen Bestimmungen weder eine Interessenabwägung noch die Vorschreibung von Ersatzlebensräumen normiert habe. Es komme daher auf die von der Revisionswerberin geltend gemachten (öffentlichen) Interessen an der Verwirklichung des Vorhabens nicht an.

10 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

11 Vorweg ist anzumerken, dass sich die Revisionswerberin durch das angefochtene Erkenntnis im subjektiv-öffentlichen Recht auf Erteilung der beantragten Bewilligung nach dem Kärntner Biosphärenparkrecht verletzt erachtet. Im ebenfalls unter den Revisionspunkten geltend gemachten Recht auf Erteilung der beantragten Bewilligung "nach Forstgesetz und Kärntner Naturschutzrecht" kann die Revisionswerberin nicht verletzt sein, weil Gegenstand des angefochtenen Erkenntnis lediglich die (Versagung der) Bewilligung nach Maßgabe des K-BPNG war. 12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 15 Gemäß § 3 ("Schutz- und Entwicklungsziele des Biosphärenparks") K-BPNG ist unbeschadet des § 19 (nunmehr: § 24) Abs. 2 des Kärntner Nationalpark- und Biosphärengesetzes, LGBl. Nr. 21/2019 (WV) idF LGBl. Nr. 41/2019 (K-NBG), Ziel der Einrichtung des Biosphärenparks Nockberge, die im betreffenden Gebiet der Gurktaler Alpen seit Jahrhunderten bewahrte natürliche und kulturelle Vielfalt weiterhin nachhaltig zu schützen. Durch eine dem Menschen und der Natur in gleicher Weise gerecht werdende Nutzung soll dieses Gebiet auch für die Zukunft erhalten werden und die Lebensgrundlage und Kapital für weitere wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklungen darstellen.

16 Gemäß § 4 ("Verhältnis zum Kärntner Nationalpark- und Biosphärenparkgesetz") Abs. 3 K-BPNG ist § 3 K-NBG anzuwenden. 17 Gemäß § 5 ("Naturzone") Abs. 2 lit. a K-BPNG steht den Schutzzielen gemäß § 21 (nunmehr: § 26) Abs. 1 K-NBG und den Verboten des Abs. 1 die Ausübung der mit den Schutzzielen der Naturzone in Einklang stehenden, zeit- und ordnungsgemäßen, auf die naturräumlichen Verhältnisse abgestimmte Alm-, Land- und Forstwirtschaft nicht entgegen.

18 Gemäß § 5 Abs. 3 lit. e leg. cit. bedarf in der Naturzone unbeschadet des Abs. 2 ua. die Errichtung von Wegen einer Bewilligung.

19 Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist die Bewilligung nach Abs. 3 zu erteilen, wenn durch die beantragte Maßnahme das mit der Festlegung des Gebietes als Naturzone verfolgte Schutzziel weder abträglich beeinflusst noch gefährdet wird.

20 Gemäß § 3 ("Geltungsbereich") lit. a K-NBG unterliegen dem

1. Hauptstück nicht Maßnahmen zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen oder zur unmittelbaren Abwehr von Elementarereignissen und Maßnahmen im Zuge von Aufräumungsarbeiten im direkten Zusammenhang mit Elementarereignissen.

21 Gemäß § 26 ("Naturzone") Abs. 1 K-NBG sind jene Gebiete eines Biosphärenparks, die eine vom Menschen weitgehend unbeeinträchtigte Natur- oder naturnahe Kulturlandschaft aufweisen, als Naturzone festzulegen. In der Naturzone sind Natur und Landschaft möglichst unbeeinträchtigt zu erhalten. 22 Zunächst kann die von der Revision in den Zulässigkeitsgründen (unter Hinweis auf das Erkenntnis VwGH 18.10.1993, 92/10/0134) thematisierte Frage, ob die Errichtung der gegenständlichen Forststraße gemäß § 5 Abs. 2 K-BPNG von der Berücksichtigung der Schutzziele der Naturzone und den in Abs. 1 leg. cit. definierten Verboten ausgenommen sei, dahinstehen, weil im Revisionsfall nicht diese Frage, sondern allein die Frage der Bewilligungsfähigkeit der geplanten Maßnahme nach § 5 Abs. 4 K-BPNG - entscheidungsgegenständlich war; die Bewilligungspflicht für die gegenständliche Forststraße in der Naturzone bestand aber - worauf das LVwG in seinen rechtlichen Erwägungen zutreffend hingewiesen hat - gemäß § 5 Abs. 3 lit. e K-BPNG "unbeschadet des Abs. 2", und daher jedenfalls. 23 Soweit die Revision in den Zulässigkeitsausführungen die Bewilligungspflicht für die in Rede stehende Forststraße weiters unter Hinweis auf den Ausnahmetatbestand des § 3 lit. a K-NBG in Abrede stellt, ist sie darauf zu verweisen, dass die Auffassung des LVwG, wonach die Errichtung einer Forststraße keine Maßnahme darstellt, die der unmittelbaren Abwehr von Elementarereignissen bzw. den erforderlichen Aufräumungsarbeiten "im direkten Zusammenhang" mit Elementarereignissen im Sinne dieser Bestimmung dient, nicht zu beanstanden ist. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang Kritik an der Beweiswürdigung des LVwG (insbesondere zum Erfordernis der Schadholzaufarbeitung) vorbringt, ist nicht ersichtlich, dass das LVwG die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa VwGH 22.2.2017, Ra 2016/10/0124, mwN).

24 Soweit die Revision die vom LVwG im Fall der Errichtung der Forststraße angenommene abträgliche Beeinträchtigung bzw. Gefährdung des Schutzzieles der Naturzone (im Hinblick auf die besondere "Genese" der Naturzone im Bereich des in Rede stehenden Grundstückes) in Abrede stellt, werden damit weder über den Einzelfall hinausreichende Fragen aufgeworfen, noch bietet der vorliegende Fall Anhaltspunkte dafür, dass das LVwG den ihm zustehenden Anwendungsspielraum überschritten oder gar eine krasse oder unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles (gemäß § 5 Abs. 4 K-BPNG) vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 30.1.2019, Ra 2018/10/0198, mwN).

25 Das LVwG hat vielmehr - gestützt auf die erwähnten Amtssachverständigengutachten - in nicht zu beanstandender Weise eine maßgebliche Beeinträchtigung des für die Naturzone normierten Schutzzieles (möglichst unbeeinträchtigte Erhaltung von Natur und Landschaft; § 26 Abs. 1 zweiter Satz K-NBG) angenommen. 26 Davon ausgehend wird auch mit dem Vorbringen, dass "die Ziele des Schutzes der Alpen nach der Alpenkonvention in die Interpretation der Schutzziele der Biosphärenparklandesgesetze einzubeziehen" seien, fallbezogen eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, von deren Lösung das Schicksal der Revision abhängt, nicht konkret aufgezeigt (zur mangelnden unmittelbaren Anwendbarkeit der Alpenkonvention vgl. im Übrigen etwa VwGH 29.6.2017, Ra 2017/06/0104).

27 Soweit die Revision schließlich das Abweichen von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 21.5.2008, 2004/10/0038; 27.1.2011, 2009/10/0087) behauptet, wird damit eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, von deren Lösung das Schicksal der Revision abhängt, schon deshalb nicht aufgezeigt, weil das LVwG die Annahme der abträglichen Beeinflussung bzw. Gefährdung der Schutzziele gemäß § 5 Abs. 4 K-BPNG nicht bloß auf die in dieser Judikatur thematisierten Folgewirkungen eines geplanten Projekts, sondern - tragend - auch auf die allein maßgeblichen unmittelbaren Auswirkungen des bewilligungspflichtigen Vorhabens (abträgliche Beeinflussung bzw. Gefährdung des Naturhaushalts und der Landschaft) gestützt hat.

28 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020100021.L00

Im RIS seit

01.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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