TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/19 97/07/0200

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Veröffentlicht am 19.03.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §42 Abs2 Z3 litc;
VStG §51e Abs1;
VStG §51e Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde des BG in M, vertreten durch Dr. Estermann - Dr. Wagner - Dr. Postlmayr, Kommandit-Partnerschaft in Mattighofen, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 21. Oktober 1997, Zl. VwSen-200199/2/Gf/Km, betreffend Übertretung des Futtermittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom 11. Juni 1997 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt:

"Am 5.2.1997 wurde von einem Aufsichtsorganes des Bundesamtes für Agrarbiologie im Mischfutterwerk G.G. GmbH & Co KG ... eine Futtermittelkontrolle durchgeführt und dabei von dem am 3.2.1997 von der zuvor genannten Firma hergestellten Futtermittel mit der Bezeichnung Bestmix R-O (angetroffene Warenmenge: 45 Säcke a 30 kg) eine amtliche Probe gezogen.

Dabei wurde festgestellt, daß der in § 19 Abs. 1 Spalte 3 der Futtermittelverordnung festgelegte Gehalt unterschritten wurde (angegebener Gehalt: 20 % festgestellter Gehalt: 12,4 %),

zumal die bei einem angegebenen Gehalt von 20 % zulässige Unterschreitung nur bis zu 10 % des angegebenen Gehaltes betragen darf.

..."

Als verantwortlichen Beauftragten für die Unternehmensbereiche Futtermittelherstellung und In-Verkehr-Bringung des obgenannten Mischfutterwerkes sei der Beschwerdeführer im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG 1991 strafrechtlich verantwortlich. Ihm wurde eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 3 i.V.m. § 31 Abs. 1 Z. 2 lit. e Futtermittelgesetz 1993 i.V.m. § 19 Abs. 1 Futtermittelverordnung 1994 und § 9 Abs. 2 VStG 1991 zur Last gelegt.

Innerhalb der eingeräumten Frist äußerte sich der Beschwerdeführer dahingehend, daß die Verfolgungshandlung nicht konkretisiert sei.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 1997 konkretisierte die Strafbehörde erster Instanz den Vorwurf dahingehend, daß der im Futtermittel zu gering enthaltene Stoff "Rohprotein" sei. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer eine "Rechtfertigungsfrist" von 14 Tagen eingeräumt.

Nach Verstreichen dieser Rechtfertigungsfrist erließ die Bezirkshauptmannschaft B ihr Straferkenntnis vom 24. September 1997, in welchem über den Beschwerdeführer wegen der vorgeschriebenen Verwaltungsübertretung eine Strafe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 18 Stunden) gemäß § 31 Abs. 1 Z. 2 lit. e Futtermittelgesetz 1993 verhängt worden ist.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, beim gegenständlichen Futtermittel handle es sich um ein Ergänzungsfuttermittel für Aufzuchtkälber, welches aus Getreide, Erzeugnissen und Nebenerzeugnissen aus der Verarbeitung von Ölsaaten, Mineralstoffen, Erzeugnissen und Nebenerzeugnissen aus der Verarbeitung von Getreidekörnern sowie aus Erzeugnissen und Nebenerzeugnissen bestehe, welche zur Aufzucht von Kälbern ab der zweiten Lebenswoche zur freien Aufnahme bis maximal 1,5 kg pro Tier und Tag vorgesehen seien. Dieses Futtermittel dürfe dem Kalb bis zu einem Alter von einem halben Jahr gefüttert werden, danach sei auf ein anderes Futtermittel umzustellen. Stelle man die im Bescheid angeführten Werte an Rohprotein dem angegebenen Wert von 20 % gegenüber, würde der festgestellte Gehalt lediglich 62 % des angegebenen Wertes betragen, somit nicht einmal zwei Drittel. Verfahren wegen des Verdachtes von Übertretungen des Futtermittelgesetzes seien in den vergangenen Jahren auch gegen den Bruder des Beschwerdeführers anhängig gewesen; in diesen habe sich gezeigt, daß Analysenergebnisse des Bundesamtes für Agrarbiologie mit jenen der Versuchsanstalt in K, wo Gegenproben teilweise analysiert worden seien, zum Teil sehr stark differierten. In einem Fall seien die Werte um 300 % auseinander gelegen. Der Beschwerdeführer werde die Gegenproben in K analysieren lassen zum Beweis dafür, daß das vom Bundesamt für Agrarbiologie gewonnene Analysenergebnis nicht richtig sei. Der Beschwerdeführer stellte in der Berufung den Antrag auf Einräumung einer Frist von drei Monaten zur Vorlage des Analysenergebnisses.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 21. Oktober 1997 wurde der Berufung des Beschwerdeführers nur insofern stattgegeben, "als die Vorschreibung des Barauslagenersatzes auf S 1.247,-- herabgesetzt" wurde; im übrigen wurde der Berufung jedoch nicht Folge gegeben. In der Begründung wurde entscheidungswesentlich ausgeführt, das Bundesamt für Agrarbiologie habe mit Gutachten vom 26. Mai 1997 festgestellt, daß die Angabe auf dem Sachaufkleber "Rohprotein 20 %" gelautet habe, der tatsächliche Gehalt an Rohprotein im Mischfuttermittel jedoch nur 12,4 % betragen habe. Daraus gehe offenkundig hervor, daß die nach § 19 Abs. 1 Futtermittelverordnung höchstzulässige Abweichung von 2 % bei weitem, nämlich um weitere 5,6 % überschritten worden sei. Diesem Ermittlungsergebnis sei der Beschwerdeführer bislang nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, obwohl ihm dies schon seit dem Tag der Durchführung der Futtermittelkontrolle - ihm sei vom Kontrollorgan eine der drei versiegelten Endproben für eine allfällige Gegenuntersuchung überlassen worden - möglich gewesen wäre. Abgesehen davon, daß den Beschwerdeführer eine entsprechende Mitwirkungspflicht im Verwaltungsstrafverfahren treffe, sei das erstmals mit der Berufungsvorlage aufgezeigte Vorhaben, in den nächsten drei Monaten bei der Versuchsanstalt in K eine Analyse der Gegenprobe durchführen lassen zu wollen, offenkundig schon deshalb nicht geeignet einen tauglichen Gegenbeweis zu liefern, weil die Haltbarkeitsfrist des verfahrensgegenständlichen Mischfuttermittels - dies sei am 3. Februar 1997 hergestellt worden und seine Haltbarkeit betrage lediglich vier Monate - zwischenzeitig längst abgelaufen sei. Bei dieser Sachelage fände sich kein Grund, an der Richtigkeit des Gutachtens des Bundesamtes für Agrarbiologie zu zweifeln.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid offenkundig in dem Recht auf Nichtbestrafung nach dem Futtermittelgesetz i.V.m. der Futtermittelverordnung verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 51e Abs. 1 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen und bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen. Zu dieser sind die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann, wenn in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet, oder wenn im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, eine Verhandlung unterbleiben, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt.

Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen kann von der Verhandlung abgesehen werden, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann zu Beginn der Verhandlung erfolgen.

Gemäß § 51g Abs. 1 leg. cit. hat der unabhängige Verwaltungssenat die zur Entscheidung in der Sache erforderlichen Beweise aufzunehmen.

Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind außer dem Verhandlungsleiter die Parteien und ihre Vertreter, insbesondere der Beschuldigte, im Verfahren vor einer Kammer, auch die übrigen Mitglieder berechtigt, an jede Person, die vernommen wird, Fragen zu stellen.

Gemäß § 51i VStG ist, wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde, bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet.

§ 51e Abs. 1 VStG sieht also vor, daß über jede Berufung eine öffentliche Verhandlung anzuberaumen ist. Ein Entfall der Verhandlung ist nur ausnahmsweise unter - im gegenständlichen Fall nicht vorliegenden - taxativ aufgezählten Voraussetzungen zulässig.

In ständiger Rechtsprechung führt der Verwaltungsgerichtshof zu § 51e leg. cit. aus, daß selbst ein rechtswidriges Unterbleiben der öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht jedenfalls die Aufhebung des Berufungsbescheides nach sich zieht, sondern dafür die - in der Beschwerde darzustellende - Relevanz im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG maßgeblich ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1995, Zl. 94/05/0331).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht verzichtet. In der Berufung hat er die zu seiner Bestrafung führenden Ermittlungsergebnisse der Strafbehörde erster Instanz mit dem Hinweis angezweifelt, das die Grundlage der Anzeige bildende Gutachten des Bundesamtes für Agrarbiologie entspreche offensichtlich nicht der Richtigkeit; Analysenergebnisse dieses Gutachters wichen oft von Anlasyuntersuchungen der Versuchsanstalt in K ab. Zum Beweis der Richtigkeit dieses Vorbringens beantragte der Beschwerdeführer die Einräumung einer Frist von drei Monaten zur Vorlage eines entsprechenden Gutachtens dieser Versuchsanstalt in K.

Ohne selbst Beweise aufzunehmen und ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid erlassen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß bei Zulassung des vom Beschwerdeführer beantragten Beweismittels das vom Beschwerdeführer gewünschte Ergebnis hervorkommt. Es kann daher nicht gesagt werden, daß selbst bei Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung und entsprechenden Beweisaufnahme kein anderes Ergebnis hervorgekommen wäre. Die Annahme der belangten Behörde, daß auf Grund des Ablaufs der Haltbarkeitsfrist des hier zu beurteilenden Mischfuttermittels eine sachkundige Beurteilung des Rohproteingehalts der gezogenen Gegenproben nicht mehr möglich wäre, ist auf Grund des vorliegenden Akteninhalts nicht zwingend, zumal diesbezüglich keine sachkundigen Ergebnisse vorliegen. Das Vorbringen in der Beschwerde kann auch nicht dahingehend gedeutet werden, daß der Beschwerdeführer von vornherein einen Proteingehalt von 12,4 % der gezogenen Probe des Mischfutters "Bestmix R-O" zugestanden hat. Durch den vom Beschwerdeführer in der Berufung gestellten Antrag wird das Verwaltungsstrafverfahren auch nicht auf unbestimmte Zeit verzögert, wie dies die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift befürchtet, hat doch der Beschwerdeführer selbst die Vorlage des beantragten Beweismittels innerhalb von drei Monaten in Aussicht gestellt.

Aus diesen Gründen erweist sich somit der von der belangten Behörde durch Unterlassung der im § 51e Abs. 1 VStG vorgesehenen öffentlichen mündlichen Verhandlung gesetzte - in der Beschwerde aufgezeigte - Verfahrensmangel als wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG. Der angefochtene Bescheid war daher aus diesem Grunde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997070200.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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