TE Vwgh Beschluss 2020/4/22 Fr 2020/14/0003

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Veröffentlicht am 22.04.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verfassungsgerichtshof
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §38
B-VG Art129a Abs3
B-VG Art132
B-VG Art133 Abs1 Z2
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art89 Abs2
VerfGG 1953 §62 Abs3 idF 1990/329
VwGG §38
VwGG §38 Abs2 Z1
VwGG §38 Abs2 Z2
VwGG §38 Abs4
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §34 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §34 Abs2 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Rossmeisel, den Hofrat Dr. Himberger und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, in der Fristsetzungssache der X Y, vertreten durch Dr. Alois Eichinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2/12 gegen das Bundesverwaltungsgericht wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem AsylG 2005, den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Verfahren wird eingestellt.

Der Bund hat der Antragstellerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Fristsetzungsantrag vom 9. Jänner 2020 begehrte die Antragstellerin, dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung über ihre - am 20. Juni 2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangte - Beschwerde eine Frist von höchstens drei Monaten zu setzen.

2 Mit verfahrensleitender Anordnung vom 28. Jänner 2020, Fr 2020/14/0003-4, wurde dem Bundesverwaltungsgericht aufgetragen, binnen einer Frist von drei Monaten die Entscheidung über die Beschwerde der Antragstellerin zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. 3 Mit Beschluss vom 5. Februar 2020, W199 2198760-1/13Z, stellte das Bundesverwaltungsgericht an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, § 2 Abs. 1 Z 22 und § 34 Abs.1, 2, 4 und 5 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 53/2019 als verfassungswidrig aufzuheben. Das Bundesverwaltungsgericht legte dem Verwaltungsgerichtshof eine Abschrift dieses Beschlusses sowie den Zustellnachweis vor.

4 § 34 VwGVG sieht vor (auszugsweise):

"Entscheidungspflicht

§ 34. (1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B VG beginnt die Entscheidungsfrist mit der Vorlage der Beschwerde und in den Fällen des § 28 Abs. 7 mit Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist. Soweit sich in verbundenen Verfahren (§ 39 Abs. 2a AVG) aus den anzuwendenden Rechtsvorschriften unterschiedliche Entscheidungsfristen ergeben, ist die zuletzt ablaufende maßgeblich.

(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

(3) ..."

5 § 38 VwGG lautet auszugsweise:

"Fristsetzungsantrag

§ 38. (1) Ein Fristsetzungsantrag kann erst gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtssache nicht binnen sechs Monaten, wenn aber durch Bundes- oder Landesgesetz eine kürzere oder längere Frist bestimmt ist, nicht binnen dieser entschieden hat.

(2) In die Frist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union;

3. ...

...

(3) ...

(4) Auf Fristsetzungsanträge sind die §§ 33 Abs. 1 und 34 Abs. 1, 2 und 3 sinngemäß anzuwenden. In allen sonstigen Fällen ist dem Verwaltungsgericht aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten das Erkenntnis oder den Beschluss zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie desselben dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn das Verwaltungsgericht das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Erlassung des Erkenntnisses oder Beschlusses unmöglich machen. Wird das Erkenntnis oder der Beschluss erlassen, so ist das Verfahren über den Fristsetzungsantrag einzustellen."

6 Der Säumnisschutz durch Fristsetzungsanträge verfolgt den Zweck, Abhilfe gegen die Untätigkeit des Verwaltungsgerichts zu bieten (vgl. VwGH 13.11.2018, Fr 2018/21/0019), was ihm mit dem früher nach dem VwGG vorgesehenen Rechtsbehelf der Säumnisbeschwerde gemein ist (vgl. VwGH 17.12.2014, Fr 2014/18/0033).

7 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der hier gegenständliche Fall, in dem das Verwaltungsgericht erst nach Ablauf der ihm zur Verfügung stehenden Entscheidungsfrist mit einem Normprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof herangetreten ist, von § 34 Abs. 2 Z 2 VwGVG und § 38 Abs. 2 Z 2 VwGG nicht erfasst wird (vgl. zur in der Z 1 dieser Bestimmungen geregelten Konstellation bereits ausdrücklich VwGH 14.1.2020, Fr 2019/12/0042, Rn. 9, wo dargelegt wurde, dass § 34 Abs. 2 Z 1 VwGVG und § 38 Abs. 2 Z 1 VwGG für die Frage, wie ein (weiterer) Fristsetzungsantrag zu behandeln ist, wenn nach Ablauf der Entscheidungsfrist ein Aussetzungsbeschluss gefasst wurde, keine explizite Regelung enthalten).

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zu § 38 VwGG bereits ausgeführt, dass in Übertragung der zur früheren (vor dem 1. Jänner 2014 geltenden) Rechtslage des VwGG ergangenen Judikatur das Verfahren über einen Fristsetzungsantrag gemäß § 38 Abs. 4 VwGG einzustellen ist, wenn das säumige Verwaltungsgericht nach Einbringung eines Fristsetzungsantrages einen Beschluss fasst, womit das bei ihm anhängige Verfahren gemäß § 38 AVG (iVm § 17 VwGVG) ausgesetzt wird (vgl. VwGH 28.7.2017, Fr 2017/12/0016; 25.5.2016, Fr 2015/11/0007). Ein solcher - allenfalls auch erst während des Fristsetzungsverfahrens erlassener - Beschluss beendet nämlich - unbeschadet der für einen Antragsteller vor Aussetzung des Verfahrens zur Verfügung stehenden Möglichkeit, die Säumnis des Verwaltungsgerichts mittels Fristsetzungsantrag geltend zu machen - die Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts (vgl. VwGH 14.1.2020, Fr 2019/12/0042).

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat ferner in seiner Rechtsprechung zur vor dem 1. Jänner 2014 geltenden Rechtslage - ebenfalls unter Verweis darauf, dass das Wesen der damals nach dem VwGG vorgesehenen Säumnisbeschwerde darin gelegen sei, dass sie die Partei vor einer Rechtsverweigerung durch die Verwaltungsbehörde schützen sollte - darauf abgestellt, dass dann, wenn die (damalige) belangte Behörde (ein unabhängiger Verwaltungssenat), die einen Normprüfungsantrag beim Verfassungsgerichtshof gestellt und sohin die ihr gemäß Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 129a Abs. 3 B-VG (in der damals maßgeblichen Fassung) zukommende Verpflichtung wahrgenommen hatte, den Ausgang des - zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde nicht erledigten - Verfahrens des Verfassungsgerichtshofes abzuwarten (vgl. dazu § 62 Abs. 3 VfGG idF BGBl. Nr. 329/1990), nicht von einer Rechtsverweigerung durch Untätigsein der Behörde und damit auch nicht von einer Verletzung der Entscheidungspflicht die Rede sein könne. In einem solchen Fall lagen die Voraussetzungen für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde nicht vor, was zu deren Zurückweisung zu führen hatte (vgl. VwGH 29.9.1993, 93/03/0152). 10 Auch diese Rechtsprechung stellt sich vor dem Hintergrund, wonach auch mit dem Rechtsinstitut des Fristsetzungsantrages nach der aktuellen Rechtslage des VwGG - wie bereits oben dargestellt  - der Zweck verfolgt wird, Abhilfe gegen die Untätigkeit des Verwaltungsgerichtes zu bieten, als auf die aktuelle Rechtslage zu übertragen dar.

11 Es ist daher davon auszugehen, dass - ebenso wie in jenem Fall, in dem das Verwaltungsgericht mit einer Aussetzung nach § 38 AVG vorgeht - auch die Erlassung eines Beschlusses, mit dem das säumige Verwaltungsgericht an den Verfassungsgerichtshof mit einem Antrag auf Normprüfung herantritt, zur Folge hat, dass damit die Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts beendet ist. Auch in einem solchen Fall liegen die Voraussetzungen für die Erhebung eines Fristsetzungsantrages nicht (länger) vor. Das Verfahren über einen vor dieser Beschlussfassung zulässigerweise eingebrachten Fristsetzungsantrag, mit dem der Antragsteller die Möglichkeit hatte, die bereits eingetretene und bis dahin aufrechte Säumnis des Verwaltungsgerichts geltend zu machen und auf diese Weise die Untätigkeit des Verwaltungsgerichts zu beenden, ist nach § 38 Abs. 4 VwGG einzustellen.

12 Das Verfahren über den Fristsetzungsantrag war daher - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 38 Abs. 4 VwGG einzustellen.

13 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff, insbesondere auf § 56 Abs. 1 zweiter Satz VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 22. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:FR2020140003.F00

Im RIS seit

09.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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