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L94802 Bestattung Friedhof Leichenbestattung Totenbeschau KärntenNorm
ABGB §285Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Mayr sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision des H L in O, vertreten durch Ing. Dr. Stefan Krall und Dr. Oliver Kühnl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Anton-Melzer-Straße 9/1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 22. Mai 2018, Zl. KLVwG-981/5/2018, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Villach-Land), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Das Kostenersatzbegehren der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde wird abgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis vom 7. März 2018 legte die Bezirkshauptmannschaft Villach-Land (belangte Behörde) dem Revisionswerber als gewerberechtlichen Geschäftsführer und somit gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenen Organ der Bestattung N.N. KG mit näher genanntem Sitz zur Last, dass die genannte Firma während eines näher bestimmten Tatzeitraums einen Leichnam in einem Sarg in einem Container an einem näher genannten Ort gelagert habe, damit das Bestattungsgewerbe in einer weiteren Betriebsstätte ohne Anzeige der belangten Behörde ausgeübt habe, wodurch der Revisionswerber § 367 Z 16 iVm § 46 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 verletzt habe. Über den Revisionswerber wurde eine Geldstrafe in der Höhe von € 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 30 Stunden) verhängt und er zum Ersatz der Verfahrenskosten in der Höhe von € 20,-- verpflichtet.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht) die Beschwerde des Revisionswerbers mit der Maßgabe, dass der Spruch des Straferkenntnisses unter anderem insofern geändert werde, als die Wortfolge „in einem Container in ... gelagert“ durch „in einem Kühlcontainer in ... gelagert und gekühlt“ ersetzt werde und als Strafnorm § 367 Z 16 GewO 1994 angeführt werde, als unbegründet ab, verpflichtete den Revisionswerber zum Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 40,-- und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung nachfolgenden Sachverhalt zugrunde:
Der Revisionswerber sei seit 24. April 2015 gewerberechtlicher Geschäftsführer der Bestattung N.N. KG, die über eine Gewerbeberechtigung für das reglementierte Gewerbe „Bestattung“ mit näher genanntem Standort und einer weiteren Betriebsstätte an einer weiteren näher bezeichneten Adresse verfüge. Der Revisionswerber habe an seinem - von diesen beiden Standorten unterschiedlichen - näher bezeichneten Wohnsitz einen zweigeteilten Kühlcontainer zur Lagerung von Leichen errichtet. Im hinteren Teil des Containers befinde sich der Kühlraum, im vorderen Teil ein Raum mit einer Vorrichtung zum Ablegen von Gegenständen.
Der Revisionswerber fahre mit dem geschlossenen Sarg zum Kühlcontainer und stelle diesen darin ab. Im Kühlraum würden regelmäßig die Leichen in Särgen, so auch der Leichnam eines näher genannten Verstorbenen im Tatzeitraum gelagert und gekühlt. Für die Bestattung werde der Sarg wieder zum Bestattungsort gebracht. Außer dem Lagern der Leichen im Kühlcontainer werde keine weitere betriebliche Tätigkeit am Wohnsitz entfaltet. Die Ausübung des Gewerbes „Bestattung“ am Wohnsitz des Revisionswerbers als weitere Betriebsstätte sei der Gewerbebehörde nicht angezeigt worden.
Der Revisionswerber habe betreffend einer allfälligen Anzeigepflicht weder bei der Gewerbebehörde, noch bei der Wirtschaftskammer nachgefragt. Er habe im Internet recherchiert und sei dabei darauf gestoßen, dass für Lagerräume keine Anzeigepflicht einer weiteren Betriebsstätte bestehe. Überdies sei er von seinem Geschäftspartner dahin beraten worden, dass die ausschließliche Lagerung von Leichen ohne Manipulation an diesen oder am Sarg bzw. Gesprächen mit Angehörigen ohne weiteres möglich wäre, dies keine weitere Betriebsstätte begründe und lediglich eine Bauanzeige notwendig sei.
4 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, unter einer weiteren Betriebsstätte sei eine örtliche Einrichtung zu verstehen, von der aus für ein gewerbliches Unternehmen außerhalb des Standorts der Gewerbeberechtigung regelmäßig eine zu dessen Geschäftskreis gehörige Tätigkeit entfaltet werde. Für die Beurteilung einer weiteren Betriebsstätte sei das Gesamtbild entscheidend, in dem sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Hauptbetrieb und weiterer Betriebsstätte darstellten. Es müsse sich bei der weiteren Betriebsstätte nicht um eine vom Gewerbetreibenden selbst geschaffene Einrichtung handeln. Das Gewerbe müsse auch nicht in seinem gesamten Umfang in einer weiteren Betriebsstätte ausgeübt werden. Es genüge die Durchführung von Teiltätigkeiten.
Gemäß § 14 Abs. 1 letzter Satz Kärntner Bestattungsgesetz - K-BStG dürfe die Bestattung nicht vor Ablauf von 36 Stunden nach Eintritt des Todes erfolgen. Da der Verwesungsprozess eines Leichnams unmittelbar eintrete, habe das Bestattungsunternehmen, sobald es den Auftrag zur Durchführung der Bestattung erhalte und die Bestattung erfolgen dürfe (vgl. § 8 Abs. 4 K-BStG), dafür Sorge zu tragen, dass die erforderliche Kühlung der Leiche erfolge. Es handle sich bei der Lagerung und Kühlung der Leichen durch ein Bestattungsunternehmen jedenfalls um die Durchführung einer Teiltätigkeit im Rahmen des Bestattungsgewerbes. Sobald das Bestattungsunternehmen den Leichnam übernehme, werde die Lagerung und Kühlung des Leichnams im Rahmen des Bestattungsgewerbes vorgenommen. Die Lagerung und Kühlung in einem betriebseigenen Kühlcontainer begründe eine weitere anzeigepflichtige Betriebsstätte.
Eine Leiche sei keine Ware. Es handle sich um kein gehandeltes Wirtschaftsgut. Leichen seien ebenso wenig Betriebsmittel. Die Ausnahme des § 46 Abs. 3 Z 2 GewO 1994 scheide daher aus.
Der objektive Tatbestand des § 367 Abs. 1 Z 16 iVm § 46 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 sei durch die Lagerung und Kühlung eines Leichnams in einem Kühlcontainer an der Wohnadresse des Revisionswerbers erfüllt. Der Revisionswerber sei dafür als gewerberechtlicher Geschäftsführer gemäß § 9 VStG strafrechtlich verantwortlich. Ihm sei zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Er habe weder bei der Gewerbebehörde noch bei der Wirtschaftskammer angefragt, ob betreffend diese Tätigkeit die Anzeige einer weiteren Betriebsstätte erforderlich sei. Er habe somit die ihm zumutbaren Erkundigungen nicht eingeholt.
5 Den Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Nichtvorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, das Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung der Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Einleitung des Vorverfahrens und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die belangte Behörde - erwogen:
Zulässigkeit
7 Die Revision ist zu der im Zulässigkeitsvorbringen dargelegten Rechtsfrage, ob es sich bei einem (sich nicht am Standort der Gewerbeberechtigung bzw. einer weiteren angezeigten Betriebsstätte befindlichen) Kühlraum eines Bestattungsunternehmens, der zur bloßen Aufbewahrung von Leichen diene, um eine weitere Betriebsstätte iSd § 46 Abs. 1 GewO 1994 handle, mangels Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
Rechtslage
8 § 32 Abs. 1a GewO 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2017, § 46 Abs. 1, 2 und 3 Z 2 und § 94 Z 6 GewO 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2002, § 101 Abs. 1 bis 3 GewO 1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 131/2004, sowie § 367 Z 16 in der Fassung BGBl. I Nr. 42/2008, lauten:
„Sonstige Rechte von Gewerbetreibenden
§ 32. ...
(1a) Gewerbetreibenden steht auch das Erbringen von Leistungen anderer Gewerbe zu, wenn diese Leistungen die eigene Leistung wirtschaftlich sinnvoll ergänzen. Dabei dürfen die ergänzenden Leistungen insgesamt bis zu 30 vH des im Wirtschaftsjahr vom Gewerbetreibenden erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen. Innerhalb dieser Grenze dürfen auch ergänzende Leistungen reglementierter Gewerbe erbracht werden, wenn sie im Fall von Zielschuldverhältnissen bis zur Abnahme durch den Auftraggeber oder im Fall von Dauerschuldverhältnissen bis zur Kündigung der ergänzten eigenen Leistungen beauftragt werden und sie außerdem bis zu 15 vH der gesamten Leistung ausmachen.
...
c) Weitere Betriebsstätten, Verlegung des Betriebes
§ 46. (1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, berechtigt die Gewerbeberechtigung zur Ausübung des Gewerbes in weiteren Betriebsstätten entsprechend den Anzeigen gemäß Abs. 2.
(2) Der Gewerbeinhaber hat folgende Vorgänge der Behörde anzuzeigen:
1. den Beginn und die Einstellung der Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte,
2. die Verlegung des Betriebes eines Gewerbes in einen anderen Standort und
3. die Verlegung des Betriebes einer weiteren Betriebsstätte in einen anderen Standort.
Die Anzeige ist so rechtzeitig zu erstatten, dass sie spätestens am Tag der Aufnahme oder Einstellung der Gewerbeausübung in der weiteren Betriebsstätte oder in den Fällen der Z 2 und 3 mit dem Tag der Aufnahme der Gewerbeausübung im neuen Standort bei der Behörde einlangt.
(3) Die Anzeigepflicht gilt nicht für:
...
2. Räumlichkeiten, die nur der Aufbewahrung von Waren oder Betriebsmitteln dienen oder in denen in einem Standort des Gewerbes verkaufte Waren nur ausgefolgt werden.
...
II. Hauptstück
Bestimmungen für einzelne Gewerbe
1. Reglementierte Gewerbe
§ 94. Folgende Gewerbe sind reglementierte Gewerbe:
...
6. Bestattung
...
Bestattung
§ 101. (1) Einer Gewerbeberechtigung für das Bestattungsgewerbe (§ 94 Z 6) bedarf es für die Durchführung von Totenaufbahrungen, - feierlichkeiten und -überführungen sowie von Bestattungen und Exhumierungen.
(2) Zu den im Abs. 1 genannten Tätigkeiten gehören insbesondere das Waschen, Ankleiden und Einsargen des Toten sowie die Thanatopraxie. Die Thanatopraxie darf nur von Personen ausgeführt werden, die zur Ausführung dieser Arbeiten fachlich befähigt sind. Durch Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend ist festzulegen, wie diese fachliche Befähigung nachzuweisen ist. Hiebei ist auf den Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen sowie auf eine fachgemäße Ausführung der Arbeiten Bedacht zu nehmen.
(3) Die Rechte der Kirchen und Religionsgemeinschaften auf Abhaltung der gottesdienstlichen Feierlichkeiten aus Anlass von Bestattungen und auf die Besorgung des kirchlichen Glockengeläutes und der Kirchenmusik werden durch die vorangegangenen Bestimmungen nicht berührt.
...
§ 367. Eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2 180 € zu bestrafen ist, begeht, wer
...
16. ein Gewerbe in einer weiteren Betriebsstätte oder in einem neuen Standort ausübt, ohne die Anzeige gemäß § 46 Abs. 2 rechtzeitig erstattet zu haben;
...“
9 § 1 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über Standesregeln für Bestatter in der Stammfassung BGBl. II Nr. 476/2004 (im Folgenden: Bestatter-Verordnung) lautet:
„Anwendungsbereich
§ 1. (1) Diese Verordnung ist anzuwenden auf:
1. die dem reglementierten Gewerbe der Bestattung (§ 94 Z 6 GewO 1994) vorbehaltenen Tätigkeiten (Abs. 2);
2. sonstige Tätigkeiten, zu denen die Bestatter berechtigt sind (Abs. 3 und 4).
(2) Die dem reglementierten Gewerbe der Bestattung vorbehaltenen Tätigkeiten sind:
1. die Durchführung von gesetzlich zugelassenen Bestattungen (Erde, Feuer und andere), die Beisetzung von Urnen und Exhumierungen (Enterdigungen) unter Berücksichtigung der jeweils geltenden landesrechtlichen Vorschriften;
2. die Durchführung von Totenaufbahrungen, insbesondere
a) das Reinigen und Ankleiden der Toten,
b) das Einsargen der Toten,
c) das Schließen (zB Verlöten, Verschrauben) des Sarges unter Berücksichtigung der jeweils geltenden landesrechtlichen Bestimmungen,
d) die Thanatopraxie, das sind insbesondere die Verzögerung der Autolyse (Verwesung) und die rekonstruktiven Arbeiten zB an einem Unfalltoten sowie die Wiederherstellung der optisch-ästhetischen Erscheinung von Verstorbenen zum Zweck der pietätvollen Abschiednahme unter Berücksichtigung der jeweils geltenden landesrechtlichen Vorschriften;
3. die Organisation und Durchführung von Totenfeierlichkeiten unter Berücksichtigung der verschiedenen religiösen und weltanschaulichen Gebräuche sowie die Beratung der Hinterbliebenen in diesen Angelegenheiten;
4. die Durchführung von Totenüberführungen, das ist die Beförderung von Toten oder die Übernahme/Übergabe zur Beförderung durch befugte Unternehmen vom Sterbeort zum Bestimmungsort.
(3) Unbeschadet der Rechte anderer Gewerbetreibender sind die Bestatter zur Herstellung, Beistellung, Lieferung und zum Verkauf der erforderlichen Einrichtungen und Gegenstände (wie zB Särge, Urnen, Sargausstattung, Trauerdekoration) zur Durchführung der in Abs. 2 genannten Tätigkeiten berechtigt.
(4) Weiters stehen den Bestattern noch folgende Rechte zu:
1. die Besorgung der Grabstelle;
2. der Aushub sowie das Verschließen der Grabstelle;
3. die Beschaffung der erforderlichen Urkunden;
4. die Erstellung von Trauerdrucksorten;
5. die Aufgabe von Zeitungsanzeigen;
6. die Besorgung der Parten;
7. die Besorgung bzw. Vermittlung von Blumenspenden.“
10 § 8 Abs. 4, in der Stammfassung LGBl. Nr. 61/1971, sowie § 14 Abs. 1 erster, dritter und vierter Satz des Kärntner Bestattungsgesetzes - K-BStG, in der Fassung LGBl. Nr. 50/1998, lauten:
„§ 8
Totenbeschauschein
...
(4) Die Bestattung (§§ 13 und 14 Abs. 1) darf erst erfolgen, wenn der Eintritt und die Ursache des Todes beurkundet sind.
...
§ 14
Bestattungspflicht
(1) Jede Leiche und jede Tatgeburt sind zu bestatten. ... Der Zeitpunkt der Bestattung ist so zu wählen, daß sanitäre Interessen nicht verletzt werden. Die Bestattung darf jedoch nicht vor Ablauf von 36 Stunden nach Eintritt des Todes (der Totgeburt) erfolgen.“
Weitere Betriebsstätte iSd § 46 Abs. 1 GewO 1994
11 Unter Betriebsstätte - die GewO 1994 enthält (wie bereits die GewO 1973 seit der Gewerberechtsnovelle 1988) keine Legaldefinition der (weiteren) Betriebsstätte - ist im Zusammenhalt mit § 46 Abs. 1 GewO 1994 sowie den Verfahrensbestimmungen, insbesondere den §§ 339 Abs. 1 und 2 erster Satz, 340 Abs. 1 erster Satz sowie 365a Abs. 1 Z 6 GewO 1994, der Standort der Gewerbeberechtigung zu verstehen, sohin der in der Gewerbeberechtigung angeführte Ort, an dem das Gewerbe (zulässigerweise) „ausgeübt“ wird (vgl. VwGH 22.2.1994, 92/04/0214, zur früheren Rechtslage nach der GewO 1973).
12 Eine Gewerbeberechtigung berechtigt nicht nur zur Gewerbeausübung am angemeldeten Standort, sondern gemäß § 46 Abs. 1 GewO 1994 auch in weiteren Betriebsstätten. Für die Qualifikation als „weitere Betriebsstätte“ ist zumindest das Vorliegen einer standortgebundenen Einrichtung, die zur Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit, die in einem anderen Standort als dem, auf den die Gewerbeberechtigung lautet, bestimmt ist, wesentlich (vgl. Schlögl, in Ennöckl/Raschauer/Wessely (Hrsg.), GewO (2015) § 46, Rz 34). Bei der Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte gegeben sind, ist die Behörde an den als Bescheid geltenden Gewerbeschein und den solcherart enthaltenden normativen Abspruch gebunden (vgl. VwGH 14.9.2005, 2004/04/0055). Dabei reicht es aus, wenn in der standortgebundenen Einrichtung nur eine Teiltätigkeit oder eine (auf Grund der Gewerbeberechtigung zustehende) Nebentätigkeit des angemeldeten Gewerbes, die zum Geschäftskreis des Gewerbes gehört, ausgeübt wird; ob eine wirtschaftliche Notwendigkeit für diese Art der gewerblichen Tätigkeit besteht, ist unerheblich (vgl. VwGH 27.6.1989, 89/04/0002, zur früheren Rechtslage nach der GewO 1973; Schlögl, in Ennöckl/Raschauer/Wessely (Hrsg.), GewO (2015) § 46, Rz 42). Maßgeblich bei der Charakterisierung einer weiteren Betriebsstätte ist das Gesamtbild der wirtschaftlichen Beziehung zwischen Hauptbetrieb und dem dislozierten Standort (vgl. VwGH 18.6.1969, 507/68; Schlögl, aaO § 46, Rz 44).
Bloße Lagerung und Kühlung von Leichen als im Rahmen eines Nebenrechts gemäß § 32 Abs. 1a GewO 1994 ausgeübte gewerbliche Tätigkeit
13 Das Verwaltungsgericht gründet das Vorliegen einer „weiteren Betriebsstätte“ iSd § 46 Abs. 1 GewO 1994 am Wohnsitz des Revisionswerbers auf die Lagerung und Kühlung von Leichen in einem Container als Teiltätigkeit des Bestattungsgewerbes.
14 Die Revision wendet dagegen zusammengefasst ein, das Kühlen und Lagern von Leichnamen sei nicht von § 101 GewO 1994 umfasst und somit keine Tätigkeit von Bestattern im Rahmen ihres (reglementierten) Gewerbes. Dies bestätige sich durch § 1 Abs. 2 Bestatter-Verordnung. Darin werde das Kühlen und Lagern von Leichnamen nicht als dem Bestattungsgewerbe vorbehaltene Tätigkeit qualifiziert. Das Kühlen und Lagern von Leichnamen falle auch nicht unter eines der nach § 1 Abs. 4 Bestatter-Verordnung den Bestattern überdies zustehenden Rechte. Schließlich würde diese Tätigkeit auch von anderen Personen, wie etwa den Betreibern von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen oder Krematorien vorgenommen werden. Diese Tätigkeit sei somit nicht von der Gewerbeberechtigung eines Bestatters umfasst.
15 Das Kärntner Bestattungsgesetz - K-BStG enthält keine Bestimmungen über die Lagerung von Leichen. Dessen Notwendigkeit ergibt sich jedoch nicht zuletzt aus § 8 Abs. 4 K-BStG, wonach die Bestattung erst nach Beurkundung des Eintritts und der Ursache des Todes erfolgen darf, sowie aus § 14 Abs. 1 K-BStG, wonach die verpflichtend vorzunehmende Bestattung nicht vor Ablauf von 36 Stunden nach Eintritt des Todes (der Totgeburt) erfolgen darf. Die Lagerung einer Leiche in einem Kühlcontainer ist dem Revisionswerber insofern gesetzlich nicht verboten.
16 Die bloße Aufbewahrung von Leichen in Kühlräumen durch Bestatter - wie vorliegend - im Rahmen ihres reglementierten Gewerbes stellt eine gewerbliche Tätigkeit iSd § 1 GewO 1994 dar, die die eigene Leistung der Bestatter gemäß § 101 GewO 1994 und der Bestatter-Verordnung wirtschaftlich sinnvoll ergänzt und insofern eine zulässige Nebentätigkeit iSd § 32 Abs. 1a GewO 1994 ist.
Vorliegen einer weiteren Betriebsstätte iSd § 46 Abs. 1 GewO 1994
17 Da - wie in Rn. 12 dargelegt - bereits die Ausübung einer (auf Grund der Gewerbeberechtigung zustehenden) Nebentätigkeit des angemeldeten Gewerbes, die zum Geschäftskreis des Gewerbes gehört, in einer standortgebundenen Einrichtung, wie vorliegend die bloße Aufbewahrung von Leichen in einem Kühlcontainer am Wohnsitz des Revisionswerbers, für das Bestehen einer weiteren Betriebsstätte iSd § 46 Abs. 1 GewO 1994 ausreicht, ist dieser Standort des Kühlcontainers jedenfalls als „weitere Betriebsstätte“ des von der Bestattung N.N. KG betriebenen Bestattungsgewerbes iSd § 46 Abs. 1 GewO 1994 zu qualifizieren.
18 Die Bestattung N.N. KG als Gewerbeinhaberin war somit gemäß § 46 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 zur Anzeige des Beginns der Ausübung ihres Gewerbes am Wohnsitz des Revisionswerbers als weitere Betriebsstätte ihres Bestattungsgewerbes verpflichtet.
Ausnahme von der Anzeigepflicht gemäß § 46 Abs. 3 Z 2 GewO 1994
19 Nach herrschender Meinung gilt der Leichnam nicht als Sache (vgl. OGH 6.12.1972, 1 Ob 257/72; 27.10.1999, 7 Ob 225/99k) und stellt die Verfügung darüber einen Akt der Totenfürsorge dar (vgl. VwGH 14.5.2009, 2008/11/0201, mwN). Bereits insofern ist entgegen den Ausführungen der Revision ein Kühlcontainer zur Aufbewahrung von Leichen durch einen Bestatter keine Räumlichkeit zur Aufbewahrung von Waren und Betriebsmitteln iSd § 46 Abs. 3 Z 2 GewO 1994 und insofern nicht von der Anzeigepflicht ausgenommen.
Subjektive Tatseite
20 Die Revision vermeint schließlich, den Revisionswerber treffe an einem allfälligen Verstoß gegen die GewO 1994 kein Verschulden, weil er sich umfassend über die Rechtslage informiert habe, in dem er sich beim Zeugen Mag. H B, ein „mit der Materie bestens vertrauter Fachmann“, erkundigt habe und von diesem die Auskunft erhalten habe, dass die bloße Lagerung von Leichen keine Betriebsstätte begründe. Überdies verwies die Revision auf das im Verfahren vorgelegte Informationsblatt der Wirtschaftskammer (zum Thema: „Weitere Betriebsstätten, Standortverlegung, Tätigkeiten außerhalb von Betriebsstätten, Automaten FAQs“), an die sich der Revisionswerber ebenfalls gewandt habe. Damit behauptet der Revisionswerber im Zusammenhang damit geltend gemachter Verfahrensmängel das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums iSd § 5 Abs. 2 VStG.
21 Ein solcher Rechtsirrtum setzt voraus, dass dem Betroffenen das Unerlaubte seines Verhaltens trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Auch eine irrige Gesetzesauslegung entschuldigt den Betroffenen nur dann, wenn sie unverschuldet war. Um sich darauf berufen zu können, bedarf es (zur Einhaltung der einen am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht) einer Objektivierung der eingenommenen Rechtsauffassung durch geeignete Erkundigungen (vgl. etwa VwGH 30.4.2019, Ro 2019/04/0013, Rn. 29, mwN). Solche Erkundigungen haben an der geeigneten Stelle zu erfolgen, worunter im Zweifelsfall die zur Entscheidung der Rechtsfrage zuständige Behörde zu verstehen ist. Die Argumentation mit einer auch plausiblen Rechtsauffassung kann ein Verschulden am objektiv unterlaufenen Rechtsirrtum nicht ausschließen, vielmehr trägt das Risiko des Rechtsirrtums der, der es verabsäumt, sich an geeigneter Stelle zu erkundigen (vgl. VwGH 27.4.2017, Ro 2016/02/0020, Rn. 25, mwN).
22 Demgegenüber entspricht weder die Kenntnisnahme eines sich nicht auf den konkreten Sachverhalt beziehendes Informationsblatts einer Interessensvertretung noch die Beauskunftung durch einen mit der Rechtsmaterie vertrauten Geschäftspartner der ein Verschulden an einer irrigen Gesetzesauslegung ausschließenden Erkundigungspflicht.
23 Den in diesem Zusammenhang von der Revision geltend gemachten Verfahrensmängeln fehlt insofern die erforderliche rechtliche Relevanz.
Ergebnis
24 Das bloße Aufbewahren von Leichen in einem Kühlcontainer durch die Bestattung N.N. KG im Rahmen ihres Bestattungsgewerbes als Ausübung eines Nebenrechts iSd § 32 Abs. 1a GewO 1994 am Wohnsitz des Revisionswerbers begründet das Vorliegen einer weiteren Betriebsstätte iSd § 46 Abs. 1 GewO 1994. Da der Kühlcontainer nicht der Aufbewahrung von Waren und Betriebsmitteln dient, ist der diesbezügliche Ausnahmetatbestand gemäß § 46 Abs. 3 Z 2 GewO 1994 von der in § 46 Abs. 2 leg.cit. geregelten Anzeigepflicht nicht erfüllt.
25 Das Verwaltungsgericht hat somit zu Recht die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des Verstoßes gegen § 367 Z 16 GewO 1994 iVm § 46 Abs. 2 Z 1 GewO 1994 wegen unterlassener Anzeige der Ausübung des Bestattungsgewerbes am Wohnsitz des Revisionswerbers als einer weiteren Betriebsstätte durch den Revisionswerber als gewerberechtlicher Geschäftsführer somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Bestattung N.N. KG bejaht und dem Revisionswerber mangels entschuldbaren Rechtsirrtums ein Verschulden an diesem Rechtsverstoß zur Last gelegt.
26 Die Revision war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
27 Auf dem Boden der §§ 47 ff VwGG ist der belangten Behörde Aufwandersatz nicht zuzusprechen, wenn sie - wie vorliegend - in ihrer Revisionsbeantwortung sich im Wesentlichen darauf beschränkt, inhaltlich auf die Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zu verweisen (vgl. VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0003).
Wien, am 7. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018040146.L00Im RIS seit
05.11.2020Zuletzt aktualisiert am
06.11.2020