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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Feiel als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kratschmayr, über die Revision des Mag. J R in S, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. November 2018, GZ. W122 2175256-1/5E, betreffend Besoldungsdienstalter (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom 25. August 2017 wurde das Besoldungsdienstalter des Revisionswerbers mit drei Jahren, sechs Monaten und einem Tag festgesetzt.
2 In der dagegen erhobenen Beschwerde führte der Revisionswerber aus, er erhebe insoweit Beschwerde gegen den Bescheid, als eine Anrechnung von Vordienstzeiten über drei Jahre, sechs Monate und einem Tag hinaus nicht stattgefunden habe. Die erfolgte Anrechnung von drei Jahren, sechs Monaten und einem Tag bekämpfe er nicht. Der Revisionswerber nannte bestimmte Zeiten (Tätigkeit beim Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, sowie beim Call Center im Nothilfe- und im Informationsservice des ÖAMTC), die seiner Ansicht nach über die bisher berücksichtigten Zeiten hinaus, anzurechnen seien. Er beantragte, den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass damit Vordienstzeiten über das bereits angerechnete Ausmaß hinaus angerechnet würden; in eventu beantragte er den angefochtenen Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
3 Das Bundesverwaltungsgericht führte am 9. November 2018 eine mündliche Verhandlung durch, in der die rechtsfreundliche Vertreterin des Revisionswerbers vorbrachte, sie bleibe bei dem Standpunkt, nur einzelne nicht angerechnete Zeiten des Bescheides zu bekämpfen und den Rest unbeanstandet zu lassen. Es handle sich um einen teilbaren Anspruch. Die nicht bekämpften Teile des Bescheids (bereits angerechneten Zeiten) seien bereits in Rechtskraft erwachsen. Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zum Vorrückungsstichtag sei gegenständlich nicht anwendbar. Der Vorrückungsstichtag sei ein Stichtag gewesen, das Besoldungsdienstalter sei hingegen dynamisch und ändere sich ständig. Der angerechnete Zeitraum sei in Rechtskraft erwachsen. Die in der Beschwerde geltend gemachten Zeiten seien hinzuzurechnen. Die bereits angerechneten Zeiten sollen jedenfalls unangetastet bleiben.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers zurück und sprach aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
5 Das Bundesverwaltungsgericht stützte die Unteilbarkeit der angerechneten Zeiten unter Hinweis auf die Erkenntnisse vom 29. Jänner 2014, 2012/12/0047, und vom 9. September 2016, Ro 2015/12/0019, auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorrückungsstichtag. Daraus ergebe sich, dass es sich bei der Prüfung, welche Zeiten in welchem Ausmaß dem Zeitpunkt des Beginns des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses voranzustellen seien, um bei der Festsetzung des Vorrückungsstichtags vorweg zu beurteilende Fragen handle, welche insofern Begründungselemente eines den Vorrückungsstichtag festsetzenden Bescheides bildeten. Solche Begründungselemente seien aber für sich genommen nicht rechtskraftfähig. Daraus folge, dass die im Bescheid vorweg beurteilten Fragen, welche Zeiten in welchem Umfang anzurechnen gewesen seien, von vornherein nicht in Rechtskraft erwachsen seien und daher auch nicht „teilrechtskräftig“ hätten geblieben sein können.
6 Diese Judikatur hinsichtlich der Unteilbarkeit des Spruchs über den Vorrückungsstichtag sei auf das Besoldungsdienstalter zu übertragen, da hier genauso das begehrte Teilen nur hinsichtlich einzelner Begründungselemente möglich sei, der angerechnete Zeitraum werde im Spruch jedoch wie ein Datum ungeteilt genannt. Ob es sich dabei um ein Datum oder um einen Zeitraum handle, mache hinsichtlich der Unteilbarkeit des Spruches keinen Unterschied. Zudem existiere im Beschwerdeverfahren - abgesehen von verwaltungsstrafrechtlichen Ausnahmen - kein Verschlechterungsverbot. Einer derartigen Gefahr der Verschlechterung habe sich der Revisionswerber durch seine Beschwerde ausdrücklich nicht aussetzen wollen. Dies sei von ihm und seiner rechtsfreundlichen Vertreterin in der mündlichen Verhandlung insoweit verdeutlicht worden, als bestätigt worden sei, dass die angerechneten Zeiten jedenfalls unangetastet bleiben sollten und der Rechtskraft zuzuführen seien. Damit begehre der Revisionswerber etwas Unzulässiges. Anträge, die lediglich auf Verbesserung der besoldungsrechtlichen Stellung oder auf Aufwertung oder Verbesserung der angerechneten Zeiten abzielten, seien zurückzuweisen. Um einen derartigen Antrag handle es sich bei der vorliegenden Beschwerde. Diese sei daher auf Grund der vom Revisionswerber beabsichtigten bloßen Verbesserung des Besoldungsdienstalters als unzulässig zurückzuweisen.
7 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass auf die Rechtsprechung zum Vorrückungsstichtag verwiesen werden könne. Die gegenständliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts könnte nur dann von grundsätzlicher Bedeutung sein, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stünden. Dem anwaltlich vertretenen Revisionswerber sei im Zuge der mündlichen Verhandlung die Unmöglichkeit der Teilung des gegenständlichen Spruchs und die verfahrensrechtlichen Folgen erklärt worden. Es sei ihm eine Beratung mit seiner Vertreterin ermöglicht worden. Eine Antragsmodifikation sei dennoch nicht erfolgt.
8 In der vorliegenden Revision wurde beantragt, das angefochtene Erkenntnis dahin abzuändern, dass der Beschwerde des Revisionswerbers Folge gegeben werde; in eventu, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
9 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, der Revisionswerber habe den Bescheid der belangten Behörde nur insoweit bekämpft, als über die erfolgte Anrechnung von Vordienstzeiten hinaus nicht weitere Vordienstzeiten angerechnet worden seien. Den behördlich angerechneten Zeitraum habe er nicht bekämpft. Die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Vorrückungsstichtag auf das Besoldungsdienstalter zu übertragen sei, sei verfehlt. Es handle sich um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, weil eine Vielzahl von Verfahren über die Feststellung des Besoldungsdienstalters anhängig sei. Eine aktuelle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Teilbarkeit des Anspruchs (Besoldungsdienstalter) gebe es bisher nicht. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des Besoldungsdienstalters dahin ein völlig neues System implementiert, dass nunmehr anstatt eines „starren“ Stichtages ein dynamischer - sich ständig ändernder, quantitativ teilbarer - Zeitraum für die besoldungsrechtliche Stellung ausschlaggebend sei. Ein Stichtag im Sinne eines Zeitpunktes sei hingegen nicht teilbar gewesen. Deshalb komme eine Übertragbarkeit der Judikatur zum Vorrückungsstichtag, insbesondere die Aussage, dass Begründungselemente nicht rechtskraftfähig seien, nicht in Betracht. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs sei somit wegen des Fehlens der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit geboten.
10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen.
14 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG - also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung - vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, liegt daher keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. z.B. VwGH 12.9.2016, Ro 2015/12/0021).
15 Die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgeworfene Rechtsfrage wurde vom Verwaltungsgerichtshof bereits mit Erkenntnis vom 6. November 2019, Ra 2019/12/0045, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, geklärt. In dem genannten Erkenntnis wurde klargestellt, dass der Ausspruch der Behörde über das Besoldungsdienstalter, nämlich betreffend das Ausmaß der gemäß § 12 GehG anzurechnenden Vordienstzeiten, als solcher nicht teilbar ist und als notwendige Einheit nicht hinsichtlich eines damit erworbenen Anspruchs auf Beibehaltung zumindest der darin ausgesprochenen besoldungsrechtlichen Stellung in Rechtskraft erwachsen kann. Trotz des „eingeschränkt“ formulierten Anfechtungsgegenstandes erwüchsen die von der Behörde dem Besoldungsdienstalter vorangestellten Zeiten nicht in Teilrechtskraft, es gelange in diesem Zusammenhang auch nicht das Verbot der „reformatio in peius“ zur Anwendung.
16 Im Übrigen wird mit dem Hinweis auf eine Vielzahl Betroffener keine auf den konkreten Fall bezogene grundsätzliche Rechtsfrage dargestellt, bewirkt doch der Umstand, dass die zu lösende Rechtsfrage in einer Vielzahl von Fällen auftreten könne, für sich allein noch nicht ihre Erheblichkeit im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (z.B. VwGH 9.3.2020, Ra 2020/12/0001).
17 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde somit in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt, sodass die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen war.
Wien, am 18. Mai 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019120001.L00Im RIS seit
11.07.2020Zuletzt aktualisiert am
11.07.2020