Entscheidungsdatum
07.01.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
W119 2002093-3/24E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Eigelsberger als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA: VR China, vertreten durch Rechtsanwälte Mag. Josef Phillip BISCHOF, Mag. Andreas LEPSCHI, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. 8. 2016, Zl GF:
1000101010 VZ: 160905917-EAST Ost, nach einer mündlichen Verhandlung
A)
I. beschlossen:
Hinsichtlich der Beschwerde gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird das Verfahren wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß §§ 28 Abs. 1, 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.
II. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 55, 10 Abs 3 AsylG, § 9 BFA-VG und §§ 52 Abs 3 und Abs 9, 55 FPG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat:
"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG wird nicht erteilt."
III. Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte am 08.01.2014 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der am 10.01.2014 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte sie vor, aus China zu stammen, Chinesisch in Wort und Schrift zu beherrschen, der Volksgruppe der Han anzugehören und ohne religiöses Bekenntnis sowie verheiratet zu sein. Sie habe von 1978 bis 1981 die Schule besucht und sei zuletzt Landwirtin und Besitzerin eines Imbissstandes gewesen. Ihre Eltern seien bereits verstorben, ihr Ehemann und ihre erwachsene Tochter lebten noch im Herkunftsstaat. Sie sei am 08.01.2014 per Flugzeug mit ihrem Reisepass, welchen sie sodann ihrem Begleiter übergeben habe, ausgereist; für die Reise habe sie nichts bezahlt. Sie habe keinen Schlepper gehabt, ein Bekannter ihres Ehemannes habe sie begleitet.
Als Fluchtgrund gab sie an, ihr als Baggerfahrer tätiger Ehemann habe Ende August 2013 im Zuge eines Streites einen Beamten der Baubehörde mit einem Obstmesser im Brustbereich verletzt, sodass dieser ins Krankenhaus gekommen sei. Ihr Ehemann sei noch am selben Tag von der örtlichen Polizei festgenommen worden und befinde sich seither in Untersuchungshaft. Die Angehörigen des "Schwerverletzten" würden 200.000 RMB Schmerzensgeld von ihr verlangen. Sie habe kein Geld gehabt und habe China verlassen müssen. Dies sei ihr einziger Fluchtgrund. Im Fall der Rückkehr befürchte sie Probleme mit den Angehörigen des Verletzten.
Am 14.01.2014 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und brachte insbesondere zu ihrem Fluchtgrund folgendes vor:
Ihr Ehemann sei Baggerfahrer gewesen und habe Streit mit den Behörden gehabt und dabei einen Mann mit einem Messer ins Herz gestochen. Der Beamte liege nun im Koma und seine Familie wolle von ihr mehr als 200.000.- RMB Schmerzensgeld. Ihr Ehemann sei verhaftet (worden) und sie sei auf der Flucht vor diesen Leuten. Sie sei bei dem Streit nicht dabei gewesen. Sonst habe sie keine ethnischen, politischen oder religiösen Fluchtgründe. Dieser Streit habe sich im September 2013 zugetragen. Ebenfalls im September 2013 seien diese Leute wegen Schmerzensgeld zu ihr gekommen, genauer wisse sie es nicht. Ihre Tochter sei volljährig und befinde sich bei einer ehemaligen Schulfreundin. Die Leute seien ein paar Mal zu ihr gekommen, auch ihre Imbissstube sei zerstört worden. Wann genau dies gewesen sei, konnte die Beschwerdeführerin nicht angeben, auch keine Details. Sie habe von der Familie des Verletzten von dem Vorfall erfahren. Die Behörden seien auch bei ihr gewesen, zuerst die Familie. Wie lange danach die Polizei gekommen sei, wisse sie nicht mehr genau. Nach der Verhaftung habe sie nicht mehr mit ihrem Mann gesprochen. Dieser sei am selben Tag am Ort der Streiterei verhaftet worden. Auf die Frage, warum sie nicht versucht habe, den Sachverhalt selbst aufzuklären, schwieg sie. Sie gab an, einfach weggewollt zu haben. Sie wisse von der Familie über die Sache mit dem Messerstich. Auf die Frage, ob (sie das) nicht von der Polizei (wisse) begann die Beschwerdeführerin zu weinen und verneinte die Frage, sie wisse nicht mehr, sie habe einfach weggewollt. Die Polizei habe gesagt, dass sie eine Entschädigung zahlen solle. Die Schleppung habe nichts gekostet. Der Schlepper sei ein Freund ihres Ehemannes. Sie habe zuvor gewusst, dass er schleppe. Eine Gerichtsverhandlung habe es nicht gegeben. Nachdem sie es abgelehnt habe, Geld zu bezahlen, habe die Familie ihre Imbissstube zerstört und sie belästigt, dies sei ihr einfach auf die Nerven gegangen. Sie sei von keiner Strafe bedroht. Konkrete Gegner gebe es nicht. Weitere Details wisse sie nicht. Die wiederholte Frage, ob sie mehr Details nennen könne, verneinte sie, mehr wisse sie nicht. Sie wolle nichts mehr angeben, dies sei alles. Im Fall der Rückkehr befürchte sie umgebracht zu werden. Sie wolle nichts hinzufügen.
Weiters gab die Beschwerdeführerin auf Befragen an, gesund zu sein und keine Medikamente einzunehmen. Seit ihrer Ausreise habe sie keinen Kontakt mehr zu ihrer Familie in der Heimat gehabt. Im Bundesgebiet lebe sie in der staatlichen Betreuung und habe selbst nichts. Verwandte oder Bekannte habe sie im Bundesgebiet nicht, mache hier keine Kurse oder Ausbildungen, sei nicht Mitglied in einem Verein, einer religiösen Gruppe oder einer sonstigen Organisation und habe im Bundesgebiet keine Freunde und Bekannten.
Zu den ihr zur Kenntnis gebrachten Sachverhaltsannahmen und Länderberichten nahm sie nicht Stellung.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16. 1. 2014, Zl 1000101010/14011576, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Der Beschwerdeführerin wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die VR China zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
In der gegen diese Entscheidung durch den Vertreter der Beschwerdeführerin fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde der Bescheid hinsichtlich sämtlicher Spruchpunkte angefochten. Geltend gemacht wurden unrichtige Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige rechtliche Beurteilung.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29. 6. 2014, Zl W117 2002093-1/3E, wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs 1, 8 Abs 1, 10 Abs 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 19. 2. 2015, Zl E 197/2015-5, abgelehnt und erwuchs somit das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. 9. 2014, Zl W117 2002093-1/3E, in Rechtskraft.
Am 16.04.2015 wurde die Beschwerdeführerin im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde mit ihrem nunmehr rechtswidrigen Aufenthalt im Bundesgebiet infolge des rechtskräftig negativ finalisierten Asylverfahrens konfrontiert.
Die diesbezügliche Reaktion der Beschwerdeführerin beschränkte sich auf die Aussage, derzufolge "das Leben in Österreich sehr gut ist und ich deshalb nicht nach Hause möchte (Seite 130 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Folgerichtig habe sie seither auch keinerlei Schritte unternommen, das Bundesgebiet in rechtskonformer Weise zu verlassen. Aktuell verfüge sei auch über keinen festen Wohnsitz, sondern nächtige bei einer Bekannten, deren Adresse sie aber nicht kennen würde. An Einkommen könne sie monatlich zwischen € 300,00.- und € 500,00.- über Gelegenheitsarbeiten in der Gastronomie oder als Kindermädchen lukrieren. Grundsätzlich gesund und im Besitz einer dreijährigen Volkschulbildung verweigere sie auch hinkünftig jegliche Kooperation zur Ausreise. "Nein, ich werde die Formulare nicht ausfüllen (Seite 131 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)."
Mit Schreiben der Botschaft der Volksrepublik China in Wien, datiert vom 09.05.2015, teilte diese mit, wonach eine Überprüfung durch die chinesischen Behörden nicht die Existenz der Antragstellerin positiv verifizieren hätte können.
In weiterer Folge am 28.05.2015 abermals vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen, bekräftigte die Beschwerdeführerin die Richtigkeit ihrer bisher behaupteten Personaldaten. Zudem erklärte sie sich nunmehr dazu bereit, diesmal das entsprechende Formular freiwillig eigenhändig auszufüllen.
Die daraufhin zum zweiten Mal um Ausstellung eines Heimreisezertifikats ersuchte chinesische Botschaft in Wien, übermittelte ein Schreiben vom 22.07,2015, in welchem wie bereits zuvor auf die Nichtexistenz einer Staatsbürgerin mit Personalia, wie jenen von der Beschwerdeführerin vor den österreichischen Behörden explizit angegebenen respektive im Formular eingetragenen, verwiesen wurde.
Mit Antrag vom 03.07.2015 ersuchte die Beschwerdeführerin über schriftliche Eingabe ihres rechtsfreundlichen Vertreters um Ausstellung einer Duldungskarte, und gab als Begründung den Wunsch an, hinkünftig am Rechtsleben in Österreich dauerhaft teilnehmen zu wollen. Als "Flüchtling" hätte sie 2014 ihre Heimat verlassen müssen und habe sie seither stets realitätskonforme Aussagen zu ihrer Person getätigt, weshalb ihre Identität als geklärt anzusehen sei. Da zudem die Abschiebung, welche bei tatsächlicher Durchführung die Rechte der Beschwerdeführerin im Sinne der Art. 3 und 8 EMRK verletzen würde, faktisch nicht umsetzbar wäre, sei der Beschwerdeführerin gemäß § 46a FPG eine Karte für Geduldete auszustellen.
In weiterer Folge trug die Erstinstanz mittels Verfahrensanordnung vom 06.08.2015 der Antragstellerin auf, binnen zweier Wochen genau anzugeben, "worauf sich Ihr Antrag bezieht."
Mit Schriftsatz vom 20.08.2015 wies der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin ausdrücklich darauf hin, dass sich deren Antrag gemäß § 46a Abs. 1 Z 3 FPG auf deren Unabschiebbarkeit gründe.
Das Bundesamt forderte daraufhin die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25.08.2015 dazu auf, mehrere aufgelistete Fragen hinsichtlich ihrer Person schriftlich binnen 14 Tage zu beantworten.
Am 03.09.2015 erwiderte die Beschwerdeführerin über ihren gewillkürten Vertreter in schriftlicher Form, dass das persönliche Vorsprechen von Flüchtlingen bei der für sie zuständigen Botschaft gefährlich wäre und diese angebliche Gefahr einer allfälligen Festnahme als unzumutbar qualifiziert werden müsste. Ebenso sei es "riskant", sich von Angehörigen Dokumente am Postweg zuschicken zu lassen. Derartige Mitwirkungspflichten würden kein gesetzliches Erfordernis darstellen. "Die Duldungskarte wird daher schleunigst auszustellen sein (Seite 181 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes)." Die seitens der Erstinstanz übermittelten Fragen würden prinzipiell nicht beantwortet werden, zumal diese im gegenständlichen Rechtsgang nach Ansicht der Beschwerdeführerin und deren Rechtsvertreter "keine erkennbare Relevanz" aufweisen würden.
Mit Bescheid vom 09.09.2015, Zl. 1000101010/140048998, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 Z 3 FPG ab.
Begründend wurde ausgeführt, wonach bei der Feststellung einer Duldung ein hoher Maßstab bezüglich der Mitwirkung an der Erlangung eines Ersatzdokumentes angelegt werden müsse und würden alle Handlungen, die nur dazu dienten, die Erlangung dieses Dokumentes zu verhindern oder die wahre Identität zu verschleiern, um dadurch die drohende Abschiebung zu vereiteln, zu einer Versagung der Duldung führen, da durch diese Duldung nach einem Jahr die Möglichkeit der Erlangung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen bestehe.
In casu habe die Beschwerdeführerin mehrmals ihre mangelnde Kooperationsbereitschaft demonstriert, indem sie etwa beim ersten Versuch der Erstinstanz, ein Heimreisezertifikat zu erwirken, sich weigerte, das entsprechende Formular auszufüllen. Dementsprechend erfolglos sei dann der entsprechende Antrag bei der chinesischen Auslandsvertretungsbehörde in Wien behandelt worden, unter gleichzeitigem Hinweis, wonach die ins Treffen geführte Identität der Antragstellerin nicht in deren Heimatland bestätigt werden hätte können.
Anlässlich eines daraufhin neuerlichen seitens der Erstinstanz unternommenen Versuchs habe die Beschwerdeführer zwar das Formular selbstständig ausgefüllt, jedoch hätte diesmal die Botschaft der Volksrepublik China die darin eingetragenen Daten als wörtlich "gefälscht oder verborgen" qualifiziert, weshalb abermals die Ausstellung eines Heimreisezertifikats verweigert worden wäre.
Ein persönliches Vorsprechen bei der chinesischen Botschaft habe die Beschwerdeführerin mit dem rational nicht nachvollziehbaren Argument verweigert, demzufolge sie befürchten müsse, dort verhaftet zu werden. Die ebenfalls als objektiv zumutbar erachtete Kontaktaufnahme zu ihren im Herkunftsland befindlichen Angehörigen zwecks - allenfalls elektronischer - Übermittlung diverser identitätsbezeugender Dokumente wäre seitens der Beschwerdeführerin ebenfalls abgelehnt worden.
Zusammenfassend sei somit nicht einmal in Ansätzen ein ernsthaftes Bemühen der Beschwerdeführerin dahingehend erkennbar, sich tatsächlich rechtskonform zu verhalten und ihrer bestehenden Ausreiseverpflichtung im Rahmen ihrer Möglichkeiten nachzukommen. Im Gegenteil lasse die Beschwerdeführerin nichts unversucht, um einer Abschiebung in die Volksrepublik erfolgreich zu entgehen. Sämtliche Gründe, welche zu Fehlschlägen für die Behörde in ihrem Bemühen zur Außerlandesbringung der Genannten geführt hätten, wären ausschließlich im Verantwortungsbereich der Beschwerdeführerin gelegen und von dieser zu verantworten. Daraus resultierend lägen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Duldung gemäß § 46a FPG nicht vor, weshalb das Verfahren negativ zu finalisieren gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin über ihre rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, demzufolge die Beschwerdeführerin stets richtige Angaben zu ihrer Identität präsentiert habe; "wenn die Behörden ihres Heimatlandes China die Identität der Beschwerdeführerin nicht bestätigen können, dann ist dies deren Schuld und nicht die der Beschwerdeführerin." Sofern die angeblichen Stellungnahmen der chinesischen Botschaft überhaupt tatsächlich existieren würden, müsse es sich um reine Gefälligkeitsbestätigungen handeln, zumal es angesichts des dort vor Ort fehlenden Zentralmelderegisters nicht nachvollziehbar wäre, wie die zuständigen Behörden überhaupt die Existenz potentieller Staatsbürger überprüfen können sollten. Im Ergebnis sei somit dem Antrag zu entsprechen und der Beschwerdeführerin eine Duldung zuzuerkennen, zumal sich diese als "tatsächlich nicht abschiebbar" erweisen würde.
Anlässlich der in weiterer Folge am 24.11.2016 vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten öffentlichen Verhandlung bestätigte die Beschwerdeführerin die Richtigkeit ihrer bisherigen Angaben. Sie könne sich nicht erklären, weshalb sie in der Volksrepublik China nicht registriert sein sollte, zumal sie am XXXXim Kreis XXXX in der gleichnamigen Stadt unter der Adresse XXXX geboren worden sei. Sowohl mit ihren namentlich angegebenen Eltern als auch mit ihrem namentlich genannten Gatten hätte sie immer am selben Ort gelebt. Im Bundesgebiet führe sie nunmehr seit einem halben Jahr eine Lebensgemeinschaft mit einem Österreicher. Ihren Lebensunterhalt verdiene sie sich in einem Massageinstitut, wo sie täglich für ein bis zwei Stunden € 20,00.- bis € 30,00.- verdienen würde. Wenngleich in einem Sprachinstitut angemeldet, sah sich die Beschwerdeführerin außerstande, einfache Fragen auf Deutsch zu verstehen oder gar zu beantworten. Ihr Gatte in China wäre mittlerweile verstorben, ihre erwachsene Tochter versorge sich selbst. Abgesehen von ihrem derzeitigen Lebensgefährten verfüge die Beschwerdeführerin im Bundesgebiet weder über Verwandte noch Freunde oder andere soziale Kontakte. In ihrer Heimat habe sie ursprünglich einen Imbissstand betrieben, diesen dann aber mangels Geschäftserfolg geschlossen und sich mit Gelegenheitsarbeiten über Wasser gehalten. Auf Vorhalt, wonach sie im Zuge ihres Asylverfahrens behauptet hatte, demzufolge der Imbiss gewaltsam zerstört worden sei, verweigerte die Rechtsmittelwerberin eine Erklärung mit dem Hinweis, dass sie generell nicht mehr über die Vergangenheit sprechen wolle. Der ebenfalls als Zeuge einvernommene Lebensgefährte der Beschwerdeführerin bestätigte die persönliche Bekanntschaft mit dieser für einen Zeitraum von drei Jahren; zusammenleben würde man aber erst seit wenigen Monaten. Über eine gemeinsame Zukunft könne er aber keine verbindlichen Angaben machen, dies hänge unter anderem auch von deren künftigen rechtlichen Status ab.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. 7. 2019, Zl W197 2002093-2/11E, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründend wurde dazu ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin zwar stets behauptete, nicht nachvollziehen zu können, weshalb die chinesischen Behörden die ihrerseits angeblich stets wahrheitskonform präsentierten Personalia nicht verifizieren könnten, hat ihre diesbezügliche Aussage aber nicht nur nicht weiter belegt, sondern sogar vor dem verhandlungsleitenden Richter ihre Daten im ihrerseits angefertigten Formular erkennbar deutlich handschriftlich modifiziert. Es besteht sohin kein Nachweis darüber, dass sie zwecks Ausstellung eines Reisedokumentes jemals realitätskonforme Angaben gemacht oder sich in objektiv zumutbarer Weise bei der chinesischen Botschaft respektive über ihre in der Heimat bestehenden Kontakte ernsthaft um geeignete Personaldokumente bemüht hat. Die Beschwerdeführerin hat auch keine Gründe genannt, warum ihr ein Dokument nicht ausgestellt werden sollte.
Da die Beschwerdeführerin sohin im gegenständlichen Fall nicht ihrer Pflicht nachgekommen ist, bei der für sie zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument zu beantragen oder auf andere objektiv geeignet erscheinende Weise, wie etwa der Anforderung eingescannter und elektronisch übermittelter Dokumente aus der Heimat, beispielsweise über ihre erwachsene Tochter, sowie die Erfüllung dieser Pflicht dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen, war die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
Die Beschwerdeführerin stellte am 29. 6. 2016 einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.
Anlässlich der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung nach dem AsylG gab die Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen an, dass sich eine Freundin in ihrer Heimat wegen Drogengeschäften im Gefängnis befinde. Da auch ihr eigener Namen gefallen sei, bestehe auch für sie die Gefahr ins Gefängnis zu kommen.
In der am 18. 7. 2016 beim Bundesamt durchgeführten Einvernahme gab die Beschwerdeführerin auf die Frage, warum sie einen Folgeantrag gestellt habe, an, dass sie sich an das Leben in Österreich gewöhnt habe. Sie wolle auch deshalb hierbleiben, um einer Festnahme durch die chinesische Polizei zu entgehen. Sie habe nämlich in Österreich Ende April oder Mai 2016 einen Anruf eines Mannes erhalten, der sich als chinesischer Polizist ausgegeben habe.
Am 8. 8. 2016 wurde die Beschwerdeführerin neuerlich beim Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie an, sich seit ihrer Einreise nach Österreich hier durchgehend aufzuhalten. Sie wolle in Österreich einer Erwerbstätigkeit nachgehen.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 29. 8. 2016, Zl GF: 1000101010 VZ:
160905917-EAST Ost, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG 2005 idgF erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach China gemäß § 46 FPG zulässig sei. Unter Spruchpunkt III wurde gemäß § 55 Abs 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 15. 9. 2016 Beschwerde, in der die Anberaumung einer Verhandlung beantragt wurde.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22. 9. 2016, Zl W119 2002093-3/3Z, wurde der Beschwerde gemäß § 17 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Mit Schriftsatz vom 27. 9. 2018 legte der nunmehrige rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin eine Meldebestätigung der Beschwerdeführerin sowie jene ihres Lebensgefährten vor. Zudem wurde der Einkommensnachweis des Lebensgefährten der Beschwerdeführerin, seine Reisepasskopie, eine solche der Beschwerdeführerin sowie ihre Geburtsurkunde übermittelt.
Am 18. 10. 2019 fand beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, an der eine Vertreterin des Bundesamtes teilnahm. Die Beschwerdeführerin legte zunächst ihr ÖSd-Zertifikat A1 vom 29. 8. 2019 vor.
Der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin erklärte in weiterer Folge, dass die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides vom 29. 8. 2016, Zl GF: 1000101010 VZ:
160905917-EAST Ost, zurückziehe.
Auf die Frage, warum die Beschwerdeführerin ihre Identität durch die Vorlage eines Reisedokumentes geändert habe, gab sie an, dass sie heiraten wolle und ihre wahren Daten preisgeben müsse. Sie habe ihren Lebensgefährten vor einem halben Jahr kennengelernt.
Auf die Frage, was sie im Fall ihrer Abschiebung nach China befürchte, gab sie lediglich an, in Österreich ihre Liebe gefunden zu haben. Sie habe ihren künftigen Ehemann im Rahmen ihrer Tätigkeit in einem Massagesalon kennengelernt. Seitdem sie diese Beziehung führe, sei sie nicht mehr erwerbstätig. Sie finanziere ihren Lebensunterhalt aus dem Einkommen ihres Partners, der Lokomotivführer bei den ÖBB sei. Sie wohne mit ihm seit ihrem Kennenlernen an einer gemeinsamen Adresse. Sie würde sich mit ihm in deutscher Sprache unterhalten. Sie habe nämlich bereits das A1-Zertifikat für die deutsche Sprache beim BFI erworben. Von der erkennenden Richterin wurde festgehalten, dass die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin rudimentär vorhanden sind.
Weiters gab sie an, dass sie morgen ihren Partner ehelichen würde, wozu der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin eine Terminbestätigung für die am 19. 10. 2019 stattfindende Eheschließung vorlegte.
Auf die Frage, warum sie sich in Italien einen Reisepass habe ausstellen lassen, gab sie an, dass ihr künftiger Ehemann ihr dies empfohlen habe, ihn dort zu beantragen. Ein Bekannter habe dies für sie erledigt.
Sie sei Mitglied der buddhistischen Glaubensrichtung gewesen, über weitere Mitgliedschaften verfüge sie nicht. Sie besuche auch - außer den von ihr genannten Deutschkursen - keine weiteren Kurse. Sie sei ungefähr von 2014 bis 2018 als Sexarbeiterin tätig gewesen. Sie beabsichtige sich nach einem neuen Job umzusehen, eventuell in einem Lokal.
Der künftige Ehemann der Beschwerdeführerin wurde als Zeuge einvernommen und führte nach der Zeugenbelehrung aus, dass er die Beschwerdeführerin seit März oder April 2019 kenne. Sie sei sehr lieb, koche gut und auch sei auch eine gute Hausfrau. Auch seine Mutter habe sie von Anfang an akzeptiert. Ihre Deutschkenntnisse seien nicht schlecht, er müsse mit ihr langsam sprechen. Sie habe vor, den A2 Sprachkurs zu besuchen. Sie hätten auch gemeinsam die Möbel für ihre neue Wohnung ausgesucht. Obwohl er sehr viele Überstunden in seinem Beruf mache, würde er in der Freizeit mit der Beschwerdeführerin einkaufen und spazieren gehen. Die Beschwerdeführerin sei von ihm finanziell abhängig, weitere Abhängigkeiten bestünden nicht. Er kenne auch Freundinnen der Beschwerdeführerin, die er bei gemeinsamen Verabredungen getroffen habe.
Die Frage der Behördenvertreterin an die Beschwerdeführerin, warum sie erst im August 2019 das A1 Sprachzertifikat erworben habe, begründete sie mit ihrem nur 4-jährigen Schulbesuch und der damit verbundenen Schwierigkeit, sich das Alphabet merken zu können.
Die Beschwerdeführerin wurde ersucht, ihre Heiratsurkunde innerhalb einer Frist von 14 Tagen vorzulegen.
Mit Schreiben vom 4. 11. 2019 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin die aktuellen Länderberichte zur Situation in der VR China im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt und ihm eine zweiwöchige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.
Mit Schreiben vom 15. 11. 2019 wurde von diesem mitgeteilt, auf die Abgabe einer Stellungnahme zu verzichten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der VR China. Sie stellte am 8. 1. 2014 unter dem Namen XXXX ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 16. 1. 2014, Zl 1000101010/14011576, wurde ihr Antrag in allen Spruchpunkten abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom 29. 6. 2014, Zl W117 2002093-1/3E, gemäß §§ 3 Abs 1, 8 Abs 1, 10 Abs 1 Z 3, 55, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
Die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit Beschluss vom 19. 2. 2015, Zl E 197/2015-5, abgelehnt.
Am 16.04.2015 wurde die Beschwerdeführerin im Rahmen einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt mit ihrem nunmehr rechtswidrigen Aufenthalt im Bundesgebiet infolge des rechtskräftig negativ finalisierten Asylverfahrens konfrontiert, in der sie jegliche Kooperation zur Ausreise verweigerte.
Mit Schreiben der Botschaft der Volksrepublik China in Wien, datiert vom 09.05.2015, teilte diese mit, dass eine Überprüfung durch die chinesischen Behörden nicht die Existenz der Beschwerdeführerin positiv verifizieren hätte können.
Am 28.05.2015 wurde die Beschwerdeführerin abermals vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen, wobei sie das Formular über ihre Identität ausfüllte.
Die daraufhin zum zweiten Mal um Ausstellung eines Heimreisezertifikats ersuchte chinesische Botschaft in Wien, übermittelte ein Schreiben vom 22.07,2015, in welchem - wie bereits zuvor - auf die Nichtexistenz einer Staatsbürgerin mit den von ihr angeführte Personaldaten verwiesen wurde.
In der Folge scheiterte die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für die Beschwerdeführerin an ihren falschen persönlichen Angaben.
Mit Antrag vom 03.07.2015 ersuchte die Beschwerdeführerin um Ausstellung einer Duldungskarte. Mit Bescheid vom 09.09.2015, Zl. 1000101010/140048998, wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 1 Z 3 FPG ab. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11. 7. 2019, Zl W197 2002093-2/11E, wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin stellte am 29. 6. 2016 einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 29. 8. 2016, Zl GF: 1000101010 VZ: 160905917-EAST Ost, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG 2005 idgF erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach China gemäß § 46 FPG zulässig sei. Unter Spruchpunkt III wurde gemäß § 55 Abs 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde.
Mit Schriftsatz vom 27. 9. 2019 legte die Beschwerdeführerin eine Kopie ihres bei der chinesischen Botschaft in Italien ausgestellten Reisepasses, lautend auf XXXX , geboren XXXX , vor. Zudem wurde mitgeteilt, dass die Beschwerdeführerin mit einem österreichischen Staatsbürger eine Lebensgemeinschaft führt.
Am 18. 10. 2019 zog der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes vom 29. 8. 2016 zurück.
Am 19. 10. 2019 ehelichte die Beschwerdeführerin nach einer sechsmonatigen Beziehung ihren Lebensgefährten. Der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin ist Lokomotivführer bei den Österreichischen Bundesbahnen und betrug der Auszahlungsbetrag für Oktober 2019 laut einer Entgeltabrechnung 4.855,62 Euro.
Die Beschwerdeführerin verfügt zwar über ein A1-Sprachdiplom für die deutsche Sprache, konnte jedoch in der mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht mit ihren Deutschkenntnissen nicht überzeugen. Ansonsten weist die Beschwerdeführerin keine maßgeblichen privaten Beziehungen auf.
In der VR China war die Beschwerdeführerin in einem Restaurant beschäftigt. Dort leben weiterhin ihr Ehemann und ihre erwachsene Tochter.
Es ist hervorgekommen, dass die Beschwerdeführerin in den Jahren 2014 bis 2018 als Sexarbeiterin erwerbstätig war. Nunmehr wird sie zur Gänze von ihrem Ehemann in finanzieller Hinsicht unterstützt.
Zur Situation in der Volksrepublik China
(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 14.11.2017, letzte Kurzinformation eingefügt am 10. 7. 2019)
Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 10.07.2019: Nichtmehrvorlage des Gesetzesentwurfes zur Auslieferung, betrifft Abschnitt 2. Politische Lage.
Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hat das geplante Auslieferungsgesetz, gegen das seit Wochen protestiert wird, als Reaktion auf anhaltenden Zweifel daran, dass der Entwurf tatsächlich nicht mehr vorgelegt wird, nun als "tot" bezeichnet (BBC 9.7.2019). Es gäbe "keinen Plan" (DS 9.7.2019), das auf Eis liegende Gesetzgebungsverfahren wieder in Gang zu setzten (SO 9.7.2019).
Gegner des Gesetzes kritisieren, das Lams Statement Wortspiele seien (TG 9.7.2019) und fordern den Rücktritt der als pekingtreu geltenden "Chief Executive" (CE) (DS 9.7.2019).
Am 1.7.2019, dem Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an die Volksrepublik China, sind die seit Wochen andauernden Proteste eskaliert (SCMP 1.7.2019), nachdem hunderte Demonstranten und Demonstrantinnen kurzzeitig das Hongkonger Parlament besetzten (ZO 1.7.2019).
Eine am 7.7.2019 abgehaltene Protestaktion im Bereich des im Bezirk Kowloon gelegenen Terminals für die grenzüberschreitende Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecke (SCMP 7.7.2019), verfolgte das Ziel, Unterstützung der Proteste von Besuchern des chinesischen Festlands zu lukrieren (SCMP 7.7.2019). Gemäß unterschiedlichen Angaben waren zwischen 56.000 und 230.000 Personen daran beteiligt (DW 8.7.2019). Sechs Demonstranten wurden festgenommen (FAZ 8.7.2019).
Quellen: ? BBC - British Broadcasting Corporation (9.7.2019): Hong Kong extradition bill 'is dead' says Carrie Lam, https://www.bbc.com/news/world-asia-china-48917796, Zugriff 9.7.2019 ? DS - Der Standard (9.7.2019): Hongkongs Demonstranten werfen Lam "Wortspielereien" vor,
https://www.derstandard.at/story/2000106069832/hongkongsregierungschefin-bezeichnet-auslieferungsgesetz-als-tot, Zugriff 9.7.2019 ? DW - Deutsche Welle (8.7.2019): Demonstration in Hongkong eskaliert erneut,
https://www.dw.com/de/demonstration-in-hongkong-eskaliert-erneut/a-49508012, Zugriff 9.7.2019 ? FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (8.7.2019):
Abermals Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/erneut-festnahmen-von-demonstranten-inhongkong-16273834.html, Zugriff 9.7.2019 ? SCMP - South China Morning Post (7.7.2019):
Anti-extradition bill protest at West Kowloon station aims to gain support from mainland Chinese
https://www.scmp.com/video/scmp-originals/3017617/anti-extradition-bill-protestwest-kowloon-station-aims-gain-support, Zugriff 9.7.2019 ? SCMP - South China Morning Post (1.7.2019):
Hundreds of anti-government protesters storm Hong Kong legislature on anniversary of handover to China, https://www.scmp.com/video/hong-kong/3016840/hundreds-anti-governmentprotesters-storm-hong-kong-legislature-anniversary, Zugriff 3.7.2019 ? SO - Spiegel Online (9.7.2019): Carrie Lam bezeichnet Auslieferungsgesetz als "tot",https://www.spiegel.de/politik/ausland/hongkong-regierungschefin-carrie-lambezeichnet-auslieferungsgesetz-als-tot-a-1276423.html, Zugriff 10.7.2019 ? TG - The Guardian (9.7.2017): 'The bill is dead' but Hong Kong protesters are not appeased by Carrie Lam declaration, https://www.theguardian.com/world/2019/jul/09/the-bill-is-dead-but-hong-kongprotesters-are-not-appeased-by-carrie-lams-declaration, Zugriff 9.7.2019 ? ZO - Zeit Online (1.7.2019): Polizei räumt besetztes Parlament,
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-07/proteste-hongkong-rueckgabe-chinademonstration, Zugriff 9.7.2019
KI vom 19.06.2019: Massenproteste gegen Auslieferungsgesetz, betrifft Abschnitt 2. Politische Lage.
Am 9.6.2019 demonstrierten Hunderttausende (DS 10.6.2019), die Organisatoren gehen von mehr als einer Million Menschen aus (BBC 10.6.2019), während die Polizei von etwa 240.000 Personen spricht, in der Sonderverwaltungszone Hongkong gegen ein neues Gesetz, welches eine künftige Auslieferung von verdächtigen Kriminellen an die Behörden in China ermöglichen soll. Peking verhinderte eine Berichterstattung über die Proteste, OnlineNachrichten wurden geblockt und alle Sendungen von CNN und BBC ausgeblendet (DS 10.6.2019).
Am 12.6.19 blockierten zehntausende Demonstranten den Zugang zum Parlaments- und Regierungssitz und verhinderten damit eine für diesen Tag anberaumte Debatte zum Auslieferungsgesetz im Legislativrat der Sonderverwaltungszone. Die Polizei ging daraufhin mit Tränengas, Wasserwerfern (AJ 17.6.2019) und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor (TS 17.6.2019). Etwa 80 Personen, davon 22 Angehörige der Polizei, wurden verletzt. Ein Mann starb als er aus einem Gebäude fiel, in welchem er protestiert hat (TS 17.6.2019).
Trotz der Aussetzung des Gesetzesentwurfs durch Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam am 15.6.2019 (AJ 17.6.2019), versammelten sich am 16.6.2019 erneut zahlreiche Menschen zu Protestaktionen (ZO 16.6.2019). Gemäß den Angaben der größten Protestgruppe protestierten dabei fast zwei Millionen Menschen gegen die geplanten Änderungen der Auslieferungsbestimmungen (DS 16.6.2019). Auch besteht von Seiten der Demonstranten Skepsis gegenüber Lams Entscheidung zur Aussetzung des Gesetzes (BBC 16.6.2019). Die Demonstrierenden fordern, das Gesetzesvorhaben ganz aufzugeben. Sie sehen darin einen Einschnitt in Hongkongs Autonomie und eine Bedrohungen ihrer demokratischen Rechte und Freiheiten und befürchten, dass China das Gesetz missbrauchen wird, um unliebsame Kritiker und Dissidenten vor Gericht zu stellen (ZO 18.6.2019). Kritiker weisen auch darauf hin, dass das Justizsystem in der Volksrepublik nicht unabhängig ist, nicht internationalen Standards entspricht und Andersdenkende politisch verfolgt (ZO 28.4.2019). Lam entschuldigte sich mehr als einer Woche nach Ausbruch der Massenproteste persönlich, schloss aber die Forderung der Demonstranten nach einem Rücktritt aus (NBC 18.6.2019).
Seit Juli 1997 ist Hongkong eine Sonderverwaltungsregion (SVR) der Volksrepublik China und untersteht der chinesischen Verfassung der Zentralregierung in Peking. Hongkong genießt jedoch einen hohen Grad an Autonomie in allen Angelegenheiten mit Ausnahme der Außen- und der Verteidigungspolitik (AA 12.3.2019). So nahmen am 4.6.2019, dem 30. Jahrestag der Erhebung, im Zuge des Gedenkens anlässlich der gewaltsamen Niederschlagung von Studentenprotesten am Tian'amen-Platz in Peking im Jahr 1989, in Hongkong, laut Organisatoren, etwa 180.000 Menschen an einer Kundgebung teil. Am chinesischen Festland hingegen wurde jede Form von öffentlichem Gedenken durch scharfe Sicherheitsvorkehrungen verunmöglicht (SK 4.6.2019).
* Quellen:
* AA - Auswärtiges Amt (12.3.2019): Hongkong: Innenpolitk, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/hongkong-node/-/200956, Zugriff 17.6.2019 ?
* AJ - Al Jazeera (17.6.2019): Hong Kong protests: All the latest updates,
https://www.aljazeera.com/news/2019/06/hong-kong-protests-latest-updates190612074625753.html, Zugriff 19.6.2019 ?
* BBC - British Broadcasting Corporation (16.6.2019): Hong Kong extradition bill: Protesters return to streets despite suspension, https://www.bbc.com/news/worldasia-china-48649077, Zugriff 18.6.2019 ?
* BBC - British Broadcasting Corporation (10.6.2019): Hong Kong extradition protests: Do China demonstrations ever work? https://www.bbc.com/news/world-asia-china48581797, Zugriff 11.6.2019
DS -
* Der Standard (16.6.2019): Hongkonger protestieren gegen Auslieferungsgesetz,
https://derstandard.at/2000104632546/Hongkonger-kaempfengegen-boeses-Gesetz-und-fuer-ihre-Selbstbestimmung, Zugriff 10.6.2019 ?
* DS - Der Standard (10.6.2019): Regierungschefin Lam entschuldigte sich nach Massenprotesten,
https://derstandard.at/2000104916865/Hongkongs-Fuehrung-setztumstrittenes-Auslieferungsgesetz-aus, Zugriff 13.6.2019 ?
* NBC - National Broadcasting Company (18.6.2019): Hong Kong leader issues 'sincere apology,' refuses to resign or withdraw bill, https://www.nbcnews.com/news/world/hong-kong-leader-issues-sincere-apologyrefuses-resign-or-withdraw-n1018596, Zugriff 19.6.2019
* SK - Südkurier (4.6.2019): 30. Jahrestag des Massakers:
Zehntausende Menschen demonstrieren in Hongkong, https://www.suedkurier.de/ueberregional/politik/30Jahrestag-des-Massakers-Zehntausende-Menschen-demonstrieren-inHongkong;art410924,10171743, Zugriff 17.6.2019 TS - The Star (17.6.2019): Fresh protests choke
HK,
https://www.thestar.com.my/news/regional/2019/06/17/fresh-protests-choke-hk/, Zugriff 18.6.2019
* ZO - Zeit Online (18.6.2019): Hongkongs Regierung bittet um Verzeihung,
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-06/massenproteste-hongkongauslieferungsgesetz-regierungschefin-carrie-lam, Zugriff 19.6.2019 ZO - Zeit Online (16.6.2019): Demonstranten in Hongkong versammeln sich zu neuem Massenprotest, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-06/hongkongmassenproteste-auslieferungsgesetz-ruecktrittsforderungs-regierungschefin, Zugriff 18.6.2019
* ZO - Zeit Online (28.4.2019): Zehntausende protestieren gegen Auslieferungsgesetz,
https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-04/hongkong-proteste-abschiebung-chinaauslieferung-verdaechtige, Zugriff 10.6.2019
KI vom 05.02.2018: Festnahme des regierungskritischen Anwaltes Yu Wensheng, betrifft Abschnitt 10. Allgemeine Menschenrechtslage.
Yu Wensheng, ein regierungskritischer Anwalt, wurde nach Angaben seiner Frau am Morgen des 19.1.2018 festgenommen, als er mit seinem Sohn zur Schule ging (The Guardian 19.1.2018).
Wenige Stunden vor seiner Verhaftung forderte Yu Wensheng von Präsident Xi Jinping in einem offenen Brief Verfassungsreformen (DW 19.1.2018).
International bekannt wurde der prominente Kritiker, als er 2017 gemeinsam mit fünf anderen Anwälten versuchte, die Regierung seines Landes wegen des gesundheitsschädlichen Smogs zu verklagen (DZ 29.1.2018). Als Anwalt hat Yu mehrere andere Menschenrechtsanwälte und Demonstranten aus Hongkong vertreten, die dort für mehr Demokratie auf die Straße gegangen sind und festgenommen worden waren (DW 1.2.2018).
Im Oktober vergangenen Jahres wurde Yu Wensheng vorübergehend inhaftiert, weil er in einem offenen Brief Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping wegen dessen Stärkung des Totalitarismus als für das Amt nicht geeignet bezeichnet hatte (NZZ 1.2.2018).
Der Verbleib von Yu Wensheng war zunächst unklar (DP 19.1.2018); nach Angaben von Amnesty International übernahm die Polizei von Xuzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu den Fall. Der Anwalt werde derzeit unter "Hausarrest an einem ausgesuchten Ort festgehalten, ohne dass dieser Ort bekannt wäre, so Amnesty International (DZ 29.1.2018).
Gemäß Amnesty International sei der chinesische Menschenrechtsanwalt der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" beschuldigt worden (DP 19.1.2018). Der Vorwurf der Subversion ist eine schwerwiegende Anklage, die eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren bedeuten kann. Im vergangenen Dezember war etwa der regierungskritische Blogger Wu Gan deswegen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden (DZ 29.1.2018).
Der kritische Jurist ist das jüngste Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Anwälte, Mitarbeitern von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitgliedern. Mehr als 300 wurden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seit Juli 2015 inhaftiert, verhört, unter Hausarrest gestellt oder an der Ausreise gehindert. Vier wurden verurteilt, 16 warten noch auf ihren Prozess (DP 19.1.2018). Mindestens eine Person aus der angeführten Gruppe sei verschwunden (BBC 16.1.2018).
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Quellen:
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BBC News (16.1.2018): China rights lawyer Yu Wensheng loses licence, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-42702731, Zugriff 22.1.2018
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DP - Die Presse (19.1.2018): Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5356682/Haft-fuer-Anwalt_China-setzt-Verfolgungswelle-gegen-Kritiker-fort, Zugriff 19.1.2018
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DW - Deutsche Welle (1.2.2018): China weist deutsche Kritik an Festnahme von Menschenrechtsanwalt zurück, http://www.dw.com/de/china-weist-deutsche-kritik-an-festnahme-von-menschenrechtsanwalt-zur%C3%BCck/a-42403119, Zugriff 2.2.2018
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DW - Deutsche Welle (19.1.2018): Chinesischer Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng festgenommen,
http://www.dw.com/de/chinesischer-b%C3%BCrgerrechtsanwalt-yu-wensheng-festgenommen/a-42214185, Zugriff 22.1.2018
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DZ - Die Zeit (29.1.2018):China beschuldigt Menschenrechtsanwalt der Subversion,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/yu-wensheng-buergerrechtsanwalt-peking-anklage-haftstrafe, 30.1.2018
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NZZ - Neue Züricher Zeitung (1.2.2018): Ein kämpferischer Geist in den Fängen der chinesischen Behörden, https://www.nzz.ch/international/ein-kaempferischer-geist-in-den-faengen-der-chinesischen-behoerden-ld.1352463, Zugriff 1.2.2018
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The Guardian (19.1.2018): Outspoken Chinese human rights lawyer Yu Wensheng held by police
https://www.theguardian.com/world/2018/jan/19/outspoken-chinese-human-rights-lawyer-yu-wensheng-arrested , Zugriff 22.1.2018
Politische Lage
Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,374 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2016) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 26.7.2017).
China ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", welcher der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang im Jahr 1997 zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Trotz starker öffentlicher Kritik in Hongkong hält die chinesische Regierung bezüglich einer möglichen Wahlrechtsreform für eine allgemeine Wahl des Hongkonger Regierungschefs (Chief Executive) an den Vorgaben fest, die der Ständige Ausschuss des Pekinger Nationalen Volkskongresses 2014 zur Vorabauswahl von Kandidaten gemacht hat. Dies hat in Hongkong zur Blockade der vorgesehenen Reform geführt und zu einem Erstarken von Bestrebungen nach größerer Autonomie, vereinzelt sogar zu Rufen nach Unabhängigkeit, auf die Peking scharf reagiert. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2017a).
Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2017a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 3.3.2017). Die KP ist der entscheidende Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder, davon 205 mit Stimmrecht), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017).
An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident (seit März 2013 Li Keqiang) leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2017a).
Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht. NVK-Vorsitzender ist seit März 2013 Zhang Dejiang (AA 4.2017a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 1.2017a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2017a).
Beim 18. Kongress der KP China im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Bei diesem Parteitag wurden die Weichen für einen Generationswechsel gestellt und für die nächsten fünf Jahre ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt (AA 4.2017a). Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KP und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gekürt. Seit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA 4.2017a; vgl. FH 1.2017a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 3.3.2017). Die neue Staatsführung soll - wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt - mit der Möglichkeit einer Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode bis 2022 (und möglicherweise auch darüber hinaus) an der Macht bleiben (HRW 12.1.2017). Vorrangige Ziele der Regierung sind eine weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KP. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich. Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2017a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017
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AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Annual Report 2013 - China,