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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde des GG jun. in M, vertreten durch Dr. Estermann-Dr. Wagner, Dr. Postlmayr, Kommandit-Partnerschaft Rechtsanwälte in Mattighofen, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 2. Mai 1997, Zl. VwSen-200193/2/Gf/Km, betreffend Übertretung des Futtermittelgesetzes (weitere Partei: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich wurde der Beschwerdeführer als verantwortlich Beauftragter "für die Bereiche Futtermittelherstellung und In-Verkehr-Bringung des Mischfutterwerkes G. GmbH & Co KG, M.," wegen Übertretung des § 4 Abs. 3 Futtermittelgesetz 1993, BGBl. Nr. 905, in Verbindung mit § 14 Abs. 1, § 26 Abs. 1 Z. 5 und § 21 Abs. 1 Futtermittelverordnung 1994, BGBl. Nr. 273 i.d.F.
BGBl. Nr. 183/1996 als "im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG 1991 verwaltungsstrafrechtlich" Verantwortlicher gemäß § 31 Abs. 1 Z. 2 lit. e Futtermittelgesetz 1993 bestraft. Er habe am 29. Februar 1996 Futtermittel mit fehlenden bzw. falschen Angaben in Verkehr gebracht.
Bezüglich der Annahme, der Beschwerdeführer sei verantwortlich Beauftragter gemäß § 9 Abs. 1 VStG stützten sich die Strafbehörden offensichtlich auf eine "zwischen G.G. sen. und dem Beschwerdeführer getroffene Vereinbarung" des Inhaltes:
"Ich, Herr G.G., ... bestelle für den Unternehmensbereich
Futtermittelherstellung (vormischen, mischen, ...) meinen Sohn
G.G. (Beschwerdeführer) ... mit dessen Zustimmung zum
verantwortlichen Beauftragten.
Herr (Beschwerdeführer) wird für diese Sparte des Unternehmens die ausschließliche Anordnungsbefugnis gegenüber Dienstnehmern des Betriebes und Dritten übertragen."
Über eine von der Strafbehörde erster Instanz an die G. GesmbH & Co KG gerichtete Anfrage vom 8. Mai 1996 hatten offensichtlich die an der KG beteiligten natürlichen Personen - darunter befindet sich nicht der Beschwerdeführer - in einer Stellungnahme vom 20. Mai 1996 mitgeteilt, daß der Beschwerdeführer zur Tatzeit auch für das In-Verkehr-Bringen der Futtermittel verantwortlich gewesen sei. Der in dieser Stellungnahme als Zeuge namhaft gemachte B.G. gab gegenüber der Strafbehörde am 21. Juni 1996 vernommen an, daß der Beschwerdeführer zum verantwortlich Beauftragten für die Unternehmensbereiche Futtermittelherstellung und In-Verkehr-Bringung der Futtermittel der G. GmbH & Co KG am 1. Dezember 1987 als verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher bestellt worden sei und dem zugestimmt habe. Der Beschwerdeführer wurde hiezu ausdrücklich nicht befragt. Der Beschwerdeführer hat seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit weder vor der Strafbehörde erster Instanz noch in der Berufung in Frage gestellt. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führt die belangte Behörde hiezu aus, daß der Beschwerdeführer "seine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit als Beauftragter gemäß § 9 Abs. 1 VStG weder während des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch mit der gegenständlichen Berufung in Frage gestellt" habe.
Durch den angefochtenen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer offenkundig in dem Recht, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht bestraft zu werden, verletzt. Er macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Erstmals in der Beschwerde führt nunmehr der Beschwerdeführer aus, daß er seit ca. 4 Jahren nicht mehr bei der G. GmbH & Co KG tätig sei. Seine Bestrafung als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG sei nicht zulässig.
In der Gegenschrift führt die belangte Behörde hiezu aus, der Beschwerdeführer hätte sich im Verfahren vor der Erstbehörde damit verantwortet, gemäß § 9 VStG zum verantwortlich Beauftragten bestellt worden zu sein (Hinweis auf den Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 20. Mai 1996 und die Bestellungsurkunde vom 1. Dezember 1987). Das Vorbringen in der Beschwerde stelle eine unzulässige Neuerung dar.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlich Beauftragten bestellt werden.
Gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen kann eine physische Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlich Beauftragten bestellen.
Ob der Beschuldigte die Tat in eigener Verantwortung oder als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft oder als verantwortlicher Beauftragter zu verantworten hat, ist nicht Sachverhaltselement der ihm zur Last gelegten Übertretung, sondern ein die Frage der Verantwortlichkeit der von Anfang an als Beschuldigten angesprochenen Person betreffendes Merkmal, das aber auf die Vollständigkeit der Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG ohne Einfluß ist. Es liegt daher keine Verjährung vor, wenn dem Beschuldigten erstmals im Berufungsbescheid, und zwar nach Ablauf der Frist des § 31 Abs. 2 VStG vorgeworfen wird, die Übertretung in seiner Eigenschaft als Verantwortlicher nach § 9 VStG begangen zu haben (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 16. Jänner 1987, Slg. NF Nr. 12.375/A).
Die Bestellung zum verantwortlich Beauftragten wirkt erst ab dem Zeitpunkt, zu dem der Behörde die Zustimmung der zum verantwortlich Beauftragten bestellten Person nachgewiesen wird. Erst mit dem Einlangen des Zustimmungsnachweises bei der Behörde tritt ihr gegenüber der namhaft gemachte verantwortlich Beauftragte in rechtswirksamer Weise als Adressat der Verwaltungsstrafnorm an die Stelle des zur Vertretung nach außen Berufenen bzw. des Einzelunternehmers. Es muß bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der gegenständlichen Übertretung stammender - Zustimmungsnachweis eines derartigen verantwortlich Beauftragten eingelangt sein. Von einem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammenden Zustimmungsnachweis kann nur dann gesprochen werden, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlich Beauftragten betreffendes Beweisergebnis schon vor Begehung der Tat vorhanden war (etwa in Form einer entsprechenden Urkunde, aber auch einer Zeugenaussage, vgl. hiezu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,
5. Auflage, Seiten 821 ff, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Da dies auf ein erst nach diesem Zeitpunkt zustande gekommenes Beweisergebnis nicht zutrifft, genügt zur Erbringung des vom Gesetzgeber geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht die Berufung auf eine erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlich Beauftragten oder anderer Personen, mit der die Zustimmung des Erstgenannten zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (vgl. hiezu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 810, referierte hg. Rechtsprechung).
Die Strafbehörden, aber auch der Beschwerdeführer gehen von einer Bestellung als verantwortlich Beauftragter der
G. GmbH & Co KG aufgrund der Vereinbarung vom 1. Dezember 1987 aus, wobei die Strafbehörden eine "Bestellung" aufgrund § 9 Abs. 1 VStG, der Beschwerdeführer hingegen eine solche nach § 9 Abs. 2 VStG annehmen. Die Vereinbarung vom 1. Dezember 1987 vermag jedoch eine Bestellung des Beschwerdeführers zum verantwortlich Beauftragten nach § 9 VStG für die
G. GmbH & Co KG für den hier maßgeblichen Zeitraum aus folgenden Erwägungen nicht zu begründen. Die Vereinbarung vom 1. Dezember 1987 wurde zwischen G.G. sen. und G.G. jun. (Beschwerdeführer) abgeschlossen. Die Vereinbarung enthält keinen Hinweis auf die Personengemeinschaft G. GmbH & Co KG oder eine andere juristische Person bzw. Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit, vielmehr weist der Briefkopf auf das Einzelunternehmen G.G. Die Textierung der vorerwähnten "Vereinbarung" bezieht sich ihrem Wortlaut nach auf den "Unternehmensbereich Futtermittelherstellung", nicht jedoch auch auf die Sparte des Unternehmens, welche unter den Begriff der "In-Verkehr-Bringung" der Futtermittel in Verbindung gebracht werden könnte. Dies ist im gegenständlichen Beschwerdefall deshalb von Bedeutung, weil die Straftatbestände des Futtermittelgesetzes in Verbindung mit der bezughabenden Futtermittelverordnung ausdrücklich zwischen Übertretungen bei Herstellung der Futtermittel und In-Verkehr-Bringung derselben unterscheiden. Aufgrund der Vereinbarung vom 1. Dezember 1987 konnten daher die Strafbehörden nicht annehmen, der Beschwerdeführer sei zum Tatzeitpunkt strafrechtlich "verantwortlich Beauftragter gemäß § 9 Abs. 1 VStG" der
G. GmbH & Co KG für das In-Verkehr-Bringen der von dieser Gesellschaft erzeugten Futtermittel gewesen. Ausgehend von der oben wiedergegebenen hg. Rechtsprechung, wonach der Zustimmungsnachweis im Sinne des § 9 VStG aus der Zeit vor der Begehung der gegenständlichen Übertretung stammen muß, konnten die Strafbehörden auch nicht die Stellungnahme vom 20. Mai 1996, welche entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift nicht vom Beschwerdeführer abgegeben worden ist, und auch nicht die Zeugenaussage des B.G. als Grundlage für die Annahme einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG heranziehen. Die erstmals in der Beschwerde enthaltenen diesbezüglichen Ausführungen stellen auch keine Neuerung im Sinne des § 41 Abs. 1 VwGG dar, weil von den Strafbehörden aufgrund der vorliegenden Beweise falsche rechtliche Schlußfolgerungen gezogen worden sind. Ob der Beschwerdeführer seit mehr als vier Jahren nicht mehr im Unternehmen der G. GmbH & Co KG beschäftigt ist, ist für das Beschwerdeverfahren somit nicht weiter von entscheidungswesentlicher Bedeutung.
Schon aus diesen Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997070100.X00Im RIS seit
20.11.2000