TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/9 W158 2139018-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2019
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Entscheidungsdatum

09.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §9 Abs2 Z2
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

W158 2139018-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger Afghanistans, reiste in das Bundesgebiet ein und stellte am 15.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 20.09.2016, Zl. XXXX , hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wurde. Ihm wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Soweit verfahrenswesentlich führte das BFA aus, der BF sei ein minderjähriger, unbegleiteter Asylwerber, der keine Schule besucht und nicht gearbeitet habe, sodass ihm aufgrund der aktuellen instabilen Sicherheitslage bei einer Rückkehr eine reale Gefahr einer Verletzung der in § 8 AsylG genannten Rechte drohen würde.

I.2. Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde mit Bescheid vom 14.09.2017 bis zum 20.09.2019 erteilt.

I.3. Nachdem dem BFA mitgeteilt wurde, dass der BF wegen eines Delikts gegen das SMG in Untersuchungshaft genommen worden sei, leitete es mit Aktenvermerk von 29.01.2019 ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ein.

I.4. Nachdem dem BFA mehrere rechtskräftige Strafurteile übermittelt worden waren, wurde der BF am 07.08.2019 von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des BFA in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu einvernommen und zu seiner Situation in Österreich und zu einer möglichen Rückkehr nach Afghanistan gefragt. Der BF führte dazu aus, er habe Angst vor den Taliban, diese würden ihn festnehmen. Er sei tätowiert, weswegen ihm die Taliban den Oberarm abhacken oder ihm die Haut abziehen würden.

I.5. Mit Bescheid vom XXXX wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung entzogen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan unzulässig sei (Spruchpunkt V.), die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Zuletzt wurde gegen ihn ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).

Begründend wurde ausgeführt, die Situation des BF habe sich seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht entscheidungswesentlich geändert, zumal er auch im Bundesgebiet keine Schule besucht und nur kurz gearbeitet habe. Er könne daher nicht aus eigenem seine persönlichen Bedürfnisse befriedigen. Zudem sei er tätowiert und es stelle Amtswissen dar, dass Mitglieder der Taliban jeden Hinweis auf eine Verwestlichung bestrafen würden, sodass nicht ausgeschlossen werden könne, dass ihm deswegen Gefahr gegen die körperliche Unversehrtheit drohe. Der BF stelle jedoch eine Gefahr für die Allgemeinheit dar, wie sich an den von ihm verübten Straftaten zeige. Aufgrund der raschen Rückfälle könne nur von einer negativen Zukunftsprognose ausgegangen werden. Dem BF sei daher der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen gewesen, es sei jedoch gleichzeitig gemäß § 9 Abs. 2 AsylG festzustellen gewesen, dass die Abschiebung unzulässig sei. Die öffentlichen Interessen würden die privaten überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Das Einreiseverbot sei aufgrund seiner mehrmaligen Verstöße gegen das SMG zu verhängen gewesen.

I.6. Mit Verfahrensanordnung vom 08.08.2019 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

I.7. Am 23.08.2019 erhob der BF durch seinen Vertreter Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragte, den Bescheid ersatzlos zu beheben und festzustellen, dass dem BF weiterhin der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukomme, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, in eventu den Bescheid beheben und zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen, das gegen den BF ausgesprochene Einreiseverbot aufzuheben, in eventu die Dauer zu reduzieren und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Die Sicherheitslage in Afghanistan sei insbesondere für Binnenvertriebene prekär. Ihm drohe Verfolgung in Afghanistan und er wäre im Fall einer Rückkehr einer realen Gefahr einer Verletzung der in § 8 AsylG genannten Rechte ausgesetzt, da sich die Gründe, die zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt hätten, im Wesentlichen nicht geändert hätten. Das BFA habe die Vereinbarkeit einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots mit Art. 8 EMRK nicht geprüft. Er spreche die deutsche Sprache und habe an Sprachkursen teilgenommen und habe viele österreichische Freunde. Der BF habe Fehler begangen, die er sehr bereue.

I.8. Am 19.09.2019 langte die gegenständliche Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

-

Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle und die vom BF vorgelegten Unterlagen;

-

Einsicht in die in das Verfahren eingeführte Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat;

-

Einsicht in das Strafregister, das Melderegister und das Grundversorgungssystem.

II.1. Sachverhaltsfeststellungen:

II.1.1. Zum BF und seiner Situation im Falle einer Rückkehr:

Der BF ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Er gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Paschtu. Außerdem spricht er Dari. Seine Identität kann nicht festgestellt werden.

Der BF stammt aus der Provinz XXXX . Er hat keine Schule besucht und in Afghanistan nicht gearbeitet. Der BF ist Analphabet. Die Kernfamilie des BF lebt in Afghanistan, er hat keinen Kontakt zu ihr.

Der BF befindet sich seit seiner Einreise im Mai 2015 durchgehend im Bundesgebiet. Ihm wurde mit Bescheid vom 20.09.2016, Zl. XXXX , der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, da die Abschiebung des damals minderjährigen BF aufgrund der aktuellen instabilen Sicherheitslage zum Entscheidungszeitpunkt eine reale Gefahr der in § 8 AsylG genannten Rechte bedeutete. Begründend wurde dazu ausgeführt, der BF habe weder die Schule besucht, noch eine berufliche Ausbildung und wäre daher nicht im Stande, sich eine wirtschaftliche Existenz aufzubauen. Die Sicherheitslage in der Heimatprovinz des BF sei volatil. Die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan habe sich zwar verbessert, die Lage sei jedoch nach wie vor weder sicher noch stabil. Die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse sei in Afghanistan aufgrund der Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen nur eingeschränkt möglich.

Die befristete Aufenthaltsberechtigung wurde zuletzt mit Bescheid vom 14.09.2017 bis zum 20.09.2019 erteilt.

Der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde letztlich rechtskräftig durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.03.2018 zu W244 219018-2/11E abgewiesen, da es ihm nicht gelungen ist, seinen Fluchtgrund, wonach sein Vater für die Behörden gearbeitet habe und er deswegen von den Taliban entführt worden sei, wobei die Taliban auch nach dem BF gesucht hätten, nicht glaubhaft machen konnte.

Der BF hat in Österreich keine Schule besucht. Er hat einen Basisbildungskurs Deutsch als Zweitsprache absolviert. Er hat keine Berufsausbildung absolviert. Er war von 02.10.2018 bis 31.10.2018 als Arbeiter beschäftigt. Der BF war in Österreich in einem Fitnesscenter, er war kein Mitglied in einem Verein und betätigte sich nicht ehrenamtlich. Er hat keinen großen Freundeskreis in Österreich.

Der BF ist am rechten Oberarm tätowiert.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Der BF hat vorschriftswidrig Suchtgift anderen überlassen, wobei er durch eine Straftat nach § 27 Abs. 1 Z 1 SMG einem Minderjährigen den Gebrauch von Suchtgift ermöglichte und selbst volljährig und mehr als zwei Jahre älter als der Minderjährige war, indem er am XXXX an einem allgemein zugänglichen Ort öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet ist, durch unmittelbare Wahrnehmung von mehr als zehn Personen berechtigtes Ärgernis zu erregen, einer damals Fünfzehnjährigen zirka vier Gramm Cannabiskraut zum Preis von € 40,00 gewinnbringend verkaufte sowie gemeinsam mit einem weiteren nicht näher bekannten Täter Cannabis an eine weitere Person verkaufte und weiteres Cannabis in einem Versteck zum Stiegenabgang zur Unterführung zum gewinnbringenden Verkauf bereit hielt. Bereits davor hat er Cannabiskraut ausschließlich zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

Er hat dadurch die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 2a, Abs. 4 Z 1 SMG, 15 StGB; 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG begangen und wurde dafür mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 28.06.2017, rechtskräftig mit demselben Tag, zu XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt, die unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Die Vorhaft von XXXX Uhr bis XXXX Uhr wurde auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Als mildernd wurde das teilweise Geständnis, die Unbescholtenheit, das Alter unter 21 Jahren und der teilweise Versuch, als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen und das Vorliegen mehrerer Qualifikationen gewertet. Eine Diversion war nicht möglich, da der BF durch entgeltliche Weitergabe mit Gewinnaufschlag aus seinen Straftaten einen Vorteil gezogen hat und ein hoher Gesinnungsunwert vorlag.

Am XXXX hat der BF Suchtgift, nämlich MDMA enthaltendes Ecstasy mit einem Mittäter im bewussten und gewollten Zusammenwirken an einer öffentlichen Verkehrsfläche öffentlich anderen gegen Entgelt durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, und zwar einem verdeckten Ermittler fünf Stück Ecstasy um € 60,00, indem der BF das Geschäft anbahnte und seinem Mittäter ein Zeichen gab, der das Ecstasy aus dem Suchtgiftbunker nahm und dieses an den BF übergab, der es an den verdeckten Ermittler übergab und 45 Stück Ecstasy zu überlassen versucht, indem er das Suchtgift zum unmittelbar bevorstehenden gewinnbringenden Weiterverkauf um mindestens € 10,00 pro Tablette an mehrere Suchtgiftabnehmer bereit hielt, wobei es beim Versuch blieb, weil er vor Abwicklung des Suchtgifthandels von der Polizei angehalten wurde. Zudem hat er von 26.07.2017 bis XXXX Delta 9-THC und THCA enthaltendes Cannabiskraut zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

Er hat dadurch die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 2a SMG, 15 StGB; 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG begangen und wurde dafür vom Landesgericht für Strafsachen XXXX mit Urteil vom 25.10.2017, rechtskräftig mit demselben Tag, zu XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt. Die von XXXX bis zur Urteilsverkündung verbüßte Vorhaft wurde auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Als mildernd wurde das teilweise Geständnis, dass es teilweise beim Versuch blieb, die Tatbegehung vor Vollendung des 21. Lebensjahres, die Sicherstellung des Suchtgifts, als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe und der rasche Rückfall gewertet.

Vom Widerruf der vom Landesgericht XXXX zu XXXX gewährten bedingten Strafnachsicht wurde abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

Aus dem Vollzug der unbedingt verhängten Freiheitsstrafe wurde der BF mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 29.11.2017 zu XXXX am 28.01.2018 für eine Probezeit von drei Jahren bedingt entlassen.

Nach seiner Entlassung begann der BF spätestens Anfang April 2018 neuerlich Marihuana zu konsumieren. Zu diesem Zweck erwarb und besaß der BF bis zu seiner Festnahme am XXXX in wiederholten Angriffen Marihuana für seinen ausschließlichen persönlichen Gebrauch und zwar für rund drei Joints pro Woche. Der BF wusste dabei, dass der Erwerb und der Besitz in Österreich verboten ist.

Spätestens am XXXX beschloss der BF gemeinsam mit einem strafunmündigen Mittäter im bewussten und gewollten Zusammenwirken Suchtgift, nämlich Marihuana, zu verkaufen. Der BF und sein Mittäter gingen arbeitsteilig vor, wobei sich der BF auf der Suche nach einem potentiellen Abnehmer im Stationsgebäude XXXX im Bereich des Zwischenplateus zur XXXX aufhielt, während sein Mittäter außerhalb des Stationsgebäudes wartete. Der BF sprach entsprechend dem Tatplan einen nicht uniformierten Polizeibeamten in gebrochenen Deutsch an, wobei dem BF nicht bewusst war, dass es sich bei dem Angesprochenen um einen Polizeibeamten handelt. Der Polizeibeamte ging, obwohl er zu diesem Zeitpunkt mit einer anderen Amtshandlung beschäftigt war, aufgrund des offenkundigen Angebots des BF zum Schein darauf ein und gab an um € 20,00 Marihuana kaufen zu wollen. Der BF führte den Beamten daraufhin aus dem Stationsgebäude bis zur Fahrbahn, wo er ihm deutete, mit ihm zu warten. Während der gemeinsamen Wartezeit rief der BF seinen Mittäter an, der nach kurzer Zeit kam. Der BF verwies den Beamten an seinen Mittäter, da dieser das Marihuana habe. Der Mittäter übergab dem Beamten zwei Portionssäckchen Delta-9-THC und THCA enthaltendes Marihuana zu insgesamt 1,8 Gramm brutto und erhielt dafür den vereinbarten Kaufpreis. Bei den Örtlichkeiten handelt es sich jeweils um allgemein zugängliche Orte. Sowohl die Anbahnung als auch die Überlassung waren für etwa 15 bis 20 zur Tatzeit in der unmittelbaren Umgebung befindliche Personen konkret wahrnehmbar und geeignet durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen. Der BF hat das Suchtgift nicht vorwiegend deshalb verkauft, um sich Suchtmittel für seinen persönlichen Gebrauch beziehungsweise Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen.

Der BF hat dadurch die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG und das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift nach § 27 Abs. 2a SMG begangen und wurde dafür mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom 08.03.2019, zu XXXX , rechtskräftig durch die Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts XXXX vom 05.07.2019, zu XXXX, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt. Die erlittene Vorhaft seit XXXX bis zur erstinstanzlichen Urteilsverkündung wurde auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Die zu XXXX gewährte bedingte Strafnachsicht wurde widerrufen. Hingegen wurde vom Widerruf der zu XXXX des Landesgerichts XXXX gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen.

Als erschwerend wurden dabei die einschlägigen Vorstrafen, die Tatbegehung während offener Probezeiten, der rasche Rückfall sowie das Zusammentreffen mehrerer Vergehen, als mildernd das Alter unter 21 Jahren, das teilweise abgelegte Geständnis (insbesondere zum Eigenkonsum) sowie die Sicherstellung des Suchtgifts gewertet.

Zum Tatzeitpunkt war der BF ohne Beschäftigung und bezog ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von zumindest € XXXX . Derzeit befindet sich der BF in Strafhaft.

II.1.2. Zur Situation in Afghanistan:

KI vom 4.6.2019, politische Ereignisse, zivile Opfer, Anschläge in Kabul, IOM (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage; Abschnitt 2/Politische Lage; Abschnitt 23/Rückkehr).

Politische Ereignisse: Friedensgespräche, Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl

Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung, Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban, Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer "inklusiven" zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi, die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments, Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete, die Taliban hätten kein Interesse daran, Teil der aktuellen Regierung zu sein, und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen, um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil, was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen, das für Mitte April 2019 in Katar geplant war, zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere "wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019).

Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von "mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte" für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich "Sicherheitselemente" um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als "Polytheisten" bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom "zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern". Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es "sehr wahrscheinlich", dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

Rückkehr

Die International Organization for Migration (IOM) gewährt seit April 2019 keine temporäre Unterkunft für zwangsrückgeführte Afghanen mehr. Diese erhalten eine Barzuwendung von ca. 150 Euro sowie Informationen über mögliche Unterkunftsmöglichkeiten. Gemäß dem Europäischen Auswärtigen Amt (EAD) nutzten nur wenige Rückkehrer die Unterbringungsmöglichkeiten von IOM (BAMF 20.5.2019).

Quellen:

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1 TV NEWS (30.5.2019): At least six killed in suicide blast near military academy in Kabul,

http://www.1tvnews.af/en/news/afghanistan/38366-breaking-blast-rocks-kabul, Zugriff 3.6.2019

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AAN - Afghanistan Analysts Network (17.5.2019): The Results of Afghanistan's 2018 Parliamentary Elections: A new, but incomplete Wolesi Jirga,

https://www.afghanistan-analysts.org/the-results-of-afghanistans-2018-parliamentary-elections-a-new-but-incomplete-wolesi-jirga/.

Zugriff 22.5.2019

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AJ - Al Jazeera (30.5.2019): Suicide bomber targets Afghan military training centre in Kabul, https://www.aljazeera.com/news/2019/05/suicide-bomber-targets-afghan-military-training-centre-kabul-190530082719388.html.

Zugriff 3.6.2019

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.6.2019):

Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.5.2019):

Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.5.2019):

Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

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BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Districts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf

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Heise (16.5.2019): Afghanistan: Wie viel Macht hat der Präsident?, https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Wie-viel-Macht-hat-der-Praesident-4422023.html, Zugriff 3.6.2019

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IEC - Independent Electoral Commission via Facebook (14.5.2019):

Press Declaration 24/2/1398,

https://www.facebook.com/AfghanistanIEC/posts/2361637283896572? tn =-R, Zugriff 4.6.2019

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IEC - Independent Electoral Commission (15.5.2019): Kabul - Wolesi Jirga Final Results,

http://www.iec.org.af/results/en/home/finalresult_by_province/1/2. Zugriff 4.6.2019

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LWJ - Long War Journal (2.6.2019): Islamic State bombs bus, security personnel in western Kabul, https://www.longwarjournal.org/archives/2019/06/islamic-state-bombsbus-security-personnel-in-western-kabul.php. Zugriff 3.6.2019

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Newsweek (21.5.2019): Russia Spy Chief warns 5,000 ISIS Foreign Fighters Threaten Borders of Former Soviet Union, https://www.newsweek.com/russia-spychief-warns-5000-isis-foreign-fighters-threaten-borders-former-1431576. Zugriff 4.6.2019

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Tolonews (31.5.2019a): Taliban Wants An ,Inclusive Post-Peace Govt',

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Tolonews (31.5.2019c): Heavy Explosion Rocks Kabul; 4 Civilians Killed,

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Tolonews (27.5.2019a): Seven Members Of One Family Murdered in Kabul,

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Tolonews (27.5.2019b): 10 Wounded As Blast Targets Govt Employees Bus In Kabul,

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www.theweek.in/news/world/2019/06/02/afghan-officials-3-bomb-blasts-in-capital-1-killed.html, Zugriff 3.6.2019

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UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (24.4.2019): Quarterly Report on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 31 March 2019, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_protection_of_civilians_in_armed_conflict_-_first_quarter_report_2019_english_.pdf.

Zugriff 3.4.2019

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VOA - Voice of America (21.5.2019): Islamic State in Afghanistan Growing Bigger, More Dangerous, https://www.voanews.com/a/islamic-state-in-afghanistan-growingbigger-more-dangerous/4927406.html. Zugriff 4.6.2019

Sicherheitslage:

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friendens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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