Entscheidungsdatum
23.12.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W148 2191246-1/35E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. KEZNICKL als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vom 29.03.2018 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.03.2018, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe, dass der Spruchpunktes VI. zu lauten hat:
"Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG beträgt die Frist für Ihre freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
I.1. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) hat nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) gestellt.
2. Am 03.02.2016 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt, bei der er zu seinem Fluchtgrund befragt vorbrachte, dass seine Eltern in Afghanistan kein Geld hätten. Er habe in Afghanistan keine Arbeit bekommen. Sein Onkel habe zu ihm gesagt, dass er nach Europa gehen solle und sich dort Arbeit suchen solle, damit er seiner Familie im Herkunftsland finanziell helfen könne.
3. Bei seiner Einvernahme am 31.01.2018 gab der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien (in Folge: BFA), im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari an, dass seine bisherigen Angaben im Verfahren der Wahrheit entsprächen.
Der BF führte zu seinen Fluchtgründen aus, dass sein Vater Taxifahrer gewesen sei und auf der Fahrt zwischen Laghman und Jalalabad durch die Taliban getötet worden sei. Er habe nach dem Tod seines Vaters noch ca. drei Jahre im Heimatdorf gelebt. Nach dem Tod seines Vaters seien einige Leute zu ihnen gekommen und hätten seinen jüngsten Bruder mitnehmen wollen. Der BF wisse nicht warum. Sein jüngerer Bruder habe geweint und deshalb hätten sie ihn nicht mitgenommen. Sonst habe es keine Vorfälle gegeben.
4. Das BFA hat mit Bescheid vom 17.03.2018, Zl. XXXX , den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2500 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für seine freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass es ihm nicht gelungen sei asylrelevante Fluchtgründe glaubhaft zu machen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er Afghanistan aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe. Das Ermittlungsverfahren habe auch keine Gründe ergeben, die zur Zuerkennung von subsidiärem Schutz gem. § 8 AsylG 2005 führen könnten. Zuletzt kam das BFA zu dem Schluss, dass die Rückkehrentscheidung zulässig sei.
5. Mit Verfahrensanordnung wurde dem BF ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
6. Am 22.03.2018 wurde das BFA von der Anklageerhebung gegen den BF wegen § 83 Abs. 4 StGB, §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall und 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG verständigt.
7. Gegen den oben genannten Bescheid richtet sich die beim BFA fristgerecht eingelangte Beschwerde des BF an das Bundesverwaltungsgericht. Es wurde vorgebracht, dass die Beweiswürdigung des Bescheids der belangten Behörde unzureichend sei. Es wurde auch auf die Risikoprofile der UNHCR-Richtlinien und auf Länderberichte zur Sicherheitslage in Afghanistan verwiesen. Der BF könne auch aufgrund seines langjährigen Auslandsaufenthaltes als verwestlicht angesehen zu werden.
8. Am 04.04.2018 langte die Verständigung von der Anklageerhebung gegen den BF wegen § 15 iVm § 127 StGB beim BVwG ein.
9. Mit Beschluss des BVwG vom 05.04.2018 wurde, in Erledigung des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides, der Beschwerde des BF gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
10. Am 29.05.2018 langte die Mitteilung des BFA über die gegen den BF, seit 26.05.2018, verhängte Untersuchungshaft an das BVwG ein.
11. Am 04.06.2018 langte die Verständigung von der Anklageerhebung gegen den BF wegen §§ 27 Abs. 1 7. Fall; 27 Abs. 1 8. Fall, 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 SMG; § 15 StGB §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1
2. Fall, 27 Abs. 2 SMG beim BVwG ein.
12. Am 06.07.2018 langte der Protokollsvermerk und die gekürzte Urteilsausfertigung des LG für Strafsachen XXXX (GZ: XXXX ) beim BVwG ein.
13. Das BVwG führte am 05.04.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seiner Rechtsvertretung und ein Vertreter der belangten Behörde persönlich teilnahmen. Der BF wurde ausführlich zu seinem Fluchtvorbingen befragt. Durch den erkennenden Richter wurde das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 26.03.2019, in das Verfahren eingebracht.
14. Am 05.04.2019 langte die gekürzte Urteilsausfertigung des LG für Strafsachen XXXX (GZ: XXXX ) beim BVwG ein.
15. Am 07.06.2019 teilte das BFA mit, dass sich der BF derzeit in der XXXX in Untersuchungshaft befindet.
16. Am 12.06.2019 langte die Verständigung von der Anklageerhebung gegen den BF wegen §§ 27 Abs. 1 8. Fall, 27 Abs. 2a, 27 Abs. 3 SMG; § 15 StGB §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG beim BVwG ein.
17. Am 15.10.2019 langte die gekürzte Urteilsausfertigung des LG für Strafsachen XXXX und der Beschluss auf Strafaufschub gemäß § 39 Abs. 1 SMG (beides GZ: XXXX ) beim BVwG ein.
18. Am 21.10.2019 langte das klinisch-psychologische Gerichtsachverständigen-Gutachten zu den Voraussetzungen für die Gewährung eines Strafaufschubes gemäß § 39 SMG beim BVG ein.
19. Am 21.10.2019 teilte das BFA mit, dass sich der BF derzeit in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungshaft befindet.
20. Am 12.11.2019 langte die gekürzte Urteilsausfertigung des LG für Strafsachen XXXX (GZ: XXXX ) beim BVwG ein.
21. Am 18.11.2019 wurden dem BVwG eine Stellungnahme des leitenden Anstaltsarztes der Justizanstalt XXXX zum Gesundheitszustand des BF sowie eine Medikamentenübersicht und eine Besucherliste übermittelt.
22. Am 03.12.2019 (Zustellnachweis der JA XXXX mit persönlicher Unterschrift des BF) wurden dem BF das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung per 13.11.2019, zur Stellungnahme binnen 2 Wochen ins Parteiengehör übermittelt. Es langte keine Stellungnahme dazu ein.
23. Mit Eingabe vom 06.12.2019 teilte das BFA, Regionaldirektion Wien, mit, dass sich der BF derzeit in der JA XXXX in Strafhaft befinde; die Entlassung sei für 12.06.2020 vorgesehen.
I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)
Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:
a) Zur Person und zum Vorbringen des BF
1. Der Name des BF ist XXXX , er wurde am XXXX im Distrikt XXXX , in der Provinz Laghman (Afghanistan) geboren. Er ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan. Weiters ist er Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Paschtu. Er spricht auch Dari und Deutsch. Die Feststellungen zur Identität des BF gelten ausschließlich für die Identifizierung seiner Person im Asylverfahren.
2. Der BF ist in dem Distrikt XXXX , in der Provinz Laghman geboren und aufgewachsen. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan Ende 2015 hat er zuletzt zwei Monate, bei einer von ihm als Onkel bezeichneten Person, in Kabul (Stadt) gelebt. Er hat sechs Jahre lang die Schule besucht. Der Vater des BF war als Taxifahrer tätigt. Nach dessen Tod im Jahr 2013 hat der BF alleine in der Stadt XXXX gelebt, wo er drei Jahre lang als Mechaniker und auf einer Baustelle gearbeitet hat. Der BF hat für seinen eigenen Lebensunterhalt gesorgt.
3. Der Vater des BF ist 2013 verstorben. Seine Mutter, seine zwei jüngeren Brüder und seine jüngere Schwester leben bei einem Freund seines Vaters, den der BF als Onkel bezeichnet, in Kabul und werden von diesem versorgt. Bis zum 25.09.2018 hatte der BF jedenfalls Kontakt zu seiner Familie in Afghanistan. Er kann den Kontakt zu ihnen jederzeit herstellen.
4. Der BF hat im Dezember 2015 Afghanistan verlassen und ist über den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien und Deutschland bis nach Österreich gereist, wo er nach unrechtmäßiger Einreise am 03.02.2016 den gegenständlichen Antrag gestellt hat.
5. Der BF hält sich seit Februar 2016 in Österreich auf. Derzeit befindet sich der BF in Strafhaft in der JA XXXX ; sie dauert bis 12.06.20110. Vor seiner Haft hat er im Jahr 2016 und 2017 Alphabetisierungs- und Deutschkurse besucht. Er hat das ÖSD-Zertifikat für das Sprachniveau A2 gut bestanden. Im Jahr 2016 hat er an verschiedenen Info-Modulen und Workshops teilgenommen. Der BF hat zu Hause trainiert und manchmal mit Österreichern im Park Fußball gespielt. Er hatte afghanische Freunde. Er war in keinem Verein tätig.
Er war bisher in Österreich nicht erwerbstätig und ist nicht selbsterhaltungsfähig.
In Österreich hat der BF die syrische Staatsangehörige XXXX , die im Besitz eines grauen Fremdenpasses ist, kennengelernt. Frau XXXX erwartet ein Kind von ihm. Der errechnete Geburtstermin ist der 22.11.2019. Der BF hat nie mit Frau XXXX in einer Lebensgemeinschaft gelebt. Es besteht auch kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem BF und Frau XXXX . Seit seiner erneuten Verhaftung am 13.10.2019 hat ihn Frau XXXX nicht in der Untersuchungs- bzw. Strafhaft besucht.
Darüber hinaus hat er keine weiteren Verwandten oder sonstige enge soziale Bindungen in Österreich.
6. Der BF gab in der Verhandlung am 05.04.2019 an, dass es ihm gut gehe und er gesund sei. Mit klinisch-psychologischem Gerichtsachverständigen-Gutachten vom 05.08.2019 wurde beim BF eine psychische und Verhaltensstörung durch Cannabinoide, Abhängigkeitssyndrom, sowie psychische und Verhaltensstörung durch Kokain, beginnendes Abhängigkeitssyndrom, sowie psychische und Verhaltensstörung durch Ecstasy, schädlicher Gebrauch diagnostiziert. Neben der Abhängigkeitserkrankung ist keine weitere Erkrankung des psychiatrischen Formenkreises festzustellen, jedoch ist eine deutliche depressive Störung festzustellen. Der BF hat in diesem Zusammenhang auch Selbstverletzungen begannen, um zu einer Spannungsreduktion zu kommen. Es fanden sich keine Hinweise auf eine akute, ernstliche und erhebliche Selbst- und Fremdgefährdung. Es wurden vom BF keine Bestätigungen über stationäre oder ambulante psychotherapeutische Maßnahmen vorgelegt. Der BF befindet sich seit 14.10.2019 in regelmäßiger allgemeinmedizinischer Betreuung, wobei Skabies-typische Effloreszenzen an der Haut festgestellt wurden und eine entsprechende Therapie diesbezüglich eingeleitet wurde. Er nimmt derzeit die Medikamente Mirtazapin und Zoldem. Scabioral wurde ihm nur bis zum 20.11.2019 verordnet.
Der BF ist arbeitsfähig.
7. Der BF wurde vom LG für Strafsachen XXXX in der Hauptverhandlung vom 08.11.2017 (GZ: XXXX ), schuldig gesprochen, dass er am XXXX auf einer öffentlichen Verkehrsfläche öffentlich einem Dritten ein Baggy mit 1,2 Gramm brutto Cannabiskraut gegen ein Entgelt von EUR 10 durch gewinnbringenden Verkauf überlassen zu haben. Weiters wurde er schuldig gesprochen seit einem nicht mehr festzustellenden Zeitpunkt im XXXX Cannabiskraut zum ausschließlich persönlichen Gebrauch erworben und besessen zu haben.
Durch diese strafbaren Handlungen wurde er wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a SMG und wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall, Abs. 2 SMG schuldig gesprochen. Gemäß § 13 JGG wurde der Ausspruch für eine zu verhängende Strafe für eine Probezeit von 3 Jahren vorläufig aufgeschoben. Bei der Strafbemessung wurde mildernd sein teilweises Geständnis, der bisher ordentliche Lebenswandel und sein Alter unter 21 Jahren gewertet. Erschwerend war das Zusammentreffen von zwei Vergehen.
Am 20.06.2018 wurde der BF vom LG für Strafsachen XXXX (GZ: XXXX ), schuldig gesprochen; I. einen Dritten am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung herbeigeführt zu haben, indem er dem Dritten mehrere Faustschläge und Tritte ins Gesicht versetzte, wodurch dieser einen Bruch des Oberkörpers links, einen Bruch der Augenhöhlenplatte, eine Brustkorb- und eine Brustbeinprellung mit einhergehender kurzer Bewusstlosigkeit, somit eine schwere Körperverletzung erlitt; II. eine fremde bewegliche Sache, und zwar die Geldbörse desjenigen, den er unter I. verletzt hat, mit einem nicht mehr feststellbaren Betrag an Bargeld mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er dies unter Ausnützung eines Zustandes des Bestohlenen tat, der diesen hilflos machte, nämlich nachdem er die zu I. angeklagten Verletzungen zugefügt hatte, wobei es beim Versuch blieb, weil er bei Eintreffen der Polizei die Geldbörse fallen ließ. Außerdem wurde er schuldig gesprochen am XXXX mit dem Vorsatz sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigten der Firma "New Yorker" fremde bewegliche Sachen, nämlich drei T-Shirts im Wert von EUR 18,85 zu entwenden versucht zu haben. Daneben war er auch schuldig im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der strafunmündigen XXXX als Mittäterin, vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Marihuana (enthaltend Delta-9-THC und THCA) I. am XXXX gewerbsmäßig, 1. überlassen zu haben, indem der BF die Suchtgiftgeschäfte anbahnte und die Übergaben durchführte und XXXX das Suchtgift in ihrer Kleidung verwahrte, und zwar sechs Baggies mit etwa sechs Gramm in mehreren Angriffen an unbekannt gebliebene Abnehmer zum Gesamtpreis von EUR 60,-- und fünf Baggies mit 5,7 Gramm an einen verdeckten Ermittler des Landeskriminalamtes XXXX zum Preis von EUR 50 wobei die Anbahnung und Übergabe in einer dem öffentlichen Verkehr dienenden Anlage, im unmittelbaren Nahbereich von zumindest 100 Personen, öffentlich gegen Entgelt, erfolgte, 2. überlassen versucht zu haben und zwar drei Baggies mit 3,2 Gramm, indem sie das Suchtgift an einem szenetypischen Ort zur unmittelbaren Weitergabe an Suchtgiftabnehmer aufbewahrten bzw. bereithielten; II. von einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im XXXX Marihuana (enthaltend Delta-9-THC und THCA) zum Eigenkonsum erworben und besessen zu haben.
Durch diese strafbaren Handlungen wurde er wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB, des Vergehens des versuchten teils schweren Diebstahls nach §§ 15, 127, 128 Abs. 1 Z 1 StGB, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 7. und 8. Fall, Abs. 2a und Abs. 3 SMG, 15 StGB und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall und Abs. 2 SMG, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 12 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde ein Teil der verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten unter der Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 15 Abs. 1 JGG erfolgte der Strafausspruch nachträglich auch zu XXXX . Die erlittene Vorhaft vom 25.05.2018 bis 20.06.2018 wurde ihm auf die ausgesprochene Strafe angerechnet. Der BF wurde am 25.09.2018 aus der Strafhaft entlassen. Bei der Strafbemessung wurde mildernd sein Geständnis, sein Alter unter 21 Jahren bei Tatbegehung, die Tatsache, dass es teilweise beim Versuch blieb und die teilweise Sicherstellung von Suchtgift gewertet. Erschwerend war das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit mehreren Vergehen, die Tatbegehung in Kenntnis eines offenen Strafverfahrens, die einschlägige Vorstrafe und die doppelte Qualifikation des § 27 SMG.
Am 03.07.2019 wurde der BF vom LG für Strafsachen XXXX (GZ: XXXX ), schuldig gesprochen Suchtgift, nämlich Marihuana (enthaltend Delta-9-THC und THCA), I. am XXXX gewerbsmäßig, 1. drei Baggies mit 3,3 Gramm zum Preis von EUR 30 an einen verdeckten Ermittler des Landeskriminalamtes XXXX überlassen zu haben, wobei die Übergabe auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, im unmittelbaren Nahbereich von zumindest zehn Personen, öffentlich gegen Entgelt, erfolgte; 2. überlassen versucht zu haben (§ 15 StGB), und zwar vier Baggies mit 4,4 Gramm, indem er das Suchtgift zum unmittelbaren Verkauf an einer szenetypischen Örtlichkeit bereithielt; II. von XXXX bis zum XXXX eine nicht mehr feststellbare Menge zum Eigenkonsum erworben und besessen.
Durch diese strafbaren Handlungen wurde er zu Punkt I. wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1, 8. Fall, Abs. 2a und Abs. 3 SMG, 15 StGB, und zu Punkt II. wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgift nach § 27 Abs. 1 Z 1, 1. und 2. Fall und Abs. 2 SMG, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 Monaten verurteilt. Bei der Strafbemessung wurde mildernd sein reumütiges Geständnis, der teilweise Versuch, die Sicherstellung des Suchtgifts und die Tat vor Vollendung des 21. Lebensjahres gewertet. Erschwerend war das Zusammentreffen von mehrerer strafbarer Handlungen und die einschlägigen Vorstrafen. Die erlittene Vorhaft vom 03.06.2019 bis 03.07.2019 wurde ihm auf die ausgesprochene Strafe angerechnet. Der Antrag auf Widerruf der mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom 20.06.2018 zu XXXX gewährten bedingten Strafnachsicht wurde abgewiesen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Mit Beschluss des LG für Strafsachen XXXX vom 23.08.2019 (GZ: XXXX ) wurde dem BF hinsichtlich der am 03.07.2019 verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten gemäß § 39 Abs. 1 SMG Strafaufschub bis 03.07.2021 zum Zwecke einer stationären und ambulanten psychotherapeutischen Maßnahme gewährt.
Am 06.11.2019 wurden der BF und ein Mittäter vom LG für Strafsachen XXXX (GZ: XXXX ), schuldig gesprochen im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der außer Verfolgung gesetzten XXXX als Mittäterin, vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich I. Marihuana (enthaltend Delta-9-THC und THCA), überlassen zu haben, und zwar am XXXX eine Menge von 2,3 Gramm an einen verdeckten Ermittler des LKA XXXX zum Preis von EUR 20 wobei die Anbahnung und Übergabe auf einer öffentlichen Verkehrsfläche, im unmittelbaren Nahbereich von zumindest zehn Personen, sohin öffentlich gegen Entgelt, erfolgte, indem XXXX dem verdeckten Ermittler Suchtgift anbot, der BF, sein Mittäter und XXXX ihn zum Übergabeort begleiteten und der BF die Übergabe zwischen dem verdeckten Ermittler und seinem Mittäter koordinierte und sein Mittäter das Bargeld entgegennahm und das Suchtgift übergab; II. am XXXX zu überlassen versucht zu haben (§ 15 StGB), indem sie das Suchtgift zum unmittelbaren Verkauf an einer szenetypischen Örtlichkeit bereithielten und nach Abnehmern Ausschau hielten, und zwar 7,2g Marihuana (enthaltend Delta-9-THC und THCA).
Durch diese strafbaren Handlungen wurde er wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgift nach §§ 27 Abs 2a SMG, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten verurteilt. Bei der Strafbemessung wurde mildernd das teilweise Geständnis, das Alter unter 21 Jahren und dass es teilweise beim Versuch geblieben ist gewertet. Erschwerend waren die drei einschlägigen Vorstrafen, die Tatbegehung während offener Probezeit und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 SMG. Die erlittene Vorhaft vom 13.10.2019 bis 06.11.2019 wurde ihm auf die verhängte Freiheitsstrafe angerechnet. Gemäß §§ 53 Abs 1 StGB iVm 494a Abs 1 Z. 2 StPO wurde vom Widerruf der mit Urteil des LG für Strafsachen XXXX vom 20.06.2018 zu XXXX gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen.
Der BF wurde am 06.11.2019 von der gegen ihn mit Strafantrag vom 16.10.2019 erhobenen weiteren Anklage wegen des Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgift freigesprochen.
Der BF befindet sich derzeit in der JA XXXX in Strafhaft, welche bis zumindest 12.06.2020 dauern wird.
8. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er wegen der Tötung seines Vaters durch die Taliban im Jahr 2013 und der versuchten Mitnahme seines jüngsten Bruders einer Bedrohung oder einer Verfolgung durch die Taliban bzw. andere bewaffnete Gruppierungen ausgesetzt war oder bei einer Rückkehr dorthin ausgesetzt wäre. Daher kann nicht festgestellt werden, dass er aus einer ihm, von den Taliban bzw. anderen bewaffneten Gruppierungen unterstellten politischen Gesinnung von diesen bedroht wurde bzw. im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat einer solchen Bedrohung ausgesetzt wäre.
Außerdem konnte er nicht glaubhaft machen, dass konkret der BF auf Grund der Tatsache, dass er sich in Europa aufgehalten hat, bzw. dass jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan kommt, in Afghanistan psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.
Der BF konnte somit nicht glaubhaft machen, dass er seinen Herkunftsstaat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder nach einer allfälligen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten hätte.
9. Dem BF würde bei einer Überstellung nach Afghanistan in die Provinz Laghman ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK drohen.
Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e-Scharif kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Dem BF steht somit eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e-Scharif zur Verfügung.
b) Zur Lage im Herkunftsstaat
Das Bundesverwaltungsgericht trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019):
1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019:
Politische Lage
Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern leben ca. 32 Millionen Menschen (LIB 13.11.2019, S. 12). Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt. Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (LIB 13.11.2019, S. 13).
Allgemeine Sicherheitslage
Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil, nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (LIB 13.11.2019, S. 18). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (LIB 13.11.2019, S. 18-19).
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren. Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten. Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau (LIB 13.11.2019, S. 19). Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an von den Aufständischen kontrollierten Distrikten waren Kunduz, Uruzgan und Helmand (LIB 13.11.2019, S. 23)
Wenngleich die Vereinten Nationen für das erste Halbjahr 2019 die niedrigste Anzahl ziviler Opfer registrierten, so waren Juli, August und September - im Gegensatz zu 2019 - von einem hohen Gewaltniveau betroffen. Zivilisten, die in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Helmand, Ghazni, und Faryab wohnten, waren am stärksten vom Konflikt betroffen (in dieser Reihenfolge) (LIB 13.11.2019, S. 24).
Sowohl im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019 führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen. Diese Angriffe sind stetig zurückgegangen. Zwischen 1.6.2018 und 30.11.2018 fanden 59 HPAs in Kabul statt, zwischen 1.12.2018 und 15.5.2019 waren es 6 HPAs (LIB 13.11.2019, S. 25).
Regierungsfeindliche Gruppierungen:
In Afghanistan sind unterschiedliche regierungsfeindliche Gruppierungen aktiv - insbesondere die Grenzregion zu Pakistan bleibt eine Zufluchtsstätte für unterschiedliche Gruppierungen, wie Taliban, Islamischer Staat, al-Qaida, Haqqani-Netzwerk, Lashkar-e Tayyiba, Tehrik-e Taliban Pakistan, sowie Islamic Movement of Uzbekistan (LIB 13.11.2019, S. 26).
Zwischen 1.12.2018 und 31.5.2019 haben die Talibanaufständischen mehr Angriffe ausgeführt, als in der Vergangenheit üblich, trotzdem war die Gesamtzahl effektiver feindlicher Angriffe stark rückläufig. Diese Angriffe hatten hauptsächlich militärische Außenposten und Kontrollpunkte sowie andere schlecht verteidigte ANDSF-Posten zu Ziel (LIB 13.11.2019, S. 26).
Die Gesamtstärke der Taliban wurde von einem Experten im Jahr 2017 auf über 200.000 geschätzt, darunter angeblich 150.000 Kämpfer (rund 60.000 Vollzeitkämpfer mobiler Einheiten, der Rest sein Teil der lokalen Milizen). Die Taliban betreiben Trainingslager in Afghanistan (LIB 13.11.2019, S. 27).
Die Mehrheit der Taliban sind immer noch Paschtunen, obwohl es eine wachsende Minderheit an Tadschiken, Usbeken, Belutschen und sogar mehreren hundert Hazara (einschließlich Schiiten) gibt. In einigen nördlichen Gebieten sollen die Taliban bereits überwiegend Nicht-Paschtunen sein, da sie innerhalb der lokalen Bevölkerung rekrutieren (LIB 13.11.2019, S. 27).
Das seit 2012 bestehende Haqqani-Netzwerk ist eine teilautonome Organisation, Bestandteil der afghanischen Taliban und Verbündeter von al-Qaida (LIB 13.11.2019, S. 27). Schätzungen zur Stärke des ISKP variieren zwischen 1.500 und 3.000, bzw. 2.500 und 4.000 Kämpfern. Nach US-Angaben vom Frühjahr 2019 ist ihre Zahl auf 5.000 gestiegen (LIB 13.11.2019, S. 28).
Neben komplexen Angriffen auf Regierungsziele, verübte der ISKP zahlreiche groß angelegte Anschläge gegen Zivilisten, insbesondere auf die schiitische-Minderheit. Die Zahl der zivilen Opfer durch ISKP-Handlungen hat sich dabei 2018 gegenüber 2017 mehr als verdoppelt, nahm im ersten Halbjahr 2019 allerdings wieder ab (LIB 13.11.2019, S. 29).
Al-Qaida will die Präsenz in der Provinz Badakhshan stärken, insbesondere im Distrikt Shighnan, der an der Grenze zu Tadschikistan liegt, aber auch in der Provinz Paktika, Distrikt Barmal, wird versucht die Präsenz auszubauen (LIB 13.11.2019, S. 29).
Kabul
Die Provinz Kabul liegt im Zentrum Afghanistans (PAJ o.D.) und grenzt an Parwan und Kapisa im Norden, Laghman im Osten, Nangarhar im Südosten, Logar im Süden sowie Wardak im Westen. Provinzhauptstadt ist Kabul-Stadt (NPS o.D.).
Kabul-Stadt - Geographie und Demographie
Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und auch ein Distrikt in der Provinz Kabul. Es ist die bevölkerungsreichste Stadt Afghanistans, mit einer geschätzten Einwohnerzahl von 5.029.850 Personen für den Zeitraum 2019-20 (CSO 2019). Die Bevölkerungszahl ist jedoch umstritten. Einige Quellen behaupten, dass sie fast 6 Millionen beträgt (AAN 19.3.2019). Laut einem Bericht, expandierte die Stadt, die vor 2001 zwölf Stadtteile - auch Police Distrikts (USIP 4.2017), PDs oder Nahia genannt (AAN 19.3.2019) - zählte, aufgrund ihres signifikanten demographischen Wachstums und ihrer horizontalen Expansion auf 22 PDs (USIP 4.2017). Die afghanische zentrale Statistikorganisation (Central Statistics Organization, CSO) schätzt die Bevölkerung der Provinz Kabul für den Zeitraum 2019-20 auf 5.029.850 Personen (CSO 2019). Sie besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus (PAJ o.D.; vgl. NPS o.D.).
Hauptstraßen verbinden die afghanische Hauptstadt mit dem Rest des Landes (UNOCHA 4.2014). In Kabul-Stadt gibt es einen Flughafen, der mit internationalen und nationalen Passagierflügen bedient wird (BFA Staatendokumentation 25.3.2019).
Die Stadt besteht aus drei konzentrischen Kreisen: Der erste umfasst Shahr-e Kohna, die Altstadt, Shahr-e Naw, die neue Stadt, sowie Shash Darak und Wazir Akbar Khan, wo sich viele ausländische Botschaften, ausländische Organisationen und Büros befinden. Der zweite Kreis besteht aus Stadtvierteln, die zwischen den 1950er und 1980er Jahren für die wachsende städtische Bevölkerung gebaut wurden, wie Taimani, Qala-e Fatullah, Karte Se, Karte Chahar, Karte Naw und die Microraions (sowjetische Wohngebiete). Schließlich wird der dritte Kreis, der nach 2001 entstanden ist, hauptsächlich von den "jüngsten Einwanderern" (USIP 4.2017) (afghanische Einwanderer aus den Provinzen) bevölkert (AAN 19.3.2019), mit Ausnahme einiger hochkarätiger Wohnanlagen für VIPs (USIP 4.2017).
Was die ethnische Verteilung der Stadtbevölkerung betrifft, so ist Kabul Zielort für verschiedene ethnische, sprachliche und religiöse Gruppen, und jede von ihnen hat sich an bestimmten Orten angesiedelt, je nach der geografischen Lage ihrer Heimatprovinzen:
Dies gilt für die Altstadt ebenso wie für weiter entfernte Stadtviertel, und sie wird in den ungeplanten Gebieten immer deutlicher (Noori 11.2010). In den zuletzt besiedelten Gebieten sind die Bewohner vor allem auf Qawmi-Netzwerke angewiesen, um Schutz und Arbeitsplätze zu finden sowie ihre Siedlungsbedingungen gemeinsam zu verbessern. Andererseits ist in den zentralen Bereichen der Stadt die Mobilität der Bewohner höher und Wohnsitzwechsel sind häufiger. Dies hat eine disruptive Wirkung auf die sozialen Netzwerke, die sich in der oft gehörten Beschwerde manifestiert, dass man "seine Nachbarn nicht mehr kenne" (AAN 19.3.2019).
Nichtsdestotrotz, ist in den Stadtvierteln, die von neu eingewanderten Menschen mit gleichem regionalen oder ethnischen Hintergrund dicht besiedelt sind, eine Art "Dorfgesellschaft" entstanden, deren Bewohner sich kennen und direktere Verbindungen zu ihrer Herkunftsregion haben als zum Zentrum Kabuls (USIP 4.2017). Einige Beispiele für die ethnische Verteilung der Kabuler Bevölkerung sind die folgenden: Hazara haben sich hauptsächlich im westlichen Viertel Chandawal in der Innenstadt von Kabul und in Dasht-e-Barchi sowie in Karte Se am Stadtrand niedergelassen;
Tadschiken bevölkern Payan Chawk, Bala Chawk und Ali Mordan in der Altstadt und nördliche Teile der Peripherie wie Khairkhana;
Paschtunen sind vor allem im östlichen Teil der Innenstadt Kabuls, Bala Hisar und weiter östlich und südlich der Peripherie wie in Karte Naw und Binihisar (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017), aber auch in den westlichen Stadtteilen Kota-e-Sangi und Bazaar-e-Company (auch Company) ansässig (Noori 11.2010); Hindus und Sikhs leben im Herzen der Stadt in der Hindu-Gozar-Straße (Noori 11.2010; vgl. USIP 4.2017).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul. Nichtsdestotrotz, führten Aufständische, Taliban und andere militante Gruppierungen, im gesamten Jahr 2018, als auch in den ersten fünf Monaten 2019, insbesondere in der Hauptstadtregion weiterhin Anschläge auf hochrangige Ziele aus, um die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben und die Wahrnehmung einer weit verbreiteten Unsicherheit zu schaffen (USDOD 6.2019; vgl. USDOD 12.2018).
Aufgrund eben dieser öffentlichkeitswirksamer Angriffe auf Kabul-Stadt kündigte die afghanische Regierung bereits im August 2017 die Entwicklung eines neuen Sicherheitsplans für Kabul an (AAN 25.9.2017). So wurde unter anderem das Green Village errichtet, ein stark gesichertes Gelände im Osten der Stadt, in dem unter anderem, Hilfsorganisationen und internationale Organisationen (RFERL 2.9.2019; vgl. FAZ 2.9.2019) sowie ein Wohngelände für Ausländer untergebracht sind (FAZ 2.9.2019). Die Anlage wird stark von afghanischen Sicherheitskräften und privaten Sicherheitsmännern gesichert (AJ 3.9.2019). Die Green Zone hingegen ist ein separater Teil, der nicht unweit des Green Villages liegt. Die Green Zone ist ein stark gesicherter Teil Kabuls, in dem sich mehrere Botschaften befinden - so z.B. auch die US-amerikanische Botschaft und andere britische Einrichtungen (RFERL 2.9.2019).
In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Kabul mit Ausnahme des Distrikts Surubi im Verantwortungsbereich der 111. ANA Capital Division, die unter der Leitung von türkischen Truppen und mit Kontingenten anderer Nationen der NATO-Mission Train, Advise and Assist Command - Capital (TAAC-C) untersteht. Der Distrikt Surubi fällt in die Zuständigkeit des 201. ANA Corps (USDOD 6.2019). Darüber hinaus wurde eine spezielle Krisenreaktionseinheit (Crisis Response Unit) innerhalb der afghanischen Polizei, um Angriffe zu verhindern und auf Anschläge zu reagieren (LI 5.9.2018).
Im Distrikt Surubi wird von der Präsenz von Taliban-Kämpfern berichtet (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Aufgrund seiner Nähe zur Stadt Kabul und zum Salang-Pass hat der Distrikt große strategische Bedeutung (WOR 10.9.2018).
Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 1.866 zivile Opfer (596 Tote und 1.270 Verletzte) in der Provinz Kabul. Dies entspricht einer Zunahme von 2% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Selbstmord- und komplexe Angriffe, gefolgt von improvisierten Sprengkörpern (improvised explosive devices, IEDs) und gezielten Tötungen (UNAMA 24.2.2019).
Die afghanischen Sicherheitskräfte führten insbesondere im Distrikt Surubi militärische Operationen aus der Luft und am Boden durch, bei denen Aufständische getötet wurden (KP 27.3.2019; vgl. TN 26.3.2019, SAS 26.3.2019, TN 23.10.2018,. KP 23.10.2018, KP 9.7.2018). Dabei kam es unter anderem zu zivilen Opfern (TN 26.3.2019; vgl. SAS 26.3.2019). Außerdem führten NDS-Einheiten Operationen in und um Kabul-Stadt durch (TN 7.8.2019; vgl. PAJ 7.7.2019, TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019). Dabei wurden unter anderem Aufständische getötet (TN 7.8.2019) und verhaftet (TN 7.8.2019; PAJ 7.7.2019; vgl TN 9.6.2019, PAJ 28.5.2019), sowie Waffen und Sprengsätze konfisziert (TN 9.6.2019; vgl. PAJ 28.5.2019).
Herat
Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Weiters grenzt Herat an die Provinzen Badghis im Nordosten, Ghor im Osten und Farah im Süden. Herat ist in 16 Distrikte unterteilt. Zudem bestehen vier weitere "temporäre" Distrikte. Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt. Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans (LIB 13.11.2019, S. 105).
Die CSO schätzt die Bevölkerung der Provinz für den Zeitraum 2019-20 auf 2.095.117 Einwohner, 556.205 davon in der Provinzhauptstadt. Die wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz sind Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Usbeken und Aimaqs, wobei Paschtunen in elf Grenzdistrikten die Mehrheit stellen. Umfangreiche Migrationsströme haben die ethnische Zusammensetzung der Stadt verändert. Der Anteil an schiitischen Hazara ist seit 2001 besonders gestiegen, da viele aus dem Iran rückgeführt oder aus den Provinzen Zentralafghanistans vertrieben wurden. Der Grad an ethnischer Segregation ist in Herat heute ausgeprägt (LIB 13.11.2019, S. 107).
Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden. Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt (LIB 13.11.2019, S. 106).
Laut UNODC Opium Survey 2018 gehörte Herat 2018 nicht zu den zehn wichtigsten Schlafmohn anbauenden Provinzen Afghanistans. 2018 sank der Schlafmohnanbau in Herat im Vergleich zu 2017 um 46%. Die wichtigsten Anbaugebiete für Schlafmohn waren im Jahr 2018 die Distrikte Kushk und Shindand (LIB 13.11.2019, S. 106).
Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Taliban-Kämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als "sehr sicher" gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban (LIB 13.11.2019, S. 106).
Auch im Vergleich zu Kabul gilt Herat-Stadt einem Mitarbeiter von IOM-Kabul zufolge zwar als sicherere Stadt, doch gleichzeitig wird ein Anstieg der Gesetzlosigkeit und Kriminalität verzeichnet:
Raubüberfälle nahmen zu und ein Mitarbeiter der Vereinten Nationen wurde beispielsweise überfallen und ausgeraubt. Entführungen finden gelegentlich statt, wenn auch in Herat nicht in solch einem Ausmaß wie in Kabul (LIB 13.11.2019, S. 106).
Der Distrikt mit den meisten sicherheitsrelevanten Vorfällen ist der an Farah angrenzende Distrikt Shindand, wo die Taliban zahlreiche Gebiete kontrollieren. Wegen der großen US-Basis, die in Shindand noch immer operativ ist, kontrollieren die Taliban jedoch nicht den gesamten Distrikt. Aufgrund der ganz Afghanistan betreffenden territorialen Expansion der Taliban in den vergangenen Jahren sah sich jedoch auch die Provinz Herat zunehmend von Kampfhandlungen betroffen. Dennoch ist das Ausmaß der Gewalt im Vergleich zu einigen Gebieten des Ostens, Südostens, Südens und Nordens Afghanistans deutlich niedriger (LIB 13.11.2019, S. 106-107). 2017 und 2018 hat der IS bzw. ISKP Berichten zufolge drei Selbstmordanschläge in Herat-Stadt durchgeführt (LIB 13.11.2019, S. 107).
Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 259 zivile Opfer (95 Tote und 164 Verletzte) in Herat. Dies entspricht einem Rückgang von 48% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren improvisierten Sprengkörper (improvised explosive devices, IEDs; ohne Selbstmordanschläge), gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 108).
In der Provinz Herat kommt es regelmäßig zu militärischen Operationen. Unter anderem kam es dabei auch zu Luftangriffen durch die afghanischen Sicherheitskräfte (LIB 13.11.2019, S. 108). Der volatilste Distrikt von Herat ist Shindand. Dort kommt es zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen rivalisierenden Taliban-Fraktionen, wie auch zwischen den Taliban und regierungsfreundlichen Kräften. Außerdem kommt es in unterschiedlichen Distrikten immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften (LIB 13.11.2019, S. 109). Auf der Autobahn zwischen Kabul und Herat sowie Herat und Farah werden Reisende immer wieder von Taliban angehalten; diese fordern von Händlern und anderen Reisenden Schutzgelder (LIB 13.11.2019, S. 109).
Balkh
Balkh liegt im Norden Afghanistans und grenzt im Norden an Usbekistan, im Nordosten an Tadschikistan, im Osten an Kunduz und Baghlan, im Südosten an Samangan, im Südwesten an Sar-e Pul, im Westen an Jawzjan und im Nordwesten an Turkmenistan. Die Provinzhauptstadt ist Mazar-e Sharif (LIB 13.11.2019, S. 61).
Nach Schätzung der zentralen Statistikorganisation Afghanistan (CSO) für den Zeitraum 2019-20 leben 1.475.649 Personen in der Provinz Balkh, davon geschätzte 469.247 in der Provinzhauptstadt Mazar-e Sharif. Balkh ist eine ethnisch vielfältige Provinz, welche von Paschtunen, Usbeken, Hazara, Tadschiken, Turkmenen, Aimaq, Belutschen, Arabern und sunnitischen Hazara (Kawshi) bewohnt wird (LIB 13.11.2019, S. 61).
Balkh bzw. die Hauptstadt Mazar-e Sharif ist ein Import-/Exportdrehkreuz sowie ein regionales Handelszentrum. Die Autobahn, welche zum usbekischen Grenzübergang Hairatan-Termiz führt, zweigt ca. 40 km östlich von Mazar-e Sharif von der Ringstraße ab. In Mazar-e Sharif gibt es einen Flughafen mit Linienverkehr zu nationalen und internationalen Zielen. Im Januar 2019 wurde ein Luftkorridor für Warentransporte eröffnet, der Mazar-e Sharif und Europa über die Türkei verbindet (LIB 13.11.2019, S. 61).
Laut dem Opium Survey von UNODC für das Jahr 2018 belegt Balkh den
7. Platz unter den zehn größten Schlafmohn produzierenden Provinzen Afghanistans. Aufgrund der Dürre sank der Mohnanbau in der Provinz 2018 um 30% gegenüber 2017 (LIB 13.11.2019, S. 61).
Balkh zählt zu den relativ stabilen und ruhigen Provinzen Nordafghanistans, in welcher die Taliban in der Vergangenheit keinen Fuß fassen konnten. Die vergleichsweise ruhige Sicherheitslage war vor allem auf das Machtmonopol des ehemaligen Kriegsherrn und späteren Gouverneurs von Balkh, Atta Mohammed Noor, zurückzuführen. In den letzten Monaten versuchen Aufständische der Taliban die nördliche Provinz Balkh aus benachbarten Regionen zu infiltrieren. Drei Schlüsseldistrikte, Zari, Sholagara und Chahar Kant, zählen zu jenen Distrikten, die in den letzten Monaten von Sicherheitsbedrohungen betroffen waren. Die Taliban überrannten keines dieser Gebiete. Einem UN-Bericht zufolge, gibt es eine Gruppe von rund 50 Kämpfern in der Provinz Balkh, welche mit dem Islamischen Staat (IS) sympathisiert. Bei einer Militäroperation im Februar 2019 wurden unter anderem in Balkh IS-Kämpfer getötet. Deutsche Bundeswehrsoldaten sind in Camp Marmal in Mazar-e Sharif stationiert (LIB 13.11.2019, S. 62).
Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 227 zivile Opfer (85 Tote und 142 Verletzte) in Balkh. Dies entspricht einer Steigerung von 76% gegenüber 2017. Die Hauptursache für die Opfer waren Bodenkämpfe, gefolgt von improvisierten Bomben (IEDS; ohne Selbstmordattentate) und gezielten Tötungen. Hinsichtlich der nördlichen Region, zu denen UNAMA auch die Provinz Balkh zählt, konnte in den ersten 6 Monaten ein allgemeiner Anstieg ziviler Opfer verzeichnet werden (LIB 13.11.2019, S. 63).
Berichten zufolge, errichten die Taliban auf wichtigen Verbindungsstraßen, die unterschiedliche Provinzen miteinander verbinden, immer wieder Kontrollpunkte. Dadurch wird das Pendeln für Regierungsangestellte erschwert. Insbesondere der Abschnitt zwischen den Provinzen Balkh und Jawjzan ist von dieser Unsicherheit betroffen (LIB 13.11.2019, S. 63).
Laghman
Laghman liegt im Osten Afghanistans und grenzt im Norden an die Provinzen Panjshir und Nuristan, im Osten an Kunar, im Süden an Nangarhar und im Westen an Kabul und Kapisa (NPS o.D.la). Die Provinzhauptstadt von Laghman ist Mehtarlam (UNOCHA 4.2014la; vgl. NPS o.D.la, OPr 1.2.2017la). Die Provinz ist in folgende Distrikte unterteilt: Alingar, Alishing, Dawlat Shah, Mehtarlam, Qarghayi, und Bad Pash (auch Bad Pakh) (CSO 2019; vgl. IEC 2018la, UNOCHA 4.2014la, NPS o.D.la, OPr 1.2.2017la). Bad Pash ist ein temporärer Distrikt (CSO 2019), der im Jahr 2011 aus dem Distrikt Mehtarlam herausgelöst wurde (AAN 10.5.2011).
Die afghanische zentrale Statistikorganisation (CSO) schätzte die Bevölkerung von Laghman für den Zeitraum 2019-20 auf 484.952 Personen (CSO 2019). Die Provinz wird hauptsächlich von Paschtunen bewohnt, gefolgt von tadschikischen und paschaiischen Stämmen (PAJ o. D.la; vgl. NPS o.D.la). Die Provinz ist größtenteils gebirgig, eine Tatsache, die den Aufständischen in der Vergangenheit entgegenkam, um in entlegene Gebirgsketten zu fliehen (SAS 15.11.2014).
Der Abschnitt Kabul-Jalalabad der asiatischen Autobahn AH-1 führt durch den Distrikt Qarghayi, (MoPW 16.10.2015; vgl. UNOCHA 4.2014la), wo eine Nebenstraße abzweigt, die über die Provinzhauptstadt Mehtarlam nach Nurgeram in Nuristan führt (UNOCHA 4.2014la).
Laut dem UNODC Opium Survey 2018 blieb der Schlafmohnanbau in Laghman 2018 mit einer Anbaufläche von (2.092 Hektar ähnlich wie im Jahr 2017 (2.257 Hektar), wobei es geringfügige Veränderungen auf Distriktebene gab (UNODC/MCN 11.2018).
Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure
Sowohl im Oktober 2018 als auch Jänner 2019 wurde die Provinz Laghman als eine der relativ ruhigen Provinzen Afghanistans beschrieben; in einigen ihrer abgelegenen Distrikte wurde ein Anstieg der Aktivitäten von Taliban- und ISKP-Militanten verzeichnet (KP 22.1.2019; vgl. KP 1.10.2018). Im Distrikt Alingar, der in der Vergangenheit hauptsächlich unter dem Einfluss der Taliban stand, eine zunehmende Präsenz von IS-Kämpfern zu verzeichnen (ST 27.2.2018; vgl. NAT 15.7.2018); auch bekämpfen sich Taliban und IS in der Provinz gegenseitig (RIA 24.7.2018). Laghman gilt, gemeinsam mit anderen Provinzen, als eine der Hochburgen des ISKP (AJ 10.6.2019; vgl. UNSC 1.2.2019). Die Stärke des ISKP in ganz Afghanistan wird auf 2.500 - 4.000 Personen geschätzt (UNSC 1.2.2019).
In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Laghman unter der Verantwortung des 201. ANA Corps, das der NATO-Mission Train, Advise, and Assist Command - East (TAAC-E) untersteht, angeführt von US-amerikanischen und polnischen Streitkräften (USDOD 6.2019; vgl. KP 22.1.2019).
Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung
Im Jahr 2018 dokumentierte UNAMA 271 zivile Opfer (93 Tote und 178 Verletzte) in der Provinz Laghman. Dies entspricht einem Rückgang von 23% gegenüber 2017. Die Hauptursachen für Opfer waren Bodengefechte, gefolgt von gezielten Tötungen und Kampfmittelrückständen/Minen. Damit zählt Laghman zu jenen Provinzen, in denen ein anhaltender Rückgang ziviler Opfer durch Bodenkämpfe zu verzeichnen war: Die Anzahl ziviler Opfer durch Bodenkämpfe betrug 2018 123, was einem Rückgang von 53% gegenüber 2017 entspricht (UNAMA 24.2.2019).
Sowohl im Oktober 2018 als auch Jänner 2019 wurde die Provinz Laghman als eine der relativ ruhigen Provinzen Afghanistans beschrieben; in einigen ihrer abgelegenen Distrikte wurde ein Anstieg an Aufständischenaktivitäten verzeichnet (KP 22.1.2019; vgl. KP 1.10.2018). In der Provinz werden regelmäßig Sicherheitsoperationen durch afghanische Sicherheitskräfte, insbesondere im Distrikt Alishing, durchgeführt. In manchen Fällen kommt es unter anderem zu Verlusten unter den Aufständischen (z.B. BN 27.7.2019; KP 4.6.2019; ST 23.1.2019; PAJ 26.11.2018; PAJ 3.11.2018; KP 1.10.2018; KP 27.9.2018; ST 27.2.2019). Angriffe durch Aufständische auf die afghanischen Sicherheitskräfte finden statt (KP 22.1.2019; vgl. KP 23.12.2018).
Bewaffnete Zusammenstöße zwischen die Taliban und Regierungskräfte finden statt (AN 26.6.2019); aber auch Kämpfe zwischen Taliban-Aufständischen und ISKP-Kämpfern (z.B. ST 27.2.2019; KP 14.2.2019; HP 20.10.2018; TEL 7.8.2018; NAT 15.7.2018; 1TV 23.6.2018; KP 14.2.2018).
Erreichbarkeit von Städten in Afghanistan:
Beachtenswert ist die Vollendung der "Ring Road", welche Zentrum und Peripherie des Landes sowie die Peripherie mit den Nachbarländern verbindet (LIB 13.11.2019, S. 229). Die Ring Road, auch bekannt als Highway One, ist eine Straße, die das Landesinnere ringförmig umgibt. Die afghanische Ring Road ist Teil eines Autobahnprojekts. Sie verbindet außerdem Kabul mit den vier bedeutendsten Provinzhauptstädten Herat, Kandahar City, Jalalabad und Mazar-e Sharif (LIB 13.11.2019, S. 230-231).
In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt. Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan Airlines angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (LIB 13.11.2019, S. 236).
Der Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul ist ein internationaler Flughafen. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. Mehrere internationale Airlines fliegen nach Kabu- (LIB 13.11.2019, S. 237).
Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet. Folgende internationale Airline fliegt nach Maza-e Sharif:
Turkish Airlines aus Istanbul. Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Mazar-e Sharif (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen von Kabul und Maimana (LIB 13.11.2019, S. 237).
Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet. Innerstaatlich gehen Flüge von und nach Herat (durch Kam Air bzw. Ariana Afghan Airlines) zu den Flughäfen nach Kabul, Farah und Chighcheran (LIB 13.11.2019, S. 238).
Religionsfreiheit:
Etwa 99% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7% und die Schiiten auf 10 bis 19% der Gesamtbevölkerung geschätzt. Andere Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen weniger als ein Prozent der Bevölkerung aus; in Kabul lebt auch weiterhin der einzige jüdische Mann in Afghanistan. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben. Die Abkehr vom Islam gilt als Apostasie, die nach der Scharia strafbewehrt ist. Im Laufe des Untersuchungsjahres 2018 gab es keine Berichte über staatliche Verfolgungen aufgrund von Blasphemie oder Apostasie. Auch im Berichtszeitraum davor gab es keine Berichte zur staatlichen Strafverfolgung von Apostasie und Blasphemie (LIB 13.11.2019, S. 277).
Konvertiten vom Islam zu anderen Religionen berichteten, dass sie weiterhin vor Bestrafung durch Regierung sowie Repressalien durch Familie und Gesellschaft fürchteten. Das Gesetz verbietet die Produktion und Veröffentlichung von Werken, die gegen die Prinzipien des Islam oder gegen andere Religionen verstoßen. Das neue Strafgesetzbuch 2017, welches im Februar 2018 in Kraft getreten ist, sieht Strafen für verbale und körperliche Angriffe auf Anhänger jedweder Religion und Strafen für Beleidigungen oder Verzerrungen gegen den Islam vor (LIB 13.11.2019, S. 277).
Wegen konservativer sozialer Einstellungen und Intoleranz sowie der Unfähigkeit oder Unwilligkeit der Sicherheitskräfte, individuelle Freiheiten zu verteidigen, sind Personen, die mutmaßlich gegen religiöse und soziale Normen verstoßen, vulnerabel für Misshandlung. Mitglieder der Taliban und des Islamischen Staates (IS) töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung. Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen. Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten. Konvertiten vom Islam riskieren die Annullierung ihrer Ehe (LIB 13.11.2019, S. 278).
Relevante ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 32 und 35 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.
Schätzungen zufolge, sind: 40 bis 42% Pashtunen, 27 bis 30% Tadschiken, 9 bis 10% Hazara, 9% Usbeken, ca. 4% Aimaken, 3% Turkmenen und 2% Belutschen (LIB 13.11.2019, S. 287).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (LIB 13.11.2019, S. 287-288).
Paschtunen
Ethnische Paschtunen sind mit ca. 40% der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sind sind sunnitische Muslime. Die Paschtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (LIB 13.11.2019, S. 288).
Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (LIB 13.11.2019, S. 288).
Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (LIB 13.11.2019, S. 288-289).
Die Taliban sind eine vorwiegend paschtunische Bewegung, werden aber nicht als nationalist