TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/12 W153 2198649-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.09.2019
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Entscheidungsdatum

12.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W153 2198649-1/16E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 03.09.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN

ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2018, Zl. 1056672301-150324062, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.09.2019, zu Recht erkannt:

A)

Spruchpunkt VI. wird ersatzlos behoben und der neue Spruchpunkt VI. hat zu lauten: "Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung." Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, brachte am 30.03.2015 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein.

Am 31.03.2015 gab der BF in seiner Erstbefragung an, dass seine Familie bei einem Bombenangriff vor ca. drei Jahren getötet worden sei. Er habe schwer verletzt überlebt. Aus Angst vor einem neuerlichen Angriff habe er Afghanistan verlassen. Dies sei sein einziger Fluchtgrund.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 04.11.2016 wurde der BF wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten für eine Probezeit von drei Jahren verurteilt.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 07.03.2017 wurde der BF wegen § 83 Abs. 1 und §§ 107 Abs. 1, 107 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten davon acht Monate bedingt für eine Probezeit von drei Jahren verurteilt. Die im ersten Urteil vom 04.11.2016 festgesetzte Probezeit wurde auf fünf Jahre verlängert.

Am 08.04.2017 wurde der BF aus der Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit und Anordnung der Bewährungshilfe entlassen.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 04.10.2017 wurde der BF wegen §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe wurde widerrufen.

Mit Urteil eines Landesgerichts vom 05.04.2018 wurde der BF wegen § 28a Abs. 1 5. Fall SMG, § 125 StGB, §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall SMG, § 83 Abs. 1 StGB und §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Die mit Urteil des XXXX vom 07.03.2017 festgesetzte Probezeit des bedingten Strafteils wurde auf insgesamt fünf Jahre verlängert.

Im Rahmen seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 17.05.2018 gab der BF nunmehr an, dass seine Eltern sowie 18 Geschwister entweder in Afghanistan oder Pakistan aufhältig seien. Er habe Afghanistan verlassen, da er Probleme hatte. Sein Vater habe gesagt, der BF solle in die Türkei gehen bzw. das Land verlassen. Der BF könne weder in Afghanistan noch in Pakistan bleiben. Er habe sich mit anderen Jugendlichen gestritten und habe gestohlen.

Das BFA hat mit Bescheid vom 18.05.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde weiters festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde ein Einreiseverbot im Ausmaß von 10 Jahren erlassen (Spruchpunkt VII.).

Mit Verfahrensanordnung vom 18.05.2018 wurde dem BF ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Gegen den Bescheid erhob der BF am 14.06.2018 vollumfängliche Beschwerde wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften, unrichtiger Feststellungen aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens und einer mangelhaften Beweiswürdigung, mangelhafter Beweiswürdigung in Bezug auf die Annahme einer IFA und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

Am 03.09.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung statt. Der BF wurde ausführlich zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Person befragt.

Das gegenständliche Erkenntnis wurde im Anschluss an die mündliche Verhandlung samt Belehrung nach § 29 Abs. 2a VwGVG verkündet und mit Schreiben vom 03.09.2019 beantragte der Vertreter des BF die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des gegenständlich erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung und Einvernahme des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des BFA, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Zur Person des BF

Der BF gelangte im Frühjahr 2015 über die Türkei illegal nach Europa und dann weiter über Bulgarien bis nach Österreich, wo er am 30.03.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Die Identität des BF steht nicht fest. Angaben zu seiner Person dienen lediglich einer Identifizierung für das Verfahren.

Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Paschtu. Er spricht aber auch Dari/Farsi, Türkisch etwas Englisch und etwas Deutsch.

Der BF wurde in der Provinz Kunduz, Distrikt XXXX , Ort XXXX (Afghanistan) geboren. Er lebte bis zu seiner Ausreise nach Europa in Afghanistan. Aufgrund der Sprachkenntnisse ist davon auszugehen, dass er sich auch einige Zeit in der Türkei aufhielt. Der BF hat in Afghanistan nie die Schule besucht. Der BF war in Afghanistan als Hirte und in der Türkei als Hilfsarbeiter(Müllsammler) tätig.

Es wird festgestellt, dass in Afghanistan noch Verwandte des BF leben und es gibt keine glaubwürdigen Hinweise, dass er zu diesen keinen Kontakt mehr hat, auch wenn dieser derzeit haftbedingt unterbrochen ist.

Es wird jedoch festgestellt, dass aufgrund der widersprüchlichen Angaben des BF seine familiären Verhältnisse grundsätzlich unglaubwürdig sind.

Es wird festgestellt, dass an der Volljährigkeit des BF keine Zweifel bestehen und die Annahme, dass der BF am XXXX geboren wurde, grundsätzlich plausibel ist.

Zu den Fluchtgründen des BF

Es wird festgestellt, dass der BF in Afghanistan einer asylrelevanten aktuellen individuellen Verfolgung nicht ausgesetzt war oder er eine solche, im Falle einer Rückkehr, nicht zu befürchten hat. Der BF konnte sein Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen und hat ein solches auch nicht substantiell behauptet.

Zum Nachfluchtgrund wird festgestellt, dass der BF nicht glaubhaft machen konnte, dass er tatsächlich aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertieren will.

Es kann somit nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle seiner Rückkehr nach Afghanistan eine Verfolgung aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus seiner politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht.

Zur Rückkehrsituation des BF in seinem Herkunftsland

Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat droht dem BF kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge EMRK), oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF ausschließen könnten, wurden nicht festgestellt. Es ist ihm zumutbar in Afghanistan zu leben.

Dem BF ist zwar eine Rückkehr in seine unmittelbare Heimatprovinz Kunduz aufgrund der dort herrschenden relativ volatilen Sicherheitslage nicht zumutbar, es stehen ihm aber zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternativen in den Städten Herat oder Mazar-e-Sharif zur Verfügung. Er verfügt dort zwar über kein familiäres oder soziales Netzwerk. Als alleinstehender, junger und gesunder Mann kann er jedoch in diesen Städten, auf Grund der dort herrschenden Versorgungs- und Sicherheitslage, Fuß fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Der BF wurde in der Beschwerdeverhandlung über die Rückkehrunterstützungen und Reintegrationsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt.

Zum Privat- und Familienleben des BF

Der BF verfügt in Österreich über keine schützenswerten familiären oder privaten Bindungen. Er spricht nur wenig Deutsch, hat keine Sprachprüfungen abgelegt und keine wesentlichen Integrationsschritte gesetzt.

Der BF wurde seit 2016 mehrmals strafrechtlich verurteilt und befindet sich seit mehr als einem Jahr durchgehend in Strafhaft. So wurde er erstmals am 04.11.2016 von einem Landesgericht rechtskräftig wegen § 83 Abs. 1 StGB (Körperverletzung) zu einer bedingten Freiheitsstrafe auf eine Probezeit von 3 Jahren bedingt verurteilt (AS 264).

Am 07.03.2017 wurden er dann von einem Landesgericht rechtskräftig wegen §§ 83 Abs. 1 StGB, 107 Abs. 1, 107 Abs. 2 StGB (Körperverletzung und gefährliche Drohung) zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten, davon 8 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Am 08.04.2017 wurden der BF aus der Freiheitsstrafe entlassen und Bewährungshilfe angeordnet. Nach einer weiteren Straftat wurde er am 04.10.2017 von einem Landesgericht rechtskräftig wegen §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB (Verbrechen und Vergehen der teils schweren Nötigung) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt. Die bedingte Entlassung aus der vorhergehenden Freiheitsstrafe (42 Tage) wurde zudem widerrufen (vgl. AS 452).

Zuletzt wurde er am 05.04.2018 von einem Landesgericht rechtskräftig wegen §§ 28a Abs. 1 5. Fall SMG (Verbrechen des Suchtgifthandels), 125 StGB (Sachbeschädigung), 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall SMG (unerlaubter Umgang mit Suchtgiften), 83 Abs. 1 StGB (Körperverletzung), 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG (unerlaubter Umgang mit Suchtgiften) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt (vgl. AS 603).

Außerdem liegen zahlreiche Ordnungsstrafverfügungen, die der BF während seiner Haft erhalten hat vor. So sind 11 Ordnungsstrafen des BF aus der JA XXXX und vier aus der JA XXXX aufgelistet. Die letzte Ordnung Strafverfügung stammt vom 05.06.2019 betreffend gefährliche Drohung (§ 107 StGB).

Der BF befindet sich derzeit in Haft.

Es wird festgestellt, dass aufgrund der Schwere, Vielfalt und Intensität der Straftaten innerhalb eines so kurzen Zeitraumes ein Einreiseverbot für die Dauer von 10 Jahren gerechtfertigt ist.

Der BF leidet an keinen schwerwiegenden Krankheiten, die eine Rückkehr nach Afghanistan ausschließen würden.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Zur Lage im Herkunftsstaat

Hinsichtlich der Situation in Afghanistan hat sich seit den Länderfeststellungen im Bescheid (18.05.2018) nichts Wesentliches geändert. Die in der Beschwerde vorgelegten Berichte sowie das nunmehr vorliegende Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 (aktueller Stand: 04.06.2019) und die in der heutigen Verhandlung zitierten UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (30.08.2018) haben zu keinen verfahrensrelevanten Neuigkeiten geführt.

Zur Situation in Afghanistan werden auszugsweise folgende Feststellungen aus dem BFA-Länderinformationsblatt der Staatendokumentation 29.06.2018 (aktueller Stand: 04.06.2019) und den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender (30.08.2018) sowie aus den "EASO - Country Guidance Afghanistan, Juni 2018 zitiert:

BFA-Länderinformationsblatt der Staatendokumentation:

KI vom 1.3.2019 (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019, S22ff)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil. Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum 16.8.2018 - 15.11.2018 5.854 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 5% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (63%) aus. Selbstmordanschläge gingen um 37% zurück, was möglicherweise an erfolgreichen Bekämpfungsmaßnahmen in Kabul-Stadt und Jalalabad liegt. Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Streitkräfte stiegen um 25%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten. In der Provinz Kandahar entstand die Befürchtung, die Sicherheitsbedingungen könnten sich verschlechtern, nachdem der Polizeichef

der Provinz und der Leiter des National Directorate for Security (NDS) im Oktober 2018 ermordet worden waren (UNGASC 7.12.2018). Gemäß dem Special Inspector General for Afghanistan Reconstruction (SIGAR) fanden bis Oktober 2018 die meisten Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen in den Provinzen Badghis, Farah, Faryab, Ghazni, Helmand, Kandahar, Uruzgan und Herat statt. Von Oktober bis Dezember 2018 verzeichneten Farh, Helmand und Faryab die höchste Anzahl regierungsfeindlicher Angriffe (SIGAR 30.1.2019). Nach dem Taliban-Angriff auf Ghazni-Stadt im August 2018, bestand weiterhin die Befürchtung, dass die Taliban großangelegte Angriffe im Südosten des Landes verüben könnten. Dies war zwar nicht der Fall, dennoch setzten Talibankämpfer die afghanischen Sicherheitskräfte am Stadtrand von Ghazni, in Distrikten entlang des Highway One nach Kabul und durch die Einnahme des Distrikts Andar in Ghazni im Oktober weiterhin unter Druck. Im Westen der Provinz Ghazni, wo die ethnische Gruppierung der Hazara eine Mehrheit bildet, verschlechterten sich die Sicherheitsbedingungen wegen großangelegter Angriffe der Taliban, was im November zur Vertreibung zahlreicher Personen führte. In Folge eines weiteren Angriffs der Taliban im Distrikt Khas Uruzgan der Provinz Uruzgan im selben Monat wurden ebenfalls zahlreiche Hazara-Familien vertrieben. Des Weiteren nahmen Talibankämpfer in verschiedenen Regionen vorübergehend strategische Positionen entlang der Hauptstraßen ein und behinderten somit die Bewegungsfreiheit zwischen den betroffenen Provinzen. Beispiele dafür sind Angriffe entlang Hauptstraßen nach Kabul in den Distrikten Daymirdad und Sayyidabad in Wardak, der Route Mazar - Shirbingham und Maimana - Andkhoy in den nördlichen Provinzen Faryab, Jawzjan und Balkh und der Route Herat - Qala-e-Naw im westlichen Herat und Badghis (UNGASC 7.12.2018). Trotz verschiedener Kampfhandlungen und Bedrohungen blieben mit Stand Dezember 2018 gemäß SIGAR die Provinzzentren aller afghanischen Provinzen unter Kontrolle bzw. Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.1.2019). Im Laufe des Wahlregistrierungsprozesses und während der Wahl am 20. und am 21. Oktober wurden zahlreiche sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, welche durch die Taliban und den Islamischen Staat - Provinz Khorasan (ISKP) beansprucht wurden (UNGASC 7.12.2018; vgl. UNAMA 10.10.2018, UNAMA 11.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar, die wegen Sicherheitsbedenken auf den 27. Oktober verschoben worden war, wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Die afghanischen Sicherheitskräfte entdeckten und entschärften einige IED [Improvised Explosive Devices - Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen] in Kandahar-Stadt und den naheliegenden Distrikten (UNAMA 11.2018). Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) hatte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) registriert (UNAMA 10.10.2018). Am offiziellen Wahltag, dem 20. Oktober, wurden 388 zivile Opfer (52 Tote und 336 Verletzte) registriert, darunter 117 Kinder (21 Tote und 96 Verletzte) und 48 Frauen (2 Tote und 46 Verletzte). Am folgenden Wahltag, dem 21. Oktober, wurden 47 weitere zivile Opfer (4 Tote und 43 Verletzte) verzeichnet, inklusive 17 Kinder (2 Tote und 15 Verletzte) und Frauen (3 Verletzte). Diese Zahlen beinhalten auch Opfer innerhalb der Afghan National Police (ANP) und der Independet Electoral Commission (IEC) (UNAMA 11.2018).

Die am 20. Oktober am meisten von sicherheitsrelevanten Vorfällen betroffenen Städte waren Kunduz und Kabul. Auch wenn die Taliban in den von ihnen kontrollierten oder beeinflussten Regionen die Wählerschaft daran hinderten, am Wahlprozess teilzunehmen, konnten sie die Wahl in städtischen Gebieten dennoch nicht wesentlich beeinträchtigen (trotz der hohen Anzahl von Sicherheitsvorfällen) (UNGASC 7.12.2018). Die Regierung kontrolliert bzw. beeinflusst - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 22.10.2018 53,8% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 bedeutet. 33,9% der Distrikte sind umkämpft und 12,3% befinden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 63,5% der Bevölkerung leben in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befinden; 10,8% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 25,6% leben in umkämpften Gebieten. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Kontrolle bzw. Einfluss von Aufständischen sind Kunduz, Uruzgan und Helmand (SIGAR 30.1.2019). Der ISKP ist weiterhin im Osten des Landes präsent und bekennt sich zu Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen in Nangarhar und zu sechs Angriffen in Kabul-Stadt. Des Weiteren finden in den Provinzen Nangarhar und Kunar weiterhin Kämpfe zwischen ISKP- und Talibankämpfern statt. Die internationalen Streitkräfte führten Luftangriffe gegen den ISKP in den Distrikten Deh Bala, Achin, Khogyani, Nazyan und Chaparhar der Provinz Nangarhar aus (UNGASC 7.12.2018). Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 4.436 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) 10.993 zivile Opfer (3.804 Tote und 7.189 Verletzte), eine allgemeine Steigerung von 5% sowie eine Steigerung der Zahl der Toten um 11% gegenüber dem Vorjahreswert. 42% der zivilen Opfer (4.627 Opfer;

1.361 Tote und 3.266 Verletzte) wurden durch ED im Zuge von Anschlägen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich ISKP) verursacht. Die Anzahl der Selbstmordanschläge unter Einsatz von IED stieg dabei um 22% und erreichte somit einen Rekordwert. Diese Art von Anschlägen verursachte 26% aller zivilen Opfer, während IED, die bei Nichtselbstmordanschlägen verwendet wurden, 16% der zivilen Opfer forderten. Kabul war mit insgesamt 1.866 Opfern (596 Tote und 1.270 Verletzte) die Provinz mit der höchsten Anzahl an Selbstmordanschlägen durch IED, während die Zahl der Opfer n Nangarhar mit insgesamt 1.815 (681 Tote und 1.134 Verletzte) zum ersten Mal fast die Werte von Kabul erreichte (hauptsächlich wegen des Einsatzes von IED bei Nichtselbstmordanschlägen). Kabul-Stadt verzeichnete insgesamt 1.686 zivile Opfer (554 Tote und 1.132 Verletzte) wegen komplexen und Selbstmordangriffen (UNAMA 24.2.2019). Zusammenstöße am Boden (hauptsächlich zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Gruppierungen) verursachten 31% der zivilen Opfer (insgesamt 3.382; davon 814 Tote und 2.568 Verletzte), was einen Rückgang um 3% im Vergleich mit dem Vorjahreswert bedeutet. Grund dafür war der Versuch regierungsfreundlicher Gruppierungen, die zivile Bevölkerung zu schonen. Die Verlagerung der Kämpfe in dünn besiedelte Gebiete, die Vorwarnung der lokalen Zivilbevölkerung bei Kampfhandlungen und die Implementierung von Strategien zum Schutz der Bevölkerung waren einige der bestimmenden Faktoren für den Rückgang bei zivilen Opfern. Jedoch ist die Opferzahl bei gezielt gegen die Zivilbevölkerung gerichteten komplexen Angriffen und Selbstmordanschlägen regierungsfeindlicher Gruppierungen gestiegen (plus 48% gegenüber 2017; 4.125 Opfer insgesamt, davon 1.404 Tote und 2.721 Verletzte). Sowohl der ISKP als auch die Taliban griffen gezielt Zivilisten an: Der ISKP war für 1.871 zivile Opfer verantwortlich, darunter waren u.a. Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft, und die Taliban für 1.751. Obwohl die Gesamtzahl der zivilen Opfer durch gezielte Tötungen von Einzelpersonen (hauptsächlich durch Erschießung) zurückging, blieben Zivilisten inklusive religiöser Führer und Stammesältester weiterhin Ziele regierungsfeindlicher Gruppierungen. Die Gesamtzahl der durch Luftangriffe verursachten zivilen Opfer stieg im Vergleich mit dem Vorjahreswert um 61% und die Zahl der Todesopfer erreichte 82%. 9% aller zivilen Opfer wurden Luftangriffen (mehrheitlich der internationalen Luftwaffe) zugeschrieben, der höchste Wert seit 2009 (UNAMA 24.2.2019). Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 31.12.2018) für 6.980 zivile Opfer (2.243 Tote und 4.737 Verletzte) verantwortlich. Das entspricht 63% der gesamten zivilen Opfer. 37% davon werden den Taliban, 20% dem ISKP und 6% unbestimmten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Laufe des Jahres 2018 wurden vermehrt Anschläge gegen Bildungseinrichtungen verzeichnet, meist durch Talibankämpfer, da in Schulen Registrierungs- und Wahlzentren untergebracht waren. Der ISKP attackierte und bedrohte Bildungseinrichtungen als Reaktion auf militärische Operationen afghanischer und internationaler Streitkräfte. UNAMA berichtet auch über anhaltende Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, welche Auswirkungen auf einen Großteil der zivilen Bevölkerung haben. Trotzdem die Taliban nach eigenen Angaben Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergriffen haben, attackierten diese weiterhin Zivilisten, zivile Einrichtungen und regierungsfreundliche Gruppierungen in Zivilgebieten (UNAMA 24.2.2019). Ungefähr 24% der zivilen Opfer (2.612, davon 1.185 Tote und 1.427 Verletzte), werden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 14% den afghanischen Sicherheitskräften, 6% den internationalen Streitkräften und 4% unbestimmten regierungsfreundlichen Gruppierungen. Die Steigerung um 4% gegenüber dem Vorjahr geht auf Luftangriffe der internationalen Streitkräfte und Fahndungsaktionen der afghanischen Sicherheitskräfte und regierungsfreundlicher Gruppierungen zurück (UNAMA 24.2.2019). Die verbleibenden 13% der verzeichneten zivilen Opfer wurden im Kreuzfeuer während Zusammenstößen am Boden (10%), durch Beschuss aus Pakistan (1%) und durch die Explosion von Blindgängern verursacht (UNAMA 24.2.2019).

KI vom 19.10.2018 (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019, S.42ff)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

...

KI vom 22.08.2018 Sicherheitslage (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019, S.53ff)

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Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz- Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

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Sicherheitslage (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019, S65ff)

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

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Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (UNGASC 27.2.2018).

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Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

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Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen.

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019)

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des

Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019)

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

Kunduz (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019, S176ff)

Kunduz liegt 337 km nördlich von Kabul und grenzt an die Provinzen Takhar im Osten, Baghlan im Süden, Balkh im Westen und Tadschikistan im Norden (NPS o.D.; vgl. Pajhwok o.D.a). Die Provinz hat folgende Distrikte: Imam Sahib/Emamsaheb, Dasht-e-Archi, Qala-e-Zal, Chahar Dara/Chardarah, Ali Abad/Aliabad, Khan Abad/Khanabad und Kunduz; die Hauptstadt ist Kunduz- Stadt (Pajhwok o.D.b; vgl. UN OCHA 4.2014). Gemäß einer Quelle wurden vor zwei Jahren in der Provinz drei neue Distrikte gegründet: Atqash, Gultapa, Gulbad (Pajhwok 11.2.2018). Auch ist die Provinzhauptstadt Kunduz-Stadt etwa 250 km von Kabul entfernt (Xinhua 7.7.2017). Als strategischer Korridor wird Kunduz als bedeutende Provinz in Nordafghanistan erachtet - Sher Khan Bandar, die Hafenstadt am Fluß Pandsch, an der Grenze zu Tadschikistan, ist beispielsweise von militärischer und wirtschaftlicher Bedeutung (Khabarnama 22.8.2016; vgl. Pajhwok 2.1.2018, AN 21.12.2017). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.049.249 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Paschtunen, Usbeken, Tadschiken, Turkmenen, Hazara und Paschai (NPS o.D.). Strategisch wichtig ist die Stadt Kunduz nicht nur für Afghanistan (DW 30.9.2015; vgl. Xinhua 7.7.2017), denn Kunduz war bis zum Einmarsch der US-Amerikaner im Jahr 2001 die letzte Hochburg der Taliban (RFE/RL 9.2015). Wer die Stadt kontrolliert, dem steht der Weg nach Nordafghanistan offen. Kunduz liegt an einer wichtigen Straße, die Kabul mit den angrenzenden nördlichen Provinzen verbindet (DW 30.9.2015). Kunduz-Stadt ist eine der größten Städte Afghanistans und war lange Zeit ein strategisch wichtiges Transportzentrum für den Norden des Landes. Kunduz ist durch eine Autobahn mit Kabul im Süden, Mazar-e Sharif im Westen, sowie Tadschikistan im Norden verbunden (BBC News 3.10.2016). Die Regierung plant u.a. die

Turkmenistan-Afghanistan-Tadschikistan-Eisenbahnlinie, die Andkhoy, Sheberghan, Mazar-e- Sharif, Kunduz und Sher Khan Bandar verbinden und als Anbindung an China über Tadschikistan dienen soll (TD 5.12.2017). Um Ordnung und Normalität in die Stadt Kunduz zu bringen, hat die Kommunalverwaltung im Februar 2018 eine Massenaufräum-Aktion gestartet. Ebenso wurden weitere Projekte implementiert: im Rahmen dieser werden Landstraßen und Wege gewartet, vier neue Parks errichtet - die insbesondere von Frauen und Kindern genutzt werden sollen, etc. Diese Projekte führten zusätzlich zur Schaffung von 550 Jobs - auch für Frauen. Das Erscheinungsbild der Stadt hat sich u.a. aufgrund der Errichtung von Straßenbeleuchtung verbessert (Tolonews 17.2.2018). In Kunduz gibt es zahlreiche Unternehmen, die verschiedene Produkte wie Fruchtsäfte, Klopapier, Taschentücher und Sojabohnen produzieren. Die Sicherheitslage hatte mit Stand März 2017 jedoch negative Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum in der Provinz (UNAMA 26.3.2017). In der Provinz wird ein Projekt im Wert von 9.5 Mio. USD für den Ausbau der ANAInfrastruktur [Anmerkung: der Infrastruktur der Afghan National Army] implementiert (SIGAR 30.1.2018). Kunduz gehörte im November 2017 zu den Opium-freien Provinzen Afghanistans (UNODC11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage in Kunduz

Kunduz zählt zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans, in der Aufständische aktiv sind (AJ 4.10.2017; vgl. Khaama Press 15.8.2017, Reuters 22.7.2017, Tolonews 24.5.2017). In den Jahren 2015 und 2016 fiel Kunduz-Stadt jeweils einmal an Taliban-Aufständische (Xinhua 8.7.2017); die Stadt konnte in beiden Fällen von den afghanischen Streitkräften zurückerobert werden (BBC 4.10.2016; vgl. Reuters 1.10.2015, NYT 14.1.2018, UNAMA 26.3.2017). Das deutsche Militär hat einen großen Stützpunkt in der Provinz Kunduz (Gandhara 7.3.2018; vgl. SZ 7.3.2018). Während des Jahres 2017 sank die Anzahl der zivilen Opfer in Folge von Bodenoffensiven u.a. in der Provinz Kunduz; ein Grund dafür war ein Rückgang von Militäroffensiven in von Zivilist/innen bewohnten Zentren durch die Konfliktparteien (UNAMA 2.2018). Im Februar 2018 berichteten einige Quellen, die Sicherheitslage in der Provinzhauptstadt Kunduz hätte sich sehr verbessert; den Einwohnern in Kunduz-Stadt sei es aufgrund der Beleuchtung zahlreicher Straßen möglich, auch nachts in der Stadt zu bleiben (Tolonews 26.2.2018; vgl. Tolonews 17.2.2018). Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 225 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 377 zivile Opfer (93 getötete Zivilisten und 284 Verletzte) in der Provinz Kunduz registriert. Hauptursache waren Bodenangriffe, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet einen Rückgang von 41% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018). Aufgrund von Terrorbekämpfungsoperationen in der Provinz sind zahlreiche Familien nach Kunduz-Stadt vertrieben worden (Pajhwok 23.1.2018; vgl. Pajhwok 20.1.2018). Nach dem US-amerikanischen Luftangriff auf das Médecins Sans Frontières (MSF)-Krankenhaus m Jahr 2015 wurde im Juli 2017 wieder eine Klinik von MSF in Kunduz-Stadt eröffnet (AJ 4.10.2017; vgl. Reuters 22.7.2017).

Militärische Operationen in der Kunduz

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (Pajhwok 23.1.2018; vgl. Pajhwok 20.1.2018, Tolonews 25.10.2017, Xinhua 24.9.2017, Khaama Press 22.1.2017, Z News 12.1.2017, Khaama Press 9.1.2017). Auch werden regelmäßig Luftangriffe durchgeführt (LWJ 27.1.2018; vgl. Khaama Press 20.1.2018, Xinhua 14.2.2018, Khaama Press 7.6.2017, TG 4.11.2017, Tolonews 18.10.2017); dabei werden Aufständische - u.a. tadschikische Kämpfer - (Khaama Press 7.6.2017) und manchmal auch Talibankommandanten getötet (Xinhua 14.2.2018). Manchmal werden Talibankämpfer (Xinhua 4.3.2018) verhaftet. In der Provinz kommt es zu Zusammenstößen zwischen den Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (UNGASC 27.2.2018; vgl. Pajhwok 23.2.2018, NYT 16.1.2018, Khaama Press 27.1.2018, Khaama Press 15.8.2017, Tolonews 4.7.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Kunduz

Talibankämpfer, insbesondere Mitglieder der "Red Unit", einer Taliban-Einheit, die in zunehmendem Ausmaß Regierungsstützpunkte angreift, sind in der Provinz Kunduz aktiv (NYT 6.1.2018; vgl. AT 17.1.2018; NYT 14.11.2017). Einige Distrikte, wie Atqash, Gultapa und Gulbad, sind unter Kontrolle der Taliban (Pajhwok 11.2.2018). Auch in Teilen der Distrikte Dasht-e-Archi und Chardarah sind Talibankämpfer zum Berichtszeitpunkt aktiv (UOL 9.3.2018; Pajhwok 6.1.2018; Xinhua 14.2.2018, Tolonews 25.10.2017, Xinhua 24.9.2017). Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden IS-bezogene Sicherheitsvorfälle registriert, während zwischen 16.7.2017 - 31.1.2018 keine sicherheitsrelevanten Ereignisse mit Bezug auf den IS gemeldet wurden (ACLED 23.2.2018).

Zur als innerstaatliche Fluchtalternative herangezogene Provinzen bzw. Städte:

Balkh (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019, S108ff)

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm; die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich von Balkh. Die Provinzen Kunduz und Samangan liegen im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y).

Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut.

Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert [...].

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Balkh

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

Herat (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 04.06.2019, S144ff)

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe (UN OCHA 4.2014; vgl. Pajhwok o. D.). Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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