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32/01 Finanzverfahren allgemeines AbgabenrechtNorm
BAO §98 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und den Hofrat Dr. Mairinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der I GmbH in F (Deutschland), vertreten durch Dr. Thomas Mondl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Canovagasse 7, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 16. Oktober 2019, Zl. RV/7100256/2017, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Am 19. Dezember 2013 wurde dem Finanzamt der zwischen der Revisionswerberin als Mieterin und der A-GmbH als Vermieterin abgeschlossene Mietvertrag angezeigt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass aufgrund der Kündigungsmöglichkeiten des betreffenden Mietvertrags gebührenrechtlich von einem Mietvertrag mit unbestimmter Vertragsdauer auszugehen sei.
2 Mit Bescheid vom 19. Februar 2014 setzte das Finanzamt gegenüber der Revisionswerberin die Rechtsgeschäftsgebühr nach § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG 1957 für den Mietvertrag gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufig fest. Da der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss sei, erfolge die Vorschreibung vorläufig.
3 Im Zuge weiterer Ermittlungen des Finanzamts insbesondere zur Höhe des Entgelts des betreffenden Mietvertrags beantwortete die G-GmbH, eine Steuerberatungskanzlei, mit Schriftsatz vom 23. Juni 2016 für die Revisionswerberin das Ergänzungsersuchen des Finanzamts vom 2. Juni 2016 "im Namen und Auftrag" ihrer Mandantin.
4 Mit "Bescheid" vom 25. Juli 2016 setzte das Finanzamt die Rechtsgeschäftsgebühr für den abgeschlossenen Mietvertrag gegenüber der Revisionswerberin gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültig fest.
5 Mit Schriftsatz vom 18. August 2016 gab der im gegenständlichen Revisionsverfahren einschreitende Rechtsanwalt dem Finanzamt bekannt, dass ihn die Revisionswerberin mit ihrer Vertretung beauftragt habe, und ersuchte unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht um Akteneinsicht.
6 In der gegen den "Bescheid" vom 25. Juli 2016 erhobenen Beschwerde richtete sich die Revisionswerberin vor allem gegen die Annahme des Finanzamts, dass der Mietvertrag auf bestimmte Zeit abgeschlossen worden sei.
7 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 31. Oktober 2016 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
8 Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2016 beantragte die Revisionswerberin die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
9 Mit Vorhalt vom 9. September 2019 teilte das Bundesfinanzgericht der Revisionswerberin mit, dass der Bescheid des Finanzamts vom 25. Juli 2016 nach der Aktenlage direkt an die Revisionswerberin und nicht an ihre damalige (zustellbevollmächtigte) Vertreterin, die G-GmbH, zugestellt worden sei. Auch gebe es keinen Hinweis darauf, dass die Revisionswerberin die betreffende Erledigung im Original an die G-GmbH weitergeleitet habe. Es sei daher davon auszugehen, dass der angefochtene Bescheid nicht wirksam erlassen worden sei. Eine Heilung des Zustellmangels sei mangels Weiterleitung des Originals an die G-GmbH nicht erfolgt.
10 Mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2019 trat die Revisionswerberin der vom Bundesfinanzgericht vertretenen Rechtsansicht - ohne nähere Begründung - entgegen.
11 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. Oktober 2019 wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurück, weil der bekämpften Erledigung vom 25. Juli 2016 mangels Zustellung kein Bescheidcharakter zukomme, und erklärte eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig. Es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob durch die Einbringung eines Rechtsmittels ein Zustellmangel (Nichtbeachtung der Zustellvollmacht) iSd §§ 9 Abs. 3 iVm § 7 ZustG saniert werde könne, somit eine "Heilung durch Einlassung" möglich sei.
12 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende ordentliche Revision. Das Finanzamt erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der es die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
15 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Beschluss die Feststellung getroffen, dass der Bescheid des Finanzamts vom 25. Juli 2016 direkt der Revisionswerberin und - trotz bekannt gegebener Zustellvollmacht - nicht ihrer damaligen Vertreterin, der G-GmbH, zugestellt worden ist und keine Weiterleitung des Originals dieser Erledigung an die G-GmbH stattgefunden hat. 16 Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß den §§ 7 und 9 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger (Zustellungsbevollmächtigten) tatsächlich zukommt. Ein tatsächliches Zukommen setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstücks kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhalts des Schriftstücks beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht. Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstücks (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert auch der Umstand, dass ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück eingebracht wird, die fehlende Zustellung nicht (vgl. etwa VwGH 20.11.2019, Fr 2018/15/0011; sowie im Ergebnis bereits VwGH 18.11.2015, Ra 2015/17/0026). Die BAO enthält in Verbindung mit dem ZustG Regelungen über die Heilung von Zustellmängeln; eine "Heilung durch Einlassung" kennen diese Bestimmungen nicht (vgl. nochmals VwGH 20.11.2019, Fr 2018/15/0011).
17 Da die vom Bundesfinanzgericht aufgeworfene Rechtsfrage bereits durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beantwortet ist und im Zulässigkeitsvorbringen der Revision keine weiteren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt werden, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. 18 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20
14.
Wien, am 9. April 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020160004.J00Im RIS seit
09.06.2020Zuletzt aktualisiert am
09.06.2020