TE Vwgh Beschluss 2020/5/8 Ra 2020/09/0012

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Veröffentlicht am 08.05.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verfassungsgerichtshof
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal

Norm

ÄrzteG 1998 §137
ÄrzteG 1998 §137 Abs1 Z1
ÄrzteG 1998 §141
ÄrzteG 1998 §150
ÄrzteG 1998 §150 Abs3
ÄrzteG 1998 §151 Abs2
ÄrzteG 1998 §151 Abs4
ÄrzteG 1998 §153
ÄrzteG 1998 §153 Abs1
ÄrzteG 1998 §153 Abs2
B-VG Art144 Abs1
VerfGG 1953 §19 Abs3 Z2
VerfGG 1953 §87 Abs3
VStG §32 Abs2
VwGG §26 Abs1
VwGG §26 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

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Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/09/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel sowie die Hofräte Dr. Doblinger und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die außerordentliche Revisionder A B in C, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Sackstraße 21, gegen 1) das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 13. November 2015, Zl. LVwG 49.11-2917/2015-2, und 2) den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 29. Februar 2016, Zl. LVwG 40.11-435/2016-2, betreffend Zurücklegung einer Disziplinaranzeige nach dem Ärztegesetz 1998 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Steiermark und Kärnten; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

 

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Am 22. November 2014 wurde bei der Ärztekammer Steiermark eine Disziplinaranzeige gegen die Revisionswerberin, einer Ärztin für Allgemeinmedizin in der Steiermark, mit dem Vorwurf eingebracht, dass dem Anzeiger in Graz ein der Revisionswerberin als Autorin zurechenbarer Flyer des Inhalts in die Hand gedrückt worden sei, dass das Benützen eines Kinderwagens zu mehreren Erkrankungen und bei zwei von 1.000 lebend Geborenen zum plötzlichen Kindstod führe.

2        Mit Schreiben vom 26. Jänner 2015 stellte der Disziplinaranwalt-Stellvertreter beim Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer den Antrag hinsichtlich dieser Disziplinaranzeige einen Rücklegungsbeschluss gemäß § 151 Abs. 2 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG) zu fassen.

3        Mit Beschluss des Disziplinarrats der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Steiermark und Kärnten, vom 2. Juni 2015 wurde die Anzeige zurückgelegt und dies damit begründet, dass sich aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergebe, dass eine Berufspflichtenverletzung nur dann vorliegen könne, wenn diese gegen eigene Patienten gerichtet ist.

4        Über Weisung des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer erhob der Disziplinaranwalt Beschwerde gegen diese Entscheidung mit dem Vorbringen, dass die zur Zurücklegung der Anzeige herangezogene Judikatur nicht einschlägig und eine Auseinandersetzung mit der Frage eines möglichen Verstoßes gegen die Werbeeinschränkung gemäß § 53 ÄrzteG geboten gewesen sei.

5        Mit dem (erst)angefochtenen Erkenntnis vom 13. November 2015 behob das Landesverwaltungsgericht Steiermark in Stattgebung dieser Beschwerde ersatzlos den Rücklegungsbeschluss, da der Disziplinarrat die Frage einer möglichen Verletzung der Werbebeschränkungen gemäß § 53 ÄrzteG iVm der Verordnung der Österreichischen Ärztekammer über die Art und Form zulässiger ärztlicher Informationen in der Öffentlichkeit nicht behandelt habe. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.

6        Nach Aufforderung an die Revisionswerberin zur Äußerung zur Disziplinaranzeige gemäß § 150 Abs. 4 ÄrzteG beantragte der Disziplinaranwalt-Stellvertreter mit Schreiben vom 15. Februar 2016 beim Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 150 Abs. 3 ÄrzteG ein Disziplinarverfahren gegen die Revisionswerberin einzuleiten.

7        Mit Schreiben vom 17. Februar 2016 stellte die Revisionswerberin beim Landesverwaltungsgericht Steiermark die Anträge, das obgenannte Verfahren vor dem Verwaltungsgericht für nichtig zu erklären, in eventu wiederaufzunehmen und mit der Revisionswerberin als mitbeteiligten Partei neuerlich zu führen oder in eventu die Entscheidung der Revisionswerberin zuzustellen, damit sie dagegen Rechtsmittel erheben könne.

8        Mit dem (zweit)angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 29. Februar 2016 wurden sämtliche Anträge gemäß § 31 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zurückgewiesen und die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig erklärt. Begründend führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst unter Zitierung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. September 2015, Ro 2015/09/0002, aus, dass der Revisionswerberin nur der Status einer „Angezeigten“, jedoch nicht einer „Beschuldigten“ zukomme und sie daher nicht Partei im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht gewesen sei. Es würden daher keine Gründe vorliegen, das verwaltungsgerichtliche Verfahren für nichtig zu erklären, es liege kein Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 VwGVG vor und sei die Entscheidung vom 13. November 2015 der Revisionswerberin mangels Parteistellung auch nicht zuzustellen.

9        Am 9. Mai 2016 fasste der Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer, Disziplinarkommission für Steiermark und Kärnten, den Beschluss ein Disziplinarverfahren gegen die Revisionswerberin wegen des Verdachts der Verletzung von § 136 Abs. 1 ÄrzteG durch die im öffentlich verteilten Flyer beinhaltete Äußerung einzuleiten.

10       Gegen diese nunmehr angefochtenen Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 13. November 2015 bzw. 29. Februar 2016 erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 10. Juni 2016, E 427-428/2016-5, die Beschwerde gegen das Erkenntnis zurückwies bzw. gegen den Beschluss ablehnte und sie im zuletzt genannten Umfang dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

11       Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen oder denen der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       Die hier relevanten gesetzlichen Bestimmungen des VStG 1991 und des ÄrzteG 1998 lauten (auszugsweise) wie folgt:

15       § 32 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013:

„(1) Beschuldigter ist die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei im Sinne des AVG.

(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

(3) ...“

16       §§ 137, 141, 150, 151 und 153 ÄrzteG 1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 80/2013:

„§ 137. (1) Durch Verjährung wird die Verfolgung eines Arztes oder außerordentlichen Kammerangehörigen ausgeschlossen, wenn

1.   innerhalb eines Jahres ab Kenntnis des Disziplinaranwaltes von dem einem Disziplinarvergehen zugrundeliegenden Sachverhalt oder von allfälligen Wiederaufnahmsgründen keine Verfolgungshandlung gesetzt oder

2.   innerhalb von fünf Jahren nach der Beendigung eines disziplinären Verhaltens kein Einleitungsbeschluß gefaßt oder ein rechtskräftig beendetes Disziplinarverfahren nicht zu seinem Nachteil wiederaufgenommen worden ist.

(2) Der Lauf der im Abs. 1 genannten Fristen wird gehemmt, wenn

1.   wegen des dem Disziplinarvergehen zugrunde liegenden Sachverhaltes ein Verfahren nach der StPO oder ein Verwaltungsstrafverfahren oder ein Verfahren vor einem anderen Träger der Disziplinargewalt oder vor dem Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof anhängig ist, für die Dauer dieses Verfahrens,

2.   die Berechtigung eines Arztes zur ärztlichen Berufsausübung während des Laufes der Verjährungsfrist erlischt, bis zu seiner allfälligen Wiedereintragung in die Ärzteliste.

(3) ...

§ 141. Die Vertretung der Anzeigen beim Disziplinarrat der Österreichischen Ärztekammer sowie beim Verwaltungsgericht des Landes obliegt dem Disziplinaranwalt, der in diesen Verfahren Parteistellung im Sinne des § 8 AVG sowie das Recht der Revision gemäß Art. 133 Abs. 8 B-VG hat. Auf Weisung des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer ist der Disziplinaranwalt zur Disziplinarverfolgung und zur Ergreifung von Rechtsmitteln verpflichtet. Der Disziplinaranwalt und ein Stellvertreter für jede Disziplinarkommission sind vom Vorstand der Österreichischen Ärztekammer zu bestellen und müssen rechtskundig sein.

[...]

§ 150. (1) Alle beim Disziplinarrat, bei den Ärztekammern in den Bundesländern oder bei der Österreichischen Ärztekammer einlangenden Anzeigen wegen eines Disziplinarvergehens sind zunächst dem Disziplinaranwalt zuzuleiten.

(2) Ist der Disziplinaranwalt der Ansicht, dass weder eine Beeinträchtigung des Standesansehens noch eine Berufspflichtverletzung vorliegt oder dass eine Verfolgung wegen Verjährung, mangelnder Strafwürdigkeit oder aus anderen Gründen ausgeschlossen ist, so hat er die Anzeige zurückzulegen und hievon [...] den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer zu verständigen

(3) Ist der Disziplinaranwalt der Ansicht, daß die Voraussetzungen für eine Disziplinarverfolgung vorliegen oder wird ihm diese vom [...] Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer aufgetragen, so hat er unter Vorlage der Akten beim Vorsitzenden der Disziplinarkommission die Durchführung von Erhebungen oder, wenn solche nicht erforderlich sind, die Einleitung des Verfahrens zu beantragen.

(4) Sofern der Inhalt der Anzeige oder die bekanntgewordenen Verdachtsgründe keine ausreichende Beurteilung zulassen, kann der Disziplinaranwalt vorweg eine ergänzende Äußerung des Anzeigers sowie eine Äußerung des Angezeigten einholen und Akten beischaffen.

(5) Solange der Angezeigte keine Äußerung erstattet hat, kann der Disziplinaranwalt unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme vorliegen, auch nach Zurücklegung der Anzeige einen Antrag auf Durchführung von Erhebungen oder, wenn solche nicht erforderlich sind, auf Einleitung des Verfahrens stellen.

§ 151. (1) Tritt der Vorsitzende des Disziplinarrates dem Antrag des Disziplinaranwaltes auf Durchführung von Erhebungen bei, so hat er den Untersuchungsführer mit der Durchführung der von ihm erforderlich erachteten Erhebungen zu beauftragen. An den Inhalt der Erhebungsanträge des Disziplinaranwaltes ist der Vorsitzende hiebei nicht gebunden. Hält der Vorsitzende der Disziplinarkommission dafür, daß Grund zur Zurücklegung der Anzeige besteht, so hat er die Disziplinarkommission einzuberufen.

(2) Erachtet die Disziplinarkommission anläßlich der Beratung darüber, ob eine bestimmte Verfolgungshandlung vorzunehmen oder ein Einleitungsbeschluß zu fassen ist, daß ein Disziplinarvergehen nicht vorliegt oder daß die Verfolgung aus einem der in diesem Bundesgesetz genannten Gründe ausgeschlossen ist, so hat sie einen Rücklegungsbeschluß zu fassen. Findet die Disziplinarkommission Grund zur Verfolgung des Beschuldigten, so hat sie die Durchführung von Erhebungen oder, wenn solche nicht erforderlich sind, sogleich die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu beschließen.

(3) Von dem Rücklegungsbeschluss ist der Disziplinaranwalt zu verständigen, der dagegen Beschwerde erheben kann. Zugleich sind von dem Rücklegungsbeschluss die für den Disziplinarbeschuldigten zuständige Ärztekammer und die Österreichische Ärztekammer [...] zu verständigen.

(4) Beschließt die Disziplinarkommission die Durchführung von Erhebungen, hat der Vorsitzende den Untersuchungsführer mit der Durchführung der von ihm erforderlich erachteten Erhebungen zu beauftragen und hievon den Beschuldigten unter Bekanntgabe des Namens des Untersuchungsführers und der wesentlichen Verdachtsgründe sowie den Disziplinaranwalt zu verständigen.

(5) Die Auswahl des Untersuchungsführers hat aus der vom Vorstand der Österreichischen Ärztekammer zu erstellenden Liste zu erfolgen.

[...]

153. (1) Der Untersuchungsführer hat die erforderlichen Erhebungen zu pflegen und dem Beschuldigten Gelegenheit zur Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu geben. Er kann den Beschuldigten und Zeugen vernehmen, Sachverständige beiziehen und Augenscheine vornehmen.

(2) Personen, die als Zeugen vorgeladen werden, sind zum Erscheinen verpflichtet. Hinsichtlich der Vernehmung von Zeugen sind die §§ 155 bis 159 StPO sinngemäß anzuwenden. Die Beeidigung von Zeugen und Sachverständigen durch den Untersuchungsführer ist unzulässig.

(3) ...“

17       Soweit sich die Revision gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 13. November 2015 richtet, erweist sie sich als verspätet, weil bei einer Zurückweisung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof eine Abtretung nicht in Betracht kommt (vgl. etwa VfGH 27.11.2019, E 2401/2019, mwN) und damit § 26 Abs. 4 VwGG nicht zur Anwendung gelangen kann.

18       Bezüglich des angefochtenen Beschlusses des Landesverwaltungsgerichts vom 29. Februar 2016 wird im Zulässigkeitsvorbringen der (dazu nach Zugang des Abtretungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes fristgerecht erhobenen) Revision im Wesentlichen geltend gemacht, dass ab dem Rücklegungsbeschluss der Präsident der Österreichischen Ärztekammer als Behörde im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG anzusehen und damit der Revisionswerberin der Status einer Beschuldigten zugekommen sei und dazu das Fehlen von Rechtsprechung moniert, ob die Weisung des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer an den Disziplinaranwalt nach § 142 zweiter Satz ÄrzteG bereits eine Verfolgungshandlung darstelle, die die Parteistellung der Revisionswerberin begründen würde.

19       Dem ist Folgendes zu erwidern:

20       In dem bereits vom Verwaltungsgericht zutreffend herangezogenen hg. Erkenntnis vom 10. September 2015, Ro 2015/09/0002, wurde (zum einschlägigen Fall der Zurücklegung von Disziplinaranzeigen nach dem ÄrzteG 1998) ausgeführt, dass der Begriff der „Verfolgungshandlung“ in § 137 Abs. 1 ÄrzteG 1998 an denjenigen in § 32 Abs. 2 VStG 1991 anknüpft, und klargestellt, dass eine Verfolgungshandlung nur von einer Behörde getroffen werden kann, nicht aber von einer sonstigen Partei des Verfahrens.

21       Wenn nun auch das Disziplinarverfahren nach dem Ärztegesetz 1998 dem Disziplinaranwalt insbesondere in § 150 erhebliche Befugnisse einräumt, vor allem die Befugnis zur Beantragung der Durchführung von Erhebungen oder der Einleitung des Disziplinarverfahrens gemäß Abs. 3 leg. cit., so kommt es zu einer Verfolgung des Beschuldigten erst dann, wenn der Disziplinaranwalt solche Anträge gestellt hat und zur Durchführung von Erhebungen insbesondere zur Einvernahme des Beschuldigten und von Zeugen gemäß § 153 Abs. 1 ÄrzteG ein Untersuchungsführer bestellt ist. Nur diesem kommen behördliche Befugnisse zu (§ 153 Abs. 2 leg. cit.). Erst der Untersuchungsführer und die Disziplinarkommission sind daher befugt, „Verfolgungshandlungen“ im Sinne des § 137 Abs. 1 Z. 1 ÄrzteG im Disziplinarverfahren zu setzen (vgl. erneut VwGH 10.9.2015, Ro 2015/09/0002).

22       Daraus ergibt sich eindeutig, dass der Disziplinaranwalt - auch wenn ihm in § 150 ÄrzteG weitreichende Befugnisse eingeräumt werden - mangels behördlicher Befugnisse keine Verfolgungshandlungen setzen kann, sondern es für die Frage der Hemmung der Verjährungsfrist nach § 137 ÄrzteG auf der Disziplinarkommission oder dem Untersuchungsführer zuzurechnende Akte ankommt. Dies findet im Übrigen auch darin seine Deckung, dass in § 150 ÄrzteG die Einholung einer Äußerung des „Angezeigten“ durch den Disziplinaranwalt vorgesehen ist, während in § 151 Abs. 4 leg. cit. der Disziplinarkommission eine Verständigungspflicht gegenüber dem „Beschuldigten“ auferlegt wird.

23       Daran ändert auch nichts, dass - wie hier - die Disziplinarkommission zunächst einen Rücklegungsbeschluss nach § 151 Abs. 2 leg. cit. fasste und erst als Folge der seitens des Disziplinaranwaltes erfolgreichen Bekämpfung dieser Entscheidung am 9. Mai 2016 die Einleitung des Disziplinarverfahrens beschloss. Aus dem in § 141 ÄrzteG dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer gegenüber dem Disziplinaranwalt eingeräumten Weisungsrecht können auch keine über die genannten Befugnisse des Disziplinaranwaltes hinausgehenden behördlichen Befugnisse einer Disziplinarkommission oder die Stellung eines Untersuchungsführers nach § 153 ÄrzteG 1998 abgeleitet werden.

24       Die von der Revisionswerberin vertretene Ansicht, sie wäre ab der Weisung des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer an den Disziplinaranwalt als Beschuldigte dem Verfahren beizuziehen gewesen, vermag angesichts des genannten Vorjudikats VwGH 10.9.2015, Ro 2015/09/0002, und dem klaren Gesetzeswortlaut nicht zu verfangen. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn das Verwaltungsgericht von einem Mangel der Parteistellung der Revisionswerberin ausging.

25       In der Revision werden somit dazu keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

26       Die Revision war daher insgesamt ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

27       Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 8. Mai 2020

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020090012.L00

Im RIS seit

08.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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