TE Vwgh Beschluss 2020/4/9 Ra 2019/14/0309

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Veröffentlicht am 09.04.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §45 Abs2
VwGG §41
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §32

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Revisionssache des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Mai 2019, I403 2129740-2/19E, betreffend Abweisung eines Wiederaufnahmeantrages in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (mitbeteiligte Partei: A B C in D, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Kameruns, stellte am 20. September 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Als Fluchtgrund brachte er vor, dass er als Mitglied des Southern Cameroons National Councils (im Folgenden kurz: SCNC) 2010 und 2014 verhaftet und gefoltert worden sei.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 13. Juni 2016 zur Gänze ab, sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde, erließ gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Kamerun zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit zwei Wochen fest.

3 Der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gab das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Einholung eines Sachverständigengutachtens statt, erkannte ihm den Status des Asylberechtigten zu und stellte fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Das Bundesverwaltungsgericht stellte hinsichtlich der Fluchtgründe des Mitbeteiligten fest, dieser sei in Kamerun aufgrund seiner Mitgliedschaft beim SCNC von staatlichen Exekutivbeamten verhaftet und gefoltert worden. Im Falle der Rückkehr habe der Mitbeteiligte - auch wegen seines exilpolitischen Engagements in Österreich - wohlbegründete Furcht, wegen seiner Mitgliedschaft beim SCNC landesweit nach wie vor verfolgt zu werden.

4 Beweiswürdigend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der Mitbeteiligte habe in der Beschwerdeverhandlung seine Festnahmen bzw. Inhaftierungen sowie Folterungen durch Sicherheitskräfte detailreich und überzeugend schildern können. Diese Einschätzung finde auch Deckung in dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten, in welchem der allgemein beeidete und gerichtliche Sachverständige für Allgemein- und Gerichtsmedizin nach Untersuchung des Mitbeteiligten zusammengefasst festhalte, dass die vom Mitbeteiligten geschilderten Foltermethoden aufgrund der Lokalisation und des Verteilungsmusters der festgestellten Hautveränderungen sowie Narbenbildungen durchaus mit diesen in Einklang zu bringen seien. Die Feststellungen zur exilpolitischen Aktivität des Mitbeteiligten in Österreich würden sich aus seinen glaubhaften Angaben und den vorgelegten Fotos ergeben. 5 Mit Eingabe vom 15. November 2018 beantragte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 VwGVG. Am 6. November 2018 hätten die Ehefrau, die Tochter und der Stiefsohn des Mitbeteiligten bei der Österreichischen Botschaft in Abuja Einreiseanträge gemäß § 35 AsylG 2005 eingebracht. Die Ehefrau des Mitbeteiligten habe nichts zum Fluchtgrund ihres Mannes erzählen können und wisse offensichtlich nichts über eine politische Verfolgung. Sie habe lediglich immer wieder die allgemein schwierige Lage in Kamerun genannt. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fühle sich durch dieses neu hervorgekommene Beweismittel in seiner Einschätzung bestätigt, dass es sich bei der Asylantragstellung des Mitbeteiligten um einen auf unwahren und irreführenden Behauptungen aufgebauten Versuch handle, eine Asylgewährung zu erschleichen. 6 Das Bundesverwaltungsgericht wies den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens - nach erneuter Einvernahme der Ehefrau durch die Österreichische Botschaft Abuja - mit dem nunmehr in Revision gezogenen Beschluss ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit hinsichtlich § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG geltend gemacht, dass die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts in Anbetracht des unauflöslichen Widerspruchs des Vorbringens des Mitbeteiligten und seiner Ehefrau zur behaupteten Inhaftierung und Folterung nicht schlüssig sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe nämlich nicht berücksichtigt, dass anhand des Akteninhaltes nicht nachvollzogen werden könne, warum die Ehefrau des Mitbeteiligten unrichtige Angaben machen sollte.

11 Vorweg ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes unterliegt nur in beschränktem Maße, nämlich nur hinsichtlich ihrer Schlüssigkeit, nicht aber hinsichtlich ihrer Richtigkeit, einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (siehe VwGH 24.1.2020, Ra 2019/14/0616, mwN).

12 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seiner Beweiswürdigung umfangreich mit den Ergebnissen des Asylverfahrens des Mitbeteiligten und den nunmehrigen Angaben seiner Ehefrau im Einreiseverfahren auseinandergesetzt. Es kam zu dem Schluss, dass es keineswegs verkenne, dass die Aussagen der Ehefrau Teile des Vorbringens des Mitbeteiligten nicht bestätigen würden, doch sei ihren Aussagen jedenfalls zu entnehmen, dass ihr Ehemann sich für die Unabhängigkeit Südkameruns eingesetzt habe und von der Polizei schikaniert worden sei. Das "Gefühl" der Mitarbeiter der Konsularabteilung in der Österreichischen Botschaft, dass die Ehefrau unglaubwürdig gewirkt habe, reiche nicht aus. Im Vorverfahren sei die damals zuständige Richterin nach einem umfassenden Ermittlungsverfahren und einer mündlichen Verhandlung zum Ergebnis gekommen, dass der Mitbeteiligte politisch tätig sei und deswegen Verfolgung zu befürchten habe. Zudem sei durch die Aussagen der Ehefrau das exilpolitische Engagement des Mitbeteiligten nicht in Zweifel gezogen, sondern vielmehr seine Tätigkeit für den SCNC bestätigt worden. Die Gewährung des Flüchtlingsstatus sei nämlich auch auf das exilpolitische Engagement gestützt worden. Letztlich sei nicht ausreichend dargelegt worden, dass das Vorbringen des Asylberechtigten, dass er wegen eines Einsatzes für die Unabhängigkeit Südkameruns politische Verfolgung durch die kamerunischen Behörden zu befürchten habe, objektiv unrichtig sei.

13 Dass die dargestellte vom Verwaltungsgericht unter Darlegung der wesentlichen Erwägungen vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise erfolgt wäre, vermag die Revision mit ihren Erwägungen zu den Motiven der Ehefrau des Mitbeteiligten nicht aufzuzeigen. 14 Sofern in der Beweisrüge auch die Beweiswürdigung im Zuerkennungsverfahren als nicht schlüssig bekämpft werden sollte, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Wiederaufnahme des Verfahrens keine Handhabe dafür bietet, eine im abgeschlossenen Verfahren von der Behörde (nunmehr auch Verwaltungsgericht) ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Beweiswürdigung oder Sachverhaltsannahme zu bekämpfen (vgl. VwGH 7.11.1995, 95/20/0223).

15 Die Revision wendet sich in ihrer Zulassungsbegründung weiters vor dem Hintergrund des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gegen die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach den Angaben der Ehefrau die Eignung abgesprochen werden müsste, ein im Hauptinhalt des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeizuführen. Das Verwaltungsgericht stützte sich darauf, dass sich die Asylgewährung im vorangegangenen Verfahren unter anderem auch auf das exilpolitische Engagement des Mitbeteiligten gestützt habe. Mit den in der Revision unter Berufung auf Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs, dargestellten Erwägungen, unter welchen Voraussetzungen ein exilpolitisches Engagement asylrelevant sein könne, legt sie fallbezogen nicht dar, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre. Insbesondere geht die Revision in ihrem Vorbringen nicht vom festgestellten Sachverhalt und somit von einer falschen Prämisse aus, wonach dem Mitbeteiligten der Asylstatus nicht nur wegen der Verfolgung aufgrund seiner exilpolitischen Tätigkeit, sondern auch auf Grund der Inhaftierung und Folterung wegen seiner politischen Aktivitäten im Herkunftsstaat zuerkannt wurde, so dass eine losgelöste Betrachtung und Beurteilung der exilpolitischen Tätigkeit schon deshalb nicht in Betracht kommt. Sohin hängt das Schicksal der Revision, die in Bezug auf das behauptete Verfolgungsszenario nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, von der angeführten Frage nicht ab (vgl. dazu auch VwGH 18.2.2020, Ra 2020/01/0037, mwN).

16 Schließlich begründet die Revision ihre Zulässigkeit mit dem Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung. Die Revision zeigt mit ihren bloß pauschalen Ausführungen aber nicht auf, dass das BVwG von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG und § 21 Abs. 7 BFA-VG abgewichen wäre (vgl. zu diesen Leitlinien grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018; vgl. zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die nur eingeschränkte Verhandlungspflicht im Verfahren über die Wiederaufnahme etwa VwGH 31.7.2009, 2007/09/0081, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR; VwGH 29.5.2017, Ra 2017/16/0070 sowie VwGH 10.2.2020, Ra 2020/01/0023, mwN).

17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019140309.L00

Im RIS seit

09.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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