TE Vwgh Beschluss 1998/3/19 98/07/0013

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Veröffentlicht am 19.03.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs1 Z2;
VwGG §45 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über den Antrag der L-E-Werk GesmbH in N, A-Weg 62, auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 13. November 1997, Zl. 97/07/0066, abgeschlossenen Verfahrens, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 45 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 1. August 1995 wurde im Spruchpunkt I. gemäß § 29 Abs. 1 WRG 1959

"festgestellt, daß die ... unter WBP 74 und WBP 895 des

Wasserbuches des Bezirksgerichtes I eingetragenen Wasserrechte zum Betrieb zweier Wasserkraftanlagen an der S nach § 27 Abs. 1 lit. c leg. cit. durch Ablauf der Zeit (die Wasserrechte waren befristet bis 11. Juli 1989 bzw. 31. Dezember 1990) erloschen sind". Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde ausgesprochen, daß letztmalige Vorkehrungen als Anlaß des Erlöschens der im Spruchpunkt I. umschriebenen Wasserrechte von der Antragstellerin durchzuführen sind. Mit Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 23. Mai 1996 wurden aus Anlaß der gegen den vorzitierten Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol erhobenen Berufungen des Dr. R.L. und der Antragstellerin die von der Wasserrechtsbehörde erster Instanz angeordneten letztmaligen Vorkehrungen (Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides) abgeändert, im übrigen wurde den Berufungen keine Folge gegeben. Mit hg. Erkenntnis vom 13. November 1997, Zl. 97/07/0066-5, wurde die dagegen erhobene Beschwerde des Dr. R.L. und der Antragstellerin als unbegründet abgewiesen.

In ihrem auf § 45 Abs. 1 Z. 1 und 4 VwGG gestützten Antrag auf Wiederaufnahme des mit dem vorzitierten Erkenntnis abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens vom 28. Jänner 1998, beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 2. Februar 1998 führt die Antragstellerin aus, "Gegenstand der Beschwerde laut VwG-Erkenntnis vom 23.5.1995, Zl. 94/07/0006," sei die Rechtzeitigkeit des Ansuchens um Wiederverleihung des Wasserrechtes gemäß § 21 Abs. 3 WRG 1959 gewesen. Darüber habe der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht entschieden, sondern vielmehr festgestellt, daß das dem Ansuchen zugrunde liegende Projekt nicht dem - im Zeitpunkt der Wiederverleihung maßgeblichen - Stand der Technik entspreche. Für diese schwerwiegende und unerwartete Entscheidung seien das Verfahren und der Akt unvollständig. Die Verletzung des Parteiengehörs habe zur Folge gehabt, daß die bereits vorhandenen Beweise über die Erfüllung des Standes der Technik nicht hätten vorgelegt und berücksichtigt werden können. Das Amt der Tiroler Landesregierung habe den gleichzeitigen Umbau der Wehranlage mit der von der Gemeinde M beantragten S-Regulierung verlangt, das Ingenieurbüro habe das Projekt fristgerecht erstellt und die Bezirkshauptmannschaft I habe dieses mit Bescheid vom 7. März 1995 genehmigt. Ein weiterer Verfahrensmangel liege darin, daß die zahlreichen Einleitungen in die rund 1 km langen Werkkanäle gänzlich übergangen worden seien. Das gegenständliche Verwaltungsverfahren sei mit folgenden Rechtswidrigkeiten belastet: Zerstörung des Überschwemmungsgebietes, Errichtung von Werkhallen in der roten Zone, Mißachtung des Flächenwidmungsplanes der Gemeinde M, die Werkhallen seien auf Wohnparzellen und dem Uferweg errichtet worden, eine Umwidung des Gewässeruferschutzstreifens im Gewerbegebiet sei beschlossen worden. Die Firma H. habe die Bauauflage, selbst für den Hochwaserschutz zu sorgen und ein 25 m breites Abflußgerinne zu errichten, nicht erfüllt, der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol habe mit Bescheid vom 4. September 1997 den Mißbrauch der Amtsgewalt durch den Bürgermeister der Gemeinde M. festgestellt.

Nach § 45 Abs. 1 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn

1. das Erkenntnis oder der Beschluß durch eine gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. das Erkenntnis oder der Beschluß auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumnis einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist beruht oder

3. nachträglich eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt wird, die in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte, oder

4. im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, daß sonst das Erkenntnis oder der Beschluß anders gelautet hätte oder

5. das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Klaglosstellung oder wegen einer durch Klaglosstellung veranlaßten Zurückziehung der Beschwerde eingestellt, die behördliche Maßnahme, die die Klaglosstellung bewirkt hatte, jedoch nachträglich behoben wurde.

Nach § 45 Abs. 2 VwGG ist der Antrag beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Tag, an dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu stellen.

Der Antragsteller bringt nichts vor, was einem der Wiederaufnahmegründe des § 45 Abs. 1 VwGG zugeordnet werden könnte. Im Wiederaufnahmeverfahren überprüft der Verwaltungsgerichtshof nicht seine eigenen Erkenntnisse oder Beschlüsse, sondern es besteht in diesem Verfahren nur die Möglichkeit, das Verfahren unter den gesetzlichen Voraussetzungen wieder aufzunehmen. Neue Tatsachen oder Beweismittel, die sich auf den Sachverhalt beziehen, bilden unter Umständen einen Wiederaufnahmegrund im Verwaltungsverfahren, aber nicht im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof über eine Beschwerde gegen einen Bescheid (vgl. hiezu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 634 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z. 1 VwGG setzt voraus, daß die gerichtlich strafbare Handlung im Zuge des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof und nicht etwa im Zuge des verwaltungsbehördlichen Verfahrens gesetzt wurde. Die Anwendung des § 45 Abs. 1 Z. 4 VwGG setzt ebenfalls voraus, daß der für die Wiederaufnahme maßgebende Sachverhalt, nämlich die Verletzung des Parteiengehörs, im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof verletzt wurde. Eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichtshofes, den Beschwerdeführer als Partei zu hören, besteht bei einer Bescheidbeschwerde - von den hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen abgesehen (z.B. § 41 VwGG) - nicht. Gegenstand des hg. Erkenntnisses vom 23. Mai 1995, Zl. 94/07/0006, war die Überprüfung des im Instanzenzug ergangenen Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 6. August 1993, mit welchem der Antrag auf Wiederverleihung des Wasserbenutzungsrechtes für das E-Werk I (WBP 74) abgewiesen wurde. Ob für die Versagung der Wiederverleihung die Sachverhaltsgrundlagen nicht ausgereicht haben, kann in einem auf § 45 Abs. 1 VwGG gestützten Antrag nicht aufgegriffen werden, weil dieses Vorbringen keinem der Wiederaufnahmegründe dieser Gesetzesstelle zugeordnet werden kann.

Da der Antrag somit offenkundig aussichtslos ist, erübrigte sich auch eine Behebung der ihm anhaftenden Formgebrechen (vgl. hiezu den hg. Beschluß vom 21. Juni 1994, Zl. 94/07/0068) und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Neu hervorgekommene entstandene Beweise und Tatsachen nova reperta nova producta

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998070013.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

07.11.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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