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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des X Y, vertreten durch die Brehm & Sahinol Rechtsanwälte OG in 1060 Wien, Linke Wienzeile 124/10, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 2019, 1. W279 2108172- 2/8E und 2. W279 2108172-3/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Dem Revisionswerber, einem afghanischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid vom 27. April 2015 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, welche zuletzt bis 27. April 2018 verlängert wurde. Der Revisionswerbe beantragte am 16. Februar 2018 die neuerliche Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.
2 Mit Bescheid vom 28. September 2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) von Amts wegen ab, entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung. Es stellte weiters fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest und erließ ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG).
3 Mit Bescheid vom 26. Juli 2019 wies das BFA außerdem den Antrag des Revisionswerbers vom 16. Februar 2018 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ab.
4 Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Bescheide vom 28. September 2018 und vom 26. Juli 2019 erhobenen Beschwerden - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - jeweils als unbegründet ab und sprach jeweils aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. 5 Es begründete die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Wesentlichen damit, dass die Umstände, aufgrund derer dem Revisionswerber dieser Status zuerkannt worden war, nunmehr nicht mehr bestehen würden. Die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot stützte es unter anderem darauf, dass der Revisionswerber mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 7. November 2017 wegen des Verbrechens des schweren Raubes und des Vergehens der Körperverletzung gemäß §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1
2. Fall und 83 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden war.
6 Gegen diese Erkenntnisse wendet sich die außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, es liege eine Verletzung des Parteiengehörs im Zusammenhang mit den Länderberichten vor. Das BVwG habe es unterlassen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber im Hinblick auf die Intensität seines Privat- und Familienlebens in Österreich zu verschaffen. Das BVwG habe eine willkürliche bzw. rechtswidrige Zukunftsprognose vorgenommen. Weiters sei es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorliegen eines "besonders schweren Verbrechens" und jener des EGMR zur Verletzung des Privat- und Familienlebens durch Verhängung eines Einreiseverbotes abgewichen.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer
außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. VwGH 21.1.2020, Ra 2019/14/0513, mwN).
11 Der Revisionswerber macht darin zunächst eine Verletzung des Parteiengehörs zu den Länderberichten und den diesbezüglichen Feststellungen zur Sicherheitslage in Afghanistan geltend. Nach ständiger Rechtsprechung reicht es nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel aufzuzeigen. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. wiederum VwGH 21.1.2020, Ra 2019/14/0513, mwN). 12 Dazu stellt der Revisionswerber nun zwar das Vorbringen dar, das er diesfalls erstattet hätte. Demnach ergebe sich aus vorgelegten Zeitungsartikeln, dass Angriffe der Taliban, US-Streitkräfte und anderer Gruppierungen zu vielen Zivilopfern geführt hätten, sodass es keine Sicherheit für den Revisionswerber in seinem Herkunftsstaat gebe. Die Revision gesteht jedoch zu, dass "diese drastischen Zustände" auch in den bekämpften Länderfeststellungen festgehalten seien und kritisiert ohne weitere Begründung lediglich die daraus bzw. dennoch (rechtlich) getroffene Schlussfolgerung der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten. Daraus ergibt sich aber gerade nicht, dass das BVwG bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels zu abweichenden, für den Revisionswerber günstigen Feststellungen und auf dieser Basis in der Sache zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
13 Der Revisionswerber kritisiert das Unterbleiben der mündlichen Verhandlung im Hinblick auf die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks zur Intensität seines Privat- und Familienlebens. Ihm ist dabei insoweit zuzustimmen, dass der Verwaltungsgerichtshof wiederholt darauf hingewiesen hat, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt, und zwar sowohl in Bezug auf die Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. Allerdings kann in eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden (vgl. VwGH 30.10.2019, Ra 2019/14/0245, mwN). 14 Die Revision legt in ihrer Zulassungsbegründung nicht dar, dass kein solch eindeutiger Fall vorliege und damit das BVwG von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, warum gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Durchführung einer Verhandlung Abstand genommen werden darf. Insbesondere wird auch nicht ausgeführt, welche zugunsten des Revisionswerbers sprechenden Umstände vom BVwG hätten ergänzend festgestellt werden müssen: Das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses auf Basis der übermittelten Dienstgeberbestätigung hat das BVwG bereits berücksichtigt. Angesichts der festgestellten Straftaten des Revisionswerbers und des nach Lage des Falles nicht besonders ausgeprägten Privatlebens ist darüber hinaus von einem eindeutigen Fall in Bezug auf die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG auszugehen. Ebenso wenig gelingt es der Revision, eine Unvertretbarkeit der nach § 53 Abs. 3 FPG angestellten "Zukunftsprognose" aufzuzeigen.
15 Das Vorbringen, das BVwG sei vom Vorliegen eines "besonders schweres Verbrechens" ausgegangen, ohne die in der Judikatur dafür herausgearbeiteten Voraussetzungen zu prüfen, geht schon deshalb ins Leere, weil das BVwG ein derartiges "besonderes schweres Verbrechen" nicht angenommen hat. Die in der Revision dazu zitierte Judikatur (etwa VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109) betrifft nämlich den Asylausschlussgrund des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005, der hier jedoch nicht einschlägig ist, da dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten - gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wegen geänderter Umstände - aberkannt wurde.
16 Im Zusammenhang mit dem Privat- und Familienleben des Revisionswerbers bringt dieser schließlich vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Judikatur des EGMR in seinem Urteil vom 23. Juni 2008, 1638/03, in der Rechtssache Maslov gegen Österreich ab, in dem die Vollziehung eines zehnjährigen Aufenthaltsverbotes gegen einen Jugendstraftäter als Verletzung des Art. 8 EMRK angesehen worden sei. Der der zitierten Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich jedoch in mehreren Punkten entscheidungswesentlich vom hier zu beurteilenden Fall. 17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
18 Gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichthof abgesehen werden.
Wien, am 13. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140612.L00Im RIS seit
16.06.2020Zuletzt aktualisiert am
16.06.2020