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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2020/20/0111Ra 2020/20/0112Ra 2020/20/0113Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in den Rechtssachen der Revisionen 1. des S K A,
2. der A A, 3. der F A, und 4. des M H A, alle in G, alle vertreten durch Mag. Julian Alen Motamedi, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/12A, gegen die am 6. Dezember 2019 mündlich verkündeten und mit 3. Februar 2020 schriftlich ausgefertigten Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts, 1. W276 2204700-1/12E, 2. W276 2204696- 1/10E, 3. W276 2204697-1/11E und 4. W276 2204698-1/11E, jeweils betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind miteinander verheiratet und die Eltern der beiden weiteren minderjährigen (in den Jahren 2012 und 2015 geborenen) revisionswerbenden Parteien. Sie alle sind Staatsangehörige von Afghanistan und der Volksgruppe der Sadat (auch: Sayed; eine "Untergruppe" innerhalb der Volksgruppe der Hazara) sowie der schiitischen Glaubensrichtung des Islam zugehörig. Sie stellten am 2. November 2015 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diese Anträge mit den Bescheiden je vom 25. Juli 2018 ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde jeweils mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status von Asylberechtigten mit den in Revision gezogenen Erkenntnissen als unbegründet ab. Allerdings gab es den Beschwerden insoweit statt, als es den revisionswerbenden Parteien den Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannte und ihnen infolge dessen befristete Aufenthaltsberechtigungen erteilte. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Die revisionswerbenden Parteien, die sich allein gegen die Verweigerung der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten wenden, machen geltend, dass sich das Bundesverwaltungsgericht nicht in der erforderlichen Art und Weise mit der "westlichen Orientierung" der Zweitrevisionswerberin auseinandergesetzt habe und die diesbezügliche Beweiswürdigung unvertretbar vorgenommen worden sei.
8 In diesem Zusammenhang ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu führt, dass ihr deshalb internationaler Schutz gewährt werden müsste. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil der Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte (vgl. etwa VwGH 5.8.2019, Ra 2018/20/0320 bis 0325, mwN).
9 Das Bundesverwaltungsgericht traf nach Durchführung einer Verhandlung - wenn auch zum Teil disloziert im Rahmen der beweiswürdigenden Überlegungen - Feststellungen zur aktuellen Lebensweise der Zweitrevisionswerberin. Es setzte sich auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausreichend mit den festgestellten Umständen auseinander. Den revisionswerbenden Parteien gelingt es nicht, aufzuzeigen, dass die vom Bundesverwaltungsgericht im konkreten Fall vorgenommene Gesamtbetrachtung an einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehlerhaftigkeit leiden würde. Auch ist nicht zu sehen, weshalb die im Revisionsschriftsatz angeführten vermissten Feststellungen - etwa dazu, dass die Zweitrevisionswerberin den Namen des österreichischen Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers anzugeben vermocht habe - zu einer anderen Beurteilung hätten führen können. Sohin ist schon die Relevanz der behaupteten Ermittlungs- und Begründungsmängel nicht zu sehen. Dies gilt auch für die in den Revisionen geforderte Befragung der minderjährigen revisionswerbenden Parteien durch das Bundesverwaltungsgericht, zumal die angesprochenen Umstände, soweit sie überhaupt als entscheidungswesentlich angesehen werden können, ohnedies hinreichend in die Beurteilung eingeflossen sind. Schon deshalb war dann aber auch dem weiteren Revisionsvorbringen, ob und wie eine solche Befragung in verfahrensrechtlich einwandfreier Weise hätte vorgenommen werden können, nicht näher zu treten.
10 Soweit die revisionswerbenden Parteien die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts ansprechen, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 11.2.2020, Ra 2020/20/0032 und 0033, mwN). Der Revision gelingt es mit der pauschalen Behauptung der unvertretbaren Würdigung der "westlichen Lebensweise" der Zweitrevisionswerberin, mit der aber der Sache nach der rechtlichen Beurteilung entgegen getreten wird, nicht, Derartiges darzulegen.
11 Von den revisionswerbenden Parteien werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 20. April 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200110.L00Im RIS seit
09.06.2020Zuletzt aktualisiert am
09.06.2020