TE Vwgh Beschluss 2020/4/22 Ra 2020/14/0139

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Veröffentlicht am 22.04.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

ABGB §1332
BFA-VG 2014 §48 Abs1
BFA-VG 2014 §48 Abs2
BFA-VG 2014 §48 Abs3
VwGG §24 Abs1
VwGG §24 Abs2
VwGG §46 Abs1
VwGVG 2014 §33

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2020/14/0140Ra 2020/14/0141

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in den Rechtssachen der Anträge 1. des A B,

2. der C D und 3. der E F, alle vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung von Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Jänner 2010, 1. L515 2227605- 1/3E, 2. L515 2227689-1/2E und 3. L515 2227690-1/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand werden abgewiesen.

Begründung

1 Mit Erkenntnissen vom 24. Jänner 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden der Wiedereinsetzungswerber, alle Staatsangehörige Georgiens, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19. Dezember 2019, mit denen ihre Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten und der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien abgewiesen und Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt worden waren, mit einer hier nicht relevanten Maßgabe als unbegründet ab. Ferner wurden Rückkehrentscheidungen erlassen und festgestellt, dass die Abschiebungen nach Georgien zulässig seien. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt und es wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Unter einem wurde ein Einreiseverbot in der Dauer von sechs Jahren hinsichtlich des Erstantragstellers und in der Dauer von einem Jahr hinsichtlich der Zweit- und Drittantragsteller erlassen und ausgesprochen, dass die Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2 Die Antragsteller begehren mit ihrer von der Diakonie-Flüchtlingsdienst gem. GmbH abgefassten Eingabe vom 19. März 2020 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung von Anträgen auf Gewährung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer außerordentlichen Revision gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes. Unter einem werden die versäumten Prozesshandlungen nachgeholt und die Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Erhebung einer außerordentlichen Revision eingebracht.

3 Die Antragsteller bringen zur Begründung der Wiedereinsetzungsanträge vor, ihre bevollmächtigte Vertretung, eine Rechtsberatungseinrichtung, habe am 28. Jänner 2020 versucht ihnen ein Schreiben samt dem negativen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes postalisch an die im ZMR angeführte Adresse X zuzustellen. In dieser Zeit seien die Antragsteller jedoch bereits in eine neue Grundversorgungsunterkunft verlegt worden. Eine Nachsendung des Schreibens sei nicht veranlasst worden. Erst als das Schreiben am 6. März 2020 mit dem Vermerk "unbekannt" retour gesandt worden sei, sei eine ZMR-Anfrage seitens der Rechtsberatungseinrichtung erfolgt und das Schreiben nochmals an die neue Adresse gesendet worden. Die Antragsteller haben daraufhin am 10. März 2020, dem letzten Tag der 6-Wochen-Frist, die Rechtsberatung kontaktiert. Aufgrund eines Missverständnisses der ansonsten sehr gewissenhaften und verlässlichen Administrationskraft in der Beratungsstelle seien die Antragsteller auf eine Beratung am 12. März 2020 verwiesen worden. An diesem Tag habe die Rechtsberatungseinrichtung erstmals Kenntnis davon erlangt, dass die 6-Wochen-Frist schon abgelaufen gewesen sei.

4 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. 5 Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben (vgl. VwGH 21.1.2020, Ra 2019/14/0604, mwN).

6 Im vorliegenden Fall ist es zunächst von den Antragstellern selbst zu vertreten, dass die von ihnen Bevollmächtigte mit ihnen nicht (mehr) erfolgreich in Kontakt treten konnte. Dass die Antragsteller die Vertreterin von der Aufgabe der bisherigen Unterkunft und ihren Wechsel an eine andere Unterkunft verständigt gehabt hätten, behaupten sie nicht. Ebensowenig behaupten sie, dass sie infolge des Umzuges von der ursprünglichen Unterkunft Vorkehrungen getroffen hätten, dass ihnen Poststücke, die an ihre bisherige Adresse gesendet würden, zur Kenntnis hätten gelangen können. Dass aber solche Kontaktaufnahmen - im Besonderen zwecks Vornahme von Verständigungen durch den Vertreter über den weiteren Verfahrensverlauf sowie zwecks Abklärung, ob und allenfalls welche weiteren Verfahrensschritte, wie etwa das Ergreifen von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen, zu setzen wären - zu erwarten sind, ist auch für eine rechtsunkundige Partei - umso mehr, wenn ihr bekannt ist, dass ein (hier zudem: von ihr selbst betriebenes) Verfahren anhängig ist - ohne Weiteres leicht einsichtig. Dass die Antragsteller ihre Vertreterin nicht vom Wechsel ihrer Unterkunft (und damit verbunden ihrer Unerreichbarkeit an der alten Unterkunft) verständigt hat, führt somit dazu, dass nicht mehr davon gesprochen werden könnte, der Fristversäumnis läge ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis zugrunde, das lediglich auf einem minderen Grad des Versehens beruht hätte (vgl. dazu, dass ein Mangel in der Kommunikation zwischen der Partei und seinem Vertreter grundsätzlich kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG darstellt, VwGH 28.8.2019, Ra 2019/14/0375; 27.4.2016, Ra 2016/05/0015 bis 0016, mwN).

7 Die Antragsteller bringen weiters vor, dass nach Übersendung an die richtige Adresse eine Kontaktaufnahme am 10. März 2020 erfolgt sei und die Antragsteller aufgrund eines Missverständnisses der ansonsten sehr gewissenhaften und verlässlichen Administrationskraft in der Beratungsstelle der Rechtsberatung auf eine Beratung am 12. März 2020, somit nach Ablauf der Revisionsfrist, verwiesen worden seien.

8 Im Hinblick auf den dem Vertreter unterlaufenen Fehler ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei trifft, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Immer dann, wenn ein Fremder das als Vollmachtserteilung zu verstehende Ersuchen um Vertretung im Sinn des BFA-VG an die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person richtet oder der juristischen Person schriftlich ausdrücklich Vollmacht erteilt, ist dem Fremden das Handeln des sodann von der juristischen Person konkret mit der Durchführung seiner Vertretung betrauten Rechtsberaters wie bei jedem anderen Vertreter zuzurechnen (vgl. VwGH 22.2.2019, Ra 2019/01/0054, mwN).

9 Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass Rechtsberater das Anforderungsprofil gemäß § 48 Abs. 1 bis 3 BFA-VG erfüllen müssen (vgl. VwGH 9.2.2018, Ra 2018/20/0008). Damit ist bereits geklärt, dass es sich bei Rechtsberatern nicht um rechtsunkundige Personen handelt. 10 Im vorliegenden Fall wurde der Verfahrenshilfeantrag nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag aufgrund eines Fehlers der Administrationskraft der Rechtsberatungseinrichtung zu spät eingebracht. Grund dafür sei gewesen, dass die Administrationskraft aufgrund eines - nicht näher erläuterten - Missverständnisses davon ausgegangen sei, dass am 12. März 2020 die Frist zur Erhebung eines Verfahrenshilfeantrages noch offen sei. Selbst wenn dieser Fehler, wie das Antragsvorbringen zu indizieren scheint, nicht dem zuständigen Rechtsberater, sondern einem administrativen Mitarbeiter der Beratungsstelle unterlaufen sein sollte, ist es dem verantwortlichen Rechtsberater selbst anzulasten, nicht jene Sorgfalt im Umgang mit gerichtlichen Fristen an den Tag gelegt zu haben, die von einem rechtskundigen Parteienvertreter zu erwarten ist. Dazu hätte auch gehört, die korrekte Berechnung der Fristen sicherzustellen und zu überwachen (vgl. dazu die in ähnlichen Fällen ergangene Rechtsprechung zu den berufsmäßigen Parteienvertretern; etwa VwGH 17.1.2019, Ra 2018/18/0482; mwN).

11 Dass bloß ein den minderen Grad des Versehens nicht übersteigendes Verschulden zum Unterbleiben der Kontrolle der Berechnung der Frist durch den zuständigen Rechtsberater geführt hätte, wird im gegenständlichen Antrag nicht behauptet. 12 Zusammenfassend kann daher nicht erkannt werden, dass die Säumnis im vorliegenden Fall auf ein Versehen von minderem Grad zurückzuführen war.

13 Den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt somit keine Berechtigung zu, weshalb sie nach § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

14 Sohin war es auch entbehrlich, einen Auftrag zur Behebung des dem Wiedereinsetzungsantrag anhaftenden Mangels - dieser wurde entgegen der Bestimmung des § 24 Abs. 2 VwGG nicht durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abgefasst und eingebracht - zu erteilen. Ein solcher Auftrag erübrigt sich nämlich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wenn - was hier der Fall ist - der Antrag zweifelsfrei erkennen lässt, dass keinerlei Anhaltspunkte für die Stattgabe des Wiedereinsetzungsantrages gegeben sind und somit auch nach Behebung des Mangels die Bewilligung der Wiedereinsetzung ausgeschlossen wäre (vgl. VwGH 28.8.2019, Ra 2019/14/0375, mwN).

15 Über die gemeinsam mit den Wiedereinsetzungsanträgen eingebrachten Anträge auf Gewährung der Verfahrenshilfe wird vom zuständigen Berichter (§ 14 VwGG) gesondert entschieden werden.

Wien, am 22. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140139.L00

Im RIS seit

09.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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